Allgemeine Zeitung, Nr. 85, 25. März 1848.[Spaltenumbruch]
haften Monopol und ihrem imperialen Privilegium durch Einschränkung Schottische Blätter melden den Tod des beliebten Volksdichters Die früher oft erwähnte chinesische Dschunk, die so lange in New- Frankreich. Sun Paris, 20 März. Hr. v. Lamartine hat im Ministerium des # Straßburg, 21 März. Die neuerdings angekündigten [Spaltenumbruch]
haften Monopol und ihrem imperialen Privilegium durch Einſchränkung Schottiſche Blätter melden den Tod des beliebten Volksdichters Die früher oft erwähnte chineſiſche Dſchunk, die ſo lange in New- Frankreich. ☉ Paris, 20 März. Hr. v. Lamartine hat im Miniſterium des # Straßburg, 21 März. Die neuerdings angekündigten <TEI> <text> <body> <div type="jSupplement" n="1"> <floatingText> <body> <div type="jPoliticalNews" n="2"> <div n="3"> <div type="jArticle" n="4"> <p><pb facs="#f0019" n="3"/><cb/> haften Monopol und ihrem imperialen Privilegium durch Einſchränkung<lb/> oder Ausdehnung des Geldlaufs Börſen und Wechſelcurſe nach Gefallen<lb/> zu regeln, ſich ſo weit gebracht ſähe. Die Bank von Frankreich hat nur<lb/> ſehr ſecundäre Beziehungen zum Schatzamt, und es trifft ſich öfter daß<lb/> die Regierung ihr Gläubiger als daß ſie, wie die Bank von England,<lb/> ihr allzu großmüthiger Schuldner iſt. Sie beſitzt nicht wie ihr Schwe-<lb/> ſterinſtitut ein ganzes Drittel des im Lande circulirenden Metalls;<lb/> ihre Noten haben außerhalb Paris ſo wenig Werth, daß 40 bis<lb/> 50 Lieues von der Hauptſtadt ihre Inhaber oft ¼ bis ½ Procent daran<lb/> verlieren. Aber ihre bewundernswerthe Oekonomie hat man nie in<lb/> Frage geſtellt, und der einzige erhebliche Vorwurf welchen Finanzmän-<lb/> ner ihr zu machen pflegten war daß ein ſolcher Ueberfluß koſtbaren Me-<lb/> talls nutzlos in ihren Gewölben lag. Gleichwohl müßte ſie in einem<lb/> Augenblick wo ihre Activa ihre Paffiva wahrſcheinlich um 100 Millio-<lb/> nen Francs überſtiegen, ihre Baarzahlungen einſtellen. Die Folgen für<lb/> den Credit werden ſo erſchrecklich ſeyn wie in den Jahren 1792 und<lb/> 1793. Das Papier wird wahrſcheinlich nochmals das Geld erſetzen<lb/> müſſen, und dieſes wird in ſeinen Verſtecken verſchwinden. Die Mittel<lb/> des Umtauſches werden gelähmt, der Brodherr kommt außer Stand ſeinen<lb/> Arbeiter zu bezahlen, und Noth und Unordnung werden die Folge ſeyn.<lb/> Mittlerweile macht die Gironde der Kriſts einen verzweifelten Reac-<lb/> tionsverſuch. Geſtachelt durch die Ausforderungen des Miniſters des In-<lb/> nern, durch eine ſo drohende und finiſtre Anmaßung nicht ohne Grund<lb/> beunruhigt, ſcheint die Bourgeoiſte entſchloſſen zu einem kühnen und<lb/> gleichzeitigen Verſuch ihr 1830 gewonnenes und 1848 verlornes Ueber-<lb/> gewicht wieder zu erobern. Emile Girardin ſteht als ein Gonfaloniere<lb/> von Muth, Geiſt und Ausdauer an ihrer Spitze. Wie fruchtlos ihre<lb/> Bewegung auch bis jetzt an politiſchen Ergebniſſen geweſen iſt, hat ſie doch<lb/> dazu gedient die im Miniſterium obwaltende ſtarke Meinungsverſchieden-<lb/> heit aus Licht zu ziehen.