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Allgemeine Zeitung, Nr. 85, 28. März 1900.

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Nr. 85. München, Mittwoch Allgemeine Zeitung 28. März 1900.
[Spaltenumbruch]

Selbstverständlich würden politische Ausforschungen der
bezeichneten Art auch auf anderem als dem diplomatischen
Wege ins Werk gesetzt werden können, erleichtert aber
werden sie durch die Accreditirung fremder, d. h. nicht-
deutscher Diplomaten auch an den kleineren und kleinsten
deutschen Höfen ohne Zweifel.

Falsche Diagnosen.

Für eine Herabsetzung
der Beschlußfähigkeitsziffer
im Reichstag tritt die
"Korrespondenz für Centrumsblätter" ein. Sie meint, es
sei in der That gar nicht nothwendig, daß 200 Abgeordnete
in einer Sitzung anwesend seien, einerlei, was auf der
Tagesordnung steht. Die Thatsache, daß sie mit den in
der genannten Korrespondenz zum Ausdruck gelangenden
Anschauungen über weltliche Angelegenheiten vielsach
harmonirt, hindert die "Freisinnige Zeitung" nicht, in
dieser Hinsicht anderer Meinung zu sein. Sie glaubt es
nämlich befürworten zu dürfen, daß nicht Herabsetzung
der Beschlußfähigkeitsziffer, sondern Einführung von
Diäten für die Abgeordneten eine sittliche Forderung
darstellen, da die Herabsetzung der Beschlußfähigkeitsziffer
bei den zweiten Lesungen nur zu unsicheren und wider-
spruchsvollen Ergebnissen führen und die Verhandlung
bei der dritten Lesung umsomehr ausdehnen würde.

Man wird am besten thun, diesen Streit der um das
parlamentarische Krankenbett versammelten Kurpfuscher
über die Art des zu wählenden Heilmittels auf sich be-
ruhen zu lassen und der Hoffnung zu leben, daß die gute
Natur des Kranken schließlich den Sieg über seine Leiden
und seine Helfer davontragen läßt. Mit Recht wird über
den "Niedergang des Parlamentarismus" geklagt, wie er
u. a. in der berühmten Sonnabendsitzung gelegentlich der
Berathung über die lex Heinze in die Erscheinung trat.
Aber es ist doch wohl eine Selbsttäuschung, wenn man
glaubt, es sei diesem Niedergang durch Mittel rein äußer-
licher Art, wie die oben erwähnten, abzuhelfen.

Die Kommissionsverhandlungen über die Flottenvorlage.

Tel. Die Budgetkommission
des Reichstags
begann heute die Berathung der Novelle
zum Flottengesetz von
1898 und erklärte sich auf Antrag
Müller-Fulda und Genossen damit einverstanden, daß eine
Generaldebatte und zwei Lesungen stattfinden sollen
und daß die Generaldebatte in vier Hauptabschnitte getheilt
wird, betreffend 1. die Nothwendigkeit und den Um-
fang
der Flottenvermehrung, 2. die Kosten und die Be-
schaffung der Mittel,
3. die gesetzliche Festlegung
der Vermehrung und 4. Durchführung der Vermehrung.
Zu den einzelnen Abschnitten werden verschiedene Fragen ge-
stellt werden, darunter folgende: Welche Ereignisse traten seit
dem Flottengesetz vom 10. April 1898 ein, die die Novelle
nothwendig machen; wie ist das derzeitige Stärkeverhältniß
der Flotten und Landarmeen der größeren Seemächte; wie
sind unsre politischen Beziehungen zu diesen Staaten; welche
Ziele verfolgen die verbündeten Regierungen mit der ge-
plauten Weltmachtpolitik; welche neuen Steuern schlagen die
Regierungen behufs der Kostendeckung vor; und wie gedenken
die Regierungen den Nachtheilen zu begegnen, welche aus
der Flottenverstärkung für die Landwirthschaft zu befürchten
sind. Der Vorsitzende der Kommission machte darauf auf-
merksam, daß ein Theil des zur Beantwortung erforderlichen
Material streng vertraulich zu behandeln sei. Staatssekretär
Graf v. Bülow machte vertrauliche Mittheilungen
über unsre auswärtige Beziehungen,
aus denen sich
die Schlußfolgerung ergab, daß der Flottenausbau zur
Sicherung einer friedlichen Politik des Reiches unbedingt
erforderlich sei.
Staatssekretär v. Tirpitz gab ebenfalls
vertranliche Mittheilungen über unsre maritime Lage. Auf
Vorschlag des Abg. Richter einigte sich die Kommission
dahin, daß man sich heute auf Fragen aus dem Schoß der
Kommission und auf Antworten der Regierungsvertreter be-

"Die kannst im Mond suchen! Das Geld für diese
Studi ist so gut wie weggeworfen!"

"Aber Vater!" wirft die Bäuerin ein.

"Rein weggeworfen, sag' ich! Hat doch der alte Dokter
kaum genug zum Leben! Wär das Kloster nicht in seinem
Distrikt, er müßt' am lebendigen Leib verhungern. Ein
brotloses Handwerk so ein Kurpfuscher! Aber du hast es
so wollen und nicht anders, nun schau zu, wie du dir dein
Brot verdienst! Eine Weil' kannst im Hause bleiben! Aber
ein längeres Herumfaulenzen leid' ich nicht, verstanden!
Müssen die andern fest zugreifen, gibt es auch für dich kein
Nichtsthun, du siebengescheiter Dokter, du, der keinen
Rechen ordentlich führen kann! So, nun weißt du, wie du
dran bischt! Und auf mich brauchst nicht zu spekuliren, ich
bin kerngesund, und wenn mir je was anfallen sollte: ich
kurir' mich selber! Nun mach dirs bequem im Elternhaus!
He, Mutter, ischt seine Stube in Ordnung?"

"Alles besorgt, Alter!" erwidert die Bäuerin.

Der Alte verzehrt den Happen Brot, indeß Kastl seine
Stube aufsucht und den Koffer entleert. Jede Fröhlichkeit
ist nach diesem väterlichen Empfang erstorben, und Kastl
läßt die Bücher lieber gleich im Koffer, denn allem Anschein
nach wird der Aufenthalt im Elternhause nicht lange
währen und er bald wieder ans Einpacken gehen. Die
Kluft zwischen Vater und Sohn ist durch das Studium
unüberbrückbar geworden, das fühlt Kastl bei aller Liebe
zu den Eltern deutlich durch.

Bei der Abendmahlzeit zeigte es sich, daß Kastl mehr
oder minder auch den Geschwistern fremd geworden und
die frostige Haltung ward durch das Nichtsmitbringen aus
der Hauptstadt eher gesteigert denn gemildert. So fühlte
sich Kastl fremd im Elternhause; zwar bot das Studium
wissenschaftlicher Werke, Erholung und Spazierengehen ge-
sunden Zeitvertreib, aber Kastl begann sich allmählich zu
langweilen, das Warten auf Patienten wurde peinlich.
Den Ortsvorsteher, den Pfarrer hatte er besucht, sich als
jungen Doktor vorgestellt, auch die Nachbarn aufgesucht,
doch Niemand that ihm den Gefallen, krank zu werden.
Aus Gründen des Taktes und der Kollegialität machte
Kastl auch beim alten Doktor seine Aufwartung und hatte
das Glück, den Kollegen nicht zuhause anzutreffen; er
hinterließ seine Visitenkarte und trollte sich.

(Fortsetzung folgt.)

[Spaltenumbruch]

schränken solle unter allgemeiner Anerkennung der
Pflicht zur Geheimhaltung.
Die Fragen und Ant-
worten bezogen sich auf verschiedene Ereignisse der letzten
Jahre aus dem Gebiete der auswärtigen Politik und auf
das Stärkeverhältniß der Flotten der größeren Seemächte.
Morgen wird die Berathung fortgesetzt.

Freisinn und Centrum in Schlesien.

* Bei einer demnächst in Liegnitz stattfindenden Land-
tagsersatzwahl haben, wie man uns schreibt, die Centrums-
wähler beschlossen, den Freisinnigen ihre Unterstützung zu ver-
sagen; ebenso werden sie bei dem durch die Ungültigkeits-
erklärung der drei Breslauer Landtagsmandate nothwendig
gewordenen Kampf in der schlesischen Hauptstadt mit den
Gegnern des Freisinns zusammengehen. Sollten infolge einer
Auflösung des Reichstags Neuwahlen zum Reichstag statt-
zufinden haben, so würden die Freisinnigen auch dabei die
Gegnerschaft des Centrums zu empfinden haben, was ihnen
besonders schmerzlich sein dürfte, da Schlesien bei den Reichs-
tagswahlen speziell dank den Wahlkompromissen zwischen dem
Centrum und der entschiedenen Linken bisher die aussichts-
reichste Provinz für den Freisinn gewesen war. Schon bei
den letzten Reichstagswahlen war jedoch das frühere ge-
schlossene Zusammengehen von Freisinn und Centrum längst
nicht mehr vorhanden, und für die nächsten Reichstagswahlen
hat die klerikale Presse bereits aus Zorn über das Verhalten
der Freisinnigen bei der dritten Lesung der lex Heinze den
Fortschrittlern den Krieg angekündigt, was den ziemlich
sicheren Verlust einiger schlesischer Mandate bedeuten wird.

