Allgemeine Zeitung, Nr. 84, 24. März 1848.[Spaltenumbruch]
gelegt; in Folge des auf dem Land kundgemachten Standrechtes sollen x Wien, 21 März. Laut heutiger officieller Kundmachung in = Wien, 21 März. Wir haben schon bemerkt daß bei der ver- Oesterreichische Monarchie. * Preßburg, 19 März. In der gestrigen Sitzung der Depu- * Aus Krakau (über Breslau) meldet die Deutsche Ztg. daß Großbritannien. London, 18 März. Abends. Heute Nachmittags saß wieder ein Cabinetsrath auf dem auswärn- [Spaltenumbruch]
gelegt; in Folge des auf dem Land kundgemachten Standrechtes ſollen × Wien, 21 März. Laut heutiger officieller Kundmachung in = Wien, 21 März. Wir haben ſchon bemerkt daß bei der ver- Oeſterreichiſche Monarchie. * Preßburg, 19 März. In der geſtrigen Sitzung der Depu- * Aus Krakau (über Breslau) meldet die Deutſche Ztg. daß Großbritannien. London, 18 März. Abends. Heute Nachmittags ſaß wieder ein Cabinetsrath auf dem auswärn- <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div type="jArticle" n="4"> <p><pb facs="#f0007" n="1335"/><cb/> gelegt; in Folge des auf dem Land kundgemachten Standrechtes ſollen<lb/> bereits 10 Hinrichtungen ſtattgeſunden haben. Die größten Unord-<lb/> nungen fielen in Ortſchaften vor wo Fabriken vorhanden waren. Gra-<lb/> nichſtättens große Fabrik in Sechshaus ward von Grund aus zerſtört,<lb/> alles darin befindliche vernichtet, verbrannt. Umſonſt hatte die Frau<lb/> des Fabricanten dem wüthenden Pöbel 10,000 fl. zur alsbaldigen Ver-<lb/> theilung unter ſich angeboten damit ſie von der begonnenen Verwüſtung<lb/> abſtünden. Es wurde, wie es heißt, bei dieſer Gelegenheit nichts ge-<lb/> raubt, ſondern nur zerſtört. Fürſt v. Metternich ſoll ſich gegenwärtig<lb/> auf einem Landgut in der Nähe der mähriſchen Gränze befinden. Wir<lb/> ſind weit entfernt das von ihm repräſentirte Syſtem in Vertheidigung<lb/> zu nehmen, aber eines moraliſchen Ekels können wir uns nicht entweh-<lb/> ren wenn wir ſehen daß anmaßende, ſonſt ganz talentloſe Leute die der<lb/> Gunſt des Fürſten alles was ſie ſind verdanken, nunmehr ſich gerade<lb/> als ſeine wüthendſten Feinde gebärden und ſich nicht entblöden in tol-<lb/> len Schmähſchriften ihre Undankbarkeit, ihre Gemeinheit vor den Augen<lb/> der ganzen Welt zur Schau zu ſtellen. — Heute wird die Dankſagungs-<lb/> deputation der böhmiſchen Stände hier erwartet; ich höre, ſie werde erſt<lb/> morgen eintreffen. Manche befürchten ſie könnte Veranlaſſung geben<lb/> zu neuen unruhigen Auftritten: Zu dieſen Beſorgniſſen ſcheint mir<lb/> aber durchaus kein Grund vorhanden zu ſeyn.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline>× <hi rendition="#b">Wien,</hi> 21 März.