“ — Tröſtlicher ſteht der M. <hi rendition="#g">Herald</hi> die Sache<lb/> an. Die franzöſiſche Handelskriſts im J. 1830 ſey gerade ſo drohend<lb/> geweſen wie die jetzige, ja der „Krach“ in der Geldwelt noch viel ſchreck-<lb/> licher. Zwar ſtehe man jetzt noch nicht am Ende der Dinge,<lb/> aber unter dem halben hundert Bank- und Handelshäuſer, die in den<lb/> nächſten ſechs Wochen fallen dürften, ſey vielleicht kein Dutzend zu fin-<lb/> den das die letzten zehn Jahre über in einem wirklich geſunden und zah-<lb/> lungsfähigen Zuſtande geweſen. Das Decret der proviſoriſchen Regie-<lb/> rung werde dazu dienen die in ſich ſtarken Häuſer noch mehr zu befeſti-<lb/> gen und die Beiſtand verdienenden zu unterſtützen. „Die Finanzlage<lb/> Frankreichs, dieſe Wahrheit braucht man nicht erſt zu verkündigen,“ fügt<lb/> der <hi rendition="#g">Herald</hi> bei, „war ſeit dem vor ſechzehn Jahren erfolgten Tode des<lb/> Baron Louis in einem verrotteten Zuſtand, und ſeitdem hatte das Land<lb/> keinen einzigen fähigen Finanzminiſter. Die Monarchie der Barrica-<lb/> den — ein Monarch der den Thron achtzehn Jahre lang weder <hi rendition="#aq">par droit<lb/> de conquête</hi> noch <hi rendition="#aq">par droit de naissance</hi> beſaß — vermehrte die<lb/> Staatsſchuld um viele Millionen Francs, und jetzt, nachdem dieſe Mon-<lb/> archie hinweggeſchwemmt iſt, leidet alles Eigenthum unter den Folgen<lb/> ihrer Unvorſichtigkeit, Verſchwendung und Corruption. Den Credit<lb/> und das Vertrauen wieder herzuſtellen iſt keine leichte Aufgabe. Indeſ-<lb/> ſen wird die Handelskriſts, die allerdings ernſt iſt, doch ſehr übertrieben.<lb/> Sie erſtreckt ſich keineswegs auf das Innere noch auf alle Hafenſtädte<lb/> Frankreichs, ſondern beſchränkt ſich hauptſächlich auf Paris. Eine luxu-<lb/> riöſe und überfeinerte Stadt wie Paris leidet mehr als irgendeine andere<lb/> Capitale Europa’s durch die Abweſenheit reicher Fremdlinge. Sie trieb<lb/> bisher einen unermeßlichen Handel in ſogenannten Pariſer Artikeln,<lb/> welche die reichen Genußmenſchen kauften und verbrauchten, und eine<lb/> Revolution bringt dieſe Art Handel natürlich ins Stocken. Aber da-<lb/> mit ſind die Quellen franzöſiſchen Gewerbsfleißes und Wohlſtandes noch<lb/> nicht vertrocknet. Kein Land in der Welt iſt für Production in ſo glück-<lb/> licher Lage wie Frankreich, und beſchränkt ſich die Nation auf die Grän-<lb/> zen der Ordnung und Freiheit, ſo werden die unheilvollen Folgen einer<lb/> gewaltſamen Umwälzung mit der Zeit verſchwinden. Aber dazu iſt nö-<lb/> thig daß alle Meinungen ſich frei ausſprechen können, und daß die neue<lb/> Conſtituante nicht unter der Herrſchaft des Schreckens, ſondern unbe-<lb/> fangen und feſſellos gewählt werde. Es gibt eine republicaniſche Ty-<lb/> rannei ſo gut als eine königliche Tyrannei, und wir geſtehen Ledru-<lb/> Rollins Umlaufſchreiben ſcheint uns ſtark davon gefärbt.