Ueber die Kaisersgeburtstagsfeier in Samoa

wird aus Apia, datirt 10. Februar, folgendes berichtet:

Am Morgen des 27. Januar fand in der katholischen
Kathedrale ein feierliches Hochamt mit darauffolgender deut-
scher Predigt statt, der auch die Spitzen der deutschen Be-
hörden beiwohnten. Der größere Theil der deutschen An-
siedler hatte sich zu dem zur gleichen Zeit in der deutschen
Schule
stattfindenden Festaktus eingefunden. Um 10 Uhr
fand an Bord S. M. S. "Cormoran" Gottesdienst statt, zu
dem der Kommandant und die Offiziere die deutschen Ein-
wohner und deren Damen, sowie auch die deutsche Schule
eingeladen hatten. Allgemeine Freude erregte die von Kapitän
Emsmann den zahlreich versammelten Anwesenden öffentlich
gemachte Mittheilung, daß gemäß einem ihm vom Kaiser ge-
sandten Telegramm die Hissung der deutschen Flagge bereits
im Monat Februar vor sich gehen würde. Mittags 12 Uhr
feuerte S. M. S. "Cormoran" die vorschriftsmäßigen
21 Salutschüsse und gleich ihm zeigten alle im Hafen befind-
lichen Schiffe reichen Flaggenschmuck. Hierauf empfing der
kaiserliche Konsul Grunow die Besuche der fremden Konsulu,
der Behörden und der überaus zahlreich erschienenen Ein-
wohner, auch der englischen. Mataafa mußte sich krank-
heitshalber durch eine Deputation von Häuptlingen vertreten
lassen. Tanu befindet sich schon seit mehreren Monaten in Fiji.
Von seiner Partei stellten sich jedoch 25 Häuptlinge unter Führung
ihres Sprechers Tuloa zur Gratulationscour ein. Nachdem
Tuloa in feierlicher Rede seine und seiner Genossen Glück-
wünsche und Ergebenheit versichert hatte, geschah etwas ganz
unerwartetes: er legte seinen Sprecherstab (tootoo), das
Abzeichen seines Amtes und seiner Würden, vor dem Konsul
nieder und erklärte, daß er damit alle seine
Aemter und Würden Seiner Majestät dem Deut-
schen Kaiser zu Füßen lege.
-- Dieser Umstand be-
weist, daß die fortgesetzten Bemühungen des Präsidenten Dr.
Solf, auch die Tann-Partei friedlich zu stimmen, von Erfolg
begleitet sind, wenn es ihm auch monatelange harte Mühe ge-
kostet hat.

Am Abend fand in der Deutschen Bierhalle ein Kommers
statt, zu dem die in Apia ansässigen Deutschen fast aus-
nahmslos erschienen und von S. M. S. "Cormoran" der
Kommandant, die Offiziere und Deputationen der Deck- und
Unter-Offiziere und Mannschaften eingeladen waren. Den
Vorsitz übernahm der Senior der deutschen Ansiedler, Dr.
Funk; indem er ausführte, mit welchen freudigen
Hoffnungen und welchem Selbstbewußtsein wir jetzt in
die Zukunft schauen könnten, nachdem wir in den ver-
gangenen langen Jahren kaum Gleichberechtigung mit
den Ansiedlern anderer Nationen beanspruchen durften.
Er gab der Freude beredten Ausdruck, welche alle Deutschen
über die Lösung der Samoa-Frage empfinden, und betonte,
daß diese Lösung besonders der persönlichen Initiative des
Kaisers zu verdanken sei. Nachdem die begeisterten Hochrufe
verklungen und einige patriotische Lieder gesungen waren,
ergriff Präsident Dr. Solf das Wort, um den Versammelten
mitzutheilen, daß der Municipalrath vor einigen Tagen ein-
stimmig den Beschluß gefaßt habe, dem Kaiser seine Glück-
wünsche zu übermitteln. Hierauf verlas Dr. Solf ein von
ihm auf Ansuchen des Municipalraths verfaßtes und an
die Deutschen Apia's gerichtetes Schreiben, in welchem u. a.
gesagt war:

"Dieser Beschluß zeigt, daß der Municipalrath den Vortheil
erkennt und würdigt, welcher den Inseln durch die Uebernahme
der Verwaltung durch eine Macht an Stelle der drei Vertrags-
mächte zweifellos bevorsteht. Die Stadträthe sind der Ueber-
zeugung, daß die verschiedenen Wirren, welche während der ver-
gangenen Jahre wiederholt stattgefunden, und welche eine den
reichen Hülfsquellen dieser fruchtbaren Insel entsprechende Ent-
wicklung verhindert haben, nun ein Ende gefunden haben werden.
Hoffnungsvoll sieht der Stadtrath infolge des eingetretenen
Wechsels der Herstellung gesicherten Friedens und damit verbun-
denem Aufblühen der Inseln entgegen. Die Mitglieder des
Municipalraths haben mich beauftragt, auf das ausdrücklichste zu
erklären, daß sie als Zeichen ihrer übereinstimmenden Ueber-
zeugung, daß das Land unter der kräftigen Herrschaft des Kaisers,
dessen Weisheit und Energie einem Jeden bekannt, aufblühen und
sich des Friedens erfreuen werde, die obige Resolution gefaßt
haben und allseitig und freudig in den Glückwunsch des heutigen
Tages einstimmen: Lange lebe Seine Majestät der Kaiser!"

Dr. Solf fügte dann noch die Bemerkung hinzu:

"Sie
Alle werden mit mir übereinstimmen, daß man diese einmüthige
Kundgebung einer internationalen Körperschaft, vorgeschlagen
von englischer Seite, sich an einer deutsch-patriotischen Feier
offiziell zu betheiligen, noch vor kurzem als zum mindesten
höchst unwahrscheinlich, wenn nicht unmöglich, gehalten hätte.
Lassen Sie uns denn hierin ein Symbol sehen des Friedens
und der Eintracht, die mit dem schwarz-weiß-rothen Banner
in unser schönes Inselreich einziehen." --

Mit dem morgen fälligen Postdampfer werden definitive
Instruktionen über die bevorstehende Flaggenhissung erwartet
und haben die Deutschen infolge der obigen Resolution des
Stadtraths beschlossen, zur Berathung über die zur Feier der
Flaggenhissung zu veranstaltenden Festlichkeiten und zur Theil-
nahme an den letzteren auch die leitenden hiesigen Briten und
anderen Nichtdeutschen aufzufordern. Es steht zu hoffen, daß
[Spaltenumbruch] durch dieses Vorhaben das bereits angebahnte harmonische
Verhältniß der Angehörigen der verschiedenen Nationalitäten
noch eine Stärkung erfährt.

Württemberg: Organisation des äußeren Dienstes der
Staatseisenbahnen.

u. Die Neuorganisation des äußeren Staatsbahndienstes tritt
in Württemberg am 1. April d. J. in Kraft. Es werden der
Generaldirektion der Staatseisenbahnen für die Aus-
führung und Ueberwachung dieses äußeren Dienstes fünf In-
spektionen
(für Betriebs- und Verkehrsabfertigungsdienst,
dann für Bau-, Maschinenwerkstätten und Telegraphendienst) unter-
geordnet, außerdem noch eine Inspektion für die Ausführung des
Betriebs der Bodensee-Dampfschiffahrt. Die Abgrenzung der Ge-
schäftskreise der einzelnen Dienststellen in sachlicher und örtlicher
Hinsicht, sowie die Feststellung der Dienstanweisungen erfolgt durch
das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, Abtheilung
für die Verkehrsanstalten. Den örtlichen Betriebs- und Verkehrs-
dienst der Staatseisenbahnen besorgen unter Aufsicht der Betriebs-
und Bau-Inspektionen die Bahnstationen, die in Stationen erster
bis fünfter Klasse eingetheilt werden. Die Geschäftsaufgabe der
Betriebs-Oberinspektoren erleidet im allgemeinen keine
Aenderung. Die Betriebsinspektoren haben als besondere
Aufgabe die Ausführung und Ueberwachung des gesammten Be-
triebs-, Verkehrs-, Kassen- und Abfertigungsdienstes, insoweit nicht
einzelne Zweige den Bau-Inspektionen, Maschineninspektionen etc.
zugewiesen sind. Es werden 13 Betriebsinspektionen, und
zwar in Stuttgart, Tübingen, Ulm, Sigmaringen, Mühlacker,
Rottweil, Freudenstadt, Heilbronn, Aalen, Crailsheim, Backnang,
Calw und Aulendorf errichtet. Die Damfschiffahrtsinspektion
ist in Friedrichshafen.

Elsaß-Lothringen: Die Fakultätsfrage.

