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Allgemeine Zeitung, Nr. 85, 25. März 1848.

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[Spaltenumbruch] tion das Band deutscher Einheit zu knüpfen? Es gibt keine schönere und
stolzere Aufgabe als diese erste allgemeine deutsche Ständeversammlung hat.
Ihre Stimme wird mächtig genug seyn selbst die getrennten entfremdeten
Glieder des alten Germaniens zur Heerfolge aufzumahnen, von den Al-
pen bis zu den Mündungen der Schelde und des Rheins, bis über die
Königsau, mächtig genug Polen aus seinem Todesschlaf zu wecken und
das Verbrechen des alten Europa zu sühnen! Das Schicksal des verjüng-
ten Deutschlands ruht in ihrer Hand, das Schicksal des Weltfriedens,
vielleicht Frankreichs selbst. Sie wird ihm die Freiheit zeigen im Bund
mit der Ordnung und der Gerechtigkeit, und sollte es sich nicht an die-
sem Anblick aus den krampfhaften Zuckungen seiner socialen Bewegung
wieder emporrichten? Glückliches Ereigniß, das kein Recht antastet,
keine Ordnung verletzt, das eine alte untergegangene Ordnung herstellt,
eine Ordnung des Rechts, der Ehre, der Freiheit, der Größe unserer
Nation. C. A. M.

Oesterreichische Monarchie.

Constitution, Preßfreiheit, Nationlgarde
in Oesterreich! Wer hätte das noch vor acht Tagen gedacht? Es klingt
wie ein Feenmärchen. Wir glauben zu träumen, der Boden scheint
unter uns zu wanken. Was Uhland vor mehr als 30 Jahren sang:

"Auf, gewalt'ges Oesterreich!
Vorwärts! Thu's den andern gleich!"

