Allgemeine Zeitung, Nr. 84, 24. März 1848.[Spaltenumbruch]
urtheilten, und Oeffentlichkeit der Ständeverhandlungen sofort gewäh- + Aus dem Hannoverischen, 20 März. Wie ich Ihnen *** Hannover, 20 März. Der Geheimerath v. Falcke hat Preußen. Köln, 19 März. Durch das unselige Zaudern in [Spaltenumbruch]
urtheilten, und Oeffentlichkeit der Ständeverhandlungen ſofort gewäh- † Aus dem Hannoveriſchen, 20 März. Wie ich Ihnen *** Hannover, 20 März. Der Geheimerath v. Falcke hat Preußen. ⊙ Köln, 19 März. Durch das unſelige Zaudern in <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div type="jArticle" n="4"> <p><pb facs="#f0003" n="1331"/><cb/> urtheilten, und Oeffentlichkeit der Ständeverhandlungen ſofort gewäh-<lb/> ren, die andern Bitten aber um Sachen rückſichtlich deren er an die Mit-<lb/> wirkung der Stände gebunden, durch Vorlagen an dieſe erledigen werde.“<lb/> Nach dieſer Eröffnung zog die Menge ruhig ab. Der Magiſtrat ließ<lb/> darauf ſofort die Adreſſe der Bürgerſchaft, welche die Bitten enthält,<lb/> ſeine befürwortende Petition <hi rendition="#g">und die Gewährungen des Königs</hi><lb/> drucken und Abends in der Stadt vertheilen. Abends gab es vielfachen<lb/> Auflauf und Spectakel, „vor einigen Häuſern (wie die Hannoverſche Zei-<lb/> tung ſagt) wurden Vivats gebracht“ — nämlich bei beliebten Bürgern<lb/> und Führern der Bewegung — „an andern wurden Fenſter eingeworfen“<lb/> — nämlich beim Geh. Cabinetsrath v. Falcke, der Seele unſers Cabi-<lb/> nets, der Gräſin Grote, einer beim König ſehr einflußreichen Dame, und<lb/> bei einigen Polizeibeamten. Da man die Wohnung der Gräfin Grote<lb/> nicht genau wußte, litten einige benachbarte Häuſer aus Irrthum mit<lb/> unter den Steinwürfen; an einem dieſer irrthümlich beſchädigten Häuſer<lb/> fand ſich am andern Morgen die Inſchrift: „Wir bitten um Entſchuldi-<lb/> gung.“ Der königliche Palaſt dem ſich mehrmals lärmende Haufen zu<lb/> nähern verſuchten, war durch Aufſtellung von Truppen geſchützt, wie<lb/> denn auch ſonſt zahlreiche Patrouillen und Truppenabtheilungen die Lär-<lb/> menden möglichſt zu vertreiben ſuchten, ohne jedoch irgendwie von der<lb/> Waffe Gebrauch zu machen. Um Mitternacht war alles ruhig. Am an-<lb/> dern Morgen, geſtern den 18, wurde ein Extrablatt der Hannoverſchen<lb/> Zeitung ausgegeben, welches ebenfalls die Adreſſe der Bürgerſchaft und<lb/> die Petition des Magiſtrats brachte, zugleich aber über die vom König<lb/> gemachten Conceſſionen in durchaus von der am Tage zuvor vom Ma-<lb/> giſtrate dieſerhalb veröffentlichten Mittheilung abweichender Weiſe refe-<lb/> rirte: <hi rendition="#g">es war nach dieſer Verſion der Hannoverſchen Zei-<lb/> tung gar nichts direct bewilligt worden.