</dateline> <p>Laut heutiger officieller Kundmachung in<lb/> der Wiener Zeitung iſt der allgemein geachtete bisherige Staats- und<lb/> Conferenzminiſter Graf v. <hi rendition="#g">Kolowrat</hi> (proviſoriſch) zum Miniſter. Prä-<lb/> ſidenten, Graf <hi rendition="#g">Fiquelmont</hi> zum Miniſter der auswärtigen Angelegen-<lb/> heiten und des Hauſes, Frhr. v. <hi rendition="#g">Pillersdorf</hi> zum Miniſter des In-<lb/> nern, Graf <hi rendition="#g">Taaffe</hi> zum Miniſter der Juſtiz, und Baron <hi rendition="#g">Kübeck</hi> zum<lb/> Miniſter der Finanzen ernannt. (Die Nachricht vom Eintritt des Gra-<lb/> fen Franz Stadion war alſo leider eine irrige.) Die Ernennung des<lb/> Miniſters des Kriegs hat ſich Se. Majeſtät noch vorbehalten. Die Mei-<lb/> nung oder vielmehr Befürchtung daß die dießfällige Wahl auf den Für-<lb/> ſten Windiſchgrätz fallen könnte, ſcheint bei der Unpopularität desſelben<lb/> unter den jetzigen Umſtänden kaum begründet. So eben erfahre ich<lb/> daß unſer hochherziger Kaiſer mittelſt eines eigenen Handbillets allen<lb/> politiſch Verurtheilten in Oeſterreich vollkommene <hi rendition="#g">Amneſtie</hi> angedeihen<lb/> ließ. Gewiß die ſchönſte Beſtegelung des innigen Bundes zwiſchen Volk<lb/> und Herrſcher! — Heute iſt endlich auch das k. k. Hofburgtheater geöff-<lb/> net worden. 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Der neue Miniſter der auswärtigen Angelegenheiten,<lb/> Graf Ficquelmont hat, kaum ins Amt getreten, in dieſer Beziehung ſchon<lb/> einen entſchiedenen Schritt bei den andern deutſchen Regierungen ge-<lb/> than, der darauf hinzielt die deutſchen Intereſſen auf alle mögliche Weiſe<lb/> zu concentriren, und im Geiſte der freieſten Discuſſion zu ordnen.</p> </div> </div> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Oeſterreichiſche Monarchie.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>* <hi rendition="#b">Preßburg,</hi> 19 März.</dateline> <p>In der geſtrigen Sitzung der Depu-<lb/> tirtentafel war bereits der Miniſterpräſident Graf Ludwig <hi rendition="#g">Batthy<hi rendition="#aq">á</hi>nyi</hi><lb/> anweſend und nahm an den Verhandlungen theil. <hi rendition="#g">Koſſuth</hi> forderte<lb/> die Stände zu ſchnellen Maßregeln auf, damit in dieſer bewegten Zeit<lb/> der Zuſtand des Landes geſichert und die öffentliche Ruhe aufrechter-<lb/> halten werde. Er iſt überzeugt daß die gegenwärtige Deputirtentafel<lb/> nicht mehr die Kaſten repräſentirt, und daß die Miſſion des Reichstags<lb/> nur ſolange dauern kann bis die Vertreter des ganzen Landes in Peſth<lb/> einberufen und die Verantwortlichkeit und der Wirkungskreis des<lb/> neu zu begründenden Miniſteriums geſetzlich beſtimmt ſind. Der<lb/> Redner beantragt daher daß von dieſem Augenblick an <hi rendition="#g">alle einzelnen<lb/> Mitglieder der Ständetafel, nämlich die bisherigen Reprä-<lb/> ſentanten der Comitate, der Städte und der geiſtlichen Ca-<lb/> pitel perſönliches Stimmrecht beſitzen ſollen.</hi> Dieſer Antrag<lb/> ſowie der Vorſchlag desſelben Deputirten: <hi rendition="#g">daß ſich die Deputirten-<lb/> tafel für permanent erklären ſoll, wurden einſtimmig ange-<lb/> nommen.