ist endlich zur Wahrheit geworden. Oesterreich hat mit einemmale in
der geistigen Strömung Europa's jene Stellung eingenommen die ihm
die Bildung seiner Bewohner anweist. Gott segne den Kaiser unsern
gütigen Monarchen! Oesterreich hat nun eine große schöne Zukunft,
man kann sich freuen ein Oesterreicher zu seyn. Schon die Bewegungen
in Italien, erst leise die Oberfläche berührend, und dann in immer mäch-
tigern Wellen aufbrausend, noch weit mehr aber die Februar-Revolution
in Frankreich, hatten in die Stagnation des hiesigen Lebens, die seit dem
Morde des Appellationsrathes Zajonckzowski, und der hierauf erfolgten
Kundmachung des Standrechts eingetreten war, eine Unterbrechung ge-
bracht. Man hörte vor etwa 14 Tagen von der Verhaftung eines Emis-
särs an der Gränze, der aufrührerische Proclamationen bei sich hatte,
und kurz darauf von der Vorsindung eines Waffenvorraths im Gebiete,
nicht zu gedenken einiger schon früher stattgefundener rein lächerlicher
Versuche von Demonstrationen gegen das Rauchen und des Abbrennens
mehrerer Raketen zur Beunruhigung der Wachen -- Dinge, die wohl
kaum als politische Wetterzeichen gelten können. Ferner sah man eine
Menge Edelleute aus Furcht vor einem Zusammenstoße mit den Bauern
in die Stadt ziehen. Einen Eindruck ganz anderer Art machte es aber
als die Kunde von den Ereignissen in Wien hier anlangte. In den
Mienen der Angestellten der Regierung las man ohne Ausnahme die
innigste Freude. Betreffend die einheimischen Bewohner, so glaubten
anfänglich viele, die ertheilten und in Aussicht gestellten Gewährungen
bezögen sich nur auf Wien und das Erzherzogthum; als man aber inne
wurde daß dieselben für alle Länder des Kaiserstaats gelten, so war der
erste Gedanke die Befreiung der wegen Theilnahme an der letzten Kra-
kauer Revolution Verhafteten, deren Untersuchung bisher noch nicht
beendigt ist. Gestern am 17 d. M. gegen Mittag begab sich eine Depu-
tation von Bürgern zu dem k. k. Hofcommissär Grafen v. Deym, und bat
um Freilassung dieser Gefangenen. Eine ungeheure Menschenmenge
wogte auf dem Hauptplatze, und in der in selben ausmündenden Johan-
nisgasse, in der sich die Wohnung des Hofcommissärs befindet. Gleich-
zeitig hatte sich das Volk in nicht minder großer Anzahl vor dem Cri-
minalgebäude in der Canonicusgasse und in der anstoßenden Grodzker
Gasse (der Hauptstraße von Krakau) versammelt. Tausende harrten in
fieberischer Aufregung auf den Erfolg der Deputation. Man muß den
raschen Entschluß des Hofcommissärs segnen der Bitte der Deputation
zu willfahren, und die Freilassung sämmtlicher politischer Gefangenen
gegen Revers, daß sie auf Verlangen zur Untersuchung sich stellen, aus-
zusprechen. Augenscheinlich wäre es bei der aufgeregten Stimmung
der Bevölkerung im Weigerungfall zu gewaltsamen und blutigen Scenen
gekommen. Graf Deym verdient daher für seine großherzige Maßregel,
die allein die öffentliche Ruhe erhielt, die Anhänglichkeit der Krakauer
an die österreichischen Regierung wesentlich befestigen dürfte, und sich ge-
wiß der Billigung Sr. Maj. des Kaisers erfreuen wird, den Dank aller
Gutgesinnten, und insbesondere der hier anwesenden deutschen Beamten.
Gleichwohl hätte leicht noch ein bedauerlicher Auftritt herbeigeführt wer-
[Spaltenumbruch] den können. Denn als die Deputation nach erlangtem Jawort des Hof-
kammerpräsidenten im Criminalgebäude Einlaß begehrte, ward ihr die-
ser von dem hievon noch nicht benachrichtigten wachhabenden Officier
pflichtgemäß verweigert. Da die Menschenmenge immer mächtiger an-
drang, so hatten die Wachen sich bereits schußfertig gestellt. Zum Glück
erschien im entscheidenden Moment, etwa um 1 Uhr Mittags, der Mi-
litärcommandant Feldmarschalllieutenant Graf Castiglione, der den
Officier von der bewilligten Freilassung in Kenntniß setzte und die Un-
tersuchungsgefängnisse öffnete. Graf Castiglione wurde von der jubeln-
den Volksmasse bei seinem Austritte aus dem Criminalgebäude mit ei-
nem hundertstimmigen Vivat empfangen, und von ihr im Triumphe fast
hinweggetragen. Allgemeiner Jubelruf erscholl als der erste Gefangene
auf die Straße trat. Er ward von Küssen und Umarmungen fast er-
drückt. Von den Fenstern, die alle geöffnet und mit Zuschauern besetzt
waren, wehten bewillkommnend weiße Tücher. Dieses rührende
Schauspiel wiederholte sich bei allen Gefangenen. Ein paar junge Leute
machten es sich zum Geschäft die Befreiten, deren Verwandte nicht zu-
gegen waren, vorzuführen, ihre Namen auszurufen und ihnen Cigarren
zu reichen. Die versammelte, fast aus lauter wohlgekleidenten Men-
schen bestehende Menge machte Spalier. Alles ging ohne Mitwirkung
von Polizei- und Militärwachen in der größten Ordnung vor sich; man
sah unter den Umstehenden Officiere, Soldaten, Beamte von allen
Branchen friedlich neben einander. Nachdem das erste Gefängnißhaus
ausgeleert war, bewegte sich der Zug zu dem zweiten, dritten und sofort,
bis alle Gefangenen in Freiheit gesetzt und ihren harrenden Angehöri-
gen wiedergegeben waren. Die Amnestie wird bei der jetzigen erfreu-
lichen Wendung der Dinge in Oesterreich ohne Zweifel bald nachfolgen.
Abends war die ganze Stadt festlich beleuchtet, und der jauchzende Men-
schenstrom ergoß sich in den Straßen bis gegen Mitternacht. Heute um
10 Uhr Vormittags war in der Universitätskirche ein feierliches Te-
deum. Um 12 Uhr wurde das Patent, enthaltend die Zusicherung der
Constitution, publicirt. Noch herrscht große Aufregung in der Bevöl-
kerung, und man ist nicht ohne Besorgnisse. Möge der Himmel alles
zum Guten wenden, und mögen die österreichischen Polen sich der er-
langten politischen Freiheit würdig beweisen!

Portugal.