</hi> Zugleich erfolgte<lb/> eine officielle Reſolution <hi rendition="#g">des Königs an den Magiſtrat,</hi> welche mit<lb/> der Verſion der Hannoverſchen Zeitung übereinſtimmte. Dieſes offen-<lb/> bare Zurücknehmen des geſtern Bewilligten machte ſehr böſes Blut. Für<lb/> den Abend waren Exceſſe zu beſorgen, denen man durch Vorbereitung<lb/> zur Entfaltung großer militäriſcher Maßregeln zu begegnen ſuchte; die<lb/> Promenaden welche rings um die Stadt und namentlich die faſhionabeln<lb/> Straßen umgeben ſind mit Pfoſten eingefaßt, welche durch Ketten ver-<lb/> bunden ſind; dieſe Ketten wurden eiligſt entfernt, damit die Cavallerie<lb/> nicht dadurch gehemmt werde, auch andere Hinderniſſe beſeitigt. Inzwi-<lb/> ſchen mag die Kunde von den Wiener Ereigniſſen doch zum Beſſern ein-<lb/> gewirkt haben. Man forderte die Bürgerſchaft in aller Eile zur Errich-<lb/> tung einer — vorläufig unbewaffneten — Schutzwache auf, welche die<lb/> Aufrechthaltung der Ruhe übernahm; dagegen ſollte das Militär nur<lb/> auf Requiſition dieſer Bürgerwache einſchreiten dürfen, die Thore wur-<lb/> den gegen Geſindel, das etwa von außen eindringen wolle, geſperrt ꝛc.<lb/> So verging der Abend durchaus ruhig. Dagegen wurde — und die<lb/> Vereinigung zu der Bürgerwache bot zur Verabredung zu gemeinſchaft-<lb/> lichem Handeln die bequemſte Gelegenheit — ein neuer Zug vor des Kö-<lb/> nigs Palaſt auf heute morgen verabredet, um nun die am 17 bewillig-<lb/> ten, am 18 in Frage geſtellten Bewilligungen in unzweifelhafterer Weiſe<lb/> zu erlangen. Die Regierung erhielt davon Kunde, und nun wurden durch<lb/> den Landdroſten v. Dachenhauſen und die Adjutanten des Königs Ver-<lb/> handlungen mit der Bürgerſchaft und dem Magiſtrat angeknüpft. Um<lb/> 11 Uhr Nachts noch ward das Concept einer neuen königlichen Reſolu-<lb/> tion vorgelegt, welche die vom 17 erklären ſollte; die Bürgerſchaft ver-<lb/> warf dieſe und forderte unbedingte Genehmigung der Veröffentlichung<lb/> des Magiſtrats über die gemachten Bewilligungen. Dieſe ward endlich<lb/> zugeſtanden, noch um Mitternacht vom König unterzeichnet und die deß-<lb/> fallſige Reſolution in der Nacht gedruckt, heute früh in der Stadt ver-<lb/> theilt. Dieſelbe — wie zu guter Vorbedeutung der Contraſignatur des<lb/> Hrn. v. Falcke entbehrend — beſtätigt einfach die Verſion der Magi-<lb/> ſtratsmittheilung als die ächte. Jetzt iſt alles ruhig, d. h. hinſichtlich<lb/> der gemachten Bewilligungen; dagegen iſt eine Petition wegen Entlaſ-<lb/> ſung des Miniſteriums im Gange. Eine eben ſolche iſt, in Osnabrück<lb/> unterzeichnet, hieher unterwegs. In Osnabrück iſt überhaupt die Stim-<lb/> mung eine ſehr erhöhte; als die Nachricht von Metternichs Falle an-<lb/> langte, wurde die ganze Stadt erleuchtet, und zwar illuminirte nicht bloß<lb/> die Bürgerſchaft, ſondern auch die königlichen Beamten, ja das könig-<lb/> liche Schloß und die Caſerne wurden illuminirt, und zwar dieſe unter<lb/> Zurückweiſung der angebotenen Koſten aus der Regimentscaſſe durch