“ Auch<lb/> die M. <hi rendition="#g">Poſt</hi> meint: es ſey thöricht von einer Inſolvenz der Bank<lb/> von Frankreich zu reden. — Der <hi rendition="#g">Examiner</hi> bemerkt: „Die<lb/> finanziellen Irrthümer der proviſoriſchen Regierung haben uns noch<lb/> weniger erſchreckt als gewiſſe andere, nämlich erſtens die Erklä-<lb/><cb/> rung daß, da die Revolution das Werk der arbeitenden Claſſen<lb/> ſey, ſie auch zu deren Beſtem geſtaltet werden müſſe — ein Ge-<lb/> ſtändniß der Ungerechtigkeit gegen die übrige Volksgemeinde und eine<lb/> Sünde gegen die erklärte Gleichheit; zweitens das Circular Ledru-Rol-<lb/> lins, wodurch den Provincialcommiſſarien unbeſchränkte Vollmachten<lb/> ertheilt, ſie von aller Verantwortung als der von ihrem Gewiſſen frei-<lb/> geſprochen und mit der Controle der Wahlen beauftragt werden; drittens<lb/> das Manifeſt des Unterrichtsminiſters, worin ausdrücklich geſagt iſt: ein<lb/> ungebildeter aber ehrlicher, verſtändiger und erfahrner Bauer werde die<lb/> Intereſſen ſeiner Claſſe in der Nationalverſammlung unendlich beſſer<lb/> vertreten als ein reicher und gebildeter Bürger der aber das Landleben<lb/> nicht aus Erfahrung kenne. Dennoch in demſelben Actenſtück iſt er-<lb/> klärt: Frankreich habe jetzt nicht wie im Jahr 1793 mit dem fremden<lb/> Eindringling, ſondern mit der <hi rendition="#g">Unwiſſenheit</hi> zu kämpfen, und dieſe<lb/> ſoll, Hrn. Carnot zufolge, von Vetretern ohne die Vortheile der Erzie-<lb/> hung bekämpft werden. Was die Bauern betrifft, auf die ſich das Mi-<lb/> niſterium ſo ſehr verläßt, ſo mögen ſie Redlichkeit beſitzen und auch Er-<lb/> fahrung in einem beſchränkten Maße, wie das Roß in der Mühle, aber<lb/> ein zurückgebliebenes, geiſtig beſchränkteres Geſchlecht als das franzö-<lb/> ſiſche Landvolk gibt es nicht auf Gottes Erde; ſie ſind die bloßen Ge-<lb/> ſchöpfe der Gewohnheit und des Schlendrians, und unſere engliſchen<lb/> Bauern und Kleinpächter bei allen ihren Fehlern ſind civilifirt, aufge-<lb/> klärt, unternehmend und geſchickt in Vergleich mit ihren Standesge-<lb/> noſſen in Frankreich.“</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <p>Schottiſche Blätter melden den Tod des beliebten Volksdichters<lb/> William <hi rendition="#g">Thom,</hi> des ſogenannten „Poet of Inverury“. 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Lamartine hat im Miniſterium des<lb/> Aeußern eine höchſt überraſchende Entdeckung gemacht, indem er eine<lb/> ſeit der Bewegung in Italien fortlaufende (nicht officielle) Correſpon-<lb/> denz zwiſchen Guizot und Roſſt vorgefunden, worin der ehemalige Mi-<lb/> niſter und ſein Botſchafter in Rom, beſonders der erſtere die Angelegen-<lb/> genheiten Italiens vom demokratiſchen Geſichtspunkte aus beurtheilen<lb/> und behandeln, und beide darin einverſtanden ſind daß man denſelben<lb/> fortwährend eine entſchieden demokratiſche Richtung geben müſſe. Wer<lb/> war nun in dieſer geheimen Correſpondenz, in dieſer geheimen Politik<lb/> der Betrogene? Bloß Fürſt Metternich oder auch Ludwig Philipp?<lb/> Hierüber dürfte ein nachträglicher Fund ähnlicher Art vielleicht hinrei-<lb/> chende Aufſchlüſſe geben. Minder überraſchend war ein Fund anderer<lb/> Art im Miniſterium der Juſtiz. Es iſt das ein Schreiben vom 4 Febr.