Wie englische Blätter d. d. Lissabon den 13 März melden, waren
der Prinz von Joinville und der Herzog von Aumale mit ihren Gemahlin-
nen Tags zuvor in Lissabon gelandet und von der königlichen Familie
sehr freundlich empfangen worden. Die Prinzessin Joinville ist bekannt-
lich eine Schwester der Dona Maria; die beiden Geschwister hatten sich
seit frühester Kindheit nicht mehr gesehen. Die Flüchtlinge setzten ohne
Aufenthalt ihre Reise nach England fort. Die politische Lage Portu-
gals war äußerst bedrohlich, und die englische Flotte ist abgesegelt.

Großbritannien.

Das M. Chronicle, welches unter den Londoner Blättern die
Pariser Zustände noch lange nicht im düstersten Lichte betrachtet, sagt:
"Die Nachrichten aus Paris kommen Blitz auf Blitz, gleich dem Fackel-
telegraphen im Aeschylischen Agamemnon, blendend, verwirrend, alle
Muthmaßungen überstürzend. Aber wie unmöglich es auch bis jetzt ist
alle diese Flammenfäden aus einanderzulegen und einigermaßen zu
ordnen, drei Leuchten bescheinen den Pfad des Verderbens so grell daß
sie wohl Angst und Besorgniß erregen mögen: die Einstellung der
Baarzahlungen seitens der Bank von Frankreich; die reactionäre Be-
wegung unter einem Theile der Nationalgarde; der heftige Meinungs-
zwiespalt und Hader in den Rathssitzungen der Regierung selbst. Die
ersterwähnte Maßregel wird in ihrer ganzen Verderblichkeit von dem
handelskundigen England vielleicht besser gewürdigt als von der Bevöl-
kerungsclasse in Frankreich welche jetzt die herrschende ist, und die zu-
letzt am schwersten davon wird getroffen werden. Die provisorische
Regierung hat, um ein Wort von Fox aus dem J. 1797 zu gebrauchen,
sich genöthigt gesehen "das Eigenthum zahlreicher Gläubiger mit einem
Hauche zu vernichten," und sie ist eingestandenermaßen unfähig ein In-
stitut zu kräftigen oder zu retten welches vierzigjährige Stürme und
Wechselfälle überdauert hat. Die Epidemie der Angst hat zu weit um
sich gegriffen, das Laufen um baares Geld ist zu heftig und plötzlich ge-
wesen, als daß die Bank von Frankreich einem so furchtbaren Stoß hätte
widerstehen können. Allerdings ist die Wirkung dieser Katastrophe
nicht ganz dieselbe wie wenn die Bank von England, mit ihrem riesen-

[Spaltenumbruch] tion das Band deutſcher Einheit zu knüpfen? Es gibt keine ſchönere und
ſtolzere Aufgabe als dieſe erſte allgemeine deutſche Ständeverſammlung hat.
Ihre Stimme wird mächtig genug ſeyn ſelbſt die getrennten entfremdeten
Glieder des alten Germaniens zur Heerfolge aufzumahnen, von den Al-
pen bis zu den Mündungen der Schelde und des Rheins, bis über die
Königsau, mächtig genug Polen aus ſeinem Todesſchlaf zu wecken und
das Verbrechen des alten Europa zu ſühnen! Das Schickſal des verjüng-
ten Deutſchlands ruht in ihrer Hand, das Schickſal des Weltfriedens,
vielleicht Frankreichs ſelbſt. Sie wird ihm die Freiheit zeigen im Bund
mit der Ordnung und der Gerechtigkeit, und ſollte es ſich nicht an die-
ſem Anblick aus den krampfhaften Zuckungen ſeiner ſocialen Bewegung
wieder emporrichten? Glückliches Ereigniß, das kein Recht antaſtet,
keine Ordnung verletzt, das eine alte untergegangene Ordnung herſtellt,
eine Ordnung des Rechts, der Ehre, der Freiheit, der Größe unſerer
Nation. C. A. M.

Oeſterreichiſche Monarchie.