* Es wurde schon gemeldet, daß Frhr. v. Hertling
demnächst wieder in Rom eintrifft, um mit dem päpstlichen
Stuhl die Verhandlungen über die Errichtung einer katho-
lisch-theologischen Fakultät
in Straßburg weiter-
zuführen. Im Gegensatz zu einer früheren Mittheilung, wo-
nach die Errichtung der Fakultät als gesichert gelten konnte,
wird in der "Pol. Korr." der Stand der Sache folgender-
maßen dargestellt: Ueber den Erfolg der jetzigen Aktion
könnte Niemand etwas voraussagen; gewiß sei, daß sie auf
den ungeschwächten Widerstand des elsässisch-katholischen
Klerus, der das Haupthinderniß der deutschen Wünsche
bildet, stoßen wird und daß auch französische Einflüsse sich
geltend machen werden, um ein solches Zugeständniß an
Deutschland zu hintertreiben. Das bedeute aber keineswegs,
daß die Bemühungen des Frhrn. v. Hertling aussichtslos
seien, man halte es vielmehr in einem Theile der kirchlichen
Kreise für sehr gut möglich, daß sich der Papst über alle
Gegentendenzen hinwegsetzen und mit der Berliner Regierung
über diesen Plan verständigen werde.

Frankreich.
Antisemitisches. -- Die "Croix". -- Prinz Kanin.

Drumont preist in der "Libre
Parole" das neueste Buch seines Mitarbeiters Boisandre
an: "Napoleon Antisemite". Boisandre sucht darin nachzu-
weisen, daß Napoleon I. Antisemit wurde, "als er erkannt
hatte, daß die jüdische Finanz, hauptsächlich aber Roth-
schild
es war, der das erste Kaiserreich zu Falle brachte,
indem er den verbündeten Mächten das nöthige Geld lieferte".
Prinz Victor Napoleon, meint der Antisemitenführer,
sollte das Buch Boisandre's lesen und es wohl beherzigen;
denn der Prinz spricht "ganz verdreht und in voller Ver-
kennung des Sachverhaltes" über den wahren napoleonischen
Standpunkt gegenüber den Juden. Sollte wirklich der Keim
eines bonapartischen Komplotts, das sich auf den Beistand
der Juden stützen würde, bestehen? Drumont hofft, Prinz
Victor werde nun, nachdem er "Napoleon Antisemite" gelesen,
sich nicht in ein Abentener stürzen, das ihm nur Schande
eintragen könnte.

Die "Croix" wird fortan wirklich nicht mehr von den
Assumptionisten herausgegeben werden. So will es
Leo XIII., dessen häufige Unterredungen mit dem fran-
zösischen Botschafter beim Vatikan, Nisard, unter den
römischen Prälaten einiges Aufsehen erregt haben sollen.
Der Papst schickt, so heißt es, den kampflustigen P. Bailly
auf Reisen, und habe sich dafür von dem Kabinet Wal-
deck-Rousseau das Versprechen geben lassen, es werde die
Drohungen gegen die geistlichen Genossenschaften nicht aus-
führen. Wie es sich mit diesem Punkte verhält, wird man
wohl bald einmal erfahren. Die französischen Klerikalen gehen
in ihrem Unmuthe über die Anordnungen des Papstes so
weit, zu behaupten, Leo XIII. habe sich von den jüdischen
Einflüssen bestimmen lassen, denen es gelungen sei, sich bis
an den Thron des "Stellvertreters Christi" heranzuschleichen.

Die Ankunft des ersten "fürstlichen Gastes" für
die Weltausstellung wird gemeldet. Es ist dies ein
Vetter und Adoptiobruder des Kaisers von Japan, Prinz
Kanin.
Der Gast ist in Paris, wo er einige Wochen zu
verweilen gedenkt, kein Fremder, denn er brachte einst zehn
Jahre zu seiner Ausbildung in Frankreich zu, zuerst in Paris,
dann in der Kavallerieschule zu Saumur und in der Artillerie-
schule zu Fontainebleau.

Der Vatikan und Frankreich.

In den Beziehungen zwischen dem
Vatikan und der französischen Regierung, die von
den jüngsten Reibungen zwischen Staat und Kirche in Frank-
reich nicht unberührt geblieben waren, ist eine Besserung ein-
getreten. Die Kurie bemüht sich eifrig, die katholische Partei
in den Bahnen der Loyalität gegenüber der Republik zu er-
halten. Diesem Einflusse sei es zu verdanken, daß die Agi-
tation, die im Assumptionistenprozesse ihren Ursprung nahm,
nunmehr zum Stillstand gekommen ist. Beim Empfange
mehrerer französischer Bischöfe hat der Papst kürzlich der Zu-
versicht auf die Herstellung vollständigen religiösen Friedens
in Frankreich und die Besserung der Verhältnisse zwischen
der Republik und dem Vatikan Ausdruck gegeben. In Aner-
kennung dieses Verhaltens und des bezeichneten Erfolges des
heiligen Stuhles soll das Pariser Kabinet, wie verlantet, auf
der Forderung betreffend die Absetzung der Bischöfe von Aix
und Valeuce nicht mehr bestehen.

[irrelevantes Material]
Nr. 85. München, Mittwoch Allgemeine Zeitung 28. März 1900.
[Spaltenumbruch]

Selbſtverſtändlich würden politiſche Ausforſchungen der
bezeichneten Art auch auf anderem als dem diplomatiſchen
Wege ins Werk geſetzt werden können, erleichtert aber
werden ſie durch die Accreditirung fremder, d. h. nicht-
deutſcher Diplomaten auch an den kleineren und kleinſten
deutſchen Höfen ohne Zweifel.

Falſche Diagnoſen.

Für eine Herabſetzung
der Beſchlußfähigkeitsziffer
im Reichstag tritt die
„Korreſpondenz für Centrumsblätter“ ein. Sie meint, es
ſei in der That gar nicht nothwendig, daß 200 Abgeordnete
in einer Sitzung anweſend ſeien, einerlei, was auf der
Tagesordnung ſteht. Die Thatſache, daß ſie mit den in
der genannten Korreſpondenz zum Ausdruck gelangenden
Anſchauungen über weltliche Angelegenheiten vielſach
harmonirt, hindert die „Freiſinnige Zeitung“ nicht, in
dieſer Hinſicht anderer Meinung zu ſein. Sie glaubt es
nämlich befürworten zu dürfen, daß nicht Herabſetzung
der Beſchlußfähigkeitsziffer, ſondern Einführung von
Diäten für die Abgeordneten eine ſittliche Forderung
darſtellen, da die Herabſetzung der Beſchlußfähigkeitsziffer
bei den zweiten Leſungen nur zu unſicheren und wider-
ſpruchsvollen Ergebniſſen führen und die Verhandlung
bei der dritten Leſung umſomehr ausdehnen würde.

Man wird am beſten thun, dieſen Streit der um das
parlamentariſche Krankenbett verſammelten Kurpfuſcher
über die Art des zu wählenden Heilmittels auf ſich be-
ruhen zu laſſen und der Hoffnung zu leben, daß die gute
Natur des Kranken ſchließlich den Sieg über ſeine Leiden
und ſeine Helfer davontragen läßt. Mit Recht wird über
den „Niedergang des Parlamentarismus“ geklagt, wie er
u. a. in der berühmten Sonnabendſitzung gelegentlich der
Berathung über die lex Heinze in die Erſcheinung trat.
Aber es iſt doch wohl eine Selbſttäuſchung, wenn man
glaubt, es ſei dieſem Niedergang durch Mittel rein äußer-
licher Art, wie die oben erwähnten, abzuhelfen.

Die Kommiſſionsverhandlungen über die Flottenvorlage.

Tel. Die Budgetkommiſſion
des Reichstags
begann heute die Berathung der Novelle
zum Flottengeſetz von
1898 und erklärte ſich auf Antrag
Müller-Fulda und Genoſſen damit einverſtanden, daß eine
Generaldebatte und zwei Leſungen ſtattfinden ſollen
und daß die Generaldebatte in vier Hauptabſchnitte getheilt
wird, betreffend 1. die Nothwendigkeit und den Um-
fang
der Flottenvermehrung, 2. die Koſten und die Be-
ſchaffung der Mittel,
3. die geſetzliche Feſtlegung
der Vermehrung und 4. Durchführung der Vermehrung.
Zu den einzelnen Abſchnitten werden verſchiedene Fragen ge-
ſtellt werden, darunter folgende: Welche Ereigniſſe traten ſeit
dem Flottengeſetz vom 10. April 1898 ein, die die Novelle
nothwendig machen; wie iſt das derzeitige Stärkeverhältniß
der Flotten und Landarmeen der größeren Seemächte; wie
ſind unſre politiſchen Beziehungen zu dieſen Staaten; welche
Ziele verfolgen die verbündeten Regierungen mit der ge-
plauten Weltmachtpolitik; welche neuen Steuern ſchlagen die
Regierungen behufs der Koſtendeckung vor; und wie gedenken
die Regierungen den Nachtheilen zu begegnen, welche aus
der Flottenverſtärkung für die Landwirthſchaft zu befürchten
ſind. Der Vorſitzende der Kommiſſion machte darauf auf-
merkſam, daß ein Theil des zur Beantwortung erforderlichen
Material ſtreng vertraulich zu behandeln ſei. Staatsſekretär
Graf v. Bülow machte vertrauliche Mittheilungen
über unſre auswärtige Beziehungen,
aus denen ſich
die Schlußfolgerung ergab, daß der Flottenausbau zur
Sicherung einer friedlichen Politik des Reiches unbedingt
erforderlich ſei.
Staatsſekretär v. Tirpitz gab ebenfalls
vertranliche Mittheilungen über unſre maritime Lage. Auf
Vorſchlag des Abg. Richter einigte ſich die Kommiſſion
dahin, daß man ſich heute auf Fragen aus dem Schoß der
Kommiſſion und auf Antworten der Regierungsvertreter be-

„Die kannſt im Mond ſuchen! Das Geld für dieſe
Studi iſt ſo gut wie weggeworfen!“

„Aber Vater!“ wirft die Bäuerin ein.