<lb/> des Generaladvocaten Boucly an den Siegelbewahrer mit einer langen<lb/> Reihe ſchwerer Inzichten gegen Hrn. Libri, der in ſeiner dreifachen Eigenſchaft<lb/> als Profeſſor am Collège de France, Mitglied des Inſtituts und Mit-<lb/> arbeiter am Débats bekannt, der Entwendung zahlreicher Manuſcripte<lb/> und Werke von bedeutendem Werthe aus mehreren öffentlichen Biblio-<lb/> theken von Paris und in den Provinzen, beſchuldigt iſt. Hr. Boucly<lb/> fragt Hrn. Hebert ob er auf den Grund dieſer gewichtigen Inzichten eine<lb/> gerichtliche Unterſuchung gegen den Beſchuldigten einleiten ſoll? Die<lb/> Antwort auf dieſes Schreiben hat man bisher vergebens geſucht. Die-<lb/> ſer Fund war, wie geſagt, nicht ſehr überraſchend, denn ſchon ſeit viel-<lb/> len Jahren ſtand Libri im Verdacht daß er bei all ſeinen conſervativen<lb/> Grundſätzen in Sachen von koſtbaren Manuſcripten und Werken den<lb/> Principien des Communismus huldige, und von einer unwiderſtehlichen<lb/> Anziehungskraft für derlei geiſtige Beſitzthümer beherrſcht werde. Ein<lb/> Mitglied der gegenwärtigen Regierung, das früher in wiſſenſchaftlichen<lb/> Polemiken oft Gegenſtand ſeines Haſſes war (Hr. Arago), ſoll Hrn. Libri<lb/> zeitlich genug in Kenntniß von dem vorgefundenen Document geſetzt<lb/> haben, ſo daß er durch die Flucht ſich den Folgen ſeines litterariſchen<lb/> Communismus entziehen konnte.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline># <hi rendition="#b">Straßburg,</hi> 21 März.</dateline> <p>Die neuerdings angekündigten<lb/> Truppenbewegungen haben nur eine örtliche Bedeutung. Das 4te Hu-<lb/> ſarenregiment begibt ſich von hier nach Lüneville, das 30ſte Infanterie-<lb/> regiment kömmt von Romainville ſtatt hieher nach Colmar, dagegen<lb/> rückt das 3te Infanterieregiment von Weiſſenburg nach unſerer Stadt.<lb/> Das Handlungshaus R., ſeit Jahren eines der bedeutendſten im Elſaß,<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [3/0019]
haften Monopol und ihrem imperialen Privilegium durch Einſchränkung
oder Ausdehnung des Geldlaufs Börſen und Wechſelcurſe nach Gefallen
zu regeln, ſich ſo weit gebracht ſähe. Die Bank von Frankreich hat nur
ſehr ſecundäre Beziehungen zum Schatzamt, und es trifft ſich öfter daß
die Regierung ihr Gläubiger als daß ſie, wie die Bank von England,
ihr allzu großmüthiger Schuldner iſt. Sie beſitzt nicht wie ihr Schwe-
ſterinſtitut ein ganzes Drittel des im Lande circulirenden Metalls;
ihre Noten haben außerhalb Paris ſo wenig Werth, daß 40 bis
50 Lieues von der Hauptſtadt ihre Inhaber oft ¼ bis ½ Procent daran
verlieren. Aber ihre bewundernswerthe Oekonomie hat man nie in
Frage geſtellt, und der einzige erhebliche Vorwurf welchen Finanzmän-
ner ihr zu machen pflegten war daß ein ſolcher Ueberfluß koſtbaren Me-
talls nutzlos in ihren Gewölben lag. Gleichwohl müßte ſie in einem
Augenblick wo ihre Activa ihre Paffiva wahrſcheinlich um 100 Millio-
nen Francs überſtiegen, ihre Baarzahlungen einſtellen. Die Folgen für
den Credit werden ſo erſchrecklich ſeyn wie in den Jahren 1792 und
1793. Das Papier wird wahrſcheinlich nochmals das Geld erſetzen
müſſen, und dieſes wird in ſeinen Verſtecken verſchwinden. Die Mittel
des Umtauſches werden gelähmt, der Brodherr kommt außer Stand ſeinen
Arbeiter zu bezahlen, und Noth und Unordnung werden die Folge ſeyn.