Conſtitution, Preßfreiheit, Nationlgarde
in Oeſterreich! Wer hätte das noch vor acht Tagen gedacht? Es klingt
wie ein Feenmärchen. Wir glauben zu träumen, der Boden ſcheint
unter uns zu wanken. Was Uhland vor mehr als 30 Jahren ſang:

„Auf, gewalt’ges Oeſterreich!
Vorwärts! Thu’s den andern gleich!“

iſt endlich zur Wahrheit geworden. Oeſterreich hat mit einemmale in
der geiſtigen Strömung Europa’s jene Stellung eingenommen die ihm
die Bildung ſeiner Bewohner anweist. Gott ſegne den Kaiſer unſern
gütigen Monarchen! Oeſterreich hat nun eine große ſchöne Zukunft,
man kann ſich freuen ein Oeſterreicher zu ſeyn. Schon die Bewegungen
in Italien, erſt leiſe die Oberfläche berührend, und dann in immer mäch-
tigern Wellen aufbrauſend, noch weit mehr aber die Februar-Revolution
in Frankreich, hatten in die Stagnation des hieſigen Lebens, die ſeit dem
Morde des Appellationsrathes Zajonckzowski, und der hierauf erfolgten
Kundmachung des Standrechts eingetreten war, eine Unterbrechung ge-
bracht. Man hörte vor etwa 14 Tagen von der Verhaftung eines Emiſ-
ſärs an der Gränze, der aufrühreriſche Proclamationen bei ſich hatte,
und kurz darauf von der Vorſindung eines Waffenvorraths im Gebiete,
nicht zu gedenken einiger ſchon früher ſtattgefundener rein lächerlicher
Verſuche von Demonſtrationen gegen das Rauchen und des Abbrennens
mehrerer Raketen zur Beunruhigung der Wachen — Dinge, die wohl
kaum als politiſche Wetterzeichen gelten können. Ferner ſah man eine
Menge Edelleute aus Furcht vor einem Zuſammenſtoße mit den Bauern
in die Stadt ziehen. Einen Eindruck ganz anderer Art machte es aber
als die Kunde von den Ereigniſſen in Wien hier anlangte. In den
Mienen der Angeſtellten der Regierung las man ohne Ausnahme die
innigſte Freude. Betreffend die einheimiſchen Bewohner, ſo glaubten
anfänglich viele, die ertheilten und in Ausſicht geſtellten Gewährungen
bezögen ſich nur auf Wien und das Erzherzogthum; als man aber inne
wurde daß dieſelben für alle Länder des Kaiſerſtaats gelten, ſo war der
erſte Gedanke die Befreiung der wegen Theilnahme an der letzten Kra-
kauer Revolution Verhafteten, deren Unterſuchung bisher noch nicht
beendigt iſt. Geſtern am 17 d. M. gegen Mittag begab ſich eine Depu-
tation von Bürgern zu dem k. k. Hofcommiſſär Grafen v. Deym, und bat
um Freilaſſung dieſer Gefangenen. Eine ungeheure Menſchenmenge
wogte auf dem Hauptplatze, und in der in ſelben ausmündenden Johan-
nisgaſſe, in der ſich die Wohnung des Hofcommiſſärs befindet. Gleich-
zeitig hatte ſich das Volk in nicht minder großer Anzahl vor dem Cri-
minalgebäude in der Canonicusgaſſe und in der anſtoßenden Grodzker
Gaſſe (der Hauptſtraße von Krakau) verſammelt. Tauſende harrten in
fieberiſcher Aufregung auf den Erfolg der Deputation. Man muß den
raſchen Entſchluß des Hofcommiſſärs ſegnen der Bitte der Deputation
zu willfahren, und die Freilaſſung ſämmtlicher politiſcher Gefangenen
gegen Revers, daß ſie auf Verlangen zur Unterſuchung ſich ſtellen, aus-