„Rein weggeworfen, ſag’ ich! Hat doch der alte Dokter
kaum genug zum Leben! Wär das Kloſter nicht in ſeinem
Diſtrikt, er müßt’ am lebendigen Leib verhungern. Ein
brotloſes Handwerk ſo ein Kurpfuſcher! Aber du haſt es
ſo wollen und nicht anders, nun ſchau zu, wie du dir dein
Brot verdienſt! Eine Weil’ kannſt im Hauſe bleiben! Aber
ein längeres Herumfaulenzen leid’ ich nicht, verſtanden!
Müſſen die andern feſt zugreifen, gibt es auch für dich kein
Nichtsthun, du ſiebengeſcheiter Dokter, du, der keinen
Rechen ordentlich führen kann! So, nun weißt du, wie du
dran biſcht! Und auf mich brauchſt nicht zu ſpekuliren, ich
bin kerngeſund, und wenn mir je was anfallen ſollte: ich
kurir’ mich ſelber! Nun mach dirs bequem im Elternhaus!
He, Mutter, iſcht ſeine Stube in Ordnung?“

„Alles beſorgt, Alter!“ erwidert die Bäuerin.

Der Alte verzehrt den Happen Brot, indeß Kaſtl ſeine
Stube aufſucht und den Koffer entleert. Jede Fröhlichkeit
iſt nach dieſem väterlichen Empfang erſtorben, und Kaſtl
läßt die Bücher lieber gleich im Koffer, denn allem Anſchein
nach wird der Aufenthalt im Elternhauſe nicht lange
währen und er bald wieder ans Einpacken gehen. Die
Kluft zwiſchen Vater und Sohn iſt durch das Studium
unüberbrückbar geworden, das fühlt Kaſtl bei aller Liebe
zu den Eltern deutlich durch.

Bei der Abendmahlzeit zeigte es ſich, daß Kaſtl mehr
oder minder auch den Geſchwiſtern fremd geworden und
die froſtige Haltung ward durch das Nichtsmitbringen aus
der Hauptſtadt eher geſteigert denn gemildert. So fühlte
ſich Kaſtl fremd im Elternhauſe; zwar bot das Studium
wiſſenſchaftlicher Werke, Erholung und Spazierengehen ge-
ſunden Zeitvertreib, aber Kaſtl begann ſich allmählich zu
langweilen, das Warten auf Patienten wurde peinlich.
Den Ortsvorſteher, den Pfarrer hatte er beſucht, ſich als
jungen Doktor vorgeſtellt, auch die Nachbarn aufgeſucht,
doch Niemand that ihm den Gefallen, krank zu werden.
Aus Gründen des Taktes und der Kollegialität machte
Kaſtl auch beim alten Doktor ſeine Aufwartung und hatte
das Glück, den Kollegen nicht zuhauſe anzutreffen; er
hinterließ ſeine Viſitenkarte und trollte ſich.

(Fortſetzung folgt.)

[Spaltenumbruch]

ſchränken ſolle unter allgemeiner Anerkennung der
Pflicht zur Geheimhaltung.
Die Fragen und Ant-
worten bezogen ſich auf verſchiedene Ereigniſſe der letzten
Jahre aus dem Gebiete der auswärtigen Politik und auf
das Stärkeverhältniß der Flotten der größeren Seemächte.
Morgen wird die Berathung fortgeſetzt.

Freiſinn und Centrum in Schleſien.

* Bei einer demnächſt in Liegnitz ſtattfindenden Land-
tagserſatzwahl haben, wie man uns ſchreibt, die Centrums-
wähler beſchloſſen, den Freiſinnigen ihre Unterſtützung zu ver-
ſagen; ebenſo werden ſie bei dem durch die Ungültigkeits-
erklärung der drei Breslauer Landtagsmandate nothwendig
gewordenen Kampf in der ſchleſiſchen Hauptſtadt mit den
Gegnern des Freiſinns zuſammengehen. Sollten infolge einer
Auflöſung des Reichstags Neuwahlen zum Reichstag ſtatt-
zufinden haben, ſo würden die Freiſinnigen auch dabei die
Gegnerſchaft des Centrums zu empfinden haben, was ihnen
beſonders ſchmerzlich ſein dürfte, da Schleſien bei den Reichs-
tagswahlen ſpeziell dank den Wahlkompromiſſen zwiſchen dem
Centrum und der entſchiedenen Linken bisher die ausſichts-
reichſte Provinz für den Freiſinn geweſen war. Schon bei
den letzten Reichstagswahlen war jedoch das frühere ge-
ſchloſſene Zuſammengehen von Freiſinn und Centrum längſt
nicht mehr vorhanden, und für die nächſten Reichstagswahlen
hat die klerikale Preſſe bereits aus Zorn über das Verhalten
der Freiſinnigen bei der dritten Leſung der lex Heinze den
Fortſchrittlern den Krieg angekündigt, was den ziemlich
ſicheren Verluſt einiger ſchleſiſcher Mandate bedeuten wird.

Ueber die Kaiſersgeburtstagsfeier in Samoa

wird aus Apia, datirt 10. Februar, folgendes berichtet:

Am Morgen des 27. Januar fand in der katholiſchen
Kathedrale ein feierliches Hochamt mit darauffolgender deut-
ſcher Predigt ſtatt, der auch die Spitzen der deutſchen Be-
hörden beiwohnten. Der größere Theil der deutſchen An-
ſiedler hatte ſich zu dem zur gleichen Zeit in der deutſchen
Schule
ſtattfindenden Feſtaktus eingefunden. Um 10 Uhr
fand an Bord S. M. S. „Cormoran“ Gottesdienſt ſtatt, zu
dem der Kommandant und die Offiziere die deutſchen Ein-
wohner und deren Damen, ſowie auch die deutſche Schule
eingeladen hatten. Allgemeine Freude erregte die von Kapitän
Emsmann den zahlreich verſammelten Anweſenden öffentlich
gemachte Mittheilung, daß gemäß einem ihm vom Kaiſer ge-
ſandten Telegramm die Hiſſung der deutſchen Flagge bereits
im Monat Februar vor ſich gehen würde. Mittags 12 Uhr
feuerte S. M. S. „Cormoran“ die vorſchriftsmäßigen
21 Salutſchüſſe und gleich ihm zeigten alle im Hafen befind-
lichen Schiffe reichen Flaggenſchmuck. Hierauf empfing der
kaiſerliche Konſul Grunow die Beſuche der fremden Konſulu,
der Behörden und der überaus zahlreich erſchienenen Ein-
wohner, auch der engliſchen. Mataafa mußte ſich krank-
heitshalber durch eine Deputation von Häuptlingen vertreten
laſſen. Tanu befindet ſich ſchon ſeit mehreren Monaten in Fiji.
Von ſeiner Partei ſtellten ſich jedoch 25 Häuptlinge unter Führung
ihres Sprechers Tuloa zur Gratulationscour ein. Nachdem
Tuloa in feierlicher Rede ſeine und ſeiner Genoſſen Glück-
wünſche und Ergebenheit verſichert hatte, geſchah etwas ganz
unerwartetes: er legte ſeinen Sprecherſtab (tootoo), das
Abzeichen ſeines Amtes und ſeiner Würden, vor dem Konſul
nieder und erklärte, daß er damit alle ſeine
Aemter und Würden Seiner Majeſtät dem Deut-
ſchen Kaiſer zu Füßen lege.
— Dieſer Umſtand be-
weist, daß die fortgeſetzten Bemühungen des Präſidenten Dr.
Solf, auch die Tann-Partei friedlich zu ſtimmen, von Erfolg
begleitet ſind, wenn es ihm auch monatelange harte Mühe ge-
koſtet hat.