Mittlerweile macht die Gironde der Kriſts einen verzweifelten Reac-
tionsverſuch. Geſtachelt durch die Ausforderungen des Miniſters des In-
nern, durch eine ſo drohende und finiſtre Anmaßung nicht ohne Grund
beunruhigt, ſcheint die Bourgeoiſte entſchloſſen zu einem kühnen und
gleichzeitigen Verſuch ihr 1830 gewonnenes und 1848 verlornes Ueber-
gewicht wieder zu erobern. Emile Girardin ſteht als ein Gonfaloniere
von Muth, Geiſt und Ausdauer an ihrer Spitze. Wie fruchtlos ihre
Bewegung auch bis jetzt an politiſchen Ergebniſſen geweſen iſt, hat ſie doch
dazu gedient die im Miniſterium obwaltende ſtarke Meinungsverſchieden-
heit aus Licht zu ziehen.“ — Tröſtlicher ſteht der M. Herald die Sache
an. Die franzöſiſche Handelskriſts im J. 1830 ſey gerade ſo drohend
geweſen wie die jetzige, ja der „Krach“ in der Geldwelt noch viel ſchreck-
licher. Zwar ſtehe man jetzt noch nicht am Ende der Dinge,
aber unter dem halben hundert Bank- und Handelshäuſer, die in den
nächſten ſechs Wochen fallen dürften, ſey vielleicht kein Dutzend zu fin-
den das die letzten zehn Jahre über in einem wirklich geſunden und zah-
lungsfähigen Zuſtande geweſen. Das Decret der proviſoriſchen Regie-
rung werde dazu dienen die in ſich ſtarken Häuſer noch mehr zu befeſti-
gen und die Beiſtand verdienenden zu unterſtützen. „Die Finanzlage
Frankreichs, dieſe Wahrheit braucht man nicht erſt zu verkündigen,“ fügt
der Herald bei, „war ſeit dem vor ſechzehn Jahren erfolgten Tode des
Baron Louis in einem verrotteten Zuſtand, und ſeitdem hatte das Land
keinen einzigen fähigen Finanzminiſter. Die Monarchie der Barrica-
den — ein Monarch der den Thron achtzehn Jahre lang weder par droit
de conquête noch par droit de naissance beſaß — vermehrte die
Staatsſchuld um viele Millionen Francs, und jetzt, nachdem dieſe Mon-
archie hinweggeſchwemmt iſt, leidet alles Eigenthum unter den Folgen
ihrer Unvorſichtigkeit, Verſchwendung und Corruption. Den Credit
und das Vertrauen wieder herzuſtellen iſt keine leichte Aufgabe. Indeſ-
ſen wird die Handelskriſts, die allerdings ernſt iſt, doch ſehr übertrieben.