zuſprechen. Augenſcheinlich wäre es bei der aufgeregten Stimmung
der Bevölkerung im Weigerungfall zu gewaltſamen und blutigen Scenen
gekommen. Graf Deym verdient daher für ſeine großherzige Maßregel,
die allein die öffentliche Ruhe erhielt, die Anhänglichkeit der Krakauer
an die öſterreichiſchen Regierung weſentlich befeſtigen dürfte, und ſich ge-
wiß der Billigung Sr. Maj. des Kaiſers erfreuen wird, den Dank aller
Gutgeſinnten, und insbeſondere der hier anweſenden deutſchen Beamten.
Gleichwohl hätte leicht noch ein bedauerlicher Auftritt herbeigeführt wer-
[Spaltenumbruch] den können. Denn als die Deputation nach erlangtem Jawort des Hof-
kammerpräſidenten im Criminalgebäude Einlaß begehrte, ward ihr die-
ſer von dem hievon noch nicht benachrichtigten wachhabenden Officier
pflichtgemäß verweigert. Da die Menſchenmenge immer mächtiger an-
drang, ſo hatten die Wachen ſich bereits ſchußfertig geſtellt. Zum Glück
erſchien im entſcheidenden Moment, etwa um 1 Uhr Mittags, der Mi-
litärcommandant Feldmarſchalllieutenant Graf Caſtiglione, der den
Officier von der bewilligten Freilaſſung in Kenntniß ſetzte und die Un-
terſuchungsgefängniſſe öffnete. Graf Caſtiglione wurde von der jubeln-
den Volksmaſſe bei ſeinem Austritte aus dem Criminalgebäude mit ei-
nem hundertſtimmigen Vivat empfangen, und von ihr im Triumphe faſt
hinweggetragen. Allgemeiner Jubelruf erſcholl als der erſte Gefangene
auf die Straße trat. Er ward von Küſſen und Umarmungen faſt er-
drückt. Von den Fenſtern, die alle geöffnet und mit Zuſchauern beſetzt
waren, wehten bewillkommnend weiße Tücher. Dieſes rührende
Schauſpiel wiederholte ſich bei allen Gefangenen. Ein paar junge Leute
machten es ſich zum Geſchäft die Befreiten, deren Verwandte nicht zu-
gegen waren, vorzuführen, ihre Namen auszurufen und ihnen Cigarren
zu reichen. Die verſammelte, faſt aus lauter wohlgekleidenten Men-
ſchen beſtehende Menge machte Spalier. Alles ging ohne Mitwirkung
von Polizei- und Militärwachen in der größten Ordnung vor ſich; man
ſah unter den Umſtehenden Officiere, Soldaten, Beamte von allen
Branchen friedlich neben einander. Nachdem das erſte Gefängnißhaus
ausgeleert war, bewegte ſich der Zug zu dem zweiten, dritten und ſofort,
bis alle Gefangenen in Freiheit geſetzt und ihren harrenden Angehöri-
gen wiedergegeben waren. Die Amneſtie wird bei der jetzigen erfreu-
lichen Wendung der Dinge in Oeſterreich ohne Zweifel bald nachfolgen.
Abends war die ganze Stadt feſtlich beleuchtet, und der jauchzende Men-
ſchenſtrom ergoß ſich in den Straßen bis gegen Mitternacht. Heute um
10 Uhr Vormittags war in der Univerſitätskirche ein feierliches Te-
deum. Um 12 Uhr wurde das Patent, enthaltend die Zuſicherung der
Conſtitution, publicirt. Noch herrſcht große Aufregung in der Bevöl-
kerung, und man iſt nicht ohne Beſorgniſſe. Möge der Himmel alles
zum Guten wenden, und mögen die öſterreichiſchen Polen ſich der er-
langten politiſchen Freiheit würdig beweiſen!