Am Abend fand in der Deutſchen Bierhalle ein Kommers
ſtatt, zu dem die in Apia anſäſſigen Deutſchen faſt aus-
nahmslos erſchienen und von S. M. S. „Cormoran“ der
Kommandant, die Offiziere und Deputationen der Deck- und
Unter-Offiziere und Mannſchaften eingeladen waren. Den
Vorſitz übernahm der Senior der deutſchen Anſiedler, Dr.
Funk; indem er ausführte, mit welchen freudigen
Hoffnungen und welchem Selbſtbewußtſein wir jetzt in
die Zukunft ſchauen könnten, nachdem wir in den ver-
gangenen langen Jahren kaum Gleichberechtigung mit
den Anſiedlern anderer Nationen beanſpruchen durften.
Er gab der Freude beredten Ausdruck, welche alle Deutſchen
über die Löſung der Samoa-Frage empfinden, und betonte,
daß dieſe Löſung beſonders der perſönlichen Initiative des
Kaiſers zu verdanken ſei. Nachdem die begeiſterten Hochrufe
verklungen und einige patriotiſche Lieder geſungen waren,
ergriff Präſident Dr. Solf das Wort, um den Verſammelten
mitzutheilen, daß der Municipalrath vor einigen Tagen ein-
ſtimmig den Beſchluß gefaßt habe, dem Kaiſer ſeine Glück-
wünſche zu übermitteln. Hierauf verlas Dr. Solf ein von
ihm auf Anſuchen des Municipalraths verfaßtes und an
die Deutſchen Apia’s gerichtetes Schreiben, in welchem u. a.
geſagt war:

„Dieſer Beſchluß zeigt, daß der Municipalrath den Vortheil
erkennt und würdigt, welcher den Inſeln durch die Uebernahme
der Verwaltung durch eine Macht an Stelle der drei Vertrags-
mächte zweifellos bevorſteht. Die Stadträthe ſind der Ueber-
zeugung, daß die verſchiedenen Wirren, welche während der ver-
gangenen Jahre wiederholt ſtattgefunden, und welche eine den
reichen Hülfsquellen dieſer fruchtbaren Inſel entſprechende Ent-
wicklung verhindert haben, nun ein Ende gefunden haben werden.
Hoffnungsvoll ſieht der Stadtrath infolge des eingetretenen
Wechſels der Herſtellung geſicherten Friedens und damit verbun-
denem Aufblühen der Inſeln entgegen. Die Mitglieder des
Municipalraths haben mich beauftragt, auf das ausdrücklichſte zu
erklären, daß ſie als Zeichen ihrer übereinſtimmenden Ueber-
zeugung, daß das Land unter der kräftigen Herrſchaft des Kaiſers,
deſſen Weisheit und Energie einem Jeden bekannt, aufblühen und
ſich des Friedens erfreuen werde, die obige Reſolution gefaßt
haben und allſeitig und freudig in den Glückwunſch des heutigen
Tages einſtimmen: Lange lebe Seine Majeſtät der Kaiſer!“

Dr. Solf fügte dann noch die Bemerkung hinzu:

„Sie
Alle werden mit mir übereinſtimmen, daß man dieſe einmüthige
Kundgebung einer internationalen Körperſchaft, vorgeſchlagen
von engliſcher Seite, ſich an einer deutſch-patriotiſchen Feier
offiziell zu betheiligen, noch vor kurzem als zum mindeſten
höchſt unwahrſcheinlich, wenn nicht unmöglich, gehalten hätte.
Laſſen Sie uns denn hierin ein Symbol ſehen des Friedens
und der Eintracht, die mit dem ſchwarz-weiß-rothen Banner
in unſer ſchönes Inſelreich einziehen.“ —

Mit dem morgen fälligen Poſtdampfer werden definitive
Inſtruktionen über die bevorſtehende Flaggenhiſſung erwartet
und haben die Deutſchen infolge der obigen Reſolution des
Stadtraths beſchloſſen, zur Berathung über die zur Feier der
Flaggenhiſſung zu veranſtaltenden Feſtlichkeiten und zur Theil-
nahme an den letzteren auch die leitenden hieſigen Briten und
anderen Nichtdeutſchen aufzufordern. Es ſteht zu hoffen, daß
[Spaltenumbruch] durch dieſes Vorhaben das bereits angebahnte harmoniſche
Verhältniß der Angehörigen der verſchiedenen Nationalitäten
noch eine Stärkung erfährt.

Württemberg: Organiſation des äußeren Dienſtes der
Staatseiſenbahnen.

u. Die Neuorganiſation des äußeren Staatsbahndienſtes tritt
in Württemberg am 1. April d. J. in Kraft. Es werden der
Generaldirektion der Staatseiſenbahnen für die Aus-
führung und Ueberwachung dieſes äußeren Dienſtes fünf In-
ſpektionen
(für Betriebs- und Verkehrsabfertigungsdienſt,
dann für Bau-, Maſchinenwerkſtätten und Telegraphendienſt) unter-
geordnet, außerdem noch eine Inſpektion für die Ausführung des
Betriebs der Bodenſee-Dampfſchiffahrt. Die Abgrenzung der Ge-
ſchäftskreiſe der einzelnen Dienſtſtellen in ſachlicher und örtlicher
Hinſicht, ſowie die Feſtſtellung der Dienſtanweiſungen erfolgt durch
das Miniſterium der auswärtigen Angelegenheiten, Abtheilung
für die Verkehrsanſtalten. Den örtlichen Betriebs- und Verkehrs-
dienſt der Staatseiſenbahnen beſorgen unter Aufſicht der Betriebs-
und Bau-Inſpektionen die Bahnſtationen, die in Stationen erſter
bis fünfter Klaſſe eingetheilt werden. Die Geſchäftsaufgabe der
Betriebs-Oberinſpektoren erleidet im allgemeinen keine
Aenderung. Die Betriebsinſpektoren haben als beſondere
Aufgabe die Ausführung und Ueberwachung des geſammten Be-
triebs-, Verkehrs-, Kaſſen- und Abfertigungsdienſtes, inſoweit nicht
einzelne Zweige den Bau-Inſpektionen, Maſchineninſpektionen ꝛc.
zugewieſen ſind. Es werden 13 Betriebsinſpektionen, und
zwar in Stuttgart, Tübingen, Ulm, Sigmaringen, Mühlacker,
Rottweil, Freudenſtadt, Heilbronn, Aalen, Crailsheim, Backnang,
Calw und Aulendorf errichtet. Die Damfſchiffahrtsinſpektion
iſt in Friedrichshafen.

Elſaß-Lothringen: Die Fakultätsfrage.

* Es wurde ſchon gemeldet, daß Frhr. v. Hertling
demnächſt wieder in Rom eintrifft, um mit dem päpſtlichen
Stuhl die Verhandlungen über die Errichtung einer katho-
liſch-theologiſchen Fakultät
in Straßburg weiter-
zuführen. Im Gegenſatz zu einer früheren Mittheilung, wo-
nach die Errichtung der Fakultät als geſichert gelten konnte,
wird in der „Pol. Korr.“ der Stand der Sache folgender-
maßen dargeſtellt: Ueber den Erfolg der jetzigen Aktion
könnte Niemand etwas vorausſagen; gewiß ſei, daß ſie auf
den ungeſchwächten Widerſtand des elſäſſiſch-katholiſchen
Klerus, der das Haupthinderniß der deutſchen Wünſche
bildet, ſtoßen wird und daß auch franzöſiſche Einflüſſe ſich
geltend machen werden, um ein ſolches Zugeſtändniß an
Deutſchland zu hintertreiben. Das bedeute aber keineswegs,
daß die Bemühungen des Frhrn. v. Hertling ausſichtslos
ſeien, man halte es vielmehr in einem Theile der kirchlichen
Kreiſe für ſehr gut möglich, daß ſich der Papſt über alle
Gegentendenzen hinwegſetzen und mit der Berliner Regierung
über dieſen Plan verſtändigen werde.

Frankreich.
Antiſemitiſches. — Die „Croix“. — Prinz Kanin.

Drumont preist in der „Libre
Parole“ das neueſte Buch ſeines Mitarbeiters Boiſandré
an: „Napoléon Antisémite“. Boiſandré ſucht darin nachzu-
weiſen, daß Napoleon I. Antiſemit wurde, „als er erkannt
hatte, daß die jüdiſche Finanz, hauptſächlich aber Roth-
ſchild
es war, der das erſte Kaiſerreich zu Falle brachte,
indem er den verbündeten Mächten das nöthige Geld lieferte“.
Prinz Victor Napoleon, meint der Antiſemitenführer,
ſollte das Buch Boiſandré’s leſen und es wohl beherzigen;
denn der Prinz ſpricht „ganz verdreht und in voller Ver-
kennung des Sachverhaltes“ über den wahren napoleoniſchen
Standpunkt gegenüber den Juden. Sollte wirklich der Keim
eines bonapartiſchen Komplotts, das ſich auf den Beiſtand
der Juden ſtützen würde, beſtehen? Drumont hofft, Prinz
Victor werde nun, nachdem er „Napoléon Antisémite“ geleſen,
ſich nicht in ein Abentener ſtürzen, das ihm nur Schande
eintragen könnte.