die<lb/> Beiträge der Unterofficiere, die ſich das nicht nehmen laſſen wollten. —<lb/> Aus Celle iſt eine ungemein energiſche Petition eingetroffen, ähnliche<lb/> auch von vielen andern Städten und Corporationen; für Eröffnung des<lb/><cb/> Landtags iſt der Beſuch von vielen Tauſenden aus allen Gegenden des<lb/> Landes zu erwarten, die ihre Deputirten hieher geleiten wollen. Die Er-<lb/> öffnung wird übrigens durch den Prinzen Bernhard v. Solms-Braun-<lb/> fels vorgenommen werden; der König, trotz ſeiner Krankheit bis vor-<lb/> geſtern noch entſchloſſen die Eröffnung in Perſon vorzunehmen, fühlt<lb/> ſich jetzt zu krank und ſchwach dazu.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline>† <hi rendition="#b">Aus dem Hannoveriſchen,</hi> 20 März.</dateline> <p>Wie ich Ihnen<lb/> vor einiger Zeit ſchrieb daß bei uns, in Oldenburg, Mecklenburg, Pom-<lb/> mern die Bewegung am ſpäteſten ausbrechen würde, ſo iſt es auch ge-<lb/> kommen. Das beweglichſte Element, Osnabrück, ging, wie zu erwarten<lb/> war, am erſten los und erwies ſich auch jetzt am intenſivſten thätig.<lb/> Die natürliche Ruhe und Zähigkeit des niederſächſiſchen Volkscharak-<lb/> ters ließ die Gährung nur langſam voranſchreiten und ſich in geſetzlicher<lb/> Form weiter bewegen. Da kam das merkwürdige Ereigniß in Göttin-<lb/> gen hinzu. Die nach Northeim ausgezogenen Studenten zerſtreuten<lb/> ſich von da wie Fermente im ganzen Land. So ſchnell als man es<lb/> kaum denken konnte kam eine Osnabrücker Adreſſe nach Göttingen mit<lb/> Antrag zum gemeinſchaftlichen Handeln. Alle Städte communiciren<lb/> miteinander, bieten ſich ſelbſt bewaffnete Hülfe an. Ja — was Gott<lb/> verhüten wolle — ſelbſt Freiſchaarenzüge aus dem benachbarten Heſſen<lb/> wurden angeboten. Seit Wien gefallen und Berlin im vollen Aufruhr<lb/> iſt, wird auch in Hannover der fernere Widerſtand unmöglich. Falcke,<lb/> welcher noch in ſehr unpaſſender Weiſe ſich jüngſt gegen mehrere Depu-<lb/> tationen benahm, wird ſeinem Lehrer und Meiſter Metternich bald nach-<lb/> folgen. In dieſem Augenblick ſind Bürgerausſchüſſe von Osnabrück,<lb/> Hildesheim und Hannover vereinigt um einen Wechſel des Miniſteriums<lb/> zu verlangen und dem König Candidaten zu präſentiren, unter ihnen<lb/> Stüve und Breuſing von Osnabrück. Wahrſcheinlich werden alle bis-<lb/> herigen Miniſter abtreten. Doch hofft man daß Graf Wedel, als ein<lb/> populärer und ehrenwerther, freiſinniger Mann, Miniſter und Curator<lb/> der Univerſität bleiben wird. Sicherem Vernehmen nach hat derſelbe<lb/> die Handlungsweiſe des Polizeidirectors in Göttingen durchaus miß-<lb/> billigt, und er wird für die Zukunft die ſicherſten Garantien beantragen,<lb/> ſo daß der demnächſtigen Rückkehr der Studirenden nach Göttingen<lb/> nichts im Wege ſtehen wird.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline>*** <hi rendition="#b">Hannover,</hi> 20 März.