Portugal.

Wie engliſche Blätter d. d. Liſſabon den 13 März melden, waren
der Prinz von Joinville und der Herzog von Aumale mit ihren Gemahlin-
nen Tags zuvor in Liſſabon gelandet und von der königlichen Familie
ſehr freundlich empfangen worden. Die Prinzeſſin Joinville iſt bekannt-
lich eine Schweſter der Dona Maria; die beiden Geſchwiſter hatten ſich
ſeit früheſter Kindheit nicht mehr geſehen. Die Flüchtlinge ſetzten ohne
Aufenthalt ihre Reiſe nach England fort. Die politiſche Lage Portu-
gals war äußerſt bedrohlich, und die engliſche Flotte iſt abgeſegelt.

Großbritannien.

Das M. Chronicle, welches unter den Londoner Blättern die
Pariſer Zuſtände noch lange nicht im düſterſten Lichte betrachtet, ſagt:
„Die Nachrichten aus Paris kommen Blitz auf Blitz, gleich dem Fackel-
telegraphen im Aeſchyliſchen Agamemnon, blendend, verwirrend, alle
Muthmaßungen überſtürzend. Aber wie unmöglich es auch bis jetzt iſt
alle dieſe Flammenfäden aus einanderzulegen und einigermaßen zu
ordnen, drei Leuchten beſcheinen den Pfad des Verderbens ſo grell daß
ſie wohl Angſt und Beſorgniß erregen mögen: die Einſtellung der
Baarzahlungen ſeitens der Bank von Frankreich; die reactionäre Be-
wegung unter einem Theile der Nationalgarde; der heftige Meinungs-
zwieſpalt und Hader in den Rathsſitzungen der Regierung ſelbſt. Die
erſterwähnte Maßregel wird in ihrer ganzen Verderblichkeit von dem
handelskundigen England vielleicht beſſer gewürdigt als von der Bevöl-
kerungsclaſſe in Frankreich welche jetzt die herrſchende iſt, und die zu-
letzt am ſchwerſten davon wird getroffen werden. Die proviſoriſche
Regierung hat, um ein Wort von Fox aus dem J. 1797 zu gebrauchen,
ſich genöthigt geſehen „das Eigenthum zahlreicher Gläubiger mit einem
Hauche zu vernichten,“ und ſie iſt eingeſtandenermaßen unfähig ein In-
ſtitut zu kräftigen oder zu retten welches vierzigjährige Stürme und
Wechſelfälle überdauert hat. Die Epidemie der Angſt hat zu weit um
ſich gegriffen, das Laufen um baares Geld iſt zu heftig und plötzlich ge-
weſen, als daß die Bank von Frankreich einem ſo furchtbaren Stoß hätte
widerſtehen können. Allerdings iſt die Wirkung dieſer Kataſtrophe
nicht ganz dieſelbe wie wenn die Bank von England, mit ihrem rieſen-