Die „Croix“ wird fortan wirklich nicht mehr von den
Aſſumptioniſten herausgegeben werden. So will es
Leo XIII., deſſen häufige Unterredungen mit dem fran-
zöſiſchen Botſchafter beim Vatikan, Niſard, unter den
römiſchen Prälaten einiges Aufſehen erregt haben ſollen.
Der Papſt ſchickt, ſo heißt es, den kampfluſtigen P. Bailly
auf Reiſen, und habe ſich dafür von dem Kabinet Wal-
deck-Rouſſeau das Verſprechen geben laſſen, es werde die
Drohungen gegen die geiſtlichen Genoſſenſchaften nicht aus-
führen. Wie es ſich mit dieſem Punkte verhält, wird man
wohl bald einmal erfahren. Die franzöſiſchen Klerikalen gehen
in ihrem Unmuthe über die Anordnungen des Papſtes ſo
weit, zu behaupten, Leo XIII. habe ſich von den jüdiſchen
Einflüſſen beſtimmen laſſen, denen es gelungen ſei, ſich bis
an den Thron des „Stellvertreters Chriſti“ heranzuſchleichen.

Die Ankunft des erſten „fürſtlichen Gaſtes“ für
die Weltausſtellung wird gemeldet. Es iſt dies ein
Vetter und Adoptiobruder des Kaiſers von Japan, Prinz
Kanin.
Der Gaſt iſt in Paris, wo er einige Wochen zu
verweilen gedenkt, kein Fremder, denn er brachte einſt zehn
Jahre zu ſeiner Ausbildung in Frankreich zu, zuerſt in Paris,
dann in der Kavallerieſchule zu Saumur und in der Artillerie-
ſchule zu Fontainebleau.

Der Vatikan und Frankreich.

In den Beziehungen zwiſchen dem
Vatikan und der franzöſiſchen Regierung, die von
den jüngſten Reibungen zwiſchen Staat und Kirche in Frank-
reich nicht unberührt geblieben waren, iſt eine Beſſerung ein-
getreten. Die Kurie bemüht ſich eifrig, die katholiſche Partei
in den Bahnen der Loyalität gegenüber der Republik zu er-
halten. Dieſem Einfluſſe ſei es zu verdanken, daß die Agi-
tation, die im Aſſumptioniſtenprozeſſe ihren Urſprung nahm,
nunmehr zum Stillſtand gekommen iſt. Beim Empfange
mehrerer franzöſiſcher Biſchöfe hat der Papſt kürzlich der Zu-
verſicht auf die Herſtellung vollſtändigen religiöſen Friedens
in Frankreich und die Beſſerung der Verhältniſſe zwiſchen
der Republik und dem Vatikan Ausdruck gegeben. In Aner-
kennung dieſes Verhaltens und des bezeichneten Erfolges des
heiligen Stuhles ſoll das Pariſer Kabinet, wie verlantet, auf
der Forderung betreffend die Abſetzung der Biſchöfe von Aix
und Valeuce nicht mehr beſtehen.