Sie erſtreckt ſich keineswegs auf das Innere noch auf alle Hafenſtädte
Frankreichs, ſondern beſchränkt ſich hauptſächlich auf Paris. Eine luxu-
riöſe und überfeinerte Stadt wie Paris leidet mehr als irgendeine andere
Capitale Europa’s durch die Abweſenheit reicher Fremdlinge. Sie trieb
bisher einen unermeßlichen Handel in ſogenannten Pariſer Artikeln,
welche die reichen Genußmenſchen kauften und verbrauchten, und eine
Revolution bringt dieſe Art Handel natürlich ins Stocken. Aber da-
mit ſind die Quellen franzöſiſchen Gewerbsfleißes und Wohlſtandes noch
nicht vertrocknet. Kein Land in der Welt iſt für Production in ſo glück-
licher Lage wie Frankreich, und beſchränkt ſich die Nation auf die Grän-
zen der Ordnung und Freiheit, ſo werden die unheilvollen Folgen einer
gewaltſamen Umwälzung mit der Zeit verſchwinden. Aber dazu iſt nö-
thig daß alle Meinungen ſich frei ausſprechen können, und daß die neue
Conſtituante nicht unter der Herrſchaft des Schreckens, ſondern unbe-
fangen und feſſellos gewählt werde. Es gibt eine republicaniſche Ty-
rannei ſo gut als eine königliche Tyrannei, und wir geſtehen Ledru-
Rollins Umlaufſchreiben ſcheint uns ſtark davon gefärbt.“ Auch
die M. Poſt meint: es ſey thöricht von einer Inſolvenz der Bank
von Frankreich zu reden. — Der Examiner bemerkt: „Die
finanziellen Irrthümer der proviſoriſchen Regierung haben uns noch
weniger erſchreckt als gewiſſe andere, nämlich erſtens die Erklä-
rung daß, da die Revolution das Werk der arbeitenden Claſſen
ſey, ſie auch zu deren Beſtem geſtaltet werden müſſe — ein Ge-
ſtändniß der Ungerechtigkeit gegen die übrige Volksgemeinde und eine
Sünde gegen die erklärte Gleichheit; zweitens das Circular Ledru-Rol-
lins, wodurch den Provincialcommiſſarien unbeſchränkte Vollmachten
ertheilt, ſie von aller Verantwortung als der von ihrem Gewiſſen frei-
geſprochen und mit der Controle der Wahlen beauftragt werden; drittens
das Manifeſt des Unterrichtsminiſters, worin ausdrücklich geſagt iſt: ein
ungebildeter aber ehrlicher, verſtändiger und erfahrner Bauer werde die
Intereſſen ſeiner Claſſe in der Nationalverſammlung unendlich beſſer
vertreten als ein reicher und gebildeter Bürger der aber das Landleben
nicht aus Erfahrung kenne. Dennoch in demſelben Actenſtück iſt er-
klärt: Frankreich habe jetzt nicht wie im Jahr 1793 mit dem fremden
Eindringling, ſondern mit der Unwiſſenheit zu kämpfen, und dieſe
ſoll, Hrn. Carnot zufolge, von Vetretern ohne die Vortheile der Erzie-
hung bekämpft werden. Was die Bauern betrifft, auf die ſich das Mi-
niſterium ſo ſehr verläßt, ſo mögen ſie Redlichkeit beſitzen und auch Er-
fahrung in einem beſchränkten Maße, wie das Roß in der Mühle, aber
ein zurückgebliebenes, geiſtig beſchränkteres Geſchlecht als das franzö-
ſiſche Landvolk gibt es nicht auf Gottes Erde; ſie ſind die bloßen Ge-
ſchöpfe der Gewohnheit und des Schlendrians, und unſere engliſchen
Bauern und Kleinpächter bei allen ihren Fehlern ſind civilifirt, aufge-
klärt, unternehmend und geſchickt in Vergleich mit ihren Standesge-
noſſen in Frankreich.“
Schottiſche Blätter melden den Tod des beliebten Volksdichters
William Thom, des ſogenannten „Poet of Inverury“. Er hinterläßt
eine unverſorgte Familie, für welche jetzt das Mitleid des Publicums in
Anſpruch genommen wird.