</hi> Hierauf wurden dieſe ſowie die beiden andern Geſetzvor-<lb/> ſchläge: daß fortan alle Steuern und öffentlichen Laſten von allen Ein-<lb/> wohnern Ungarns gleichmäßig getragen werden, ſowie daß nach Ver-<lb/> kündigung dieſes Geſetzes alle Urbariallaſten und bäuerlichen Giebig-<lb/> keiten ſowie die geiſtlichen Zehnten aufhören und die Grundbeſitzer auf<lb/> Koſten des Staats entſchädigt werden ſollen, in der Reichsſitzung authen-<lb/><cb/> tificirt. Außerdem wurde beſchloſſen über die Ereigniſſe und Beſchlüſſe<lb/> der letzten Tage eine öffentliche Erklärung an das Land zu richten, dann<lb/> Se. Majeſtät in einer unterthänigſten Repräſentation zu bitten den<lb/> ſiebenbürgiſchen Landtag unverzüglich einzuberufen, damit dem nächſten<lb/> Reichstag ein vollſtändiger Vorſchlag über die Vereinigung der beiden<lb/> Schweſterländer vorgelegt werden könne, und außerdem in einer be-<lb/> ſondern Adreſſe Se. Majeſtät um Ertheilung einer vollſtändigen<lb/> Amneſtie für die politiſchen Gefangenen aus Polen und Italien zu<lb/> bitten. Die <hi rendition="#g">Magnatentafel,</hi> welche gleichfalls fortwährend Sitzung<lb/> hält, trat allen dieſen Beſchlüſſen einſtimmig bei. Graf Széchen er-<lb/> klärte im Namen der Conſervativen daß er und ſeine Meinungsgenoſſen<lb/> bei dem gegenwärtigen Zuſtand des Landes, ohne ihren Principien un-<lb/> getreu zu werden, den Beſchlüſſen der Deputirten nicht bloß mit Selbſt-<lb/> verläugnung, ſondern mit Begeiſterung beitreten. Die Biſchöfe erboten<lb/> ſich ebenſo wie die Capitelsdeputirten in der Ständetafel ohne alle Ent-<lb/> ſchädigung dem Zehnt zu entſagen, nur daß das Miniſterium einen<lb/> Vorſchlag zur Erhaltung jener Seelſorger machen möge, deren Ein-<lb/> künfte bisher hauptſächlich im Zehnt beſtanden. In der Fortſetzung der<lb/> Deputirtenſitzung erklärte <hi rendition="#g">Koſſuth</hi> daß er keineswegs eine Vernichtung<lb/> oder Erſchütterung des Adels in Ungarn beabſichtige, welches ohne Ge-<lb/> fährdung des Vaterlandes nicht ausführbar wäre, ſondern er und ſeine<lb/> Partei wolle nur dem Volke die Freiheit wiedergeben und ſeine Inter-<lb/> eſſen mit denen des Adels vereinigen. Alle dieſe Beſchlüſſe wurden ſo-<lb/> gleich durch eine große Reichstagsdeputation nach <hi rendition="#g">Peſth</hi> gebracht, wo<lb/> auf den heutigen Tag eine große Volksverſammlung auf dem Felde<lb/> Rakos angeſagt war. <hi rendition="#g">So wäre denn die ſechshundertjährige<lb/> ungariſche Feudalverfaſſung</hi> durch eine außerordentliche Ver-<lb/> kettung von Umſtänden binnen <hi rendition="#g">einigen Tagen von Grund aus um-<lb/> gewälzt und in die neuzeitliche Form der Volksvertretung<lb/> und des Conſtitutionalismus umgewandelt worden!</hi> Es iſt<lb/> zu hoffen und zu erwarten daß der Mann der jetzt das Ruder der unga-<lb/> riſchen Regierung ergriffen, ſeiner ungeheuren Aufgabe gewachſen ſeyn<lb/> und mit dem Beiſtande aller Parteien und getragen von den Sympathien<lb/> der gebildeten Welt die begonnene friedliche Revolution glücklich voll-<lb/> enden, und Ungarn auf den Standpunkt erheben wird der ihm in der<lb/> Staatenfamilie Europa’s von Natur aus gebührt. Das Miniſterium<lb/> iſt bis jetzt noch