[irrelevantes Material]
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Schule</hi> &#x017F;tattfindenden Fe&#x017F;taktus eingefunden. Um 10 Uhr<lb/>
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</TEI>
[3/0003] Nr. 85. München, Mittwoch Allgemeine Zeitung 28. März 1900. Selbſtverſtändlich würden politiſche Ausforſchungen der bezeichneten Art auch auf anderem als dem diplomatiſchen Wege ins Werk geſetzt werden können, erleichtert aber werden ſie durch die Accreditirung fremder, d. h. nicht- deutſcher Diplomaten auch an den kleineren und kleinſten deutſchen Höfen ohne Zweifel. Falſche Diagnoſen. * Berlin, 26. März. Für eine Herabſetzung der Beſchlußfähigkeitsziffer im Reichstag tritt die „Korreſpondenz für Centrumsblätter“ ein. Sie meint, es ſei in der That gar nicht nothwendig, daß 200 Abgeordnete in einer Sitzung anweſend ſeien, einerlei, was auf der Tagesordnung ſteht. Die Thatſache, daß ſie mit den in der genannten Korreſpondenz zum Ausdruck gelangenden Anſchauungen über weltliche Angelegenheiten vielſach harmonirt, hindert die „Freiſinnige Zeitung“ nicht, in dieſer Hinſicht anderer Meinung zu ſein. Sie glaubt es nämlich befürworten zu dürfen, daß nicht Herabſetzung der Beſchlußfähigkeitsziffer, ſondern Einführung von Diäten für die Abgeordneten eine ſittliche Forderung darſtellen, da die Herabſetzung der Beſchlußfähigkeitsziffer bei den zweiten Leſungen nur zu unſicheren und wider- ſpruchsvollen Ergebniſſen führen und die Verhandlung bei der dritten Leſung umſomehr ausdehnen würde. Man wird am beſten thun, dieſen Streit der um das parlamentariſche Krankenbett verſammelten Kurpfuſcher über die Art des zu wählenden Heilmittels auf ſich be- ruhen zu laſſen und der Hoffnung zu leben, daß die gute Natur des Kranken ſchließlich den Sieg über ſeine Leiden und ſeine Helfer davontragen läßt. Mit Recht wird über den „Niedergang des Parlamentarismus“ geklagt, wie er u. a. in der berühmten Sonnabendſitzung gelegentlich der Berathung über die lex Heinze in die Erſcheinung trat. Aber es iſt doch wohl eine Selbſttäuſchung, wenn man glaubt, es ſei dieſem Niedergang durch Mittel rein äußer- licher Art, wie die oben erwähnten, abzuhelfen. Die Kommiſſionsverhandlungen über die Flottenvorlage. * Berlin, 27. März. Tel. Die Budgetkommiſſion des Reichstags begann heute die Berathung der Novelle zum Flottengeſetz von 1898 und erklärte ſich auf Antrag Müller-Fulda und Genoſſen damit einverſtanden, daß eine Generaldebatte und zwei Leſungen ſtattfinden ſollen und daß die Generaldebatte in vier Hauptabſchnitte getheilt wird, betreffend 1. die Nothwendigkeit und den Um- fang der Flottenvermehrung, 2. die Koſten und die Be- ſchaffung der Mittel, 3. die geſetzliche Feſtlegung der Vermehrung und 4. Durchführung der Vermehrung. Zu den einzelnen Abſchnitten werden verſchiedene Fragen ge- ſtellt werden, darunter folgende: Welche Ereigniſſe traten ſeit dem Flottengeſetz vom 10. April 1898 ein, die die Novelle nothwendig machen; wie iſt das derzeitige Stärkeverhältniß der Flotten und Landarmeen der größeren Seemächte; wie ſind unſre politiſchen Beziehungen zu dieſen Staaten; welche Ziele verfolgen die verbündeten Regierungen mit der ge- plauten Weltmachtpolitik; welche neuen Steuern ſchlagen die Regierungen behufs der Koſtendeckung vor; und wie gedenken die Regierungen den Nachtheilen zu begegnen, welche aus der Flottenverſtärkung für die Landwirthſchaft zu befürchten ſind. Der Vorſitzende der Kommiſſion machte darauf auf- merkſam, daß ein Theil des zur Beantwortung erforderlichen Material ſtreng vertraulich zu behandeln ſei. Staatsſekretär Graf v. Bülow machte vertrauliche Mittheilungen über unſre auswärtige Beziehungen, aus denen ſich die Schlußfolgerung ergab, daß der Flottenausbau zur Sicherung einer friedlichen Politik des Reiches unbedingt erforderlich ſei. Staatsſekretär v. Tirpitz gab ebenfalls vertranliche Mittheilungen über unſre maritime Lage. Auf Vorſchlag des Abg. Richter einigte ſich die Kommiſſion dahin, daß man ſich heute auf Fragen aus dem Schoß der Kommiſſion und auf Antworten der Regierungsvertreter be- „Die kannſt im Mond ſuchen! Das Geld für dieſe Studi iſt ſo gut wie weggeworfen!“ „Aber Vater!“ wirft die Bäuerin ein. „Rein weggeworfen, ſag’ ich! Hat doch der alte Dokter kaum genug zum Leben! Wär das Kloſter nicht in ſeinem Diſtrikt, er müßt’ am lebendigen Leib verhungern. Ein brotloſes Handwerk ſo ein Kurpfuſcher! Aber du haſt es ſo wollen und nicht anders, nun ſchau zu, wie du dir dein Brot verdienſt! Eine Weil’ kannſt im Hauſe bleiben! Aber ein längeres Herumfaulenzen leid’ ich nicht, verſtanden! Müſſen die andern feſt zugreifen, gibt es auch für dich kein Nichtsthun, du ſiebengeſcheiter Dokter, du, der keinen Rechen ordentlich führen kann! So, nun weißt du, wie du dran biſcht! Und auf mich brauchſt nicht zu ſpekuliren, ich bin kerngeſund, und wenn mir je was anfallen ſollte: ich kurir’ mich ſelber! Nun mach dirs bequem im Elternhaus! He, Mutter, iſcht ſeine Stube in Ordnung?“ „Alles beſorgt, Alter!“ erwidert die Bäuerin. Der Alte verzehrt den Happen Brot, indeß Kaſtl ſeine Stube aufſucht und den Koffer entleert. Jede Fröhlichkeit iſt nach dieſem väterlichen Empfang erſtorben, und Kaſtl läßt die Bücher lieber gleich im Koffer, denn allem Anſchein nach wird der Aufenthalt im Elternhauſe nicht lange währen und er bald wieder ans Einpacken gehen. Die Kluft zwiſchen Vater und Sohn iſt durch das Studium unüberbrückbar geworden, das fühlt Kaſtl bei aller Liebe zu den Eltern deutlich durch. Bei der Abendmahlzeit zeigte es ſich, daß Kaſtl mehr oder minder auch den Geſchwiſtern fremd geworden und die froſtige Haltung ward durch das Nichtsmitbringen aus der Hauptſtadt eher geſteigert denn gemildert. So fühlte ſich Kaſtl fremd im Elternhauſe; zwar bot das Studium wiſſenſchaftlicher Werke, Erholung und Spazierengehen ge- ſunden Zeitvertreib, aber Kaſtl begann ſich allmählich zu langweilen, das Warten auf Patienten wurde peinlich. Den Ortsvorſteher, den Pfarrer hatte er beſucht, ſich als jungen Doktor vorgeſtellt, auch die Nachbarn aufgeſucht, doch Niemand that ihm den Gefallen, krank zu werden. Aus Gründen des Taktes und der Kollegialität machte Kaſtl auch beim alten Doktor ſeine Aufwartung und hatte das Glück, den Kollegen nicht zuhauſe anzutreffen; er hinterließ ſeine Viſitenkarte und trollte ſich. (Fortſetzung folgt.) ſchränken ſolle unter allgemeiner Anerkennung der Pflicht zur Geheimhaltung. Die Fragen und Ant- worten bezogen ſich auf verſchiedene Ereigniſſe der letzten Jahre aus dem Gebiete der auswärtigen Politik und auf das Stärkeverhältniß der Flotten der größeren Seemächte. Morgen wird die Berathung fortgeſetzt. Freiſinn und Centrum in Schleſien. * Bei einer demnächſt in Liegnitz ſtattfindenden Land- tagserſatzwahl haben, wie man uns ſchreibt, die Centrums- wähler beſchloſſen, den Freiſinnigen ihre Unterſtützung zu ver- ſagen; ebenſo werden ſie bei dem durch die Ungültigkeits- erklärung der drei Breslauer Landtagsmandate nothwendig gewordenen Kampf in der ſchleſiſchen Hauptſtadt mit den Gegnern des Freiſinns zuſammengehen. Sollten infolge einer Auflöſung des Reichstags Neuwahlen zum Reichstag ſtatt- zufinden haben, ſo würden die Freiſinnigen auch dabei die Gegnerſchaft des Centrums zu empfinden haben, was ihnen beſonders ſchmerzlich ſein dürfte, da Schleſien bei den Reichs- tagswahlen ſpeziell dank den Wahlkompromiſſen zwiſchen dem Centrum und der entſchiedenen Linken bisher die ausſichts- reichſte Provinz für den Freiſinn geweſen war. Schon bei den letzten Reichstagswahlen war jedoch das frühere ge- ſchloſſene Zuſammengehen von Freiſinn und Centrum längſt nicht mehr vorhanden, und für die nächſten Reichstagswahlen hat die klerikale Preſſe bereits aus Zorn über das Verhalten der Freiſinnigen bei der dritten Leſung der lex Heinze den Fortſchrittlern den Krieg angekündigt, was den ziemlich ſicheren Verluſt einiger ſchleſiſcher Mandate bedeuten wird. Ueber die Kaiſersgeburtstagsfeier in Samoa wird aus Apia, datirt 10. Februar, folgendes berichtet: Am Morgen des 27. Januar fand in der katholiſchen Kathedrale ein feierliches Hochamt mit darauffolgender deut- ſcher Predigt ſtatt, der auch die Spitzen der deutſchen Be- hörden beiwohnten. Der größere Theil der deutſchen An- ſiedler hatte ſich zu dem zur gleichen Zeit in der deutſchen Schule ſtattfindenden Feſtaktus eingefunden. Um 10 Uhr fand an Bord S. M. S. „Cormoran“ Gottesdienſt ſtatt, zu dem der Kommandant und die Offiziere die deutſchen Ein- wohner und deren Damen, ſowie auch die deutſche Schule eingeladen hatten. Allgemeine Freude erregte die von Kapitän Emsmann den zahlreich verſammelten Anweſenden öffentlich gemachte Mittheilung, daß gemäß einem ihm vom Kaiſer ge- ſandten Telegramm die Hiſſung der deutſchen Flagge bereits im Monat Februar vor ſich gehen würde. Mittags 12 Uhr feuerte S. M. S. „Cormoran“ die vorſchriftsmäßigen 21 Salutſchüſſe und gleich ihm zeigten alle im Hafen befind- lichen Schiffe reichen Flaggenſchmuck. Hierauf empfing der kaiſerliche Konſul Grunow die Beſuche der fremden Konſulu, der Behörden und der überaus zahlreich erſchienenen Ein- wohner, auch der engliſchen. Mataafa mußte ſich krank- heitshalber durch eine Deputation von Häuptlingen vertreten laſſen. Tanu befindet ſich ſchon ſeit mehreren Monaten in Fiji. Von ſeiner Partei ſtellten ſich jedoch 25 Häuptlinge unter Führung ihres Sprechers Tuloa zur Gratulationscour ein. Nachdem Tuloa in feierlicher Rede ſeine und ſeiner Genoſſen Glück- wünſche und Ergebenheit verſichert hatte, geſchah etwas ganz unerwartetes: er legte ſeinen Sprecherſtab (tootoo), das Abzeichen ſeines Amtes und ſeiner Würden, vor dem Konſul nieder und erklärte, daß er damit alle ſeine Aemter und Würden Seiner Majeſtät dem Deut- ſchen Kaiſer zu Füßen