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Allgemeine Zeitung, Nr. 84, 27. März 1900.

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Nr. 84.
Abendblatt. (Mit Beilage Nr. 71.)
103. Jahrgang. München, Dienstag, 27. März 1900.
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Allgemeine Zeitung.
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Raum 25 Pfennig;
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kaufsanzeig. 20 Pf.;
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Redaktion und Expe-
dition befinden sich
Schwanthalerstr. 36
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Berichte sind an die
Redaktion, Inserat-
aufträge an die Ex-
pedition franko ein-
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E. Stechert, Westermann u. Co., International News Comp., 83 und 85 Duane Str. in New-York.

[Spaltenumbruch] [Abbildung] [Spaltenumbruch]

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Leipzigerstraße 11,
ferner in Berlin, Hamburg, Breslau, Köln, Leipzig, Frankfurt a. M., Stuttgart, Nürnberg,
Wien, Pest, London, Zürich, Basel etc. bei den Annoncenbureaux R. Mosse, Haasenstein u. Vogler, G. L.
Daubeu. Co. In den Filialen der Zeitungsbureaux Invalidendank zu Berlin, Dresden, Leipzig, Chemniß etc.
Außerdem in Berlin bei B. Arndt (Mohrenstraße 26) und S. Kornik (Kochstraße 23); für Frankreich bei John
F. Jones u. Co., 31 bis Faubourg Montmartre in Paris.

Verantwortlich für den politischen Theil der Chefredakteur Hans Tournier, für das Feuilleton Alfred Frhr. v. Mensi, für den Handelstheil Ernst Barth, sämmtlich in München.
Druck und Verlag der Gesellschaft mit beschränkter Haftung "Verlag der Allgemeinen Zeitung" in München.



[Spaltenumbruch]
Deutsches Reich.
Die "Affaire Lerchenfeld".

Der bekannten Auslassung
der "Augsb. Abdztg.", daß Graf Lerchenfeld seine
warm befürwortende Erklärung zum § 184a der lex
Heinze
im Reichstag abgegeben habe, ohne von der
bayerischen Regierung dazu beauftragt gewesen zu sein,
folgte alsbald die ebenso bekannte offiziöse Mittheilung
in der "Korrespondenz Hoffmann", daß die Notiz in der
"Augsb. Abendztg." zwar sachlich richtig, aber amtlicher-
seits nicht veranlaßt worden sei. Seitdem finden sich in den
Preßorganen aller Parteirichtungen zahllose Betrachtungen
und Kombinationen, betreffend das Verhalten des Grafen
Lerchenfeld und sein Verhältniß zu den hiesigen leitenden
Kreisen, über die neuerliche Stellungnahme der bayerischen
Regierung zur lex Heinze u. dgl. m. Es werden dabei
die eigenthümlichsten Anschaunugen und Muthmaßungen
zutage gefördert und doch liegt die Sache sehr einfach.
Der § 184a in seiner scharfen, nicht eben einwandfreien
Fassung ist 1892 allerdings von der bayerischen
Regierung beantragt worden. Seit mehr als vier
Jahren ruhte die Angelegenheit dann, und da dem
bayerischen Gesandten in Berlin seitdem auch keine
anderen Instruktionen zugegangen waren, handelte
dieser bei Abgabe seiner Erklärung im Reichstag im Ein-
klang mit den früheren, freilich ziemlich weit zurückliegen-
den Weisungen. Er that dies wohl um so bereitwilliger,
als die Erklärung durchaus dem freundlichen Standpunkt
entspricht, den Graf Lerchenfeld für seine Person dem
Centrum gegenüber einnimmt. Er handelte dagegen
weniger im Sinn und nach den Wünschen seiner Regie-
rung, die angesichts des heftigen Widerstrebens der öffent-
lichen Meinung gegen das Gesetz und der lauten Protest-
kundgebungen es für rathsam erachtete, den Standpunkt,
den sie vor Jahren eingenommen, doch etwas ändern zu
sollen glaubte. Daß der erste Vertreter Bayerns im
Bundesrath offenbar nicht sofort und in genügender Weise
auf dienstlichem Wege von dieser Aenderung unterrichtet
wurde, ist wohl der einzige Fehler, den die Regierung
gemacht hat, den man aber mehr oder minder aus der
Annahme erklären kann, daß der Gesandte sich an die vor so
vielen Jahren gegebenen Instruktionen angesichts der immer-
hin veränderten Sachlage und der heftigen Protestbewegung
nicht ohne weiteres halten würde. Daß unter diesen Um-
ständen die Regierung von der Erklärung ihres Ge-
sandten nicht gerade angenehm überrascht wurde, läßt sich
wohl begreifen, allein man dachte hier offenbar nicht
daran, den Gesandten in Berlin, der formell obenein zum
mindesten nicht inkorrekt gehandelt hatte, öffentlich zu
koramiren. Das irrthümlich als "offiziös" bezeichnete
kurze Entrefilet der "Augsb. Abdztg." verdankt seine Ent-
stehung wohl einem Privatgespräch eines Ministers mit
einem Landtagsabgeordneten, in der auch die vielerörterte
Sache berührt wurde. Sollte die Negierung in der Ab-
geordnetenkammer wegen des Zwischenfalls interpellirt
werden, so könnte sie nichts anderes thun, als den hier
[Spaltenumbruch] erwähnten Sachverhalt darlegen. Von einer Abberufung
des hochverdienten Diplomaten aus Berlin kann ebenso-
wenig die Rede sein, wie von einem freiwilligen Rücktritt
desselben. Es liegt hiezu nicht der mindeste Grund vor.

Deutschland und China.

Der frühere deutsche Gesandte
in China, Hr. v. Brandt, bringt im Aprilheft der
"Deutschen Revue" nachdrücklich das Programm in Er-
innerung, das seinerzeit für Gestaltung der Beziehungen
zwischen Deutschland und China vom Grafen Bülow
aufgestellt worden ist, jenes Programm, welches neben
dem Fortbestehen der besten Beziehungen zur chinesischen
Regierung die friedliche Weiterentwicklung der deutschen
kommerziellen und industriellen Interessen in China ins
Auge faßt. Hr. v. Brandt warnt davor, beim Ausbruch
von Unruhen im chinesischen Reich gleich an eine gegen
die Dynastie gerichtete Bewegung zu denken und sie als
Anlaß zur Empfehlung diplomatischer und militärischer
Interventionen oder einer neuen Auftheilung China's zu
benutzen. Solche Auslassungen eines Theils der deutschen
Presse würden sicherlich der chinesischen Regierung hinter-
bracht. "Sie tragen," schreibt Hr. v. Brandt wörtlich,
"sicher nicht dazu bei, die Erfüllung der Aufgaben der
diplomatischen und konsularischen Vertreter zu erleichtern,
wie sie ebenfalls wenig geeignet sein dürften, den deutschen
Kaufmann bei der Konkurrenz um den Abschluß von Regie-
rungsgeschäften zu unterstützen. Wenn man nicht, wie der
chinesische Gesandte in England, Sir Chichen Lofengloh,
von einer Stadt zur andern zieht, überall von den Vertretern
des Handels und der Industrie empfangen, herumge-
führt und gefeiert, wie der Gesandte China's in den Ver-
einigten Staaten in gleicher Weise im Interesse der
amerikanischen Industrie bearbeitet wird, so kann man
nur mit aufrichtigem Bedauern feststellen, wie für einen
großen Theil der deutschen Presse China nur den Vor-
wand zu Angriffen gegen Regierung und Volk bietet, die,
wenn sie nicht jeder Grundlage entbehren, doch meistens
als sehr übertrieben bezeichnet werden müssen. Die Auf-
gabe, die Deutschland in China zu lösen hat, ist ohnehin
eine genügend schwere und verantwortliche, als daß nicht
der Wunsch gerechtfertigt wäre, daß die Presse sich über
die Tragweite ihrer Aeußerungen klar werden und nicht
ohne genügende Veranlassung zur Verschlechterung unsrer
Beziehungen mit einem Reich beitragen möchte, mit dem
in Frieden und Freundschaft zu leben wir alle Ver-
anlassung haben. Dann werden auch wir dazu mitwirken
können, dem chinesischen Zopf einige Härchen auszurupfen,
um so die Verdünnung desselben zu befördern; eine
Arbeit, die freilich feiner behandelt sein will, als wenn
man dem Chinesen mit beiden Händen in den Schopf
fährt, die dafür aber auch bessere und dauernde Resultate
ergeben dürfte, als das letzterwähnte Verfahren."

Vom Tage.

Der Generaldebatte über
die Flottennovelle
in der Budgetkommission des Reichs-
[Spaltenumbruch] tags ist die Disposition zugrunde gelegt, nach welcher die
Begründung des Flottengesetzes ausgearbeitet worden
ist. Danach soll also zuerst über die Nothwendigkeit und den
Umfang der Vermehrung der Kriegsmarine berathen werden,
dann die Durchführung der Vermehrung, die Kosten und Be-
schaffung der Mittel und schließlich die gesetzliche Festlegung
der Vermehrung. -- Ein neuer Reichsweingesetz-Entwurf
im Sinne des allgemeinen Wunsches nach striktem Verbot der
Herstellung und Verschleißung von Trester-, Hefe-, Rosinen-
und anderen Kunstweinen ist im Reichsamte des Innern einer
Meldung des Weinbauvereinsorgans zufolge schon fertig-
gestellt worden. Er soll lediglich die Form einer Novelle
zum 1892er Weingesetze erhalten. Bereits hat er den In-
stanzenweg angetreten und ist dem preußischen Landwirth-
schaftsministerium zugegangen. Er wird dann dem Bundes-
rathe unterbreitet werden. Es ist deßhalb sehr wahrscheinlich,
daß die Vorlage noch im übernächsten Monat an den Reichs-
tag gelangen wird.

Der Deutsche Verein für den Schutz des ge-
werblichen Eigenthums
wird am Donnerstag eine Ver-
sammlung abhalten, in welcher Hr. Privatdozent Dr. Paul
Alexander-Katz
über die Nichtigkeit eines Patents wegen
Kollision mit einem älteren Patent, sowie Hr. Patentanwalt
Lubier über das Waarenverzeichniß unter dem Schutz des
Waarenzeichengesetzes einen Vortrag halten werden. Die von
dem gleichen Verein in Aussicht genommene Konferenz für
gewerblichen Rechtsschutz wird am 14. und 15. Mai d. J.
in Frankfurt a. M. stattfinden. Die Berichte über die
Reform des Patentrechts und die Reform des Geschmacks-
musterrechts liegen schon fertig vor. Ein Bericht über die
Reform des Waarenzeichenrechts wird von einem aus Frank-
furter Industriellen gebildeten Ausschusse bearbeitet werden,
der vor allem die Frage der Vorbenutzung an Waaarenzeichen
zum Gegenstand einer Untersuchung machen wird.

Nach einer zwischen dem Reichs-Versicherungsamt und
den Zentral-Postbehörden getroffenen Vereinbarung haben
die Empfänger von Alters- und Invalidenrenten
vom 1. April ab für die Quittungen zur Abhebung der
Renten bei den Postanstalten neue Formulare zu verwenden.
Diese Bestimmung hat mehrfach zu dem Irrthum Anlaß ge-
geben, daß auch die Unfallrentenempfänger sich vom
1. April ab neuer Quittungsformulare zu bedienen hätten.
Dies ist nicht der Fall. Die Empfänger von Unfallrenten
dürfen vielmehr die alten Formulare mit dem Vordruck der
Jahreszahl "189" unter handschriftlicher Abänderung der
Zahl in "1900" auch in Zukunft weiter benutzen.

In diesem Winterhalbjahr sind an einer größeren An-
zahl von Baugewerkschulen Vorklassen eingerichtet worden,
um jungen Leuten, die wegen mangelnder Vorkenntnisse nicht
in die unterste Baugewerkschulklasse aufgenommen werden
konnten, Gelegenheit zu geben, die Lücken in ihrem Wissen
zu ergänzen. Im kommenden Sommerhalbjahr sollen, soweit
thunlich, an allen Baugewerkschulen solche Vorklassen bestehen.
Es kann daher allen Baugewerktreibenden, die zum Herbst in
die Baugewerkschulen eintreten wollen und nicht die zum Be-
stehen der Aufnahmeprüfung erforderlichen Kenntnisse be-



[Spaltenumbruch]
Feuilleton.


vl. Im Kunstverein ist der reichhaltige Nachlaß des
mit Recht beliebten, geschickten Thiermalers A. Monte-
mezzo
ausgestellt. Die Kollektion ist von größerer Viel-
seitigkeit als man nach der etwas einförmigen Art von Monte-
mezzo's Auftreten in den Ausstellungen des Kunstvereins
hätte annehmen mögen. Die Preise sind in Anbetracht des
verständigen Fleißes und des klaren Geschmacks, mit dem die
meisten der Bilder ausgeführt sind, sehr zivil, ein bei den
Veräußerungen von Nachlässen leider recht selten gewordener
Umstand. Kunz Meyer brachte ein lebensgroßes weibliches
Portrait und zwölf Studien aus Schloß Oberbrunn und Um-
gegend. Die stille menschliche Auffassung ist fehr anerkennens-
werth, kann uns aber für die dünne, wesenlose Farbe nicht
entschädigen. Karl Bössenroths Cyklus landschaftlicher
Motive, Winter und Vorfrühling, geht sehr energisch auf an-
schauliche Raumgestaltung aus, aber diese scheinbar so sehr
modern gemalten Studien sind im Grunde recht alterthüm-
lich trüb in der Farbe, was doch sonst von Bössenroths
Arbeiten nicht gesagt werden kann. Max-Ehrlers zwei
weibliche Genrefiguren verstimmen erheblich durch ihre Ab-
sicht freundlich und elegant zu wirken; der gehaltlose Porzellan-
ton ist gar zu unnatürlich. Ernst Dargens Aquarelle
befitzen eine sehr angenehme Tönung und so sind auch
Andersen-Lundby's Schneelandschaften durch ihre zarte
Ausführung bemerkenswerth, obschon sie einigermaßen flach
gehalten sind und allmählich in ihrer häufigen Wiederkehr
uns gar zu alltäglich vertraut vorkommen.

x. Fischers Klaviervortrag

Richard Wagner'scher
Werke, der gestern eine gewaltige Zuhörermenge in die Räume
des Odeons gelockt hatte, nahm den großartigsten Verlauf.
Der geniale Künstler, schon beim Erscheinen jubelnd begrüßt,
spielte Abschnitte aus "Tristan" (zweiter Akt, Liebesdnett),
"Parsifal" (Verwandlungsmusik und Charfreitagszauber), die
Venusberg-Scene aus "Tannhänser", die Rheintöchter-Scene
und Siegfrieds Tod aus "Götterdämmerung", sowie Vorspiel
des zweiten Aktes und Walkürenritt aus "Walküre". Wir
wollen über seine Meisterschaft in dieser eigensten Kunst der
Wagner-Interpretation nicht wiederholen, was Alle wissen. Ist
sie doch auf dem ganzen Erdenrund längst Gegenstand un-
getheilter Bewunderung. Wir können nur konstatiren, daß
[Spaltenumbruch] Fischer den Abend hindurch eine geistige und körperliche
Spannkraft bewahrte, die aus Unglaubliche grenzt. Die schwie-
rigsten Partien gab er mit einem unerschöpflichen Reichthum
feinster Nuancen und Klaugmischungen, in den Tuttistellen
entfaltete er von Anfang bis Ende eine verblüffende Tonfülle,
die intrikatesten Verschlingungen der Partitur ziselirte er mit
plastischer, den charakteristischen Gehalt der Themen und die
Möglichkeiten ihrer Beziehungen wunderbar analysirenden
Schärfe, kurz, der Abend war ein Triumph des musikalischen
Nachschaffens und einer der erhabensten Genüsse. Was Fischer
am besten zum Vortrag brachte? Die ergreifende Siegfrieds-
musik oder die glühende Lust des Venusberges, den rasenden
Sturm am Walkürenfels oder die Wonneschaner der Liebes-
nacht -- es ist nicht zu entscheiden. Jede Darbietung war
gleich klar und innerlich vertieft, gleich originell, gleich
grandios. Das enthusiasmirte Publikum ließ sich zuletzt nicht
eher beruhigen, als bis der Konzertgeber noch den Feuer-
zauber losbrannte.

-#- Konzert der Bürger-Sängerzunft.

Die unter
der energischen Leitung des Hrn. Professors Heinrich Schwartz
stehende Bürger-Sängerzunft hielt gestern Abend im
großen Kaim-Saale einen Gesangsvortrag unter der Mit-
wirkung von Frl. Bertha Zollitsch (Violine), Hrn. Hans
Werner Lehmeier (Baryton) und des Kaim-Orchesters unter
Hrn. Kapellmeister Arthur Möller. Der Verein steht im
besten Ruf, und mit Recht; denn das Stimmmaterial ist gut,
und die künstlerische Persönlichkeit des Dirigenten bürgt für
die Fernhaltung der öden Liedertafelei, wie sie so gern in
Männergesangvereinen gepflegt wird. Auch das gestrige
Programm zeugte von dem Bestreben, nur gute Werke auf-
zuführen. Die Vorträge wurden -- nach der vom Orchester
gespielten Euryanthen-Ouvertüre von Weber -- mit einem
markigen Chor von Anton Bruckner für Chor und Orchester,
"Germanenzug", eingeleitet und führten über die a cappella-
Chöre "Kriegers Abschied" von Attenhofer, "Das ist das
Meer" von Jean Louis Nicode, "Die Lotosblume" von
R. Schumann, "König Ring" (der Bürger-Sängerzunft zugeeignet)
von Franz Mair zu dem effektvollen "Lied vom Rhein", eben-
falls für Chor und Orchester, von Ernst Schwaiger. Unter
den von dem Verein zum erstenmal gesungenen Werken mußten
ganz besonders Bruckners "Germanenzug" und Nicode's
"Das ist das Meer" interessiren. Eigenthümlich erscheint im
"Germanenzug" die durch den Text hervorgerufene, etwas
[Spaltenumbruch] weiche Darstellung des Walkürensanges, der von einem Solo-
quartett (in diesem Fall HH. Baumgärtner, Mühlhart,
Rudolph
und Obpacher) ausgeführt wird: wir sind so
gewöhnt, uns die Walküren vor allem als Heldenjungfrauen
vorzustellen, daß uns die Lockung der liebenden Wunsch-
mädchen im ersten Augenblick fremd anmuthen möchte.
Wagners scharfe musikalische Zeichnung der Wotanstöchter
beherrscht unsre Anschauung derart, daß uns anders gemalte
Walküren fast "illegitim" vorkommen. Die Ausführung der
verschiedenen Werke machte dem Chor alle Ehre; die Stimmen
klangen voll und weich, die Intonation war sauber, und die
Sänger folgten dem Dirigenten aufs beste hinsichtlich der
Nuancirungen in der Dynamik und des Tempos. Ohne
kritisch nörgeln zu wollen -- was mir gerade gegenüber
einem Chor von Herren, die nach des Tages Müh und
Arbeit in solch ernster Weise der Musik huldigen, unange-
bracht scheint -- möchte ich doch bemerken, daß manchmal eine
schärfere Aussprache die Wirkung hätte erhöhen können. Gut
gesprochen ist halb gesungen. Eine zweite wichtige Sache ist
die, daß nach Pausenabschnitten die Sänger den Dirigenten
anschauen und genau zu gleicher Zeit den neuen Ton, das
neue Wort fingen. Hr. Lehmeier, ein Mitglied des Vereins,
hatte mit dem Vortrag des Prologs aus Leoncavallo's
"Bajazzo" und dreier Gesänge für Baryton großen Erfolg
bei den Zuhörern; seine Stimme ist flüssig und leicht, dürfte
aber durch eine vorsichtige Behandlung in der Höhe, besonders
durch die Vermeidung der offenen Tongebung und damit zu-
sammenhängend der flachen Vokalisirung, noch an edlem
Klange gewinnen. Eine rechte Freude konnte man an der
jungen Violinistin Frln. Zollitsch haben, die, unterstützt von
Hrn. Felix Kircher, eine Sonate des alten F. W. Rust für
Violine und Klavier spielte. Sie besitzt bereits eine schöne
Gelänfigkeit und technische Sicherheit auf ihrem Instrument,
der Ton klingt warm und rund, und die Dame hat, was
das Beste ist, musikalische Empfindung. So gelangen denn
die verschiedenen Abschnitte der Sonate aufs schönste und der
laute Beifall war wohlverdient. Das Kaim-Orchester be-
theiligte sich außer durch die Begleitung der Chöre und die
erwähnte Ouvertüre zu "Euryanthe" noch mit der entzückenden
Entreakt-Musik aus Schuberts "Rosamunde" an dem Konzert.

Die Düsseldorfer
Märzausstellungen
. Man wird Düsseldorf nicht leicht
jenen Kunststädten beizählen dürfen, die wie etwa München


Nr. 84.
Abendblatt. (Mit Beilage Nr. 71.)
103. Jahrgang. München, Dienſtag, 27. März 1900.
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Wöchentlich
22 Ausgaben.
Bezugspreiſe:

Durch die Poſtämter:
jährlich M. 36. —,
ohne Beil. M. 18. —
(vierlelj. M. 9. —,
ohne Beil. M. 4.50);
in München b. d. Ex-
pedition od. d. Depots
monatlich M. 2. —,
ohne Veil. M. 1. 20.
Zuſtellg. mil. 50 Pf.
Direkter Bezug für
Deutſchl. u. Oeſterreich
monatlich M. 4. —,
ohne Veil. M. 3. —,
Ausland M. 5. 60,
ohne Veil. M. 4. 40.

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Allgemeine Zeitung.
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Inſertionspreis
für die kleinſpaltige
Kolonelzeile od. deren
Raum 25 Pfennig;
finanzielle Anzeigen
35 Pf.; lokale Ver-
kaufsanzeig. 20 Pf.;
Stellengeſuche 15 Pf.



Redaktion und Expe-
dition befinden ſich
Schwanthalerſtr. 36
in München.


Berichte ſind an die
Redaktion, Inſerat-
aufträge an die Ex-
pedition franko ein-
zuſenden.



[Spaltenumbruch]

Abonnements für Berlin nimmt unſere dortige Filiale in der Leipzigerſtraße 11 entgegen.
Abonnements für das Ausland
nehmen an: für England A. Siegle, 30 Lime Str., London; für Frankreich,
Portugal und Spanien A. Ammel und C. Klinckſieck in Paris; für Belgien, Bulgarien. Dänemark. Italien.
Niederlande, Numänien, Rußland, Schweden und Norwegen, Schweiz, Serbien die dortigen Poſtämter; für den Orient
das k. k. Poſtamt in Wien oder Trieſt; für Nordamerika F. W. Chriſtern, E. Steiger u. Co., Guſt.
E. Stechert, Weſtermann u. Co., International News Comp., 83 und 85 Duane Str. in New-York.

[Spaltenumbruch] [Abbildung] [Spaltenumbruch]

Inſeratenannahme in München bei der Expedition, Schwanthalerſtraße 36, in Berlin in unſerer Filiale,
Leipzigerſtraße 11,
ferner in Berlin, Hamburg, Breslau, Köln, Leipzig, Frankfurt a. M., Stuttgart, Nürnberg,
Wien, Peſt, London, Zürich, Baſel ꝛc. bei den Annoncenbureaux R. Moſſe, Haaſenſtein u. Vogler, G. L.
Daubeu. Co. In den Filialen der Zeitungsbureaux Invalidendank zu Berlin, Dresden, Leipzig, Chemniß ꝛc.
Außerdem in Berlin bei B. Arndt (Mohrenſtraße 26) und S. Kornik (Kochſtraße 23); für Frankreich bei John
F. Jones u. Co., 31 bis Faubourg Montmartre in Paris.

Verantwortlich für den politiſchen Theil der Chefredakteur Hans Tournier, für das Feuilleton Alfred Frhr. v. Menſi, für den Handelstheil Ernſt Barth, ſämmtlich in München.
Druck und Verlag der Geſellſchaft mit beſchränkter Haftung „Verlag der Allgemeinen Zeitung“ in München.



[Spaltenumbruch]
Deutſches Reich.
Die „Affaire Lerchenfeld“.

Der bekannten Auslaſſung
der „Augsb. Abdztg.“, daß Graf Lerchenfeld ſeine
warm befürwortende Erklärung zum § 184a der lex
Heinze
im Reichstag abgegeben habe, ohne von der
bayeriſchen Regierung dazu beauftragt geweſen zu ſein,
folgte alsbald die ebenſo bekannte offiziöſe Mittheilung
in der „Korreſpondenz Hoffmann“, daß die Notiz in der
„Augsb. Abendztg.“ zwar ſachlich richtig, aber amtlicher-
ſeits nicht veranlaßt worden ſei. Seitdem finden ſich in den
Preßorganen aller Parteirichtungen zahlloſe Betrachtungen
und Kombinationen, betreffend das Verhalten des Grafen
Lerchenfeld und ſein Verhältniß zu den hieſigen leitenden
Kreiſen, über die neuerliche Stellungnahme der bayeriſchen
Regierung zur lex Heinze u. dgl. m. Es werden dabei
die eigenthümlichſten Anſchaunugen und Muthmaßungen
zutage gefördert und doch liegt die Sache ſehr einfach.
Der § 184a in ſeiner ſcharfen, nicht eben einwandfreien
Faſſung iſt 1892 allerdings von der bayeriſchen
Regierung beantragt worden. Seit mehr als vier
Jahren ruhte die Angelegenheit dann, und da dem
bayeriſchen Geſandten in Berlin ſeitdem auch keine
anderen Inſtruktionen zugegangen waren, handelte
dieſer bei Abgabe ſeiner Erklärung im Reichstag im Ein-
klang mit den früheren, freilich ziemlich weit zurückliegen-
den Weiſungen. Er that dies wohl um ſo bereitwilliger,
als die Erklärung durchaus dem freundlichen Standpunkt
entſpricht, den Graf Lerchenfeld für ſeine Perſon dem
Centrum gegenüber einnimmt. Er handelte dagegen
weniger im Sinn und nach den Wünſchen ſeiner Regie-
rung, die angeſichts des heftigen Widerſtrebens der öffent-
lichen Meinung gegen das Geſetz und der lauten Proteſt-
kundgebungen es für rathſam erachtete, den Standpunkt,
den ſie vor Jahren eingenommen, doch etwas ändern zu
ſollen glaubte. Daß der erſte Vertreter Bayerns im
Bundesrath offenbar nicht ſofort und in genügender Weiſe
auf dienſtlichem Wege von dieſer Aenderung unterrichtet
wurde, iſt wohl der einzige Fehler, den die Regierung
gemacht hat, den man aber mehr oder minder aus der
Annahme erklären kann, daß der Geſandte ſich an die vor ſo
vielen Jahren gegebenen Inſtruktionen angeſichts der immer-
hin veränderten Sachlage und der heftigen Proteſtbewegung
nicht ohne weiteres halten würde. Daß unter dieſen Um-
ſtänden die Regierung von der Erklärung ihres Ge-
ſandten nicht gerade angenehm überraſcht wurde, läßt ſich
wohl begreifen, allein man dachte hier offenbar nicht
daran, den Geſandten in Berlin, der formell obenein zum
mindeſten nicht inkorrekt gehandelt hatte, öffentlich zu
koramiren. Das irrthümlich als „offiziös“ bezeichnete
kurze Entrefilet der „Augsb. Abdztg.“ verdankt ſeine Ent-
ſtehung wohl einem Privatgeſpräch eines Miniſters mit
einem Landtagsabgeordneten, in der auch die vielerörterte
Sache berührt wurde. Sollte die Negierung in der Ab-
geordnetenkammer wegen des Zwiſchenfalls interpellirt
werden, ſo könnte ſie nichts anderes thun, als den hier
[Spaltenumbruch] erwähnten Sachverhalt darlegen. Von einer Abberufung
des hochverdienten Diplomaten aus Berlin kann ebenſo-
wenig die Rede ſein, wie von einem freiwilligen Rücktritt
desſelben. Es liegt hiezu nicht der mindeſte Grund vor.

Deutſchland und China.

Der frühere deutſche Geſandte
in China, Hr. v. Brandt, bringt im Aprilheft der
„Deutſchen Revue“ nachdrücklich das Programm in Er-
innerung, das ſeinerzeit für Geſtaltung der Beziehungen
zwiſchen Deutſchland und China vom Grafen Bülow
aufgeſtellt worden iſt, jenes Programm, welches neben
dem Fortbeſtehen der beſten Beziehungen zur chineſiſchen
Regierung die friedliche Weiterentwicklung der deutſchen
kommerziellen und induſtriellen Intereſſen in China ins
Auge faßt. Hr. v. Brandt warnt davor, beim Ausbruch
von Unruhen im chineſiſchen Reich gleich an eine gegen
die Dynaſtie gerichtete Bewegung zu denken und ſie als
Anlaß zur Empfehlung diplomatiſcher und militäriſcher
Interventionen oder einer neuen Auftheilung China’s zu
benutzen. Solche Auslaſſungen eines Theils der deutſchen
Preſſe würden ſicherlich der chineſiſchen Regierung hinter-
bracht. „Sie tragen,“ ſchreibt Hr. v. Brandt wörtlich,
„ſicher nicht dazu bei, die Erfüllung der Aufgaben der
diplomatiſchen und konſulariſchen Vertreter zu erleichtern,
wie ſie ebenfalls wenig geeignet ſein dürften, den deutſchen
Kaufmann bei der Konkurrenz um den Abſchluß von Regie-
rungsgeſchäften zu unterſtützen. Wenn man nicht, wie der
chineſiſche Geſandte in England, Sir Chichen Lofengloh,
von einer Stadt zur andern zieht, überall von den Vertretern
des Handels und der Induſtrie empfangen, herumge-
führt und gefeiert, wie der Geſandte China’s in den Ver-
einigten Staaten in gleicher Weiſe im Intereſſe der
amerikaniſchen Induſtrie bearbeitet wird, ſo kann man
nur mit aufrichtigem Bedauern feſtſtellen, wie für einen
großen Theil der deutſchen Preſſe China nur den Vor-
wand zu Angriffen gegen Regierung und Volk bietet, die,
wenn ſie nicht jeder Grundlage entbehren, doch meiſtens
als ſehr übertrieben bezeichnet werden müſſen. Die Auf-
gabe, die Deutſchland in China zu löſen hat, iſt ohnehin
eine genügend ſchwere und verantwortliche, als daß nicht
der Wunſch gerechtfertigt wäre, daß die Preſſe ſich über
die Tragweite ihrer Aeußerungen klar werden und nicht
ohne genügende Veranlaſſung zur Verſchlechterung unſrer
Beziehungen mit einem Reich beitragen möchte, mit dem
in Frieden und Freundſchaft zu leben wir alle Ver-
anlaſſung haben. Dann werden auch wir dazu mitwirken
können, dem chineſiſchen Zopf einige Härchen auszurupfen,
um ſo die Verdünnung desſelben zu befördern; eine
Arbeit, die freilich feiner behandelt ſein will, als wenn
man dem Chineſen mit beiden Händen in den Schopf
fährt, die dafür aber auch beſſere und dauernde Reſultate
ergeben dürfte, als das letzterwähnte Verfahren.“

Vom Tage.

Der Generaldebatte über
die Flottennovelle
in der Budgetkommiſſion des Reichs-
[Spaltenumbruch] tags iſt die Dispoſition zugrunde gelegt, nach welcher die
Begründung des Flottengeſetzes ausgearbeitet worden
iſt. Danach ſoll alſo zuerſt über die Nothwendigkeit und den
Umfang der Vermehrung der Kriegsmarine berathen werden,
dann die Durchführung der Vermehrung, die Koſten und Be-
ſchaffung der Mittel und ſchließlich die geſetzliche Feſtlegung
der Vermehrung. — Ein neuer Reichsweingeſetz-Entwurf
im Sinne des allgemeinen Wunſches nach ſtriktem Verbot der
Herſtellung und Verſchleißung von Treſter-, Hefe-, Roſinen-
und anderen Kunſtweinen iſt im Reichsamte des Innern einer
Meldung des Weinbauvereinsorgans zufolge ſchon fertig-
geſtellt worden. Er ſoll lediglich die Form einer Novelle
zum 1892er Weingeſetze erhalten. Bereits hat er den In-
ſtanzenweg angetreten und iſt dem preußiſchen Landwirth-
ſchaftsminiſterium zugegangen. Er wird dann dem Bundes-
rathe unterbreitet werden. Es iſt deßhalb ſehr wahrſcheinlich,
daß die Vorlage noch im übernächſten Monat an den Reichs-
tag gelangen wird.

Der Deutſche Verein für den Schutz des ge-
werblichen Eigenthums
wird am Donnerſtag eine Ver-
ſammlung abhalten, in welcher Hr. Privatdozent Dr. Paul
Alexander-Katz
über die Nichtigkeit eines Patents wegen
Kolliſion mit einem älteren Patent, ſowie Hr. Patentanwalt
Lubier über das Waarenverzeichniß unter dem Schutz des
Waarenzeichengeſetzes einen Vortrag halten werden. Die von
dem gleichen Verein in Ausſicht genommene Konferenz für
gewerblichen Rechtsſchutz wird am 14. und 15. Mai d. J.
in Frankfurt a. M. ſtattfinden. Die Berichte über die
Reform des Patentrechts und die Reform des Geſchmacks-
muſterrechts liegen ſchon fertig vor. Ein Bericht über die
Reform des Waarenzeichenrechts wird von einem aus Frank-
furter Induſtriellen gebildeten Ausſchuſſe bearbeitet werden,
der vor allem die Frage der Vorbenutzung an Waaarenzeichen
zum Gegenſtand einer Unterſuchung machen wird.

Nach einer zwiſchen dem Reichs-Verſicherungsamt und
den Zentral-Poſtbehörden getroffenen Vereinbarung haben
die Empfänger von Alters- und Invalidenrenten
vom 1. April ab für die Quittungen zur Abhebung der
Renten bei den Poſtanſtalten neue Formulare zu verwenden.
Dieſe Beſtimmung hat mehrfach zu dem Irrthum Anlaß ge-
geben, daß auch die Unfallrentenempfänger ſich vom
1. April ab neuer Quittungsformulare zu bedienen hätten.
Dies iſt nicht der Fall. Die Empfänger von Unfallrenten
dürfen vielmehr die alten Formulare mit dem Vordruck der
Jahreszahl „189“ unter handſchriftlicher Abänderung der
Zahl in „1900“ auch in Zukunft weiter benutzen.

In dieſem Winterhalbjahr ſind an einer größeren An-
zahl von Baugewerkſchulen Vorklaſſen eingerichtet worden,
um jungen Leuten, die wegen mangelnder Vorkenntniſſe nicht
in die unterſte Baugewerkſchulklaſſe aufgenommen werden
konnten, Gelegenheit zu geben, die Lücken in ihrem Wiſſen
zu ergänzen. Im kommenden Sommerhalbjahr ſollen, ſoweit
thunlich, an allen Baugewerkſchulen ſolche Vorklaſſen beſtehen.
Es kann daher allen Baugewerktreibenden, die zum Herbſt in
die Baugewerkſchulen eintreten wollen und nicht die zum Be-
ſtehen der Aufnahmeprüfung erforderlichen Kenntniſſe be-



[Spaltenumbruch]
Feuilleton.


vl. Im Kunſtverein iſt der reichhaltige Nachlaß des
mit Recht beliebten, geſchickten Thiermalers A. Monte-
mezzo
ausgeſtellt. Die Kollektion iſt von größerer Viel-
ſeitigkeit als man nach der etwas einförmigen Art von Monte-
mezzo’s Auftreten in den Ausſtellungen des Kunſtvereins
hätte annehmen mögen. Die Preiſe ſind in Anbetracht des
verſtändigen Fleißes und des klaren Geſchmacks, mit dem die
meiſten der Bilder ausgeführt ſind, ſehr zivil, ein bei den
Veräußerungen von Nachläſſen leider recht ſelten gewordener
Umſtand. Kunz Meyer brachte ein lebensgroßes weibliches
Portrait und zwölf Studien aus Schloß Oberbrunn und Um-
gegend. Die ſtille menſchliche Auffaſſung iſt fehr anerkennens-
werth, kann uns aber für die dünne, weſenloſe Farbe nicht
entſchädigen. Karl Böſſenroths Cyklus landſchaftlicher
Motive, Winter und Vorfrühling, geht ſehr energiſch auf an-
ſchauliche Raumgeſtaltung aus, aber dieſe ſcheinbar ſo ſehr
modern gemalten Studien ſind im Grunde recht alterthüm-
lich trüb in der Farbe, was doch ſonſt von Böſſenroths
Arbeiten nicht geſagt werden kann. Max-Ehrlers zwei
weibliche Genrefiguren verſtimmen erheblich durch ihre Ab-
ſicht freundlich und elegant zu wirken; der gehaltloſe Porzellan-
ton iſt gar zu unnatürlich. Ernſt Dargens Aquarelle
befitzen eine ſehr angenehme Tönung und ſo ſind auch
Anderſen-Lundby’s Schneelandſchaften durch ihre zarte
Ausführung bemerkenswerth, obſchon ſie einigermaßen flach
gehalten ſind und allmählich in ihrer häufigen Wiederkehr
uns gar zu alltäglich vertraut vorkommen.

x. Fiſchers Klaviervortrag

Richard Wagner’ſcher
Werke, der geſtern eine gewaltige Zuhörermenge in die Räume
des Odeons gelockt hatte, nahm den großartigſten Verlauf.
Der geniale Künſtler, ſchon beim Erſcheinen jubelnd begrüßt,
ſpielte Abſchnitte aus „Triſtan“ (zweiter Akt, Liebesdnett),
„Parſifal“ (Verwandlungsmuſik und Charfreitagszauber), die
Venusberg-Scene aus „Tannhänſer“, die Rheintöchter-Scene
und Siegfrieds Tod aus „Götterdämmerung“, ſowie Vorſpiel
des zweiten Aktes und Walkürenritt aus „Walküre“. Wir
wollen über ſeine Meiſterſchaft in dieſer eigenſten Kunſt der
Wagner-Interpretation nicht wiederholen, was Alle wiſſen. Iſt
ſie doch auf dem ganzen Erdenrund längſt Gegenſtand un-
getheilter Bewunderung. Wir können nur konſtatiren, daß
[Spaltenumbruch] Fiſcher den Abend hindurch eine geiſtige und körperliche
Spannkraft bewahrte, die aus Unglaubliche grenzt. Die ſchwie-
rigſten Partien gab er mit einem unerſchöpflichen Reichthum
feinſter Nuancen und Klaugmiſchungen, in den Tuttiſtellen
entfaltete er von Anfang bis Ende eine verblüffende Tonfülle,
die intrikateſten Verſchlingungen der Partitur ziſelirte er mit
plaſtiſcher, den charakteriſtiſchen Gehalt der Themen und die
Möglichkeiten ihrer Beziehungen wunderbar analyſirenden
Schärfe, kurz, der Abend war ein Triumph des muſikaliſchen
Nachſchaffens und einer der erhabenſten Genüſſe. Was Fiſcher
am beſten zum Vortrag brachte? Die ergreifende Siegfrieds-
muſik oder die glühende Luſt des Venusberges, den raſenden
Sturm am Walkürenfels oder die Wonneſchaner der Liebes-
nacht — es iſt nicht zu entſcheiden. Jede Darbietung war
gleich klar und innerlich vertieft, gleich originell, gleich
grandios. Das enthuſiasmirte Publikum ließ ſich zuletzt nicht
eher beruhigen, als bis der Konzertgeber noch den Feuer-
zauber losbrannte.

-#- Konzert der Bürger-Sängerzunft.

Die unter
der energiſchen Leitung des Hrn. Profeſſors Heinrich Schwartz
ſtehende Bürger-Sängerzunft hielt geſtern Abend im
großen Kaim-Saale einen Geſangsvortrag unter der Mit-
wirkung von Frl. Bertha Zollitſch (Violine), Hrn. Hans
Werner Lehmeier (Baryton) und des Kaim-Orcheſters unter
Hrn. Kapellmeiſter Arthur Möller. Der Verein ſteht im
beſten Ruf, und mit Recht; denn das Stimmmaterial iſt gut,
und die künſtleriſche Perſönlichkeit des Dirigenten bürgt für
die Fernhaltung der öden Liedertafelei, wie ſie ſo gern in
Männergeſangvereinen gepflegt wird. Auch das geſtrige
Programm zeugte von dem Beſtreben, nur gute Werke auf-
zuführen. Die Vorträge wurden — nach der vom Orcheſter
geſpielten Euryanthen-Ouvertüre von Weber — mit einem
markigen Chor von Anton Bruckner für Chor und Orcheſter,
„Germanenzug“, eingeleitet und führten über die a cappella-
Chöre „Kriegers Abſchied“ von Attenhofer, „Das iſt das
Meer“ von Jean Louis Nicodé, „Die Lotosblume“ von
R. Schumann, „König Ring“ (der Bürger-Sängerzunft zugeeignet)
von Franz Mair zu dem effektvollen „Lied vom Rhein“, eben-
falls für Chor und Orcheſter, von Ernſt Schwaiger. Unter
den von dem Verein zum erſtenmal geſungenen Werken mußten
ganz beſonders Bruckners „Germanenzug“ und Nicodé’s
„Das iſt das Meer“ intereſſiren. Eigenthümlich erſcheint im
„Germanenzug“ die durch den Text hervorgerufene, etwas
[Spaltenumbruch] weiche Darſtellung des Walkürenſanges, der von einem Solo-
quartett (in dieſem Fall HH. Baumgärtner, Mühlhart,
Rudolph
und Obpacher) ausgeführt wird: wir ſind ſo
gewöhnt, uns die Walküren vor allem als Heldenjungfrauen
vorzuſtellen, daß uns die Lockung der liebenden Wunſch-
mädchen im erſten Augenblick fremd anmuthen möchte.
Wagners ſcharfe muſikaliſche Zeichnung der Wotanstöchter
beherrſcht unſre Anſchauung derart, daß uns anders gemalte
Walküren faſt „illegitim“ vorkommen. Die Ausführung der
verſchiedenen Werke machte dem Chor alle Ehre; die Stimmen
klangen voll und weich, die Intonation war ſauber, und die
Sänger folgten dem Dirigenten aufs beſte hinſichtlich der
Nuancirungen in der Dynamik und des Tempos. Ohne
kritiſch nörgeln zu wollen — was mir gerade gegenüber
einem Chor von Herren, die nach des Tages Müh und
Arbeit in ſolch ernſter Weiſe der Muſik huldigen, unange-
bracht ſcheint — möchte ich doch bemerken, daß manchmal eine
ſchärfere Ausſprache die Wirkung hätte erhöhen können. Gut
geſprochen iſt halb geſungen. Eine zweite wichtige Sache iſt
die, daß nach Pauſenabſchnitten die Sänger den Dirigenten
anſchauen und genau zu gleicher Zeit den neuen Ton, das
neue Wort fingen. Hr. Lehmeier, ein Mitglied des Vereins,
hatte mit dem Vortrag des Prologs aus Leoncavallo’s
„Bajazzo“ und dreier Geſänge für Baryton großen Erfolg
bei den Zuhörern; ſeine Stimme iſt flüſſig und leicht, dürfte
aber durch eine vorſichtige Behandlung in der Höhe, beſonders
durch die Vermeidung der offenen Tongebung und damit zu-
ſammenhängend der flachen Vokaliſirung, noch an edlem
Klange gewinnen. Eine rechte Freude konnte man an der
jungen Violiniſtin Frln. Zollitſch haben, die, unterſtützt von
Hrn. Felix Kircher, eine Sonate des alten F. W. Ruſt für
Violine und Klavier ſpielte. Sie beſitzt bereits eine ſchöne
Gelänfigkeit und techniſche Sicherheit auf ihrem Inſtrument,
der Ton klingt warm und rund, und die Dame hat, was
das Beſte iſt, muſikaliſche Empfindung. So gelangen denn
die verſchiedenen Abſchnitte der Sonate aufs ſchönſte und der
laute Beifall war wohlverdient. Das Kaim-Orcheſter be-
theiligte ſich außer durch die Begleitung der Chöre und die
erwähnte Ouvertüre zu „Euryanthe“ noch mit der entzückenden
Entreakt-Muſik aus Schuberts „Roſamunde“ an dem Konzert.

Die Düſſeldorfer
Märzausſtellungen
. Man wird Düſſeldorf nicht leicht
jenen Kunſtſtädten beizählen dürfen, die wie etwa München

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&#x017F;chaffung der Mittel und &#x017F;chließlich die ge&#x017F;etzliche Fe&#x017F;tlegung<lb/>
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&#x017F;chaftsmini&#x017F;terium zugegangen. Er wird dann dem Bundes-<lb/>
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Veräußerungen von Nachlä&#x017F;&#x017F;en leider recht &#x017F;elten gewordener<lb/>
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&#x017F;pielte Ab&#x017F;chnitte aus &#x201E;Tri&#x017F;tan&#x201C; (zweiter Akt, Liebesdnett),<lb/>
&#x201E;Par&#x017F;ifal&#x201C; (Verwandlungsmu&#x017F;ik und Charfreitagszauber), die<lb/>
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Wagner-Interpretation nicht wiederholen, was Alle wi&#x017F;&#x017F;en. I&#x017F;t<lb/>
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[0001] Nr. 84. Abendblatt. (Mit Beilage Nr. 71.) 103. Jahrgang. München, Dienſtag, 27. März 1900. Wöchentlich 22 Ausgaben. Bezugspreiſe: Durch die Poſtämter: jährlich M. 36. —, ohne Beil. M. 18. — (vierlelj. M. 9. —, ohne Beil. M. 4.50); in München b. d. Ex- pedition od. d. Depots monatlich M. 2. —, ohne Veil. M. 1. 20. Zuſtellg. mil. 50 Pf. Direkter Bezug für Deutſchl. u. Oeſterreich monatlich M. 4. —, ohne Veil. M. 3. —, Ausland M. 5. 60, ohne Veil. M. 4. 40. Allgemeine Zeitung. Inſertionspreis für die kleinſpaltige Kolonelzeile od. deren Raum 25 Pfennig; finanzielle Anzeigen 35 Pf.; lokale Ver- kaufsanzeig. 20 Pf.; Stellengeſuche 15 Pf. Redaktion und Expe- dition befinden ſich Schwanthalerſtr. 36 in München. Berichte ſind an die Redaktion, Inſerat- aufträge an die Ex- pedition franko ein- zuſenden. Abonnements für Berlin nimmt unſere dortige Filiale in der Leipzigerſtraße 11 entgegen. Abonnements für das Ausland nehmen an: für England A. 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Co., 31 bis Faubourg Montmartre in Paris. Verantwortlich für den politiſchen Theil der Chefredakteur Hans Tournier, für das Feuilleton Alfred Frhr. v. Menſi, für den Handelstheil Ernſt Barth, ſämmtlich in München. Druck und Verlag der Geſellſchaft mit beſchränkter Haftung „Verlag der Allgemeinen Zeitung“ in München. Deutſches Reich. Die „Affaire Lerchenfeld“. * München, 27. März. Der bekannten Auslaſſung der „Augsb. Abdztg.“, daß Graf Lerchenfeld ſeine warm befürwortende Erklärung zum § 184a der lex Heinze im Reichstag abgegeben habe, ohne von der bayeriſchen Regierung dazu beauftragt geweſen zu ſein, folgte alsbald die ebenſo bekannte offiziöſe Mittheilung in der „Korreſpondenz Hoffmann“, daß die Notiz in der „Augsb. Abendztg.“ zwar ſachlich richtig, aber amtlicher- ſeits nicht veranlaßt worden ſei. Seitdem finden ſich in den Preßorganen aller Parteirichtungen zahlloſe Betrachtungen und Kombinationen, betreffend das Verhalten des Grafen Lerchenfeld und ſein Verhältniß zu den hieſigen leitenden Kreiſen, über die neuerliche Stellungnahme der bayeriſchen Regierung zur lex Heinze u. dgl. m. Es werden dabei die eigenthümlichſten Anſchaunugen und Muthmaßungen zutage gefördert und doch liegt die Sache ſehr einfach. Der § 184a in ſeiner ſcharfen, nicht eben einwandfreien Faſſung iſt 1892 allerdings von der bayeriſchen Regierung beantragt worden. Seit mehr als vier Jahren ruhte die Angelegenheit dann, und da dem bayeriſchen Geſandten in Berlin ſeitdem auch keine anderen Inſtruktionen zugegangen waren, handelte dieſer bei Abgabe ſeiner Erklärung im Reichstag im Ein- klang mit den früheren, freilich ziemlich weit zurückliegen- den Weiſungen. Er that dies wohl um ſo bereitwilliger, als die Erklärung durchaus dem freundlichen Standpunkt entſpricht, den Graf Lerchenfeld für ſeine Perſon dem Centrum gegenüber einnimmt. Er handelte dagegen weniger im Sinn und nach den Wünſchen ſeiner Regie- rung, die angeſichts des heftigen Widerſtrebens der öffent- lichen Meinung gegen das Geſetz und der lauten Proteſt- kundgebungen es für rathſam erachtete, den Standpunkt, den ſie vor Jahren eingenommen, doch etwas ändern zu ſollen glaubte. Daß der erſte Vertreter Bayerns im Bundesrath offenbar nicht ſofort und in genügender Weiſe auf dienſtlichem Wege von dieſer Aenderung unterrichtet wurde, iſt wohl der einzige Fehler, den die Regierung gemacht hat, den man aber mehr oder minder aus der Annahme erklären kann, daß der Geſandte ſich an die vor ſo vielen Jahren gegebenen Inſtruktionen angeſichts der immer- hin veränderten Sachlage und der heftigen Proteſtbewegung nicht ohne weiteres halten würde. Daß unter dieſen Um- ſtänden die Regierung von der Erklärung ihres Ge- ſandten nicht gerade angenehm überraſcht wurde, läßt ſich wohl begreifen, allein man dachte hier offenbar nicht daran, den Geſandten in Berlin, der formell obenein zum mindeſten nicht inkorrekt gehandelt hatte, öffentlich zu koramiren. Das irrthümlich als „offiziös“ bezeichnete kurze Entrefilet der „Augsb. Abdztg.“ verdankt ſeine Ent- ſtehung wohl einem Privatgeſpräch eines Miniſters mit einem Landtagsabgeordneten, in der auch die vielerörterte Sache berührt wurde. Sollte die Negierung in der Ab- geordnetenkammer wegen des Zwiſchenfalls interpellirt werden, ſo könnte ſie nichts anderes thun, als den hier erwähnten Sachverhalt darlegen. Von einer Abberufung des hochverdienten Diplomaten aus Berlin kann ebenſo- wenig die Rede ſein, wie von einem freiwilligen Rücktritt desſelben. Es liegt hiezu nicht der mindeſte Grund vor. Deutſchland und China. * Berlin, 27. März. Der frühere deutſche Geſandte in China, Hr. v. Brandt, bringt im Aprilheft der „Deutſchen Revue“ nachdrücklich das Programm in Er- innerung, das ſeinerzeit für Geſtaltung der Beziehungen zwiſchen Deutſchland und China vom Grafen Bülow aufgeſtellt worden iſt, jenes Programm, welches neben dem Fortbeſtehen der beſten Beziehungen zur chineſiſchen Regierung die friedliche Weiterentwicklung der deutſchen kommerziellen und induſtriellen Intereſſen in China ins Auge faßt. Hr. v. Brandt warnt davor, beim Ausbruch von Unruhen im chineſiſchen Reich gleich an eine gegen die Dynaſtie gerichtete Bewegung zu denken und ſie als Anlaß zur Empfehlung diplomatiſcher und militäriſcher Interventionen oder einer neuen Auftheilung China’s zu benutzen. Solche Auslaſſungen eines Theils der deutſchen Preſſe würden ſicherlich der chineſiſchen Regierung hinter- bracht. „Sie tragen,“ ſchreibt Hr. v. Brandt wörtlich, „ſicher nicht dazu bei, die Erfüllung der Aufgaben der diplomatiſchen und konſulariſchen Vertreter zu erleichtern, wie ſie ebenfalls wenig geeignet ſein dürften, den deutſchen Kaufmann bei der Konkurrenz um den Abſchluß von Regie- rungsgeſchäften zu unterſtützen. Wenn man nicht, wie der chineſiſche Geſandte in England, Sir Chichen Lofengloh, von einer Stadt zur andern zieht, überall von den Vertretern des Handels und der Induſtrie empfangen, herumge- führt und gefeiert, wie der Geſandte China’s in den Ver- einigten Staaten in gleicher Weiſe im Intereſſe der amerikaniſchen Induſtrie bearbeitet wird, ſo kann man nur mit aufrichtigem Bedauern feſtſtellen, wie für einen großen Theil der deutſchen Preſſe China nur den Vor- wand zu Angriffen gegen Regierung und Volk bietet, die, wenn ſie nicht jeder Grundlage entbehren, doch meiſtens als ſehr übertrieben bezeichnet werden müſſen. Die Auf- gabe, die Deutſchland in China zu löſen hat, iſt ohnehin eine genügend ſchwere und verantwortliche, als daß nicht der Wunſch gerechtfertigt wäre, daß die Preſſe ſich über die Tragweite ihrer Aeußerungen klar werden und nicht ohne genügende Veranlaſſung zur Verſchlechterung unſrer Beziehungen mit einem Reich beitragen möchte, mit dem in Frieden und Freundſchaft zu leben wir alle Ver- anlaſſung haben. Dann werden auch wir dazu mitwirken können, dem chineſiſchen Zopf einige Härchen auszurupfen, um ſo die Verdünnung desſelben zu befördern; eine Arbeit, die freilich feiner behandelt ſein will, als wenn man dem Chineſen mit beiden Händen in den Schopf fährt, die dafür aber auch beſſere und dauernde Reſultate ergeben dürfte, als das letzterwähnte Verfahren.“ Vom Tage. * Berlin, 26. März. Der Generaldebatte über die Flottennovelle in der Budgetkommiſſion des Reichs- tags iſt die Dispoſition zugrunde gelegt, nach welcher die Begründung des Flottengeſetzes ausgearbeitet worden iſt. Danach ſoll alſo zuerſt über die Nothwendigkeit und den Umfang der Vermehrung der Kriegsmarine berathen werden, dann die Durchführung der Vermehrung, die Koſten und Be- ſchaffung der Mittel und ſchließlich die geſetzliche Feſtlegung der Vermehrung. — Ein neuer Reichsweingeſetz-Entwurf im Sinne des allgemeinen Wunſches nach ſtriktem Verbot der Herſtellung und Verſchleißung von Treſter-, Hefe-, Roſinen- und anderen Kunſtweinen iſt im Reichsamte des Innern einer Meldung des Weinbauvereinsorgans zufolge ſchon fertig- geſtellt worden. Er ſoll lediglich die Form einer Novelle zum 1892er Weingeſetze erhalten. Bereits hat er den In- ſtanzenweg angetreten und iſt dem preußiſchen Landwirth- ſchaftsminiſterium zugegangen. Er wird dann dem Bundes- rathe unterbreitet werden. Es iſt deßhalb ſehr wahrſcheinlich, daß die Vorlage noch im übernächſten Monat an den Reichs- tag gelangen wird. Der Deutſche Verein für den Schutz des ge- werblichen Eigenthums wird am Donnerſtag eine Ver- ſammlung abhalten, in welcher Hr. Privatdozent Dr. Paul Alexander-Katz über die Nichtigkeit eines Patents wegen Kolliſion mit einem älteren Patent, ſowie Hr. Patentanwalt Lubier über das Waarenverzeichniß unter dem Schutz des Waarenzeichengeſetzes einen Vortrag halten werden. Die von dem gleichen Verein in Ausſicht genommene Konferenz für gewerblichen Rechtsſchutz wird am 14. und 15. Mai d. J. in Frankfurt a. M. ſtattfinden. Die Berichte über die Reform des Patentrechts und die Reform des Geſchmacks- muſterrechts liegen ſchon fertig vor. Ein Bericht über die Reform des Waarenzeichenrechts wird von einem aus Frank- furter Induſtriellen gebildeten Ausſchuſſe bearbeitet werden, der vor allem die Frage der Vorbenutzung an Waaarenzeichen zum Gegenſtand einer Unterſuchung machen wird. Nach einer zwiſchen dem Reichs-Verſicherungsamt und den Zentral-Poſtbehörden getroffenen Vereinbarung haben die Empfänger von Alters- und Invalidenrenten vom 1. April ab für die Quittungen zur Abhebung der Renten bei den Poſtanſtalten neue Formulare zu verwenden. Dieſe Beſtimmung hat mehrfach zu dem Irrthum Anlaß ge- geben, daß auch die Unfallrentenempfänger ſich vom 1. April ab neuer Quittungsformulare zu bedienen hätten. Dies iſt nicht der Fall. Die Empfänger von Unfallrenten dürfen vielmehr die alten Formulare mit dem Vordruck der Jahreszahl „189“ unter handſchriftlicher Abänderung der Zahl in „1900“ auch in Zukunft weiter benutzen. In dieſem Winterhalbjahr ſind an einer größeren An- zahl von Baugewerkſchulen Vorklaſſen eingerichtet worden, um jungen Leuten, die wegen mangelnder Vorkenntniſſe nicht in die unterſte Baugewerkſchulklaſſe aufgenommen werden konnten, Gelegenheit zu geben, die Lücken in ihrem Wiſſen zu ergänzen. Im kommenden Sommerhalbjahr ſollen, ſoweit thunlich, an allen Baugewerkſchulen ſolche Vorklaſſen beſtehen. Es kann daher allen Baugewerktreibenden, die zum Herbſt in die Baugewerkſchulen eintreten wollen und nicht die zum Be- ſtehen der Aufnahmeprüfung erforderlichen Kenntniſſe be- Feuilleton. vl. Im Kunſtverein iſt der reichhaltige Nachlaß des mit Recht beliebten, geſchickten Thiermalers A. Monte- mezzo ausgeſtellt. Die Kollektion iſt von größerer Viel- ſeitigkeit als man nach der etwas einförmigen Art von Monte- mezzo’s Auftreten in den Ausſtellungen des Kunſtvereins hätte annehmen mögen. Die Preiſe ſind in Anbetracht des verſtändigen Fleißes und des klaren Geſchmacks, mit dem die meiſten der Bilder ausgeführt ſind, ſehr zivil, ein bei den Veräußerungen von Nachläſſen leider recht ſelten gewordener Umſtand. Kunz Meyer brachte ein lebensgroßes weibliches Portrait und zwölf Studien aus Schloß Oberbrunn und Um- gegend. Die ſtille menſchliche Auffaſſung iſt fehr anerkennens- werth, kann uns aber für die dünne, weſenloſe Farbe nicht entſchädigen. Karl Böſſenroths Cyklus landſchaftlicher Motive, Winter und Vorfrühling, geht ſehr energiſch auf an- ſchauliche Raumgeſtaltung aus, aber dieſe ſcheinbar ſo ſehr modern gemalten Studien ſind im Grunde recht alterthüm- lich trüb in der Farbe, was doch ſonſt von Böſſenroths Arbeiten nicht geſagt werden kann. Max-Ehrlers zwei weibliche Genrefiguren verſtimmen erheblich durch ihre Ab- ſicht freundlich und elegant zu wirken; der gehaltloſe Porzellan- ton iſt gar zu unnatürlich. Ernſt Dargens Aquarelle befitzen eine ſehr angenehme Tönung und ſo ſind auch Anderſen-Lundby’s Schneelandſchaften durch ihre zarte Ausführung bemerkenswerth, obſchon ſie einigermaßen flach gehalten ſind und allmählich in ihrer häufigen Wiederkehr uns gar zu alltäglich vertraut vorkommen. x. Fiſchers Klaviervortrag Richard Wagner’ſcher Werke, der geſtern eine gewaltige Zuhörermenge in die Räume des Odeons gelockt hatte, nahm den großartigſten Verlauf. Der geniale Künſtler, ſchon beim Erſcheinen jubelnd begrüßt, ſpielte Abſchnitte aus „Triſtan“ (zweiter Akt, Liebesdnett), „Parſifal“ (Verwandlungsmuſik und Charfreitagszauber), die Venusberg-Scene aus „Tannhänſer“, die Rheintöchter-Scene und Siegfrieds Tod aus „Götterdämmerung“, ſowie Vorſpiel des zweiten Aktes und Walkürenritt aus „Walküre“. Wir wollen über ſeine Meiſterſchaft in dieſer eigenſten Kunſt der Wagner-Interpretation nicht wiederholen, was Alle wiſſen. Iſt ſie doch auf dem ganzen Erdenrund längſt Gegenſtand un- getheilter Bewunderung. Wir können nur konſtatiren, daß Fiſcher den Abend hindurch eine geiſtige und körperliche Spannkraft bewahrte, die aus Unglaubliche grenzt. Die ſchwie- rigſten Partien gab er mit einem unerſchöpflichen Reichthum feinſter Nuancen und Klaugmiſchungen, in den Tuttiſtellen entfaltete er von Anfang bis Ende eine verblüffende Tonfülle, die intrikateſten Verſchlingungen der Partitur ziſelirte er mit plaſtiſcher, den charakteriſtiſchen Gehalt der Themen und die Möglichkeiten ihrer Beziehungen wunderbar analyſirenden Schärfe, kurz, der Abend war ein Triumph des muſikaliſchen Nachſchaffens und einer der erhabenſten Genüſſe. Was Fiſcher am beſten zum Vortrag brachte? Die ergreifende Siegfrieds- muſik oder die glühende Luſt des Venusberges, den raſenden Sturm am Walkürenfels oder die Wonneſchaner der Liebes- nacht — es iſt nicht zu entſcheiden. Jede Darbietung war gleich klar und innerlich vertieft, gleich originell, gleich grandios. Das enthuſiasmirte Publikum ließ ſich zuletzt nicht eher beruhigen, als bis der Konzertgeber noch den Feuer- zauber losbrannte. -#- Konzert der Bürger-Sängerzunft. Die unter der energiſchen Leitung des Hrn. Profeſſors Heinrich Schwartz ſtehende Bürger-Sängerzunft hielt geſtern Abend im großen Kaim-Saale einen Geſangsvortrag unter der Mit- wirkung von Frl. Bertha Zollitſch (Violine), Hrn. Hans Werner Lehmeier (Baryton) und des Kaim-Orcheſters unter Hrn. Kapellmeiſter Arthur Möller. Der Verein ſteht im beſten Ruf, und mit Recht; denn das Stimmmaterial iſt gut, und die künſtleriſche Perſönlichkeit des Dirigenten bürgt für die Fernhaltung der öden Liedertafelei, wie ſie ſo gern in Männergeſangvereinen gepflegt wird. Auch das geſtrige Programm zeugte von dem Beſtreben, nur gute Werke auf- zuführen. Die Vorträge wurden — nach der vom Orcheſter geſpielten Euryanthen-Ouvertüre von Weber — mit einem markigen Chor von Anton Bruckner für Chor und Orcheſter, „Germanenzug“, eingeleitet und führten über die a cappella- Chöre „Kriegers Abſchied“ von Attenhofer, „Das iſt das Meer“ von Jean Louis Nicodé, „Die Lotosblume“ von R. Schumann, „König Ring“ (der Bürger-Sängerzunft zugeeignet) von Franz Mair zu dem effektvollen „Lied vom Rhein“, eben- falls für Chor und Orcheſter, von Ernſt Schwaiger. Unter den von dem Verein zum erſtenmal geſungenen Werken mußten ganz beſonders Bruckners „Germanenzug“ und Nicodé’s „Das iſt das Meer“ intereſſiren. Eigenthümlich erſcheint im „Germanenzug“ die durch den Text hervorgerufene, etwas weiche Darſtellung des Walkürenſanges, der von einem Solo- quartett (in dieſem Fall HH. Baumgärtner, Mühlhart, Rudolph und Obpacher) ausgeführt wird: wir ſind ſo gewöhnt, uns die Walküren vor allem als Heldenjungfrauen vorzuſtellen, daß uns die Lockung der liebenden Wunſch- mädchen im erſten Augenblick fremd anmuthen möchte. Wagners ſcharfe muſikaliſche Zeichnung der Wotanstöchter beherrſcht unſre Anſchauung derart, daß uns anders gemalte Walküren faſt „illegitim“ vorkommen. Die Ausführung der verſchiedenen Werke machte dem Chor alle Ehre; die Stimmen klangen voll und weich, die Intonation war ſauber, und die Sänger folgten dem Dirigenten aufs beſte hinſichtlich der Nuancirungen in der Dynamik und des Tempos. Ohne kritiſch nörgeln zu wollen — was mir gerade gegenüber einem Chor von Herren, die nach des Tages Müh und Arbeit in ſolch ernſter Weiſe der Muſik huldigen, unange- bracht ſcheint — möchte ich doch bemerken, daß manchmal eine ſchärfere Ausſprache die Wirkung hätte erhöhen können. Gut geſprochen iſt halb geſungen. Eine zweite wichtige Sache iſt die, daß nach Pauſenabſchnitten die Sänger den Dirigenten anſchauen und genau zu gleicher Zeit den neuen Ton, das neue Wort fingen. Hr. Lehmeier, ein Mitglied des Vereins, hatte mit dem Vortrag des Prologs aus Leoncavallo’s „Bajazzo“ und dreier Geſänge für Baryton großen Erfolg bei den Zuhörern; ſeine Stimme iſt flüſſig und leicht, dürfte aber durch eine vorſichtige Behandlung in der Höhe, beſonders durch die Vermeidung der offenen Tongebung und damit zu- ſammenhängend der flachen Vokaliſirung, noch an edlem Klange gewinnen. Eine rechte Freude konnte man an der jungen Violiniſtin Frln. Zollitſch haben, die, unterſtützt von Hrn. Felix Kircher, eine Sonate des alten F. W. Ruſt für Violine und Klavier ſpielte. Sie beſitzt bereits eine ſchöne Gelänfigkeit und techniſche Sicherheit auf ihrem Inſtrument, der Ton klingt warm und rund, und die Dame hat, was das Beſte iſt, muſikaliſche Empfindung. So gelangen denn die verſchiedenen Abſchnitte der Sonate aufs ſchönſte und der laute Beifall war wohlverdient. Das Kaim-Orcheſter be- theiligte ſich außer durch die Begleitung der Chöre und die erwähnte Ouvertüre zu „Euryanthe“ noch mit der entzückenden Entreakt-Muſik aus Schuberts „Roſamunde“ an dem Konzert. Z. Düſſeldorf, im März. Die Düſſeldorfer Märzausſtellungen. Man wird Düſſeldorf nicht leicht jenen Kunſtſtädten beizählen dürfen, die wie etwa München

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen, Susanne Haaf: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 84, 27. März 1900, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine84_1900/1>, abgerufen am 21.11.2024.