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Allgemeine Zeitung, Nr. 84, 24. März 1848.

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[Spaltenumbruch] dem Militär zusammenstießen. Auch hier ist man besorgt. In Koblenz
ist bereits eine Schutzwache der Bürger gebildet, hier ist sie noch nicht
genehmigt. Die Waffenhändler haben fast ihren ganzen Vorrath ver-
kauft. Alles erwartet mit größter Spannung die Nachrichten aus Ber-
lin, wo man den alten Spruch so ganz vergißt: "Thu' gleich, was doch
gethan seyn muß," und auf den Bescheid welcher den zwölf abgesandten
Stadträthen zu Theil werden wird. Abends 11 Uhr. Lauter Jubel
tönt vom Heumarkt her, drei Deputirte verkünden der König habe alles
genehmigt. Aber die Freude weicht bald der Trauer, der Erbitterung. Die
entsetzliche Kunde von Berlin ist schon zu ihnen gedrungen, und ich ent-
halte mich gern jeder Schilderung. Man kann nicht läugnen daß die
Stimmung gegen das Militär, ja gegen den König sehr gereizt ist. Das
Volk ist mißtrauisch und späht mit Argusaugen auf das Patent. Es
vermißt die festen Versicherungen über die Grundlagen der neuen preu-
ßischen Verfassung; die wären nöthiger gewesen als Bundesflotte und
Bundesflagge. Indeß versichern die heimgekehrten Stadträthe daß der
König, welcher bei ihrem Empfang im Innersten erschüttert war, zum
Schlusse gesagt: "Meine Herren, in wenig Stunden soll das Patent in
Ihrer Hand seyn. Wenn irgendein in der Eile gewählter Ausdruck nicht
ganz genügen sollte, so sagen Sie jedem, ich versichere es mit Fürsten-
wort (hier legte er die Hand auf die Brust) daß es im freisinnigsten
Sinne gedeutet werden soll." Die Bürger sind heute in großer Bewegung.
Sie kommen eben aus einer großen Versammlung und ziehen vor die
Regierung. Heute um 4 Uhr ist große Versammlung auf dem Neu-
markt angesagt. Die schwarz-roth-goldene Fahne soll auf dem Dom auf-
gepflanzt werden. Mitten in dieser bewegten Zeit lohnt es der Mühe
einen Blick auf den rheinischen ritterbürtigen Adel, die Autonomen, zu
werfen. Es verlautet daß diese Herren ihrerseits auch eine Adresse an
den König gerichtet haben, in welcher sie demselben eröffnen: es hätte
mit der Bewegung nichts zu sagen, sie gehe lediglich von schlechtem Ge-
sindel aus; sie, die Autonomen, würden eine Mauer um den Thron bil-
den. Eine sehr bröcklige! Am Donnerstag werden hier die Deputationen
der 17 bedeutendsten Städten der Rheinlande erwartet.

Die schwarz-gold-rothe Fahne weht von
dem Krahnen unseres Doms. Im feierlichen Zuge ward sie vom Neu-
markt unter dem Gesang des Arndt'schen Liedes vom deutschen Vaterland
nach dem Dom gebracht, wo sie das Geläute aller Glocken empfing.
Eine unzählige Menschenmasse schob sich hinterher durch unsere engen
Straßen, und drohte sich gegenseitig im Gedränge zu ersticken. Erlassen
Sie mir die Beschreibung des Jubels der sie überall empfing. Gestern
noch, als man den Beschluß zu ihrer Aufpflanzung faßte, glaubte man
daß man Widerstand finden werde; heute schon traten alle Behörden
willfährig entgegen. Diesen Morgen wurde von einer gleichfalls un-
zähligen Menschenmenge eine Adresse an den König, fernere Begehren
enthaltend, zum Regierungspräsidenten gebracht, damit sie durch Tele-
graphen nach Berlin berichtet werde, und möglichst rasche Gewährung
finde. Sie verlangt des nähern Bestimmungen der zu ertheilenden Ver-
fassung: Volksvertretung (keine Ständevertretung), Wahlrecht auf brei-
ter Basis, Verantwortlichkeit der Minister, ferner Redefreiheit und das
Recht der Association, gleiche politische Berechtigung aller Culte, Am-
nestie für alle politischen Vergehen, Geschwornengericht für politische
und Preßvergehen, Absetzung des gegenwärtigen Ministeriums,
schnelle Volksbewaffnung zum Schutz der Verfassung und der persön-
lichen Rechte, da die Landwehr in ihrer jetzigen Gestaltung wohl ein
treffliches Institut gegen äußere aber nicht gegen innere Feinde sey.