</dateline> <p>Der Geheimerath v. Falcke hat<lb/> geſtern ſeine Entlaſſung gegeben oder erhalten — nennen Sie’s wie<lb/> Sie wollen. Entlaſſen war er ſchon als am Tage vor ſeinem Rücktritt<lb/> der König eine Proclamation ohne ſeine Gegenzeichnung erlaſſen hatte<lb/> in welcher er ſeine (Falcke’s) letzte Ausfertigungen vollſtändig desa-<lb/> vouirte. Die Bürgerſchaft war aufs äußerſte erbittert über die Ver-<lb/> letzung ihres Magiſtrats, deſſen Erklärung über die Gewährungen des<lb/> Königs durch Hrn. v. Falckes ſpätern Beſcheid geradezu widerlegt wa-<lb/> ren. Die Bürger waren entſchloſſen Falcke’s Abgang als das einzige<lb/> Mittel zur Beruhigung der aufgeregten Gemüther durchzuſetzen. Er<lb/> kam ihnen zuvor. 5000 Bürger, ſchnell zu einer unbewaffneten Bür-<lb/> gergarde organiſirt, haben übrigens die am Freitag ernſtlich bedrohte<lb/> Ruhe der Stadt geſtern und ehegeſtern vollſtändig erhalten. Kein Sol-<lb/> dat durfte ſich ſehen laſſen.</p> </div> </div><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#g">Preußen.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline>⊙ <hi rendition="#b">Köln,</hi> 19 März.</dateline> <p>Durch das unſelige Zaudern in<lb/> Berlin kommt unſere ganze Provinz in eine fieberhafte Spannung. Preu-<lb/> ßen wollte ſich nicht an die Spitze der Bewegung ſtellen, ſo iſt es denn<lb/> hinter allen deutſchen Staaten zurückgeblieben, ſelbſt hinter Oeſterreich.<lb/> Der Unwille über dieſen Verlauf der Dinge iſt hier allgemein. Selbſt<lb/> das Volk ſpottet über den „preußiſchen allmählichen Fortſchritt.“ „Im-<lb/> mer langſam voran! Immer langſam voran! Damit der Oeſterreicher<lb/> uns <hi rendition="#g">vorkommen</hi> kann!“ So ſingt man jetzt das bekannte Lied, und in<lb/> der heutigen Zeitung wird die Theaterdirection aufgefordert „die Wie-<lb/> ner in Berlin“ zu geben. Aber ernſte Beſorgniſſe erregen die Folgen der<lb/> allgemeinen Unſicherheit und des Mangels an Zutrauen in Handel und<lb/> Gewerbe. Manche Fabricanten müſſen aus Mangel an Abſatz ihre Arbei-<lb/> ter entlaſſen, und die unter dieſen Leuten herrſchende Gährung wird da-<lb/> durch vermehrt. Sie haben in unſerer Nähe ähnliche Ausſchweifungen<lb/> begangen wie die Bauern in Süddeutſchland. Sie ſind in Banden um-<lb/> hergezogen, haben an verſchiedenen Orten Fabriken zerſtört, namentlich<lb/> in Solingen, wo eine Anlage der Seehandlung ihren Unwillen auf ſich<lb/> zog, wo die ſonſt geſchmiedeten Waaren von Metall gegoſſen werden, und ſo<lb/> ihrer Handarbeit Abbruch geſchieht. Sehr ernſtliche Unordnungen haben<lb/> auch in Mühlheim an der Ruhr ſtattgefunden, und in Elberfeld, wo die<lb/> Arbeiter ſich ſogar des Rathhauſes bemächtigt hatten, und blutig mit<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1331/0003]
urtheilten, und Oeffentlichkeit der Ständeverhandlungen ſofort gewäh-