Die früher oft erwähnte chineſiſche Dſchunk, die ſo lange in New-
York liegen blieb, iſt jetzt nach einer ſtürmiſchen Ueberfahrt in Jerſey
angekommen, und wird wohl die Themſe heraufſegeln. Die chineſiſchen
Matroſen an Bord ſollen ſich ſehr übel betragen haben.
Frankreich.
☉ Paris, 20 März.Hr. v. Lamartine hat im Miniſterium des
Aeußern eine höchſt überraſchende Entdeckung gemacht, indem er eine
ſeit der Bewegung in Italien fortlaufende (nicht officielle) Correſpon-
denz zwiſchen Guizot und Roſſt vorgefunden, worin der ehemalige Mi-
niſter und ſein Botſchafter in Rom, beſonders der erſtere die Angelegen-
genheiten Italiens vom demokratiſchen Geſichtspunkte aus beurtheilen
und behandeln, und beide darin einverſtanden ſind daß man denſelben
fortwährend eine entſchieden demokratiſche Richtung geben müſſe. Wer
war nun in dieſer geheimen Correſpondenz, in dieſer geheimen Politik
der Betrogene? Bloß Fürſt Metternich oder auch Ludwig Philipp?
Hierüber dürfte ein nachträglicher Fund ähnlicher Art vielleicht hinrei-
chende Aufſchlüſſe geben. Minder überraſchend war ein Fund anderer
Art im Miniſterium der Juſtiz. Es iſt das ein Schreiben vom 4 Febr.
des Generaladvocaten Boucly an den Siegelbewahrer mit einer langen
Reihe ſchwerer Inzichten gegen Hrn. Libri, der in ſeiner dreifachen Eigenſchaft
als Profeſſor am Collège de France, Mitglied des Inſtituts und Mit-
arbeiter am Débats bekannt, der Entwendung zahlreicher Manuſcripte
und Werke von bedeutendem Werthe aus mehreren öffentlichen Biblio-
theken von Paris und in den Provinzen, beſchuldigt iſt. Hr. Boucly
fragt Hrn. Hebert ob er auf den Grund dieſer gewichtigen Inzichten eine
gerichtliche Unterſuchung gegen den Beſchuldigten einleiten ſoll? Die
Antwort auf dieſes Schreiben hat man bisher vergebens geſucht. Die-
ſer Fund war, wie geſagt, nicht ſehr überraſchend, denn ſchon ſeit viel-
len Jahren ſtand Libri im Verdacht daß er bei all ſeinen conſervativen
Grundſätzen in Sachen von koſtbaren Manuſcripten und Werken den
Principien des Communismus huldige, und von einer unwiderſtehlichen
Anziehungskraft für derlei geiſtige Beſitzthümer beherrſcht werde. Ein
Mitglied der gegenwärtigen Regierung, das früher in wiſſenſchaftlichen
Polemiken oft Gegenſtand ſeines Haſſes war (Hr. Arago), ſoll Hrn. Libri
zeitlich genug in Kenntniß von dem vorgefundenen Document geſetzt
haben, ſo daß er durch die Flucht ſich den Folgen ſeines litterariſchen
Communismus entziehen konnte.
# Straßburg, 21 März.Die neuerdings angekündigten
Truppenbewegungen haben nur eine örtliche Bedeutung. Das 4te Hu-
ſarenregiment begibt ſich von hier nach Lüneville, das 30ſte Infanterie-
regiment kömmt von Romainville ſtatt hieher nach Colmar, dagegen
rückt das 3te Infanterieregiment von Weiſſenburg nach unſerer Stadt.
Das Handlungshaus R., ſeit Jahren eines der bedeutendſten im Elſaß,
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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