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[2/0018] tion das Band deutſcher Einheit zu knüpfen? Es gibt keine ſchönere und ſtolzere Aufgabe als dieſe erſte allgemeine deutſche Ständeverſammlung hat. Ihre Stimme wird mächtig genug ſeyn ſelbſt die getrennten entfremdeten Glieder des alten Germaniens zur Heerfolge aufzumahnen, von den Al- pen bis zu den Mündungen der Schelde und des Rheins, bis über die Königsau, mächtig genug Polen aus ſeinem Todesſchlaf zu wecken und das Verbrechen des alten Europa zu ſühnen! Das Schickſal des verjüng- ten Deutſchlands ruht in ihrer Hand, das Schickſal des Weltfriedens, vielleicht Frankreichs ſelbſt. Sie wird ihm die Freiheit zeigen im Bund mit der Ordnung und der Gerechtigkeit, und ſollte es ſich nicht an die- ſem Anblick aus den krampfhaften Zuckungen ſeiner ſocialen Bewegung wieder emporrichten? Glückliches Ereigniß, das kein Recht antaſtet, keine Ordnung verletzt, das eine alte untergegangene Ordnung herſtellt, eine Ordnung des Rechts, der Ehre, der Freiheit, der Größe unſerer Nation. C. A. M. Oeſterreichiſche Monarchie. < Krakau, 18 März.Conſtitution, Preßfreiheit, Nationlgarde in Oeſterreich! Wer hätte das noch vor acht Tagen gedacht? Es klingt wie ein Feenmärchen. Wir glauben zu träumen, der Boden ſcheint unter uns zu wanken. Was Uhland vor mehr als 30 Jahren ſang: „Auf, gewalt’ges Oeſterreich! Vorwärts! Thu’s den andern gleich!“ iſt endlich zur Wahrheit geworden. Oeſterreich hat mit einemmale in der geiſtigen Strömung Europa’s jene Stellung eingenommen die ihm die Bildung ſeiner Bewohner anweist. Gott ſegne den Kaiſer unſern gütigen Monarchen! Oeſterreich hat nun eine große ſchöne Zukunft, man kann ſich freuen ein Oeſterreicher zu ſeyn. Schon die Bewegungen in Italien, erſt leiſe die Oberfläche berührend, und dann in immer mäch- tigern Wellen aufbrauſend, noch weit mehr aber die Februar-Revolution in Frankreich, hatten in die Stagnation des hieſigen Lebens, die ſeit dem Morde des Appellationsrathes Zajonckzowski, und der hierauf erfolgten Kundmachung des Standrechts eingetreten war, eine Unterbrechung ge- bracht. Man hörte vor etwa 14 Tagen von der Verhaftung eines Emiſ- ſärs an der Gränze, der aufrühreriſche Proclamationen bei ſich hatte, und kurz darauf von der Vorſindung eines Waffenvorraths im Gebiete, nicht zu gedenken einiger ſchon früher ſtattgefundener rein lächerlicher Verſuche von Demonſtrationen gegen das Rauchen und des Abbrennens mehrerer Raketen zur Beunruhigung der Wachen — Dinge, die wohl kaum als politiſche Wetterzeichen gelten können. Ferner ſah man eine Menge Edelleute aus Furcht vor einem Zuſammenſtoße mit den Bauern in die Stadt ziehen. Einen Eindruck ganz anderer Art machte es aber als die Kunde von den Ereigniſſen in Wien hier anlangte. In den Mienen der Angeſtellten der Regierung las man ohne Ausnahme die innigſte Freude. Betreffend die einheimiſchen Bewohner, ſo glaubten anfänglich viele, die ertheilten und in Ausſicht geſtellten Gewährungen bezögen ſich nur auf Wien und das Erzherzogthum; als man aber inne wurde daß dieſelben für alle Länder des Kaiſerſtaats gelten, ſo war der erſte Gedanke die Befreiung der wegen Theilnahme an der letzten Kra- kauer Revolution Verhafteten, deren Unterſuchung bisher noch nicht beendigt iſt. Geſtern am 17 d. M. gegen Mittag begab ſich eine Depu- tation von Bürgern zu dem k. k. Hofcommiſſär Grafen v. Deym, und bat um Freilaſſung dieſer Gefangenen. Eine ungeheure Menſchenmenge wogte auf dem Hauptplatze, und in der in ſelben ausmündenden Johan- nisgaſſe, in der ſich die Wohnung des Hofcommiſſärs befindet. Gleich- zeitig hatte ſich das Volk in nicht minder großer Anzahl vor dem Cri- minalgebäude in der Canonicusgaſſe und in der anſtoßenden Grodzker Gaſſe (der Hauptſtraße von Krakau) verſammelt. Tauſende harrten in fieberiſcher Aufregung auf den Erfolg der Deputation. Man muß den raſchen Entſchluß des Hofcommiſſärs ſegnen der Bitte der Deputation zu willfahren, und die Freilaſſung ſämmtlicher politiſcher Gefangenen gegen Revers, daß ſie auf Verlangen zur Unterſuchung ſich ſtellen, aus- zuſprechen. Augenſcheinlich wäre es bei der aufgeregten Stimmung der Bevölkerung im Weigerungfall zu gewaltſamen und blutigen Scenen gekommen. Graf Deym verdient daher für ſeine großherzige Maßregel, die allein die öffentliche Ruhe erhielt, die Anhänglichkeit der Krakauer an die öſterreichiſchen Regierung weſentlich befeſtigen dürfte, und ſich ge- wiß der Billigung Sr. Maj. des Kaiſers erfreuen wird, den Dank aller Gutgeſinnten, und insbeſondere der hier anweſenden deutſchen Beamten. Gleichwohl hätte leicht noch ein bedauerlicher Auftritt herbeigeführt wer- den können. Denn als die Deputation nach erlangtem Jawort des Hof- kammerpräſidenten