ren, die andern Bitten aber um Sachen rückſichtlich deren er an die Mit-
wirkung der Stände gebunden, durch Vorlagen an dieſe erledigen werde.“
Nach dieſer Eröffnung zog die Menge ruhig ab. Der Magiſtrat ließ
darauf ſofort die Adreſſe der Bürgerſchaft, welche die Bitten enthält,
ſeine befürwortende Petition und die Gewährungen des Königs
drucken und Abends in der Stadt vertheilen. Abends gab es vielfachen
Auflauf und Spectakel, „vor einigen Häuſern (wie die Hannoverſche Zei-
tung ſagt) wurden Vivats gebracht“ — nämlich bei beliebten Bürgern
und Führern der Bewegung — „an andern wurden Fenſter eingeworfen“
— nämlich beim Geh. Cabinetsrath v. Falcke, der Seele unſers Cabi-
nets, der Gräſin Grote, einer beim König ſehr einflußreichen Dame, und
bei einigen Polizeibeamten. Da man die Wohnung der Gräfin Grote
nicht genau wußte, litten einige benachbarte Häuſer aus Irrthum mit
unter den Steinwürfen; an einem dieſer irrthümlich beſchädigten Häuſer
fand ſich am andern Morgen die Inſchrift: „Wir bitten um Entſchuldi-
gung.“ Der königliche Palaſt dem ſich mehrmals lärmende Haufen zu
nähern verſuchten, war durch Aufſtellung von Truppen geſchützt, wie
denn auch ſonſt zahlreiche Patrouillen und Truppenabtheilungen die Lär-
menden möglichſt zu vertreiben ſuchten, ohne jedoch irgendwie von der
Waffe Gebrauch zu machen. Um Mitternacht war alles ruhig. Am an-
dern Morgen, geſtern den 18, wurde ein Extrablatt der Hannoverſchen
Zeitung ausgegeben, welches ebenfalls die Adreſſe der Bürgerſchaft und
die Petition des Magiſtrats brachte, zugleich aber über die vom König
gemachten Conceſſionen in durchaus von der am Tage zuvor vom Ma-
giſtrate dieſerhalb veröffentlichten Mittheilung abweichender Weiſe refe-
rirte: es war nach dieſer Verſion der Hannoverſchen Zei-
tung gar nichts direct bewilligt worden. Zugleich erfolgte
eine officielle Reſolution des Königs an den Magiſtrat, welche mit
der Verſion der Hannoverſchen Zeitung übereinſtimmte. Dieſes offen-
bare Zurücknehmen des geſtern Bewilligten machte ſehr böſes Blut. Für
den Abend waren Exceſſe zu beſorgen, denen man durch Vorbereitung
zur Entfaltung großer militäriſcher Maßregeln zu begegnen ſuchte; die
Promenaden welche rings um die Stadt und namentlich die faſhionabeln
Straßen umgeben ſind mit Pfoſten eingefaßt, welche durch Ketten ver-
bunden ſind; dieſe Ketten wurden eiligſt entfernt, damit die Cavallerie
nicht dadurch gehemmt werde, auch andere Hinderniſſe beſeitigt. Inzwi-
ſchen mag die Kunde von den Wiener Ereigniſſen doch zum Beſſern ein-
gewirkt haben. Man forderte die Bürgerſchaft in aller Eile zur Errich-
tung einer — vorläufig unbewaffneten — Schutzwache auf, welche die
Aufrechthaltung der Ruhe übernahm; dagegen ſollte das Militär nur
auf Requiſition dieſer Bürgerwache einſchreiten dürfen, die Thore wur-
den gegen Geſindel, das etwa von außen eindringen wolle, geſperrt ꝛc.