Das letztere ist schon jetzt gewährt, wohl ohne daß man eine Entschei-
dung von Berlin erwartet. Ein Regierungsrath und die städtische Be-
hörde übernehmen augenblicklich die Entwerfung der Organisation der-
selben. Es war übrigens laut ausgesprochen daß, wenn keine Bürger-
bewaffnung bewilligt würde, man sich dieß Recht nehmen werde. Im
stillen hatten sich indessen viele gerüstet, und selbst antike Waffen
z. B. Streitäxte, waren geschliffen. Wären unsere Deputirten mit
einer abschläglichen Antwort heimgekehrt, so war ein Ausbruch unaus-
bleiblich. Von Berlin lauten die Nachrichten sehr blutig; bei dem
Kampf sollen ganze Abtheilungen des Militärs, welche sich hauptsächlich
den Haß zugezogen hatten, niedergemezelt worden seyn. Es scheint daß
das Volk Sieger blieb trotz der Kartätschen. Auch in Berlin zeichneten
sich die Studenten aus. Zehn Studenten vertheidigten eine Barricade
lange gegen eine große Abtheilung Infanterie, und wurden bei der Er-
stürmung derselben auf ihr niedergestreckt. Der Brief eines unserer
Deputirten möge hier wörtlich folgen.

"Berlin, 18 März 2 Uhr. Gestern
[Spaltenumbruch] ist alles still vorübergegangen. -- Der Gedankenstrich füllt eine Zeit aus,
wo ich von meinem Schreiben abgerufen wurde um die eben erschienene
Proclamation des Königs nach dem Schloßplatze zu bringen, da wir ver-
mutheten daß die dort versammelte Menge noch nicht den Inhalt kenne,
und dadurch beruhigt werde. Auf dem Schloßplatz angekommen war
dort ein solcher Wirrwarr von Bürgern und Militär daß unsere Droschke
nicht weiter konnte. Die Dragoner hatten eben eingehauen, und ein-
zelne Tirailleurs schossen. Ich begriff nichts von alle dem, und ließ den
Kutscher, so gut es anging, zurückfahren, wobei wir uns beständig zwi-
schen Militär und Bürger befanden. Schreien, Wogen, Drängen etc.
bis zur Königswache. 81/2 Uhr Abends. Zwischen der Vorderseite
und dieser liegt ein Zwischenraum von einigen Stunden, während wel-
cher wir nichts hörten und sahen als Kanonendonner, Sturmläuten,
Pelotonfeuer, Barricaden, Angriffsmärsche, Todte, Verwundete und Ge-
fangene. Man schlägt sich in fast allen Straßen mit einer Erbitterung
wovon man sich keine Vorstellung macht. Es ist mir unmöglich etwas
mehr zu berichten..... etc."

Seit heute Morgen, wo die Zeitungen das
Patent des Königs und den Erlaß über Preßfreiheit gebracht haben,
ist unsere Stadt in einem wahren Freudentaumel, in einer freudigen
Aufregung wie seit Menschengedenken kein Ereigniß sie veranlaßt hat.
Man ist der Ueberzeugung daß das ganze Patent der Feder des Königs
selbst seinen Ursprung verdankt. Alle bangen Zweifel, aller Unmuth
daß Preußen hinter Oesterreich zurückgeblieben war, ist nun vollkommen
verschwunden; mehr als die kühnste Phantaste zu träumen wagte, ist in
Aussicht gestellt: Anerkennung des deutschen Volks nach innen und
außen, deutsches Parlament, deutsche Flotte und Flagge. Alle Besorg-
niß löst sich in die freudige Hoffnung auf eine herrliche Zukunft Deutsch-
lands auf. Die Bürgerschaft Bonn's hat diesen Moment begriffen;
aller Orten tauchen wie durch einen Zauberschlag Cocarden mit den
drei deutschen Farben auf. Nachmittags sammelte sich gegen 4 Uhr
eine große Menge Bürger, Professoren, Studenten im Gasthof zur
schönen Aussicht. Eine schwarz-roth-goldne Fahne wurde dem Zuge,
der sich von hier aus dem Rathhause zu bewegte, mit Musik vorange-
tragen. Im Namen einer Deputation der Bürgerschaft übergab Pro-
fessor Kiebel das Banner dem Oberbürgermeister der Stadt Bonn, An-
gesichts einer großen auf dem Markt versammelten Menge aus allen
Ständen. Ein Banner soll es seyn der Liebe, unter dem jeder Gedrückte
wieder auflebe, ein Banner der Einheit, der Freiheit Deutschlands.