im Criminalgebäude Einlaß begehrte, ward ihr die- ſer von dem hievon noch nicht benachrichtigten wachhabenden Officier pflichtgemäß verweigert. Da die Menſchenmenge immer mächtiger an- drang, ſo hatten die Wachen ſich bereits ſchußfertig geſtellt. Zum Glück erſchien im entſcheidenden Moment, etwa um 1 Uhr Mittags, der Mi- litärcommandant Feldmarſchalllieutenant Graf Caſtiglione, der den Officier von der bewilligten Freilaſſung in Kenntniß ſetzte und die Un- terſuchungsgefängniſſe öffnete. Graf Caſtiglione wurde von der jubeln- den Volksmaſſe bei ſeinem Austritte aus dem Criminalgebäude mit ei- nem hundertſtimmigen Vivat empfangen, und von ihr im Triumphe faſt hinweggetragen. Allgemeiner Jubelruf erſcholl als der erſte Gefangene auf die Straße trat. Er ward von Küſſen und Umarmungen faſt er- drückt. Von den Fenſtern, die alle geöffnet und mit Zuſchauern beſetzt waren, wehten bewillkommnend weiße Tücher. Dieſes rührende Schauſpiel wiederholte ſich bei allen Gefangenen. Ein paar junge Leute machten es ſich zum Geſchäft die Befreiten, deren Verwandte nicht zu- gegen waren, vorzuführen, ihre Namen auszurufen und ihnen Cigarren zu reichen. Die verſammelte, faſt aus lauter wohlgekleidenten Men- ſchen beſtehende Menge machte Spalier. Alles ging ohne Mitwirkung von Polizei- und Militärwachen in der größten Ordnung vor ſich; man ſah unter den Umſtehenden Officiere, Soldaten, Beamte von allen Branchen friedlich neben einander. Nachdem das erſte Gefängnißhaus ausgeleert war, bewegte ſich der Zug zu dem zweiten, dritten und ſofort, bis alle Gefangenen in Freiheit geſetzt und ihren harrenden Angehöri- gen wiedergegeben waren. Die Amneſtie wird bei der jetzigen erfreu- lichen Wendung der Dinge in Oeſterreich ohne Zweifel bald nachfolgen. Abends war die ganze Stadt feſtlich beleuchtet, und der jauchzende Men- ſchenſtrom ergoß ſich in den Straßen bis gegen Mitternacht. Heute um 10 Uhr Vormittags war in der Univerſitätskirche ein feierliches Te- deum. Um 12 Uhr wurde das Patent, enthaltend die Zuſicherung der Conſtitution, publicirt. Noch herrſcht große Aufregung in der Bevöl- kerung, und man iſt nicht ohne Beſorgniſſe. Möge der Himmel alles zum Guten wenden, und mögen die öſterreichiſchen Polen ſich der er- langten politiſchen Freiheit würdig beweiſen! Portugal. Wie engliſche Blätter d. d. Liſſabon den 13 März melden, waren der Prinz von Joinville und der Herzog von Aumale mit ihren Gemahlin- nen Tags zuvor in Liſſabon gelandet und von der königlichen Familie ſehr freundlich empfangen worden. Die Prinzeſſin Joinville iſt bekannt- lich eine Schweſter der Dona Maria; die beiden Geſchwiſter hatten ſich ſeit früheſter Kindheit nicht mehr geſehen. Die Flüchtlinge ſetzten ohne Aufenthalt ihre Reiſe nach England fort. Die politiſche Lage Portu- gals war äußerſt bedrohlich, und die engliſche Flotte iſt abgeſegelt. Großbritannien. Das M. Chronicle, welches unter den Londoner Blättern die Pariſer Zuſtände noch lange nicht im düſterſten Lichte betrachtet, ſagt: „Die Nachrichten aus Paris kommen Blitz auf Blitz, gleich dem Fackel- telegraphen im Aeſchyliſchen Agamemnon, blendend, verwirrend, alle Muthmaßungen überſtürzend. Aber wie unmöglich es auch bis jetzt iſt alle dieſe Flammenfäden aus einanderzulegen und einigermaßen zu ordnen, drei Leuchten beſcheinen den Pfad des Verderbens ſo grell daß ſie wohl Angſt und Beſorgniß erregen mögen: die Einſtellung der Baarzahlungen ſeitens der Bank von Frankreich; die reactionäre Be- wegung unter einem Theile der Nationalgarde; der heftige Meinungs- zwieſpalt und Hader in den Rathsſitzungen der Regierung ſelbſt. Die erſterwähnte Maßregel wird in ihrer ganzen Verderblichkeit von dem handelskundigen England vielleicht beſſer gewürdigt als von der Bevöl- kerungsclaſſe in Frankreich welche jetzt die herrſchende iſt, und die zu- letzt am ſchwerſten davon wird getroffen werden. Die proviſoriſche Regierung hat, um ein Wort von Fox aus dem J. 1797 zu gebrauchen, ſich genöthigt geſehen „das Eigenthum zahlreicher Gläubiger mit einem Hauche zu vernichten,“ und ſie iſt eingeſtandenermaßen unfähig ein In- ſtitut zu kräftigen oder zu retten welches vierzigjährige Stürme und Wechſelfälle überdauert hat. Die Epidemie der Angſt hat zu weit um ſich gegriffen, das Laufen um baares Geld iſt zu heftig und plötzlich ge- weſen, als daß die Bank von Frankreich einem ſo furchtbaren Stoß hätte widerſtehen können. Allerdings iſt die Wirkung dieſer Kataſtrophe nicht ganz dieſelbe wie wenn die Bank von England, mit ihrem rieſen-

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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 85, 25. März 1848, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine85_1848/18>, abgerufen am 01.06.2024.