nicht gebildet; Graf Batthy<hi rendition="#aq">á</hi>nyi will erſt die Ankunft<lb/> und den Rath des gefeierten <hi rendition="#g">De<hi rendition="#aq">á</hi>k</hi> erwarten. Koſſuth weigert ſich ſtand-<lb/> haft ein Miniſterportefeuille anzunehmen, und will abermals an die<lb/> Spitze eines großen Journalunternehmens treten. In einer neuen<lb/> Verſion nennt man den genialen Biſchof <hi rendition="#g">Lonovics</hi> als Miniſter-<lb/> candidaten für den Cultus und die Volkserziehung. Dieſer hochherzige<lb/> Prälat ſoll dem Grafen Batthy<hi rendition="#aq">á</hi>nyi ſeine Zuſtimmung zu der von dem-<lb/> ſelben angeblich beabſichtigten <hi rendition="#g">Säculariſation der geiſtlichen<lb/> Güter</hi> gegeben haben. Der Landtag wird nur noch einige Tage<lb/> dauern und ſich vorzüglich mit Errichtung und Organiſirung einer<lb/> allgemeinen Wehrverfaſſung und Nationalgarde beſchäftigen. Er wird<lb/> ſodann aufgelöst und im Sommer nach dem neuen Wahlprincip in<lb/> Peſth zuſammenberufen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>* <hi rendition="#b">Aus Krakau</hi></dateline> <p>(über Breslau) meldet die <hi rendition="#g">Deutſche Ztg.</hi> daß<lb/> die Stadt Krakau in Aufſtand begriffen ſey und die Republik verkündigt<lb/> habe. Es ſeyen 15,000 Inſurgenten beiſammen. Wir ſelbſt erhalten<lb/> eben von zuverläſſiger Hand aus <hi rendition="#g">Krakau</hi> vom 18 März einen Bericht,<lb/> wonach dort auf die Kunde von den Ereigniſſen in Wien die Freilaſſung der<lb/> politiſchen Gefangenen verlangt und von den Behörden — gegen Aus-<lb/> ſtellung eines Reverſes ſich auf Verlangen vor den Gerichten zu ſtellen<lb/> — gewährt worden — am 17. Abends war die ganze Stadt beleuchtet.<lb/> Am 18 Tedeum und großer Jubel über die Verkündigung der Conſti-<lb/> tution. Doch habe auch große Aufregung geherrſcht und man ſey nicht<lb/> ohne Beſorgniß geweſen.</p> </div> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Großbritannien.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">London,</hi> 18 März. Abends.</dateline><lb/> <p>Heute Nachmittags ſaß wieder ein Cabinetsrath auf dem auswärn-<lb/> gen Amte, was ſeit den Pariſer Ereigniſſen beinahe täglich der Fall iſt.<lb/> Die Admiralität hat den Hafenbehörden in Portsmouth und Plymouth<lb/> befohlen Schiffe zur Aufnahme nothleidender brittiſcher Unterthanen in<lb/> Bereitſchaft zu halten, welche Frankreich zu verlaſſen in Folge der dorti-<lb/> gen Revolution genöthigt ſeyn möchten. Zwei raſirte Fregatten werden<lb/> nun zu dieſem Zweck eingerichtet, und an die franzöſiſche Küſte ſind einige<lb/> Dampfboote abgegangen. Die für die vertriebenen Arbeiter eröffnete<lb/> Geldſammlung liefert reichlichen Ertrag; die Königin und Prinz Albert<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1335/0007]
gelegt; in Folge des auf dem Land kundgemachten Standrechtes ſollen
bereits 10 Hinrichtungen ſtattgeſunden haben. Die größten Unord-
nungen fielen in Ortſchaften vor wo Fabriken vorhanden waren. Gra-
nichſtättens große Fabrik in Sechshaus ward von Grund aus zerſtört,
alles darin befindliche vernichtet, verbrannt. Umſonſt hatte die Frau
des Fabricanten dem wüthenden Pöbel 10,000 fl. zur alsbaldigen Ver-
theilung unter ſich angeboten damit ſie von der begonnenen Verwüſtung
abſtünden. Es wurde, wie es heißt, bei dieſer Gelegenheit nichts ge-
raubt, ſondern nur zerſtört. Fürſt v. Metternich ſoll ſich gegenwärtig
auf einem Landgut in der Nähe der mähriſchen Gränze befinden. Wir
ſind weit entfernt das von ihm repräſentirte Syſtem in Vertheidigung
zu nehmen, aber eines moraliſchen Ekels können wir uns nicht entweh-
ren wenn wir ſehen daß anmaßende, ſonſt ganz talentloſe Leute die der
Gunſt des Fürſten alles was ſie ſind verdanken, nunmehr ſich gerade
als ſeine wüthendſten Feinde gebärden und ſich nicht entblöden in tol-
len Schmähſchriften ihre Undankbarkeit, ihre Gemeinheit vor den Augen
der ganzen Welt zur Schau zu ſtellen. — Heute wird die Dankſagungs-
deputation der böhmiſchen Stände hier erwartet; ich höre, ſie werde erſt
morgen eintreffen. Manche befürchten ſie könnte Veranlaſſung geben
zu neuen unruhigen Auftritten: Zu dieſen Beſorgniſſen ſcheint mir
aber durchaus kein Grund vorhanden zu ſeyn.
× Wien, 21 März.Laut heutiger officieller Kundmachung in
der Wiener Zeitung iſt der allgemein geachtete bisherige Staats- und
Conferenzminiſter Graf v. Kolowrat (proviſoriſch) zum Miniſter. Prä-
ſidenten, Graf Fiquelmont zum Miniſter der auswärtigen Angelegen-
heiten und des Hauſes, Frhr. v. Pillersdorf zum Miniſter des In-
nern, Graf Taaffe zum Miniſter der Juſtiz, und Baron Kübeck zum
Miniſter der Finanzen ernannt. (Die Nachricht vom Eintritt des Gra-
fen Franz Stadion war alſo leider eine irrige.) Die Ernennung des
Miniſters des Kriegs hat ſich Se. Majeſtät noch vorbehalten. Die Mei-
nung oder vielmehr Befürchtung daß die dießfällige Wahl auf den Für-
ſten Windiſchgrätz fallen könnte, ſcheint bei der Unpopularität desſelben
unter den jetzigen Umſtänden kaum begründet. So eben erfahre ich
daß unſer hochherziger Kaiſer mittelſt eines eigenen Handbillets allen
politiſch Verurtheilten in Oeſterreich vollkommene Amneſtie angedeihen
ließ. Gewiß die ſchönſte Beſtegelung des innigen Bundes zwiſchen Volk
und Herrſcher! — Heute iſt endlich auch das k. k. Hofburgtheater geöff-
net worden. Aus Berlin fehlen uns geſtern und heute die Nachrichten,
und es circuliren die beunruhigendſten Gerüchte über ſehr blutige Auf-
tritte daſelbſt.
= Wien, 21 März.Wir haben ſchon bemerkt daß bei der ver-
änderten Politik der Monarchie dieſelbe in eine viel engere Beziehung
zu der deutſchen Nationalpolitik treten werde, als dieß früher der Fall
ſeyn konnte. Der neue Miniſter der auswärtigen Angelegenheiten,
Graf Ficquelmont hat, kaum ins Amt getreten, in dieſer Beziehung ſchon
einen entſchiedenen Schritt bei den andern deutſchen Regierungen ge-
than, der darauf hinzielt die deutſchen Intereſſen auf alle mögliche Weiſe
zu concentriren, und im Geiſte der freieſten Discuſſion zu ordnen.
Oeſterreichiſche Monarchie.
* Preßburg, 19 März.In der geſtrigen Sitzung der Depu-
tirtentafel war bereits der Miniſterpräſident Graf Ludwig Batthyányi
anweſend und nahm an den Verhandlungen theil. Koſſuth forderte
die Stände zu ſchnellen Maßregeln auf, damit in dieſer bewegten Zeit
der Zuſtand des Landes geſichert und die öffentliche Ruhe aufrechter-
halten werde. Er iſt überzeugt daß die gegenwärtige Deputirtentafel
nicht mehr die Kaſten repräſentirt, und daß die Miſſion des Reichstags
nur ſolange dauern kann bis die Vertreter des ganzen Landes in Peſth
einberufen und die Verantwortlichkeit und der Wirkungskreis des
neu zu begründenden Miniſteriums geſetzlich beſtimmt ſind. Der
Redner beantragt daher daß von dieſem Augenblick an alle einzelnen
Mitglieder der Ständetafel, nämlich die bisherigen Reprä-
ſentanten der Comitate, der Städte und der geiſtlichen Ca-
pitel perſönliches Stimmrecht beſitzen ſollen. Dieſer Antrag
ſowie der Vorſchlag desſelben Deputirten: daß ſich die Deputirten-
tafel für permanent erklären ſoll, wurden einſtimmig ange-
nommen. Hierauf wurden dieſe ſowie die beiden andern Geſetzvor-
ſchläge: daß fortan alle Steuern und öffentlichen Laſten von allen Ein-
wohnern Ungarns gleichmäßig getragen werden, ſowie daß nach Ver-
kündigung dieſes Geſetzes alle Urbariallaſten und bäuerlichen Giebig-
keiten ſowie die geiſtlichen Zehnten aufhören und die Grundbeſitzer auf
Koſten des Staats entſchädigt werden ſollen, in der Reichsſitzung authen-
tificirt. Außerdem wurde beſchloſſen über die Ereigniſſe und Beſchlüſſe
der letzten Tage eine öffentliche Erklärung an das Land zu richten, dann
Se. Majeſtät in einer unterthänigſten Repräſentation zu bitten den
ſiebenbürgiſchen Landtag unverzüglich einzuberufen, damit dem nächſten
Reichstag ein vollſtändiger Vorſchlag über die Vereinigung der beiden
Schweſterländer vorgelegt werden könne, und außerdem in einer be-
ſondern Adreſſe Se. Majeſtät um Ertheilung einer vollſtändigen
Amneſtie für die politiſchen Gefangenen aus Polen und Italien zu
bitten. Die Magnatentafel, welche gleichfalls fortwährend Sitzung
hält, trat allen dieſen Beſchlüſſen einſtimmig bei. Graf Széchen er-
klärte im Namen der Conſervativen daß er und ſeine Meinungsgenoſſen
bei dem gegenwärtigen Zuſtand des Landes, ohne ihren Principien un-
getreu zu werden, den Beſchlüſſen der Deputirten nicht bloß mit Selbſt-
verläugnung, ſondern mit Begeiſterung beitreten. Die Biſchöfe erboten
ſich ebenſo wie die Capitelsdeputirten in der Ständetafel ohne alle Ent-
ſchädigung dem Zehnt zu entſagen, nur daß das Miniſterium einen
Vorſchlag zur Erhaltung jener Seelſorger machen möge, deren Ein-
künfte bisher hauptſächlich im Zehnt beſtanden. In der Fortſetzung der
Deputirtenſitzung erklärte Koſſuth daß er keineswegs eine Vernichtung
oder Erſchütterung des Adels in Ungarn beabſichtige, welches ohne Ge-
fährdung des Vaterlandes nicht ausführbar wäre, ſondern er und ſeine
Partei wolle nur dem Volke die Freiheit wiedergeben und ſeine Inter-
eſſen mit denen des Adels vereinigen. Alle dieſe Beſchlüſſe wurden ſo-
gleich durch eine große Reichstagsdeputation nach Peſth gebracht, wo
auf den heutigen Tag eine große Volksverſammlung auf dem Felde
Rakos angeſagt war. So wäre denn die ſechshundertjährige
ungariſche Feudalverfaſſung durch eine außerordentliche Ver-
kettung von Umſtänden binnen einigen Tagen von Grund aus um-
gewälzt und in die neuzeitliche Form der Volksvertretung
und des Conſtitutionalismus umgewandelt worden! Es iſt
zu hoffen und zu erwarten daß der Mann der jetzt das Ruder der unga-
riſchen Regierung ergriffen, ſeiner ungeheuren Aufgabe gewachſen ſeyn
und mit dem Beiſtande aller Parteien und getragen von den Sympathien
der gebildeten Welt die begonnene friedliche Revolution glücklich voll-
enden, und Ungarn auf den Standpunkt erheben wird der ihm in der
Staatenfamilie Europa’s von Natur aus gebührt. Das Miniſterium
iſt bis jetzt noch nicht gebildet; Graf Batthyányi will erſt die Ankunft
und den Rath des gefeierten Deák erwarten. Koſſuth weigert ſich ſtand-
haft ein Miniſterportefeuille anzunehmen, und will abermals an die
Spitze eines großen Journalunternehmens treten. In einer neuen
Verſion nennt man den genialen Biſchof Lonovics als Miniſter-
candidaten für den Cultus und die Volkserziehung. Dieſer hochherzige
Prälat ſoll dem Grafen Batthyányi ſeine Zuſtimmung zu der von dem-
ſelben angeblich beabſichtigten Säculariſation der geiſtlichen
Güter gegeben haben. Der Landtag wird nur noch einige Tage
dauern und ſich vorzüglich mit Errichtung und Organiſirung einer
allgemeinen Wehrverfaſſung und Nationalgarde beſchäftigen. Er wird
ſodann aufgelöst und im Sommer nach dem neuen Wahlprincip in
Peſth zuſammenberufen.
* Aus Krakau(über Breslau) meldet die Deutſche Ztg. daß
die Stadt Krakau in Aufſtand begriffen ſey und die Republik verkündigt
habe. Es ſeyen 15,000 Inſurgenten beiſammen. Wir ſelbſt erhalten
eben von zuverläſſiger Hand aus Krakau vom 18 März einen Bericht,
wonach dort auf die Kunde von den Ereigniſſen in Wien die Freilaſſung der
politiſchen Gefangenen verlangt und von den Behörden — gegen Aus-
ſtellung eines Reverſes ſich auf Verlangen vor den Gerichten zu ſtellen
— gewährt worden — am 17. Abends war die ganze Stadt beleuchtet.
Am 18 Tedeum und großer Jubel über die Verkündigung der Conſti-
tution. Doch habe auch große Aufregung geherrſcht und man ſey nicht
ohne Beſorgniß geweſen.
Großbritannien.
London, 18 März. Abends.
Heute Nachmittags ſaß wieder ein Cabinetsrath auf dem auswärn-
gen Amte, was ſeit den Pariſer Ereigniſſen beinahe täglich der Fall iſt.
Die Admiralität hat den Hafenbehörden in Portsmouth und Plymouth
befohlen Schiffe zur Aufnahme nothleidender brittiſcher Unterthanen in
Bereitſchaft zu halten, welche Frankreich zu verlaſſen in Folge der dorti-
gen Revolution genöthigt ſeyn möchten. Zwei raſirte Fregatten werden
nun zu dieſem Zweck eingerichtet, und an die franzöſiſche Küſte ſind einige
Dampfboote abgegangen. Die für die vertriebenen Arbeiter eröffnete
Geldſammlung liefert reichlichen Ertrag; die Königin und Prinz Albert
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(2022-04-08T12:00:00Z)
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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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