So verging der Abend durchaus ruhig. Dagegen wurde — und die
Vereinigung zu der Bürgerwache bot zur Verabredung zu gemeinſchaft-
lichem Handeln die bequemſte Gelegenheit — ein neuer Zug vor des Kö-
nigs Palaſt auf heute morgen verabredet, um nun die am 17 bewillig-
ten, am 18 in Frage geſtellten Bewilligungen in unzweifelhafterer Weiſe
zu erlangen. Die Regierung erhielt davon Kunde, und nun wurden durch
den Landdroſten v. Dachenhauſen und die Adjutanten des Königs Ver-
handlungen mit der Bürgerſchaft und dem Magiſtrat angeknüpft. Um
11 Uhr Nachts noch ward das Concept einer neuen königlichen Reſolu-
tion vorgelegt, welche die vom 17 erklären ſollte; die Bürgerſchaft ver-
warf dieſe und forderte unbedingte Genehmigung der Veröffentlichung
des Magiſtrats über die gemachten Bewilligungen. Dieſe ward endlich
zugeſtanden, noch um Mitternacht vom König unterzeichnet und die deß-
fallſige Reſolution in der Nacht gedruckt, heute früh in der Stadt ver-
theilt. Dieſelbe — wie zu guter Vorbedeutung der Contraſignatur des
Hrn. v. Falcke entbehrend — beſtätigt einfach die Verſion der Magi-
ſtratsmittheilung als die ächte. Jetzt iſt alles ruhig, d. h. hinſichtlich
der gemachten Bewilligungen; dagegen iſt eine Petition wegen Entlaſ-
ſung des Miniſteriums im Gange. Eine eben ſolche iſt, in Osnabrück
unterzeichnet, hieher unterwegs. In Osnabrück iſt überhaupt die Stim-
mung eine ſehr erhöhte; als die Nachricht von Metternichs Falle an-
langte, wurde die ganze Stadt erleuchtet, und zwar illuminirte nicht bloß
die Bürgerſchaft, ſondern auch die königlichen Beamten, ja das könig-
liche Schloß und die Caſerne wurden illuminirt, und zwar dieſe unter
Zurückweiſung der angebotenen Koſten aus der Regimentscaſſe durch die
Beiträge der Unterofficiere, die ſich das nicht nehmen laſſen wollten. —
Aus Celle iſt eine ungemein energiſche Petition eingetroffen, ähnliche
auch von vielen andern Städten und Corporationen; für Eröffnung des
Landtags iſt der Beſuch von vielen Tauſenden aus allen Gegenden des
Landes zu erwarten, die ihre Deputirten hieher geleiten wollen. Die Er-
öffnung wird übrigens durch den Prinzen Bernhard v. Solms-Braun-
fels vorgenommen werden; der König, trotz ſeiner Krankheit bis vor-
geſtern noch entſchloſſen die Eröffnung in Perſon vorzunehmen, fühlt
ſich jetzt zu krank und ſchwach dazu.
† Aus dem Hannoveriſchen, 20 März.Wie ich Ihnen
vor einiger Zeit ſchrieb daß bei uns, in Oldenburg, Mecklenburg, Pom-
mern die Bewegung am ſpäteſten ausbrechen würde, ſo iſt es auch ge-
kommen. Das beweglichſte Element, Osnabrück, ging, wie zu erwarten
war, am erſten los und erwies ſich auch jetzt am intenſivſten thätig.
Die natürliche Ruhe und Zähigkeit des niederſächſiſchen Volkscharak-
ters ließ die Gährung nur langſam voranſchreiten und ſich in geſetzlicher
Form weiter bewegen. Da kam das merkwürdige Ereigniß in Göttin-
gen hinzu. Die nach Northeim ausgezogenen Studenten zerſtreuten
ſich von da wie Fermente im ganzen Land. So ſchnell als man es
kaum denken konnte kam eine Osnabrücker Adreſſe nach Göttingen mit
Antrag zum gemeinſchaftlichen Handeln. Alle Städte communiciren
miteinander, bieten ſich ſelbſt bewaffnete Hülfe an. Ja — was Gott
verhüten wolle — ſelbſt Freiſchaarenzüge aus dem benachbarten Heſſen
wurden angeboten. Seit Wien gefallen und Berlin im vollen Aufruhr
iſt, wird auch in Hannover der fernere Widerſtand unmöglich. Falcke,
welcher noch in ſehr unpaſſender Weiſe ſich jüngſt gegen mehrere Depu-
tationen benahm, wird ſeinem Lehrer und Meiſter Metternich bald nach-
folgen. In dieſem Augenblick ſind Bürgerausſchüſſe von Osnabrück,
Hildesheim und Hannover vereinigt um einen Wechſel des Miniſteriums
zu verlangen und dem König Candidaten zu präſentiren, unter ihnen
Stüve und Breuſing von Osnabrück. Wahrſcheinlich werden alle bis-
herigen Miniſter abtreten. Doch hofft man daß Graf Wedel, als ein
populärer und ehrenwerther, freiſinniger Mann, Miniſter und Curator
der Univerſität bleiben wird. Sicherem Vernehmen nach hat derſelbe
die Handlungsweiſe des Polizeidirectors in Göttingen durchaus miß-
billigt, und er wird für die Zukunft die ſicherſten Garantien beantragen,
ſo daß der demnächſtigen Rückkehr der Studirenden nach Göttingen
nichts im Wege ſtehen wird.