lege. — Dieſer Umſtand be- weist, daß die fortgeſetzten Bemühungen des Präſidenten Dr. Solf, auch die Tann-Partei friedlich zu ſtimmen, von Erfolg begleitet ſind, wenn es ihm auch monatelange harte Mühe ge- koſtet hat. Am Abend fand in der Deutſchen Bierhalle ein Kommers ſtatt, zu dem die in Apia anſäſſigen Deutſchen faſt aus- nahmslos erſchienen und von S. M. S. „Cormoran“ der Kommandant, die Offiziere und Deputationen der Deck- und Unter-Offiziere und Mannſchaften eingeladen waren. Den Vorſitz übernahm der Senior der deutſchen Anſiedler, Dr. Funk; indem er ausführte, mit welchen freudigen Hoffnungen und welchem Selbſtbewußtſein wir jetzt in die Zukunft ſchauen könnten, nachdem wir in den ver- gangenen langen Jahren kaum Gleichberechtigung mit den Anſiedlern anderer Nationen beanſpruchen durften. Er gab der Freude beredten Ausdruck, welche alle Deutſchen über die Löſung der Samoa-Frage empfinden, und betonte, daß dieſe Löſung beſonders der perſönlichen Initiative des Kaiſers zu verdanken ſei. Nachdem die begeiſterten Hochrufe verklungen und einige patriotiſche Lieder geſungen waren, ergriff Präſident Dr. Solf das Wort, um den Verſammelten mitzutheilen, daß der Municipalrath vor einigen Tagen ein- ſtimmig den Beſchluß gefaßt habe, dem Kaiſer ſeine Glück- wünſche zu übermitteln. Hierauf verlas Dr. Solf ein von ihm auf Anſuchen des Municipalraths verfaßtes und an die Deutſchen Apia’s gerichtetes Schreiben, in welchem u. a. geſagt war: „Dieſer Beſchluß zeigt, daß der Municipalrath den Vortheil erkennt und würdigt, welcher den Inſeln durch die Uebernahme der Verwaltung durch eine Macht an Stelle der drei Vertrags- mächte zweifellos bevorſteht. Die Stadträthe ſind der Ueber- zeugung, daß die verſchiedenen Wirren, welche während der ver- gangenen Jahre wiederholt ſtattgefunden, und welche eine den reichen Hülfsquellen dieſer fruchtbaren Inſel entſprechende Ent- wicklung verhindert haben, nun ein Ende gefunden haben werden. Hoffnungsvoll ſieht der Stadtrath infolge des eingetretenen Wechſels der Herſtellung geſicherten Friedens und damit verbun- denem Aufblühen der Inſeln entgegen. Die Mitglieder des Municipalraths haben mich beauftragt, auf das ausdrücklichſte zu erklären, daß ſie als Zeichen ihrer übereinſtimmenden Ueber- zeugung, daß das Land unter der kräftigen Herrſchaft des Kaiſers, deſſen Weisheit und Energie einem Jeden bekannt, aufblühen und ſich des Friedens erfreuen werde, die obige Reſolution gefaßt haben und allſeitig und freudig in den Glückwunſch des heutigen Tages einſtimmen: Lange lebe Seine Majeſtät der Kaiſer!“ Dr. Solf fügte dann noch die Bemerkung hinzu: „Sie Alle werden mit mir übereinſtimmen, daß man dieſe einmüthige Kundgebung einer internationalen Körperſchaft, vorgeſchlagen von engliſcher Seite, ſich an einer deutſch-patriotiſchen Feier offiziell zu betheiligen, noch vor kurzem als zum mindeſten höchſt unwahrſcheinlich, wenn nicht unmöglich, gehalten hätte. Laſſen Sie uns denn hierin ein Symbol ſehen des Friedens und der Eintracht, die mit dem ſchwarz-weiß-rothen Banner in unſer ſchönes Inſelreich einziehen.“ — Mit dem morgen fälligen Poſtdampfer werden definitive Inſtruktionen über die bevorſtehende Flaggenhiſſung erwartet und haben die Deutſchen infolge der obigen Reſolution des Stadtraths beſchloſſen, zur Berathung über die zur Feier der Flaggenhiſſung zu veranſtaltenden Feſtlichkeiten und zur Theil- nahme an den letzteren auch die leitenden hieſigen Briten und anderen Nichtdeutſchen aufzufordern. Es ſteht zu hoffen, daß durch dieſes Vorhaben das bereits angebahnte harmoniſche Verhältniß der Angehörigen der verſchiedenen Nationalitäten noch eine Stärkung erfährt. Württemberg: Organiſation des äußeren Dienſtes der Staatseiſenbahnen. u. Die Neuorganiſation des äußeren Staatsbahndienſtes tritt in Württemberg am 1. April d. J. in Kraft. Es werden der Generaldirektion der Staatseiſenbahnen für die Aus- führung und Ueberwachung dieſes äußeren Dienſtes fünf In- ſpektionen (für Betriebs- und Verkehrsabfertigungsdienſt, dann für Bau-, Maſchinenwerkſtätten und Telegraphendienſt) unter- geordnet, außerdem noch eine Inſpektion für die Ausführung des Betriebs der Bodenſee-Dampfſchiffahrt. Die Abgrenzung der Ge- ſchäftskreiſe der einzelnen Dienſtſtellen in ſachlicher und örtlicher Hinſicht, ſowie die Feſtſtellung der Dienſtanweiſungen erfolgt durch das Miniſterium der auswärtigen Angelegenheiten, Abtheilung für die Verkehrsanſtalten. Den örtlichen Betriebs- und Verkehrs- dienſt der Staatseiſenbahnen beſorgen unter Aufſicht der Betriebs- und Bau-Inſpektionen die Bahnſtationen, die in Stationen erſter bis fünfter Klaſſe eingetheilt werden. Die Geſchäftsaufgabe der Betriebs-Oberinſpektoren erleidet im allgemeinen keine Aenderung. Die Betriebsinſpektoren haben als beſondere Aufgabe die Ausführung und Ueberwachung des geſammten Be- triebs-, Verkehrs-, Kaſſen- und Abfertigungsdienſtes, inſoweit nicht einzelne Zweige den Bau-Inſpektionen, Maſchineninſpektionen ꝛc. zugewieſen ſind. Es werden 13 Betriebsinſpektionen, und zwar in Stuttgart, Tübingen, Ulm, Sigmaringen, Mühlacker, Rottweil, Freudenſtadt, Heilbronn, Aalen, Crailsheim, Backnang, Calw und Aulendorf errichtet. Die Damfſchiffahrtsinſpektion iſt in Friedrichshafen. Elſaß-Lothringen: Die Fakultätsfrage. * Es wurde ſchon gemeldet, daß Frhr. v. Hertling demnächſt wieder in Rom eintrifft, um mit dem päpſtlichen Stuhl die Verhandlungen über die Errichtung einer katho- liſch-theologiſchen Fakultät in Straßburg weiter- zuführen. Im Gegenſatz zu einer früheren Mittheilung, wo- nach die Errichtung der Fakultät als geſichert gelten konnte, wird in der „Pol. Korr.“ der Stand der Sache folgender- maßen dargeſtellt: Ueber den Erfolg der jetzigen Aktion könnte Niemand etwas vorausſagen; gewiß ſei, daß ſie auf den ungeſchwächten Widerſtand des elſäſſiſch-katholiſchen Klerus, der das Haupthinderniß der deutſchen Wünſche bildet, ſtoßen wird und daß auch franzöſiſche Einflüſſe ſich geltend machen werden, um ein ſolches Zugeſtändniß an Deutſchland zu hintertreiben. Das bedeute aber keineswegs, daß die Bemühungen des Frhrn. v. Hertling ausſichtslos ſeien, man halte es vielmehr in einem Theile der kirchlichen Kreiſe für ſehr gut möglich, daß ſich der Papſt über alle Gegentendenzen hinwegſetzen und mit der Berliner Regierung über dieſen Plan verſtändigen werde. Frankreich. Antiſemitiſches. — Die „Croix“. — Prinz Kanin. * Paris, 26. März. Drumont preist in der „Libre Parole“ das neueſte Buch ſeines Mitarbeiters Boiſandré an: „Napoléon Antisémite“. Boiſandré ſucht darin nachzu- weiſen, daß Napoleon I. Antiſemit wurde, „als er erkannt hatte, daß die jüdiſche Finanz, hauptſächlich aber Roth- ſchild es war, der das erſte Kaiſerreich zu Falle brachte, indem er den verbündeten Mächten das nöthige Geld lieferte“. Prinz Victor Napoleon, meint der Antiſemitenführer, ſollte das Buch Boiſandré’s leſen und es wohl beherzigen; denn der Prinz ſpricht „ganz verdreht und in voller Ver- kennung des Sachverhaltes“ über den wahren napoleoniſchen Standpunkt gegenüber den Juden. Sollte wirklich der Keim eines bonapartiſchen Komplotts, das ſich auf den Beiſtand der Juden ſtützen würde, beſtehen? Drumont hofft, Prinz Victor werde nun, nachdem er „Napoléon Antisémite“ geleſen, ſich nicht in ein Abentener ſtürzen, das ihm nur Schande eintragen könnte. Die „Croix“ wird fortan wirklich nicht mehr von den Aſſumptioniſten herausgegeben werden. So will es Leo XIII., deſſen häufige Unterredungen mit dem fran- zöſiſchen Botſchafter beim Vatikan, Niſard, unter den römiſchen Prälaten einiges Aufſehen erregt haben ſollen. Der Papſt ſchickt, ſo heißt es, den kampfluſtigen P. Bailly auf Reiſen, und habe ſich dafür von dem Kabinet Wal- deck-Rouſſeau das Verſprechen geben laſſen, es werde die Drohungen gegen die geiſtlichen Genoſſenſchaften nicht aus- führen. Wie es ſich mit dieſem Punkte verhält, wird man wohl bald einmal erfahren. Die franzöſiſchen Klerikalen gehen in ihrem Unmuthe über die Anordnungen des Papſtes ſo weit, zu behaupten, Leo XIII. habe ſich von den jüdiſchen Einflüſſen beſtimmen laſſen, denen es gelungen ſei, ſich bis an den Thron des „Stellvertreters Chriſti“ heranzuſchleichen. Die Ankunft des erſten „fürſtlichen Gaſtes“ für die Weltausſtellung wird gemeldet. Es iſt dies ein Vetter und Adoptiobruder des Kaiſers von Japan, Prinz Kanin. Der Gaſt iſt in Paris, wo er einige Wochen zu verweilen gedenkt, kein Fremder, denn er brachte einſt zehn Jahre zu ſeiner Ausbildung in Frankreich zu, zuerſt in Paris, dann in der Kavallerieſchule zu Saumur und in der Artillerie- ſchule zu Fontainebleau. Der Vatikan und Frankreich. p. c. Paris, 26. März. In den Beziehungen zwiſchen dem Vatikan und der franzöſiſchen Regierung, die von den jüngſten Reibungen zwiſchen Staat und Kirche in Frank- reich nicht unberührt geblieben waren, iſt eine Beſſerung ein- getreten. Die Kurie bemüht ſich eifrig, die katholiſche Partei in den Bahnen der Loyalität gegenüber der Republik zu er- halten. Dieſem Einfluſſe ſei es zu verdanken, daß die Agi- tation, die im Aſſumptioniſtenprozeſſe ihren Urſprung nahm, nunmehr zum Stillſtand gekommen iſt. Beim Empfange mehrerer franzöſiſcher Biſchöfe hat der Papſt kürzlich der Zu- verſicht auf die Herſtellung vollſtändigen religiöſen Friedens in Frankreich und die Beſſerung der Verhältniſſe zwiſchen der Republik und dem Vatikan Ausdruck gegeben. In Aner- kennung dieſes Verhaltens und des bezeichneten Erfolges des heiligen Stuhles ſoll das Pariſer Kabinet, wie verlantet, auf der Forderung betreffend die Abſetzung der Biſchöfe von Aix und Valeuce nicht mehr beſtehen. _

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 85, 28. März 1900, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine85_1900/3>, abgerufen am 21.11.2024.