Während dieser Worte vergoldeten die letzten Strahlen der Abendsonne
das Rathhaus, an dem die Fahnen preußischer, rheinischer und deutscher
Farben flatterten. Der Oberbürgermeister entgegnete in würdiger
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annehme. Hierauf sang die Concordia unter Instrumentalbegleitung
Arndt's Lied: Was ist des Deutschen Vaterland? Da trat der greise
Sänger selbst an die Brustwehr heran. Mit kräftiger Stimme, die weit
über den Platz tönte, sprach er es aus was jeder der Zuhörer schon ge-
dacht und gefühlt hatte, daß er heute den schönsten Tag seines Lebens
feiere. So wolle er denn mit der Andacht eines Mannes der dem Grabe
nahe stehe, dieß schöne Erinnerungszeichen an eine herrliche Vergangen-
heit Deutschlands segnen daß es zur Ehre, Mäßigung, Gerechtigkeit und
Freiheit mahne. Er segnete es als Zeichen der Liebe und der Eintracht
aller deutschen Stämme. Ein jubelndes Hoch folgte diesen begeisterten
Worten. Heute Abend wird die Feier durch Illumination und Fackel-
zug weiter begangen werden. Soeben läuten alle Glocken der Stadt.
Wenn irgend etwas den Jubel über die Ereignisse zu dämpfen vermag,
so sind es nur die traurigen Nachrichten über die Unruhen in Berlin,
wenn ihnen nicht ein ziemlich allgemein verbreitetes Motiv, die alte
Spannung zwischen Militär und Bürgerschaft, zu Grunde liegt. Gott-
lob daß sich noch schlimmere Nachrichten die hier verbreitet waren, im
Laufe des Tags nicht bestätigt haben! (Der Verfasser kannte bei Ab-
fassung dieses Schreibens noch nicht den Straßenkampf in der preußi-
schen Hauptstadt.)

Gestern Morgen wurde un-
terhandelt. Der König bewilligte den Abzug der Truppen aus der Stadt
mit Ausnahme der Schloß- und Thorwachen, welche Soldaten mit be-
waffneten Bürgern gemeinschaftlich besetzten. Er zeigte sich selbst dem
Volk zweimal, und sagte ihm: er vertraue den Bürgern die Sicherheit
Berlins. Zugleich kündigte er an: er habe den Grafen Arnim mit Zu-
sammensetzung eines neuen Ministeriums beauftragt und einstweilen alle

[Spaltenumbruch] dem Militär zuſammenſtießen. Auch hier iſt man beſorgt. In Koblenz
iſt bereits eine Schutzwache der Bürger gebildet, hier iſt ſie noch nicht
genehmigt. Die Waffenhändler haben faſt ihren ganzen Vorrath ver-
kauft. Alles erwartet mit größter Spannung die Nachrichten aus Ber-
lin, wo man den alten Spruch ſo ganz vergißt: „Thu’ gleich, was doch
gethan ſeyn muß,“ und auf den Beſcheid welcher den zwölf abgeſandten
Stadträthen zu Theil werden wird. Abends 11 Uhr. Lauter Jubel
tönt vom Heumarkt her, drei Deputirte verkünden der König habe alles
genehmigt. Aber die Freude weicht bald der Trauer, der Erbitterung. Die
entſetzliche Kunde von Berlin iſt ſchon zu ihnen gedrungen, und ich ent-
halte mich gern jeder Schilderung. Man kann nicht läugnen daß die
Stimmung gegen das Militär, ja gegen den König ſehr gereizt iſt. Das
Volk iſt mißtrauiſch und ſpäht mit Argusaugen auf das Patent. Es
vermißt die feſten Verſicherungen über die Grundlagen der neuen preu-
ßiſchen Verfaſſung; die wären nöthiger geweſen als Bundesflotte und
Bundesflagge. Indeß verſichern die heimgekehrten Stadträthe daß der
König, welcher bei ihrem Empfang im Innerſten erſchüttert war, zum
Schluſſe geſagt: „Meine Herren, in wenig Stunden ſoll das Patent in
Ihrer Hand ſeyn. Wenn irgendein in der Eile gewählter Ausdruck nicht
ganz genügen ſollte, ſo ſagen Sie jedem, ich verſichere es mit Fürſten-
wort (hier legte er die Hand auf die Bruſt) daß es im freiſinnigſten
Sinne gedeutet werden ſoll.“ Die Bürger ſind heute in großer Bewegung.
Sie kommen eben aus einer großen Verſammlung und ziehen vor die
Regierung. Heute um 4 Uhr iſt große Verſammlung auf dem Neu-
markt angeſagt. Die ſchwarz-roth-goldene Fahne ſoll auf dem Dom auf-
gepflanzt werden. Mitten in dieſer bewegten Zeit lohnt es der Mühe
einen Blick auf den rheiniſchen ritterbürtigen Adel, die Autonomen, zu
werfen. Es verlautet daß dieſe Herren ihrerſeits auch eine Adreſſe an
den König gerichtet haben, in welcher ſie demſelben eröffnen: es hätte
mit der Bewegung nichts zu ſagen, ſie gehe lediglich von ſchlechtem Ge-
ſindel aus; ſie, die Autonomen, würden eine Mauer um den Thron bil-
den. Eine ſehr bröcklige! Am Donnerſtag werden hier die Deputationen
der 17 bedeutendſten Städten der Rheinlande erwartet.

Die ſchwarz-gold-rothe Fahne weht von
dem Krahnen unſeres Doms. Im feierlichen Zuge ward ſie vom Neu-
markt unter dem Geſang des Arndt’ſchen Liedes vom deutſchen Vaterland
nach dem Dom gebracht, wo ſie das Geläute aller Glocken empfing.
Eine unzählige Menſchenmaſſe ſchob ſich hinterher durch unſere engen
Straßen, und drohte ſich gegenſeitig im Gedränge zu erſticken. Erlaſſen
Sie mir die Beſchreibung des Jubels der ſie überall empfing. Geſtern
noch, als man den Beſchluß zu ihrer Aufpflanzung faßte, glaubte man
daß man Widerſtand finden werde; heute ſchon traten alle Behörden
willfährig entgegen. Dieſen Morgen wurde von einer gleichfalls un-
zähligen Menſchenmenge eine Adreſſe an den König, fernere Begehren
enthaltend, zum Regierungspräſidenten gebracht, damit ſie durch Tele-
graphen nach Berlin berichtet werde, und möglichſt raſche Gewährung
finde. Sie verlangt des nähern Beſtimmungen der zu ertheilenden Ver-
faſſung: Volksvertretung (keine Ständevertretung), Wahlrecht auf brei-
ter Baſis, Verantwortlichkeit der Miniſter, ferner Redefreiheit und das
Recht der Aſſociation, gleiche politiſche Berechtigung aller Culte, Am-
neſtie für alle politiſchen Vergehen, Geſchwornengericht für politiſche
und Preßvergehen, Abſetzung des gegenwärtigen Miniſteriums,
ſchnelle Volksbewaffnung zum Schutz der Verfaſſung und der perſön-
lichen Rechte, da die Landwehr in ihrer jetzigen Geſtaltung wohl ein
treffliches Inſtitut gegen äußere aber nicht gegen innere Feinde ſey.
Das letztere iſt ſchon jetzt gewährt, wohl ohne daß man eine Entſchei-
dung von Berlin erwartet. Ein Regierungsrath und die ſtädtiſche Be-
hörde übernehmen augenblicklich die Entwerfung der Organiſation der-
ſelben. Es war übrigens laut ausgeſprochen daß, wenn keine Bürger-
bewaffnung bewilligt würde, man ſich dieß Recht nehmen werde. Im
ſtillen hatten ſich indeſſen viele gerüſtet, und ſelbſt antike Waffen
z. B. Streitäxte, waren geſchliffen. Wären unſere Deputirten mit
einer abſchläglichen Antwort heimgekehrt, ſo war ein Ausbruch unaus-
bleiblich. Von Berlin lauten die Nachrichten ſehr blutig; bei dem
Kampf ſollen ganze Abtheilungen des Militärs, welche ſich hauptſächlich
den Haß zugezogen hatten, niedergemezelt worden ſeyn. Es ſcheint daß
das Volk Sieger blieb trotz der Kartätſchen. Auch in Berlin zeichneten
ſich die Studenten aus. Zehn Studenten vertheidigten eine Barricade
lange gegen eine große Abtheilung Infanterie, und wurden bei der Er-
ſtürmung derſelben auf ihr niedergeſtreckt. Der Brief eines unſerer
Deputirten möge hier wörtlich folgen.

„Berlin, 18 März 2 Uhr. Geſtern
[Spaltenumbruch] iſt alles ſtill vorübergegangen. — Der Gedankenſtrich füllt eine Zeit aus,
wo ich von meinem Schreiben abgerufen wurde um die eben erſchienene
Proclamation des Königs nach dem Schloßplatze zu bringen, da wir ver-
mutheten daß die dort verſammelte Menge noch nicht den Inhalt kenne,
und dadurch beruhigt werde. Auf dem Schloßplatz angekommen war
dort ein ſolcher Wirrwarr von Bürgern und Militär daß unſere Droſchke
nicht weiter konnte. Die Dragoner hatten eben eingehauen, und ein-
zelne Tirailleurs ſchoſſen. Ich begriff nichts von alle dem, und ließ den
Kutſcher, ſo gut es anging, zurückfahren, wobei wir uns beſtändig zwi-
ſchen Militär und Bürger befanden. Schreien, Wogen, Drängen ꝛc.
bis zur Königswache. 8½ Uhr Abends. Zwiſchen der Vorderſeite
und dieſer liegt ein Zwiſchenraum von einigen Stunden, während wel-
cher wir nichts hörten und ſahen als Kanonendonner, Sturmläuten,
Pelotonfeuer, Barricaden, Angriffsmärſche, Todte, Verwundete und Ge-
fangene. Man ſchlägt ſich in faſt allen Straßen mit einer Erbitterung
wovon man ſich keine Vorſtellung macht. Es iſt mir unmöglich etwas
mehr zu berichten..... ꝛc.“

Seit heute Morgen, wo die Zeitungen das
Patent des Königs und den Erlaß über Preßfreiheit gebracht haben,
iſt unſere Stadt in einem wahren Freudentaumel, in einer freudigen
Aufregung wie ſeit Menſchengedenken kein Ereigniß ſie veranlaßt hat.
Man iſt der Ueberzeugung daß das ganze Patent der Feder des Königs
ſelbſt ſeinen Urſprung verdankt. Alle bangen Zweifel, aller Unmuth
daß Preußen hinter Oeſterreich zurückgeblieben war, iſt nun vollkommen
verſchwunden; mehr als die kühnſte Phantaſte zu träumen wagte, iſt in
Ausſicht geſtellt: Anerkennung des deutſchen Volks nach innen und
außen, deutſches Parlament, deutſche Flotte und Flagge. Alle Beſorg-
niß löst ſich in die freudige Hoffnung auf eine herrliche Zukunft Deutſch-
lands auf. Die Bürgerſchaft Bonn’s hat dieſen Moment begriffen;
aller Orten tauchen wie durch einen Zauberſchlag Cocarden mit den
drei deutſchen Farben auf. Nachmittags ſammelte ſich gegen 4 Uhr
eine große Menge Bürger, Profeſſoren, Studenten im Gaſthof zur
ſchönen Ausſicht. Eine ſchwarz-roth-goldne Fahne wurde dem Zuge,
der ſich von hier aus dem Rathhauſe zu bewegte, mit Muſik vorange-
tragen. Im Namen einer Deputation der Bürgerſchaft übergab Pro-
feſſor Kiebel das Banner dem Oberbürgermeiſter der Stadt Bonn, An-
geſichts einer großen auf dem Markt verſammelten Menge aus allen
Ständen. Ein Banner ſoll es ſeyn der Liebe, unter dem jeder Gedrückte
wieder auflebe, ein Banner der Einheit, der Freiheit Deutſchlands.
Während dieſer Worte vergoldeten die letzten Strahlen der Abendſonne
das Rathhaus, an dem die Fahnen preußiſcher, rheiniſcher und deutſcher
Farben flatterten. Der Oberbürgermeiſter entgegnete in würdiger
Weiſe wie er das Banner als Zeichen der Ordnung, der Freiheit u. ſ. w.
annehme. Hierauf ſang die Concordia unter Inſtrumentalbegleitung
Arndt’s Lied: Was iſt des Deutſchen Vaterland? Da trat der greiſe
Sänger ſelbſt an die Bruſtwehr heran. Mit kräftiger Stimme, die weit
über den Platz tönte, ſprach er es aus was jeder der Zuhörer ſchon ge-
dacht und gefühlt hatte, daß er heute den ſchönſten Tag ſeines Lebens
feiere. So wolle er denn mit der Andacht eines Mannes der dem Grabe
nahe ſtehe, dieß ſchöne Erinnerungszeichen an eine herrliche Vergangen-
heit Deutſchlands ſegnen daß es zur Ehre, Mäßigung, Gerechtigkeit und
Freiheit mahne. Er ſegnete es als Zeichen der Liebe und der Eintracht
aller deutſchen Stämme. Ein jubelndes Hoch folgte dieſen begeiſterten
Worten. Heute Abend wird die Feier durch Illumination und Fackel-
zug weiter begangen werden. Soeben läuten alle Glocken der Stadt.
Wenn irgend etwas den Jubel über die Ereigniſſe zu dämpfen vermag,
ſo ſind es nur die traurigen Nachrichten über die Unruhen in Berlin,
wenn ihnen nicht ein ziemlich allgemein verbreitetes Motiv, die alte
Spannung zwiſchen Militär und Bürgerſchaft, zu Grunde liegt. Gott-
lob daß ſich noch ſchlimmere Nachrichten die hier verbreitet waren, im
Laufe des Tags nicht beſtätigt haben! (Der Verfaſſer kannte bei Ab-
faſſung dieſes Schreibens noch nicht den Straßenkampf in der preußi-
ſchen Hauptſtadt.)

Geſtern Morgen wurde un-
terhandelt. Der König bewilligte den Abzug der Truppen aus der Stadt
mit Ausnahme der Schloß- und Thorwachen, welche Soldaten mit be-
waffneten Bürgern gemeinſchaftlich beſetzten. Er zeigte ſich ſelbſt dem
Volk zweimal, und ſagte ihm: er vertraue den Bürgern die Sicherheit
Berlins. Zugleich kündigte er an: er habe den Grafen Arnim mit Zu-
ſammenſetzung eines neuen Miniſteriums beauftragt und einſtweilen alle

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[1332/0004] dem Militär zuſammenſtießen. Auch hier iſt man beſorgt. In Koblenz iſt bereits eine Schutzwache der Bürger gebildet, hier iſt ſie noch nicht genehmigt. Die Waffenhändler haben faſt ihren ganzen Vorrath ver- kauft. Alles erwartet mit größter Spannung die Nachrichten aus Ber- lin, wo man den alten Spruch ſo ganz vergißt: „Thu’ gleich, was doch gethan ſeyn muß,“ und auf den Beſcheid welcher den zwölf abgeſandten Stadträthen zu Theil werden wird. Abends 11 Uhr. Lauter Jubel tönt vom Heumarkt her, drei Deputirte verkünden der König habe alles genehmigt. Aber die Freude weicht bald der Trauer, der Erbitterung. Die entſetzliche Kunde von Berlin iſt ſchon zu ihnen gedrungen, und ich ent- halte mich gern jeder Schilderung. Man kann nicht läugnen daß die Stimmung gegen das Militär, ja gegen den König ſehr gereizt iſt. Das Volk iſt mißtrauiſch und ſpäht mit Argusaugen auf das Patent. Es vermißt die feſten Verſicherungen über die Grundlagen der neuen preu- ßiſchen Verfaſſung; die wären nöthiger geweſen als Bundesflotte und Bundesflagge. Indeß verſichern die heimgekehrten Stadträthe daß der König, welcher bei ihrem Empfang im Innerſten erſchüttert war, zum Schluſſe geſagt: „Meine Herren, in wenig Stunden ſoll das Patent in Ihrer Hand ſeyn. Wenn irgendein in der Eile gewählter Ausdruck nicht ganz genügen ſollte, ſo ſagen Sie jedem, ich verſichere es mit Fürſten- wort (hier legte er die Hand auf die Bruſt) daß es im freiſinnigſten Sinne gedeutet werden ſoll.“ Die Bürger ſind heute in großer Bewegung. Sie kommen eben aus einer großen Verſammlung und ziehen vor die Regierung. Heute um 4 Uhr iſt große Verſammlung auf dem Neu- markt angeſagt. Die ſchwarz-roth-goldene Fahne ſoll auf dem Dom auf- gepflanzt werden. Mitten in dieſer bewegten Zeit lohnt es der Mühe einen Blick auf den rheiniſchen ritterbürtigen Adel, die Autonomen, zu werfen. Es verlautet daß dieſe Herren ihrerſeits auch eine Adreſſe an den König gerichtet haben, in welcher ſie demſelben eröffnen: es hätte mit der Bewegung nichts zu ſagen, ſie gehe lediglich von ſchlechtem Ge- ſindel aus; ſie, die Autonomen, würden eine Mauer um den Thron bil- den. Eine ſehr bröcklige! Am Donnerſtag werden hier die Deputationen der 17 bedeutendſten Städten der Rheinlande erwartet. * Köln, 19 März.Die ſchwarz-gold-rothe Fahne weht von dem Krahnen unſeres Doms. Im feierlichen Zuge ward ſie vom Neu- markt unter dem Geſang des Arndt’ſchen Liedes vom deutſchen Vaterland nach dem Dom gebracht, wo ſie das Geläute aller Glocken empfing. Eine unzählige Menſchenmaſſe ſchob ſich hinterher durch unſere engen Straßen, und drohte ſich gegenſeitig im Gedränge zu erſticken. Erlaſſen Sie mir die Beſchreibung des Jubels der ſie überall empfing. Geſtern noch, als man den Beſchluß zu ihrer Aufpflanzung faßte, glaubte man daß man Widerſtand finden werde; heute ſchon traten alle Behörden willfährig entgegen. Dieſen Morgen wurde von einer gleichfalls un- zähligen Menſchenmenge eine Adreſſe an den König, fernere Begehren enthaltend, zum Regierungspräſidenten gebracht, damit ſie durch Tele- graphen nach Berlin berichtet werde, und möglichſt raſche Gewährung finde. Sie verlangt des nähern Beſtimmungen der zu ertheilenden Ver- faſſung: Volksvertretung (keine Ständevertretung), Wahlrecht auf brei- ter Baſis, Verantwortlichkeit der Miniſter, ferner Redefreiheit und das Recht der Aſſociation, gleiche politiſche Berechtigung aller Culte, Am- neſtie für alle politiſchen Vergehen, Geſchwornengericht für politiſche und Preßvergehen, Abſetzung des gegenwärtigen Miniſteriums, ſchnelle Volksbewaffnung zum Schutz der Verfaſſung und der perſön- lichen Rechte, da die Landwehr in ihrer jetzigen Geſtaltung wohl ein treffliches Inſtitut gegen äußere aber nicht gegen innere Feinde ſey. Das letztere iſt ſchon jetzt gewährt, wohl ohne daß man eine Entſchei- dung von Berlin erwartet. Ein Regierungsrath und die ſtädtiſche Be- hörde übernehmen augenblicklich die Entwerfung der Organiſation der- ſelben. Es war übrigens laut ausgeſprochen daß, wenn keine Bürger- bewaffnung bewilligt würde, man ſich dieß Recht nehmen werde. Im ſtillen hatten ſich indeſſen viele gerüſtet, und ſelbſt antike Waffen z. B. Streitäxte, waren geſchliffen. Wären unſere Deputirten mit einer abſchläglichen Antwort heimgekehrt, ſo war ein Ausbruch unaus- bleiblich. Von Berlin lauten die Nachrichten ſehr blutig; bei dem Kampf ſollen ganze Abtheilungen des Militärs, welche ſich hauptſächlich den Haß zugezogen hatten, niedergemezelt worden ſeyn. Es ſcheint daß das Volk Sieger blieb trotz der Kartätſchen. Auch in Berlin zeichneten ſich die Studenten aus. Zehn Studenten vertheidigten eine Barricade lange gegen eine große Abtheilung Infanterie, und wurden bei der Er- ſtürmung derſelben auf ihr niedergeſtreckt. Der Brief eines unſerer Deputirten möge hier wörtlich folgen. „Berlin, 18 März 2 Uhr. Geſtern iſt alles ſtill vorübergegangen. — Der Gedankenſtrich füllt eine Zeit aus, wo ich von meinem Schreiben abgerufen wurde um die eben erſchienene Proclamation des Königs nach dem Schloßplatze zu bringen, da wir ver- mutheten daß die dort verſammelte Menge noch nicht den Inhalt kenne, und dadurch beruhigt werde. Auf dem Schloßplatz angekommen war dort ein ſolcher Wirrwarr von Bürgern und Militär daß unſere Droſchke nicht weiter konnte. Die Dragoner hatten eben eingehauen, und ein- zelne Tirailleurs ſchoſſen. Ich begriff nichts von alle dem, und ließ den Kutſcher, ſo gut es anging, zurückfahren, wobei wir uns beſtändig zwi- ſchen Militär und Bürger befanden. Schreien, Wogen, Drängen ꝛc. bis zur Königswache. 8½ Uhr Abends. Zwiſchen der Vorderſeite und dieſer liegt ein Zwiſchenraum von einigen Stunden, während wel- cher wir nichts hörten und ſahen als Kanonendonner, Sturmläuten, Pelotonfeuer, Barricaden, Angriffsmärſche, Todte, Verwundete und Ge- fangene. Man ſchlägt ſich in faſt allen Straßen mit einer Erbitterung wovon man ſich keine Vorſtellung macht. Es iſt mir unmöglich etwas mehr zu berichten..... ꝛc.“ ⋊ Bonn, 20 März.Seit heute Morgen, wo die Zeitungen das Patent des Königs und den Erlaß über Preßfreiheit gebracht haben, iſt unſere Stadt in einem wahren Freudentaumel, in einer freudigen Aufregung wie ſeit Menſchengedenken kein Ereigniß ſie veranlaßt hat. Man iſt der Ueberzeugung daß das ganze Patent der Feder des Königs ſelbſt ſeinen Urſprung verdankt. Alle bangen Zweifel, aller Unmuth daß Preußen hinter Oeſterreich zurückgeblieben war, iſt nun vollkommen verſchwunden; mehr als die kühnſte Phantaſte zu träumen wagte, iſt in Ausſicht geſtellt: Anerkennung des deutſchen Volks nach innen und außen, deutſches Parlament, deutſche Flotte und Flagge. Alle Beſorg- niß löst ſich in die freudige Hoffnung auf eine herrliche Zukunft Deutſch- lands auf. Die Bürgerſchaft Bonn’s hat dieſen Moment begriffen; aller Orten tauchen wie durch einen Zauberſchlag Cocarden mit den drei deutſchen Farben auf. Nachmittags ſammelte ſich gegen 4 Uhr eine große Menge Bürger, Profeſſoren, Studenten im Gaſthof zur ſchönen Ausſicht. Eine ſchwarz-roth-goldne Fahne wurde dem Zuge, der ſich von hier aus dem Rathhauſe zu bewegte, mit Muſik vorange- tragen. Im Namen einer Deputation der Bürgerſchaft übergab Pro- feſſor Kiebel das Banner dem Oberbürgermeiſter der Stadt Bonn, An- geſichts einer großen auf dem Markt verſammelten Menge aus allen Ständen. Ein Banner ſoll es ſeyn der Liebe, unter dem jeder Gedrückte wieder auflebe, ein Banner der Einheit, der Freiheit Deutſchlands. Während dieſer Worte vergoldeten die letzten Strahlen der Abendſonne das Rathhaus, an dem die Fahnen preußiſcher, rheiniſcher und deutſcher Farben flatterten. Der Oberbürgermeiſter entgegnete in würdiger Weiſe wie er das Banner als Zeichen der Ordnung, der Freiheit u. ſ. w. annehme. Hierauf ſang die Concordia unter Inſtrumentalbegleitung Arndt’s Lied: Was iſt des Deutſchen Vaterland? Da trat der greiſe Sänger ſelbſt an die Bruſtwehr heran. Mit kräftiger Stimme, die weit über den Platz tönte, ſprach er es aus was jeder der Zuhörer ſchon ge- dacht und gefühlt hatte, daß er heute den ſchönſten Tag ſeines Lebens feiere. So wolle er denn mit der Andacht eines Mannes der dem Grabe nahe ſtehe, dieß ſchöne Erinnerungszeichen an eine herrliche Vergangen- heit Deutſchlands ſegnen daß es zur Ehre, Mäßigung, Gerechtigkeit und Freiheit mahne. Er ſegnete es als Zeichen der Liebe und der Eintracht aller deutſchen Stämme. Ein jubelndes Hoch folgte dieſen begeiſterten Worten. Heute Abend wird die Feier durch Illumination und Fackel- zug weiter begangen werden. Soeben läuten alle Glocken der Stadt. Wenn irgend etwas den Jubel über die Ereigniſſe zu dämpfen vermag, ſo ſind es nur die traurigen Nachrichten über die Unruhen in Berlin, wenn ihnen nicht ein ziemlich allgemein verbreitetes Motiv, die alte Spannung zwiſchen Militär und Bürgerſchaft, zu Grunde liegt. Gott- lob daß ſich noch ſchlimmere Nachrichten die hier verbreitet waren, im Laufe des Tags nicht beſtätigt haben! (Der Verfaſſer kannte bei Ab- faſſung dieſes Schreibens noch nicht den Straßenkampf in der preußi- ſchen Hauptſtadt.) ⁑ Berlin, 20 März, früh Morgens.Geſtern Morgen wurde un- terhandelt. Der König bewilligte den Abzug der Truppen aus der Stadt mit Ausnahme der Schloß- und Thorwachen, welche Soldaten mit be- waffneten Bürgern gemeinſchaftlich beſetzten. Er zeigte ſich ſelbſt dem Volk zweimal, und ſagte ihm: er vertraue den Bürgern die Sicherheit Berlins. Zugleich kündigte er an: er habe den Grafen Arnim mit Zu- ſammenſetzung eines neuen Miniſteriums beauftragt und einſtweilen alle

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 84, 24. März 1848, S. 1332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine84_1848/4>, abgerufen am 24.11.2024.