*** Hannover, 20 März.Der Geheimerath v. Falcke hat
geſtern ſeine Entlaſſung gegeben oder erhalten — nennen Sie’s wie
Sie wollen. Entlaſſen war er ſchon als am Tage vor ſeinem Rücktritt
der König eine Proclamation ohne ſeine Gegenzeichnung erlaſſen hatte
in welcher er ſeine (Falcke’s) letzte Ausfertigungen vollſtändig desa-
vouirte. Die Bürgerſchaft war aufs äußerſte erbittert über die Ver-
letzung ihres Magiſtrats, deſſen Erklärung über die Gewährungen des
Königs durch Hrn. v. Falckes ſpätern Beſcheid geradezu widerlegt wa-
ren. Die Bürger waren entſchloſſen Falcke’s Abgang als das einzige
Mittel zur Beruhigung der aufgeregten Gemüther durchzuſetzen. Er
kam ihnen zuvor. 5000 Bürger, ſchnell zu einer unbewaffneten Bür-
gergarde organiſirt, haben übrigens die am Freitag ernſtlich bedrohte
Ruhe der Stadt geſtern und ehegeſtern vollſtändig erhalten. Kein Sol-
dat durfte ſich ſehen laſſen.
Preußen.
⊙ Köln, 19 März.Durch das unſelige Zaudern in
Berlin kommt unſere ganze Provinz in eine fieberhafte Spannung. Preu-
ßen wollte ſich nicht an die Spitze der Bewegung ſtellen, ſo iſt es denn
hinter allen deutſchen Staaten zurückgeblieben, ſelbſt hinter Oeſterreich.
Der Unwille über dieſen Verlauf der Dinge iſt hier allgemein. Selbſt
das Volk ſpottet über den „preußiſchen allmählichen Fortſchritt.“ „Im-
mer langſam voran! Immer langſam voran! Damit der Oeſterreicher
uns vorkommen kann!“ So ſingt man jetzt das bekannte Lied, und in
der heutigen Zeitung wird die Theaterdirection aufgefordert „die Wie-
ner in Berlin“ zu geben. Aber ernſte Beſorgniſſe erregen die Folgen der
allgemeinen Unſicherheit und des Mangels an Zutrauen in Handel und
Gewerbe. Manche Fabricanten müſſen aus Mangel an Abſatz ihre Arbei-
ter entlaſſen, und die unter dieſen Leuten herrſchende Gährung wird da-
durch vermehrt. Sie haben in unſerer Nähe ähnliche Ausſchweifungen
begangen wie die Bauern in Süddeutſchland. Sie ſind in Banden um-
hergezogen, haben an verſchiedenen Orten Fabriken zerſtört, namentlich
in Solingen, wo eine Anlage der Seehandlung ihren Unwillen auf ſich
zog, wo die ſonſt geſchmiedeten Waaren von Metall gegoſſen werden, und ſo
ihrer Handarbeit Abbruch geſchieht. Sehr ernſtliche Unordnungen haben
auch in Mühlheim an der Ruhr ſtattgefunden, und in Elberfeld, wo die
Arbeiter ſich ſogar des Rathhauſes bemächtigt hatten, und blutig mit
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription.
(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |