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Allgemeine Zeitung, Nr. 85, 25. März 1848.

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[Spaltenumbruch] gegeben: wie nämlich diese Kette der Apenninen, welche einem sich ver-
theidigenden Heer wunderbar helfen kann und muß, wenn Abwehr der
Städte und des Landes ihm beistehen, nur Hinderniß, Gefahr und
Ruin für eine sich zurückziehende Armee ist, die solcher Stütze entbehrt.
Jedem leuchtet es ein wie gefährlich der Rückzug durch ein von zwei
Parallelstraßen durchschnittenes Land ist. Nimmt man beide Straßen,
so setzt man sich allen Gefahren der Theilung der Streitmacht aus;
folgt man der einen allein, so kann man aufgehalten und, von der an-
dern her eingeholt, abgeschnitten werden, wie es Mürat erging. Ein
auf sich selbst angewiesenes Heer welches sich, den perfiden Apennin in
der Mitte, von Bologna oder Romagna nach Rom oder Neapel zurück-
ziehen muß, ist sozusagen unrettbar verloren. Keine Kunst des Feld-
herrn kann den Nachtheil des Terrains ersetzen: Napoleon würde gegen
einen Mack verloren seyn, geschweige Joachim gegen Bianchi.

Aber die Nachtheile werden wieder Vortheile werden, der Apennin
wird in seine natürliche Rolle zurücktreten, dem schönen Lande das er
theilt ein Hülfsmittel zu bieten, wenn das schöne Land seine Kraft zu
entwickeln versteht, wenn seine Städte und seine Dörfer zum Beistand
des Heeres sich erheben. Dann kann auch ein schwächeres Heer seinen
Zwecken entsprechen. Man achte auf mein Wort ein schwächeres
Heer,
aber doch ein wirkliches Heer. Denn die Idee eines Wider-
standes ohne geordnete Armee, mit-bloßen Bürgergarden und Land-
sturm, eine solche Idee welche, wie ich fürchte, in manchen Köpfen steckt,
wäre unter allen Irrthümern der größte und schlimmste und am sicher-
sten zum Ruin führende. Litterarischen Irrthümern, administrativen
selbst und politischen, kann man meistens abhelfen: Wissenschaft, Diplo-
matie, Politik und Civilisation haben große Geduld, und lassen Zeit
zum Bessermachen. Der Krieg hat keine Geduld noch Nachsicht; er
gestattet keine Nachhülfe, außer bei kleinen Irrthümern; große richten
unrettbar die beste Sache, die frohesten Hoffnungen, die trefflichsten
Vorkehrungen zu Grunde. Wie es ein großer Irrthum seyn würde
ein auf die Vertheidigung angewiesenes Heer ohne Beistand von Seiten
der Städte und des offnen Landes zu lassen, so wäre es ein noch schlim-
merer auf Städte und Land ohne Heer sich zu verlassen. Dieß kann
nicht ausrichten was jenen obliegt; noch weniger möglich ist aber der
umgekehrte Fall. Alle drei Vorkehrungen sind gleich unerläßlich, das
Heer den eigentlichen Krieg zu führen, Städte und Land ihn zu ver-
längern, zu erneuern, als wahrhaft vaterländische Angelegenheit zu
heiligen, das Land ihn zu fördern durch Beunruhigung, Auffangen,
Aushungern des Feindes. Spanien führte seinen schönen Krieg nur
durch Anwendung der drei Mittel: es hatte Saragossas, Guerrillas und
Heere, erst vielfach geschlagen, dann Sieger unter jenem Wellington,
welcher, ein so großer Feldherr er auch von Natur war, dennoch nie
geworden wäre was er ward ohne jenen Beistand, ohne Spaniens
Opfer. Ein Krieg wird entschieden wie eine strategische Operation,
wie eine einzelne Schlacht, indem man zum Endziel nicht diese oder
jene Kraft, sondern alle Kräfte, alle Mittel sammelt und anwendet.
Wer's nicht thut, ist nicht des Sieges werth.

So aber wird's seyn, so Gott will. Vorausgesetzt, das Heer,
von vornherein schwächer oder durch einen Verlust geschwächt, müßte
sich mehr oder minder weit zurückziehen, zwischen dieser ersten prächti-
gen Linie von Städten die wie eine Courtine mit ihren Basteien
sich erhebt, Bologna links, Ravenna rechts, Imola, Faenza, Forli
inmitten; vorausgesetzt, diese wollten sich vertheidigen, ernstlich und
mannhaft sich vertheidigen; vorausgesetzt endlich, das angreifende Heer
zählte 100,000 Streiter, eine gar große Zahl, das vertheidigende nur
30,000: vorausgesetzt alles dieß, so werden, halten sich die Städte,
60 -- 80,000 Mann mehr hinter den Mauern stehen und dem Gegner
zu thun geben. Vorausgesetzt noch daß aus den Lagunen und adria-
tischen Maremmen zur Rechten, in den Apenninen zur Linken das
Landvolk erstehe, mögen es, wenn es um Kampf sich handelt, auch
nur zwanzigtausend, ja nur zehntausend seyn, so ist das Gleich-
gewicht hergestellt, so ist aus den dreißigtausend des Heeres eine dem
Angreifenden gewachsene Macht geworden, so ist ein neuer Feldzug
für dieß Heer möglich, vielleicht glücklich, inmitten dieser bewaffneten
Bevölkerung und dieser Städte die dem Heere Hülfe bieten, von ihm
Hülfe erhalten. Gesetzt aber auch der neue Kampf sey unglücklich,
eine nach der andern dieser Städte falle, oder irgendeine ergebe sich
ohne Widerstand, das Heer, ungedeckt, müsse sich weiter zurückziehen,
so ist dennoch nichts verloren, so ist dennoch alles zu retten, gibt eine
einzige Stadt nur ein Beispiel wie Saragossa es gab. Lasset uns
[Spaltenumbruch] nicht solche Hoffnung verlachen! Dort, in jenen Städten glomm der
letzte Funke altrömischer Freiheit, dort entzündete sich der italienischen
Gemeindefreiheit erster Funke, dort währte diese Freiheit länger denn
anderswo. Von dort kamen viele der besten Krieger des Königreichs
Italien, dort ereigneten sich die letzten, guten oder schlimmen Prote-
stationen gegen die neueste Unterdrückung. Lassen wir diese Erinne-
rungen bei Seite und blicken wir nur auf die Gegenwart, so ist es
gewiß daß die jetzige Mäßigung in den Volksbewegungen, in den Re-
den, im Schreiben, daß die ernste, ja schweigsame Haltung dieser
Provinzen, der Zukunft ernstes und kräftiges Handeln verheißt. Ge-
schieht dieß, ich wiederhole es, in einer einzigen Stadt, erhebt sich
eine einzige zu solchem Opfer, weiß eine einzige zu sterben für aller
Rettung -- wie viel moralische und materielle Kraft muß nicht der
gesammten Nation daraus erwachsen? Spanien, ich werde nicht müde
darauf zurückzukommen, dankt Saragossa's Trümmern sein Heil, Ruß-
land den Trümmern Moskau's. Es ist wahr, viele und vielerlei sind
die Mittel vermöge deren Gott die Völker zu jenen nationalen Tu-
genden ruft oder zurückruft, welche, als Tugenden, unzweifelhaft von
ihm kommen, von ihm für alle bestimmt sind. Unter diesen Mitteln
aber ist gewiß keines sicherer, keines unfehlbarer als ein großes Un-
glück, von Einem Theile stark, standhaft, freiwillig für die Gesammt-
heit getragen. Eine solche Prüfung, ertrüge sie eine der päpstlichen
Städte des Nordens, würde ohne Fehl zehn andere wecken. Dann aber
würden die beiden Straßen zu beiden Seiten des Apennin, so leicht, so
triumphirend von so vielen angreifenden Feinden beschritten, neuen
Feinden schwer, unmöglich, vernichtend werden.

Der Feind wählte die adriatische Straße -- da liegen Cesena,
Rimini, Pesaro, Fano, Urbino, Senigallia, Ancona, meist kleine und
offene Städte, ich weiß es, aber doch zu schützen und zu vertheidigen.
Und dieß um so mehr, wenn der mit ihnen beschäftigte Feind zur Lin-
ken das Meer hat das ihm vielleicht nicht befreundet seyn dürfte, zur
Rechten den jedenfalls feindlichen Apennin, vor sich, am Schluß die-
ser Städtecolonne, Ancona, das einst stark war und wieder befestigt
werden müßte, als einer der strategischen Punkte die für einen solchen
Krieg von unzweifelhafter Wichtigkeit sind. Wählt aber der angrei-
fende Theil die toscanische Straße? Dann hat er zunächst den Apen-
nin zu überschreiten, was ihm schwer gemacht werden möchte; dann
bleibt ihm, ist er hinüber, das Gebirge im Rücken und längs der
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Italiens, auf die welche jetzt vielleicht die größte Wärme, die meiste
Aufregung an den Tag legt, welche am meisten verspricht, und hof-
fentlich die Versprechungen halten wird. Und vielleicht würde der
Feind, möchte er auch noch so gereizt seyn, vor jener Stadt stehen blei-
ben, die zu glorreich, zu schön, zu reich an Verdienst um die ganze
moderne Civilisation ist; er würde es nicht wagen sich an dieser ge-
sammten Civilisation zu vergreifen, sie gegen sich unter die Waffen zu
rufen, indem er Florenz zerstörte. Aber Florenz täusche sich nicht: das
Verbrechen kann versucht werden, das Opfer kann nothwendig werden;
das Opfer muß um so mehr vorausgesehen, beschlossen, vorbereitet
werden, je glorreicher es für die Stadt, je nützlicher es für das Land,
je vernichtender es für den Feind seyn würde. Das Opfer mag groß
seyn, größer wäre der Lohn, denn dieser Lohn wäre nationaler Sieg.
Würde Europa, das seiner Cultur sich rühmt, würden Frankreich und
England, die den Primat in Anspruch nehmen, würde Deutschland,
das mit ihnen um den Preis streitet, gleichgültig, ruhig bleiben, wenn
die Stadt, die Mutter der neuen Cultur, für das erste Gut der Civi-
lisation blutete und fiele, für jene Nationalität und Unabhängigkeit,
welche man selbst den rohesten Völkern zugesteht und an ihnen achtet?
Doch Italien würde nicht gleichgültig bleiben, Italien welches, allein,
wenn es nur recht wollte, im Stande wäre nicht einhunderttausend,
sondern Hunderttausende von Barbarenschwärmen(!) zu zerstreuen,
zeigten sie sich in Wahrheit als Barbaren. Es käme nur auf das Di-
lemma oder auf solchen kolossalen Scandal an. Doch lassen wir solche
äußerste Eventualitäten und kehren wir zurück zur Betrachtung der
militärischen Combinationen.

Was diese betrifft so haben wir übrigens von vorneherein un-
recht gehabt dem angreifenden Theil die Alternative zwischen einer
und der andern Straße, östlich oder westlich vom Apennin, zu lassen.
Militärisch würde es unthunlich seyn nur Eine zu nehmen: der An-
greifende müßte beide zugleich besetzen. Rückte er auf der adrianischen
[Spaltenumbruch] gegeben: wie nämlich dieſe Kette der Apenninen, welche einem ſich ver-
theidigenden Heer wunderbar helfen kann und muß, wenn Abwehr der
Städte und des Landes ihm beiſtehen, nur Hinderniß, Gefahr und
Ruin für eine ſich zurückziehende Armee iſt, die ſolcher Stütze entbehrt.
Jedem leuchtet es ein wie gefährlich der Rückzug durch ein von zwei
Parallelſtraßen durchſchnittenes Land iſt. Nimmt man beide Straßen,
ſo ſetzt man ſich allen Gefahren der Theilung der Streitmacht aus;
folgt man der einen allein, ſo kann man aufgehalten und, von der an-
dern her eingeholt, abgeſchnitten werden, wie es Mürat erging. Ein
auf ſich ſelbſt angewieſenes Heer welches ſich, den perfiden Apennin in
der Mitte, von Bologna oder Romagna nach Rom oder Neapel zurück-
ziehen muß, iſt ſozuſagen unrettbar verloren. Keine Kunſt des Feld-
herrn kann den Nachtheil des Terrains erſetzen: Napoleon würde gegen
einen Mack verloren ſeyn, geſchweige Joachim gegen Bianchi.

Aber die Nachtheile werden wieder Vortheile werden, der Apennin
wird in ſeine natürliche Rolle zurücktreten, dem ſchönen Lande das er
theilt ein Hülfsmittel zu bieten, wenn das ſchöne Land ſeine Kraft zu
entwickeln verſteht, wenn ſeine Städte und ſeine Dörfer zum Beiſtand
des Heeres ſich erheben. Dann kann auch ein ſchwächeres Heer ſeinen
Zwecken entſprechen. Man achte auf mein Wort ein ſchwächeres
Heer,
aber doch ein wirkliches Heer. Denn die Idee eines Wider-
ſtandes ohne geordnete Armee, mit-bloßen Bürgergarden und Land-
ſturm, eine ſolche Idee welche, wie ich fürchte, in manchen Köpfen ſteckt,
wäre unter allen Irrthümern der größte und ſchlimmſte und am ſicher-
ſten zum Ruin führende. Litterariſchen Irrthümern, adminiſtrativen
ſelbſt und politiſchen, kann man meiſtens abhelfen: Wiſſenſchaft, Diplo-
matie, Politik und Civiliſation haben große Geduld, und laſſen Zeit
zum Beſſermachen. Der Krieg hat keine Geduld noch Nachſicht; er
geſtattet keine Nachhülfe, außer bei kleinen Irrthümern; große richten
unrettbar die beſte Sache, die froheſten Hoffnungen, die trefflichſten
Vorkehrungen zu Grunde. Wie es ein großer Irrthum ſeyn würde
ein auf die Vertheidigung angewieſenes Heer ohne Beiſtand von Seiten
der Städte und des offnen Landes zu laſſen, ſo wäre es ein noch ſchlim-
merer auf Städte und Land ohne Heer ſich zu verlaſſen. Dieß kann
nicht ausrichten was jenen obliegt; noch weniger möglich iſt aber der
umgekehrte Fall. Alle drei Vorkehrungen ſind gleich unerläßlich, das
Heer den eigentlichen Krieg zu führen, Städte und Land ihn zu ver-
längern, zu erneuern, als wahrhaft vaterländiſche Angelegenheit zu
heiligen, das Land ihn zu fördern durch Beunruhigung, Auffangen,
Aushungern des Feindes. Spanien führte ſeinen ſchönen Krieg nur
durch Anwendung der drei Mittel: es hatte Saragoſſas, Guerrillas und
Heere, erſt vielfach geſchlagen, dann Sieger unter jenem Wellington,
welcher, ein ſo großer Feldherr er auch von Natur war, dennoch nie
geworden wäre was er ward ohne jenen Beiſtand, ohne Spaniens
Opfer. Ein Krieg wird entſchieden wie eine ſtrategiſche Operation,
wie eine einzelne Schlacht, indem man zum Endziel nicht dieſe oder
jene Kraft, ſondern alle Kräfte, alle Mittel ſammelt und anwendet.
Wer’s nicht thut, iſt nicht des Sieges werth.

So aber wird’s ſeyn, ſo Gott will. Vorausgeſetzt, das Heer,
von vornherein ſchwächer oder durch einen Verluſt geſchwächt, müßte
ſich mehr oder minder weit zurückziehen, zwiſchen dieſer erſten prächti-
gen Linie von Städten die wie eine Courtine mit ihren Baſteien
ſich erhebt, Bologna links, Ravenna rechts, Imola, Faenza, Forli
inmitten; vorausgeſetzt, dieſe wollten ſich vertheidigen, ernſtlich und
mannhaft ſich vertheidigen; vorausgeſetzt endlich, das angreifende Heer
zählte 100,000 Streiter, eine gar große Zahl, das vertheidigende nur
30,000: vorausgeſetzt alles dieß, ſo werden, halten ſich die Städte,
60 — 80,000 Mann mehr hinter den Mauern ſtehen und dem Gegner
zu thun geben. Vorausgeſetzt noch daß aus den Lagunen und adria-
tiſchen Maremmen zur Rechten, in den Apenninen zur Linken das
Landvolk erſtehe, mögen es, wenn es um Kampf ſich handelt, auch
nur zwanzigtauſend, ja nur zehntauſend ſeyn, ſo iſt das Gleich-
gewicht hergeſtellt, ſo iſt aus den dreißigtauſend des Heeres eine dem
Angreifenden gewachſene Macht geworden, ſo iſt ein neuer Feldzug
für dieß Heer möglich, vielleicht glücklich, inmitten dieſer bewaffneten
Bevölkerung und dieſer Städte die dem Heere Hülfe bieten, von ihm
Hülfe erhalten. Geſetzt aber auch der neue Kampf ſey unglücklich,
eine nach der andern dieſer Städte falle, oder irgendeine ergebe ſich
ohne Widerſtand, das Heer, ungedeckt, müſſe ſich weiter zurückziehen,
ſo iſt dennoch nichts verloren, ſo iſt dennoch alles zu retten, gibt eine
einzige Stadt nur ein Beiſpiel wie Saragoſſa es gab. Laſſet uns
[Spaltenumbruch] nicht ſolche Hoffnung verlachen! Dort, in jenen Städten glomm der
letzte Funke altrömiſcher Freiheit, dort entzündete ſich der italieniſchen
Gemeindefreiheit erſter Funke, dort währte dieſe Freiheit länger denn
anderswo. Von dort kamen viele der beſten Krieger des Königreichs
Italien, dort ereigneten ſich die letzten, guten oder ſchlimmen Prote-
ſtationen gegen die neueſte Unterdrückung. Laſſen wir dieſe Erinne-
rungen bei Seite und blicken wir nur auf die Gegenwart, ſo iſt es
gewiß daß die jetzige Mäßigung in den Volksbewegungen, in den Re-
den, im Schreiben, daß die ernſte, ja ſchweigſame Haltung dieſer
Provinzen, der Zukunft ernſtes und kräftiges Handeln verheißt. Ge-
ſchieht dieß, ich wiederhole es, in einer einzigen Stadt, erhebt ſich
eine einzige zu ſolchem Opfer, weiß eine einzige zu ſterben für aller
Rettung — wie viel moraliſche und materielle Kraft muß nicht der
geſammten Nation daraus erwachſen? Spanien, ich werde nicht müde
darauf zurückzukommen, dankt Saragoſſa’s Trümmern ſein Heil, Ruß-
land den Trümmern Moskau’s. Es iſt wahr, viele und vielerlei ſind
die Mittel vermöge deren Gott die Völker zu jenen nationalen Tu-
genden ruft oder zurückruft, welche, als Tugenden, unzweifelhaft von
ihm kommen, von ihm für alle beſtimmt ſind. Unter dieſen Mitteln
aber iſt gewiß keines ſicherer, keines unfehlbarer als ein großes Un-
glück, von Einem Theile ſtark, ſtandhaft, freiwillig für die Geſammt-
heit getragen. Eine ſolche Prüfung, ertrüge ſie eine der päpſtlichen
Städte des Nordens, würde ohne Fehl zehn andere wecken. Dann aber
würden die beiden Straßen zu beiden Seiten des Apennin, ſo leicht, ſo
triumphirend von ſo vielen angreifenden Feinden beſchritten, neuen
Feinden ſchwer, unmöglich, vernichtend werden.

Der Feind wählte die adriatiſche Straße — da liegen Ceſena,
Rimini, Peſaro, Fano, Urbino, Senigallia, Ancona, meiſt kleine und
offene Städte, ich weiß es, aber doch zu ſchützen und zu vertheidigen.
Und dieß um ſo mehr, wenn der mit ihnen beſchäftigte Feind zur Lin-
ken das Meer hat das ihm vielleicht nicht befreundet ſeyn dürfte, zur
Rechten den jedenfalls feindlichen Apennin, vor ſich, am Schluß die-
ſer Städtecolonne, Ancona, das einſt ſtark war und wieder befeſtigt
werden müßte, als einer der ſtrategiſchen Punkte die für einen ſolchen
Krieg von unzweifelhafter Wichtigkeit ſind. Wählt aber der angrei-
fende Theil die toscaniſche Straße? Dann hat er zunächſt den Apen-
nin zu überſchreiten, was ihm ſchwer gemacht werden möchte; dann
bleibt ihm, iſt er hinüber, das Gebirge im Rücken und längs der
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Italiens, auf die welche jetzt vielleicht die größte Wärme, die meiſte
Aufregung an den Tag legt, welche am meiſten verſpricht, und hof-
fentlich die Verſprechungen halten wird. Und vielleicht würde der
Feind, möchte er auch noch ſo gereizt ſeyn, vor jener Stadt ſtehen blei-
ben, die zu glorreich, zu ſchön, zu reich an Verdienſt um die ganze
moderne Civiliſation iſt; er würde es nicht wagen ſich an dieſer ge-
ſammten Civiliſation zu vergreifen, ſie gegen ſich unter die Waffen zu
rufen, indem er Florenz zerſtörte. Aber Florenz täuſche ſich nicht: das
Verbrechen kann verſucht werden, das Opfer kann nothwendig werden;
das Opfer muß um ſo mehr vorausgeſehen, beſchloſſen, vorbereitet
werden, je glorreicher es für die Stadt, je nützlicher es für das Land,
je vernichtender es für den Feind ſeyn würde. Das Opfer mag groß
ſeyn, größer wäre der Lohn, denn dieſer Lohn wäre nationaler Sieg.
Würde Europa, das ſeiner Cultur ſich rühmt, würden Frankreich und
England, die den Primat in Anſpruch nehmen, würde Deutſchland,
das mit ihnen um den Preis ſtreitet, gleichgültig, ruhig bleiben, wenn
die Stadt, die Mutter der neuen Cultur, für das erſte Gut der Civi-
liſation blutete und fiele, für jene Nationalität und Unabhängigkeit,
welche man ſelbſt den roheſten Völkern zugeſteht und an ihnen achtet?
Doch Italien würde nicht gleichgültig bleiben, Italien welches, allein,
wenn es nur recht wollte, im Stande wäre nicht einhunderttauſend,
ſondern Hunderttauſende von Barbarenſchwärmen(!) zu zerſtreuen,
zeigten ſie ſich in Wahrheit als Barbaren. Es käme nur auf das Di-
lemma oder auf ſolchen koloſſalen Scandal an. Doch laſſen wir ſolche
äußerſte Eventualitäten und kehren wir zurück zur Betrachtung der
militäriſchen Combinationen.

Was dieſe betrifft ſo haben wir übrigens von vorneherein un-
recht gehabt dem angreifenden Theil die Alternative zwiſchen einer
und der andern Straße, öſtlich oder weſtlich vom Apennin, zu laſſen.
Militäriſch würde es unthunlich ſeyn nur Eine zu nehmen: der An-
greifende müßte beide zugleich beſetzen. Rückte er auf der adrianiſchen
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[1354/0010] gegeben: wie nämlich dieſe Kette der Apenninen, welche einem ſich ver- theidigenden Heer wunderbar helfen kann und muß, wenn Abwehr der Städte und des Landes ihm beiſtehen, nur Hinderniß, Gefahr und Ruin für eine ſich zurückziehende Armee iſt, die ſolcher Stütze entbehrt. Jedem leuchtet es ein wie gefährlich der Rückzug durch ein von zwei Parallelſtraßen durchſchnittenes Land iſt. Nimmt man beide Straßen, ſo ſetzt man ſich allen Gefahren der Theilung der Streitmacht aus; folgt man der einen allein, ſo kann man aufgehalten und, von der an- dern her eingeholt, abgeſchnitten werden, wie es Mürat erging. Ein auf ſich ſelbſt angewieſenes Heer welches ſich, den perfiden Apennin in der Mitte, von Bologna oder Romagna nach Rom oder Neapel zurück- ziehen muß, iſt ſozuſagen unrettbar verloren. Keine Kunſt des Feld- herrn kann den Nachtheil des Terrains erſetzen: Napoleon würde gegen einen Mack verloren ſeyn, geſchweige Joachim gegen Bianchi. Aber die Nachtheile werden wieder Vortheile werden, der Apennin wird in ſeine natürliche Rolle zurücktreten, dem ſchönen Lande das er theilt ein Hülfsmittel zu bieten, wenn das ſchöne Land ſeine Kraft zu entwickeln verſteht, wenn ſeine Städte und ſeine Dörfer zum Beiſtand des Heeres ſich erheben. Dann kann auch ein ſchwächeres Heer ſeinen Zwecken entſprechen. Man achte auf mein Wort ein ſchwächeres Heer, aber doch ein wirkliches Heer. Denn die Idee eines Wider- ſtandes ohne geordnete Armee, mit-bloßen Bürgergarden und Land- ſturm, eine ſolche Idee welche, wie ich fürchte, in manchen Köpfen ſteckt, wäre unter allen Irrthümern der größte und ſchlimmſte und am ſicher- ſten zum Ruin führende. Litterariſchen Irrthümern, adminiſtrativen ſelbſt und politiſchen, kann man meiſtens abhelfen: Wiſſenſchaft, Diplo- matie, Politik und Civiliſation haben große Geduld, und laſſen Zeit zum Beſſermachen. Der Krieg hat keine Geduld noch Nachſicht; er geſtattet keine Nachhülfe, außer bei kleinen Irrthümern; große richten unrettbar die beſte Sache, die froheſten Hoffnungen, die trefflichſten Vorkehrungen zu Grunde. Wie es ein großer Irrthum ſeyn würde ein auf die Vertheidigung angewieſenes Heer ohne Beiſtand von Seiten der Städte und des offnen Landes zu laſſen, ſo wäre es ein noch ſchlim- merer auf Städte und Land ohne Heer ſich zu verlaſſen. Dieß kann nicht ausrichten was jenen obliegt; noch weniger möglich iſt aber der umgekehrte Fall. Alle drei Vorkehrungen ſind gleich unerläßlich, das Heer den eigentlichen Krieg zu führen, Städte und Land ihn zu ver- längern, zu erneuern, als wahrhaft vaterländiſche Angelegenheit zu heiligen, das Land ihn zu fördern durch Beunruhigung, Auffangen, Aushungern des Feindes. Spanien führte ſeinen ſchönen Krieg nur durch Anwendung der drei Mittel: es hatte Saragoſſas, Guerrillas und Heere, erſt vielfach geſchlagen, dann Sieger unter jenem Wellington, welcher, ein ſo großer Feldherr er auch von Natur war, dennoch nie geworden wäre was er ward ohne jenen Beiſtand, ohne Spaniens Opfer. Ein Krieg wird entſchieden wie eine ſtrategiſche Operation, wie eine einzelne Schlacht, indem man zum Endziel nicht dieſe oder jene Kraft, ſondern alle Kräfte, alle Mittel ſammelt und anwendet. Wer’s nicht thut, iſt nicht des Sieges werth. So aber wird’s ſeyn, ſo Gott will. Vorausgeſetzt, das Heer, von vornherein ſchwächer oder durch einen Verluſt geſchwächt, müßte ſich mehr oder minder weit zurückziehen, zwiſchen dieſer erſten prächti- gen Linie von Städten die wie eine Courtine mit ihren Baſteien ſich erhebt, Bologna links, Ravenna rechts, Imola, Faenza, Forli inmitten; vorausgeſetzt, dieſe wollten ſich vertheidigen, ernſtlich und mannhaft ſich vertheidigen; vorausgeſetzt endlich, das angreifende Heer zählte 100,000 Streiter, eine gar große Zahl, das vertheidigende nur 30,000: vorausgeſetzt alles dieß, ſo werden, halten ſich die Städte, 60 — 80,000 Mann mehr hinter den Mauern ſtehen und dem Gegner zu thun geben. Vorausgeſetzt noch daß aus den Lagunen und adria- tiſchen Maremmen zur Rechten, in den Apenninen zur Linken das Landvolk erſtehe, mögen es, wenn es um Kampf ſich handelt, auch nur zwanzigtauſend, ja nur zehntauſend ſeyn, ſo iſt das Gleich- gewicht hergeſtellt, ſo iſt aus den dreißigtauſend des Heeres eine dem Angreifenden gewachſene Macht geworden, ſo iſt ein neuer Feldzug für dieß Heer möglich, vielleicht glücklich, inmitten dieſer bewaffneten Bevölkerung und dieſer Städte die dem Heere Hülfe bieten, von ihm Hülfe erhalten. Geſetzt aber auch der neue Kampf ſey unglücklich, eine nach der andern dieſer Städte falle, oder irgendeine ergebe ſich ohne Widerſtand, das Heer, ungedeckt, müſſe ſich weiter zurückziehen, ſo iſt dennoch nichts verloren, ſo iſt dennoch alles zu retten, gibt eine einzige Stadt nur ein Beiſpiel wie Saragoſſa es gab. Laſſet uns nicht ſolche Hoffnung verlachen! Dort, in jenen Städten glomm der letzte Funke altrömiſcher Freiheit, dort entzündete ſich der italieniſchen Gemeindefreiheit erſter Funke, dort währte dieſe Freiheit länger denn anderswo. Von dort kamen viele der beſten Krieger des Königreichs Italien, dort ereigneten ſich die letzten, guten oder ſchlimmen Prote- ſtationen gegen die neueſte Unterdrückung. Laſſen wir dieſe Erinne- rungen bei Seite und blicken wir nur auf die Gegenwart, ſo iſt es gewiß daß die jetzige Mäßigung in den Volksbewegungen, in den Re- den, im Schreiben, daß die ernſte, ja ſchweigſame Haltung dieſer Provinzen, der Zukunft ernſtes und kräftiges Handeln verheißt. Ge- ſchieht dieß, ich wiederhole es, in einer einzigen Stadt, erhebt ſich eine einzige zu ſolchem Opfer, weiß eine einzige zu ſterben für aller Rettung — wie viel moraliſche und materielle Kraft muß nicht der geſammten Nation daraus erwachſen? Spanien, ich werde nicht müde darauf zurückzukommen, dankt Saragoſſa’s Trümmern ſein Heil, Ruß- land den Trümmern Moskau’s. Es iſt wahr, viele und vielerlei ſind die Mittel vermöge deren Gott die Völker zu jenen nationalen Tu- genden ruft oder zurückruft, welche, als Tugenden, unzweifelhaft von ihm kommen, von ihm für alle beſtimmt ſind. Unter dieſen Mitteln aber iſt gewiß keines ſicherer, keines unfehlbarer als ein großes Un- glück, von Einem Theile ſtark, ſtandhaft, freiwillig für die Geſammt- heit getragen. Eine ſolche Prüfung, ertrüge ſie eine der päpſtlichen Städte des Nordens, würde ohne Fehl zehn andere wecken. Dann aber würden die beiden Straßen zu beiden Seiten des Apennin, ſo leicht, ſo triumphirend von ſo vielen angreifenden Feinden beſchritten, neuen Feinden ſchwer, unmöglich, vernichtend werden. Der Feind wählte die adriatiſche Straße — da liegen Ceſena, Rimini, Peſaro, Fano, Urbino, Senigallia, Ancona, meiſt kleine und offene Städte, ich weiß es, aber doch zu ſchützen und zu vertheidigen. Und dieß um ſo mehr, wenn der mit ihnen beſchäftigte Feind zur Lin- ken das Meer hat das ihm vielleicht nicht befreundet ſeyn dürfte, zur Rechten den jedenfalls feindlichen Apennin, vor ſich, am Schluß die- ſer Städtecolonne, Ancona, das einſt ſtark war und wieder befeſtigt werden müßte, als einer der ſtrategiſchen Punkte die für einen ſolchen Krieg von unzweifelhafter Wichtigkeit ſind. Wählt aber der angrei- fende Theil die toscaniſche Straße? Dann hat er zunächſt den Apen- nin zu überſchreiten, was ihm ſchwer gemacht werden möchte; dann bleibt ihm, iſt er hinüber, das Gebirge im Rücken und längs der Flanke; dann trifft er auf die gedrängteſte und geiſtvollſte Bevölkerung Italiens, auf die welche jetzt vielleicht die größte Wärme, die meiſte Aufregung an den Tag legt, welche am meiſten verſpricht, und hof- fentlich die Verſprechungen halten wird. Und vielleicht würde der Feind, möchte er auch noch ſo gereizt ſeyn, vor jener Stadt ſtehen blei- ben, die zu glorreich, zu ſchön, zu reich an Verdienſt um die ganze moderne Civiliſation iſt; er würde es nicht wagen ſich an dieſer ge- ſammten Civiliſation zu vergreifen, ſie gegen ſich unter die Waffen zu rufen, indem er Florenz zerſtörte. Aber Florenz täuſche ſich nicht: das Verbrechen kann verſucht werden, das Opfer kann nothwendig werden; das Opfer muß um ſo mehr vorausgeſehen, beſchloſſen, vorbereitet werden, je glorreicher es für die Stadt, je nützlicher es für das Land, je vernichtender es für den Feind ſeyn würde. Das Opfer mag groß ſeyn, größer wäre der Lohn, denn dieſer Lohn wäre nationaler Sieg. Würde Europa, das ſeiner Cultur ſich rühmt, würden Frankreich und England, die den Primat in Anſpruch nehmen, würde Deutſchland, das mit ihnen um den Preis ſtreitet, gleichgültig, ruhig bleiben, wenn die Stadt, die Mutter der neuen Cultur, für das erſte Gut der Civi- liſation blutete und fiele, für jene Nationalität und Unabhängigkeit, welche man ſelbſt den roheſten Völkern zugeſteht und an ihnen achtet? Doch Italien würde nicht gleichgültig bleiben, Italien welches, allein, wenn es nur recht wollte, im Stande wäre nicht einhunderttauſend, ſondern Hunderttauſende von Barbarenſchwärmen(!) zu zerſtreuen, zeigten ſie ſich in Wahrheit als Barbaren. Es käme nur auf das Di- lemma oder auf ſolchen koloſſalen Scandal an. Doch laſſen wir ſolche äußerſte Eventualitäten und kehren wir zurück zur Betrachtung der militäriſchen Combinationen. Was dieſe betrifft ſo haben wir übrigens von vorneherein un- recht gehabt dem angreifenden Theil die Alternative zwiſchen einer und der andern Straße, öſtlich oder weſtlich vom Apennin, zu laſſen. Militäriſch würde es unthunlich ſeyn nur Eine zu nehmen: der An- greifende müßte beide zugleich beſetzen. Rückte er auf der adrianiſchen

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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 85, 25. März 1848, S. 1354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine85_1848/10>, abgerufen am 23.11.2024.