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Allgemeine Zeitung, Nr. 86, 29. März 1900.

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Nr. 86. München, Donnerstag Allgemeine Zeitung 29. März 1900.
[Spaltenumbruch]

v. Kardorff (Reichsp.) ist zwar mit der Flottenagitation
nicht vollkommen einverstanden, will aber für die Vorlage
stimmen, weil die Flotte zur Aufrechterhaltung des Friedens
nothwendig sei. -- Abg. Frese (Freis. Vgg.) erblickt in der
Vorlage nicht, wie Abg. Richter, unmögliche Zukunftspläne.
Die Vorlage ziehe einen Wechsel auf die Zukunft, den man
heute discontiren könne. -- Abg. Müller-Fulda (Centr.)
führt aus, die Nothwendigkeit der verlangten Auslandsschiffe
erscheine ihm nicht erwiesen, zumal die vermehrte Schlacht-
flotte in ihrem Reservematerial Kräfte genug zur Verstärkung
der Vertretung im Auslande enthalte.

Staatssekretär Graf Bülow betont mehrmals den
lediglich defensiven Charakter der Vorlage allen Mächten
gegenüber. Der deutschen Politik lägen aggressive Tendenzen
fern. Es werde ja sogar im Reichstag und in einem Theil
der Presse zuweilen der Vorwurf erhoben, unsre auswärtige
Politik sei zu vorsichtig. Dieser Vorwurf sei ebenso unbe-
gründet, wie derjenige phantastischer Pläne und eines unbe-
sonnenen Vorgehens. Die deutsche Politik verfolge das Ziel,
den Frieden aufrechtzuerhalten und die Würde des
Reiches zu wahren.
Dazu sei nicht nur diplomatische
Umsicht, sondern auch ein ausreichendes Maß von
materieller Macht
erforderlich. Die Schwäche des Einen
reize zu Uebergriffen Anderer. Er stehe noch auf dem Stand-
punkt, daß wegen geringfügiger Ursachen einen großen Krieg
zu entfesseln, in hohem Grade ruchlos gewesen wäre; es sei
aber immer mit der Möglichkeit zu rechnen, daß man
versuchen könnte, uns Beleidigungen zuzufügen, die
ein Volk wie das deutsche nicht acceptiren dürfe

und die hinzunehmen er, der Staatssekretär, jedenfalls nicht
gesonnen sei. Seit den 70er und 80er Jahren, in denen
Fürst Bismarck eine kleine Flotte noch für genügend er-
achten konnte, hätten sich die Verhältnisse bedeutend geändert.
Mit dem Aufschwung des Handels und der Entwicklung
unsrer industriellen und überseeischen Interessen vermehrten
sich die politischen Reibungsflächen. Wenn Fürst Bis-
marck
1885 eine deutsche Flotte in der ungefähren
Stärke der amerikanischen
für ausreichend hielt, so ist
bereits das eine Verschiedenartigkeit der damaligen von der
jetzigen Lage; denn inzwischen hätten gerade die Ver-
einigten Staaten
die früheren Bahnen verlassen und sich
zur See erheblich stärker gemacht. Auch die englische
Politik sei seitdem eine andere geworden. Bis in die 70 er
und 80 er Jahre habe sie das Prinzip der Nichtintervention
verfolgt; gegenwärtig fasse die imperialistische Strömung in
England mehr und mehr Boden. Eine der Hauptsorgen der
deutschen Politik sei, gute Beziehungen zu allen
Mächten
zu unterhalten. Selbstverständlich wären solche
nur möglich auf der Grundlage vollster Gegenseitigkeit
und gegenseitiger Rücksichtnahme. Die offiziellen Be-
ziehungen wären durchweg die besten, aber die Zeiten der
Kabinetspolitik wären geschwunden und die Volksleiden-
schaften
mehr und mehr als einflußreicher Faktor in den
Vordergrund getreten. Deßhalb sei es unumgänglich, unsre
materiellen Machtmittel zur Sicherung des Friedens zu ver-
mehren.

Abg. Bebel (Soz.) meint, die Völker trieben die Flotten-
lasten gegenseitig in die Höhe. Verhältnißmäßig seien Deutsch-
lands See-Interessen besser geschützt als die englischen und
Deutschlands Küsten besser als die französischen. Wenn
Deutschland Krieg führe, werde die Entscheidung immer zu
Lande erfolgen. Wenn aber einmal eine Flottenvermehrung
nöthig werde, müsse sie in einer Verstärkung der Auslands-
flotte bestehen. -- Abg. Gröber (Centr.) bemerkt, die Aeuße-
rungen des Grafen Bülow hätten ihn beruhigt, doch sei
eine Expansion unsrer Auslandspolitik keineswegs gefahrlos.
Wenn Abg. Richter der Flottenvermehrung an sich nicht ab-
geneigt sei und nur keine lange Bindung wolle, so sei dies
ein werthvolles Zugeständniß. Bezüglich der Ausführung des
Flottenprogramms behalte der Reichstag ja freie Hand.
Redner betont, er wolle sich hier zunächst informiren; das
Votum der Kommissionsmitglieder binde die Parteien in
keiner Weise. -- Abg. Roeren (Centr.) bezweifelt noch die
Nothwendigkeit einer Vermehrung der Schlachtflotte. Das
Gesetz enthalte eine schwerwiegende Bindung, es sei keine Nonelle,
sondern hebe das alte Gesetz auf. -- Abg. Richter (Frs. Volksp.)
will die Frage der Vermehrung der Auslandsschiffe der
Etatberathung vorbehalten, er bekämpfe nicht jede Flottenver-
mehrung, halte aber das gegenwärtige durch die Ersatzpflicht
der Schiffe gegebene Arbeitspensum für genügend. -- Abg.
Prinz Arenberg (Centr.) meint, die Verhältnisse der Gegen-
wart böten, wie aus der Rede des Grafen Bülow hervor-
gehe, einen starken Impuls, für die Vorlage einzutreten. Da-
her sei die eifrige Flottenagitation überflüssig und schädlich.
-- Abg. Müller-Fulda (Centr.) bekämpft Bebels Auf-
fassung betreffs der gegenwärtigen Seerüstung Deutschlands,
empfiehlt aber Vorsicht angesichts der Höhe der Forderungen.
Vielleicht sei die Ersatzpflicht kleiner Kreuzer hinauszuschieben.

Zu der Frage, welche Steigerungen der sonstigen
Reichsausgaben
bis 1920 wahrscheinlich zu erwarten
sind, erklärte Staatssekretär Frhr. v. Thielmann,
diese Frage sei bei der Verschiedenheit der in ihr zusammen-
gefaßten Materien schwer zu beantworten. Er werde die be-
theiligten Ressorts zu Rathe ziehen. Die Entwicklung der
Einnahmen in den letzten Jahren weise darauf hin, daß
neben den Erfordernissen für die Marine noch
ein erheblicher Posten für andere Bedürfnisse
frei bleiben werde.
Der Staatssekretär wies dies im
einzelnen ziffernmäßig nach und Abg. Gröber sprach die
Bitte aus, diese Ziffern dem Protokoll beizufügen.

Die nächste Sitzung findet morgen statt.

Sachsen: Sozialdemokratische Gemeindepolitik.

a. Die "Sächs. Arbeiterztg." veröffentlicht einen sechs
Spalten langen Bericht über die Konferenz von 90 sozial-
demokratischen Gemeindevertretern
Sachsens, die
am vergangenen Sonntag in Chemnitz den Entwurf eines
Gemeinde wahlprogramms zu berathen hatten. Der
vom Zentral-Agitationskomitee der sächsischen Sozialdemo-
[Spaltenumbruch] kraten ausgearbeitete, seinerzeit von uns beleuchtete Entwurf
eines Gemeindewahlprogramms ist in Chemnitz jetzt noch
radikaler
gestaltet worden. Das Wahlrecht zu den Ge-
meindevertretungen soll nämlich nicht nur unter Anwendung
des Proportionalwahlsystems für alle mündigen Einwohner
ohne Unterschied des Geschlechts allgemein, geheim und direkt
sein; es soll nicht nur durch den Empfang irgendwelcher
Unterstützung aus öffentlichen Mitteln nicht beschränkt werden,
sondern es ist auch die Abschaffung der getrennten
Kollegien
und ihre Zusammenlegung zu einem von allen
mündigen Gemeindemitgliedern gewählten Gemeinderath be-
schlossen worden! Damit wäre denn das Ideal einer Ge-
meindevertretung erreicht, die vollständig unter der Herrschaft
der Masse stünde. Denn auch das Bestätigungsrecht des Staates
gegenüber den Gemeindebeamten hat die Chemnitzer Konferenz, ent-
sprechend den Vorschlägen des Zentral-Agitationskomitees, be-
seitigt. Eine weitere Radikalisirung des ursprünglichen Entwurfs
beschloß die Konferenz durch die Annahme der Forderung, die
von den Gemeindevertretern des vierten sächsischen Reichstags-
wahlkreises in Bezug auf die Verleihung der Immunität an
die Gemeindevertreter gestellt war. Durch diesen Beschluß
wäre der Verwilderung des öffentlichen Lebens in der Ge-
meinde Thür und Thor geöffnet; denn auch die ärgsten Ver-
hetzungen und Entstellungen sozialdemokratischer Agitatoren
in der Gemeindevertretung würden dann straflos bleiben.
Welchen Grad der Gleichheitsfanatismus in der Sozial-
demokratie erreicht hat, zeigt der Antrag des Krimitschauer
"Genossen", von Gemeinde wegen eine einheitliche Todten-
bestattung
herbeizuführen. "Genosse" Schulze, Cossebaude,
erwies sich als ein verständiger Herr, indem er den Krimi-
tschauer Antrag mit dem Bemerken ablehnte, das Todtenkleid
könne nicht vorgeschrieben werden, man dürfe nur die Unent-
geltlichkeit der Bestattung verlangen. Genosse Meiser, Krimi-
tschau, dagegen befürchtete von dieser Beschränkung, daß sie noch
immer die Möglichkeit erhalte, den Arbeiter ganz einfach, den
Kommerzienrath aber mit großem Pomp zu beerdigen. "Dieser
Zustand müsse beseitigt werden." -- Wenn die Konferenz
den Krimitschauer Antrag verwarf, so bewährte sie in diesem
Punkte wenigstens ein Maß von Einsicht und Selbstbeschrän-
kung, das von der überwältigenden Mehrheit ihrer übrigen
Beschlüsse sich sehr vortheilhaft abhebt.

Oesterreich-Ungarn.
Landtage.

* Seit Montag ist die Mehrzahl der österreichischen
Landtage versammelt, der Zusammentritt vollzog sich überall,
auch in Prag, geschäftsmäßig und ohne Zwischenfall. Die
politischen Fragen dürsten diesmal nicht in dem Maße wie in
den letzten Jahren die Verhandlungen beherrschen, dagegen
werden die wirthschaftlichen Fragen in den Vordergrund
treten, insbesondere wird man sich, und zwar hauptsächlich
im böhmischen und mährischen Landtag, mit dem Ausstand
der Kohlenarbeiter
und den damit zusammenhängenden
Angelegenheiten zu beschäftigen haben. Im böhmischen Land-
tag liegt bereits eine Interpellation von dentschfortschrittlicher
Seite vor, worin gefragt wird, was die Regierung unter-
nehmen wolle, um der Kohlennoth zu steuern und der wuche-
rischen Preissteigerung der Kohle wirksam entgegenzutreten.
Die entscheidenden Fragen betreffs gesetzlicher Negelung der
Arbeitszeit im Bergbau u. s. w. liegen aber natürlich außer-
halb der landtäglichen Kompetenz. Ganz von der Diskussion
ausgeschlossen bleiben freilich die politischen und natio-
nalen
Augelegenheiten voranssichtlich nicht, wie wenig das
auch der Regierung angenehm sein mag. Diese hat es unter-
lassen, im böhmischen Landtag eine Vorlage über den Sprachen-
gebrauch bei den autonomen Behörden Böhmens einzubringen,
obgleich ja der bezügliche Entwurf von der Verständigungs-
konferenz so gut wie vollständig ausgearbeitet und genehmigt
worden. Dagegen wurden von den Parteien, Deutschen und
Tschechen, eine ganze Reihe von Anträgen gestellt, die sich
auf auch in der Konferenz behandelte Gegenstände -- tschechische
Sprache bei den Gerichten und Staatsbehörden Böhmens,
Fortsetzung der Abgrenzungsarbeiten, Errichtung von Land-
tagskurien u. s. w. -- beziehen, aber die Ergebnisse der Kon-
ferenzverhandlungen anscheinend unberücksichtigt lassen. Die
dentsch-volklichen und dentsch-radikalen Abgeordneten Böhmens
scheinen in Zukunft einen engeren Verband bilden zu wollen;
in Sachen der Auftheilung der Kommissionsmandate (welche
übrigens zwischen Tschechen, Deutschen und Großgrundbesitzern
nach dem früher angewandten Schlüssel anstandslos geregelt
wurde) sind sie wie eine einheitliche Gruppe vorgegangen.
Einige Landtage werden auch heuer Rumpflandtage
bleiben, so der Tiroler, der steierische und der istrische.
Die Abgeordneten aus Italienisch-Tirol wollen vorläufig bei
der seit zehn Jahren geübten Abstinenz bleiben. Im Vor-
jahre haben sie durch die Verhandlungen über die wälsch-
tiroler Autonomiefragen erreicht, daß ihnen die Landtags-
mandate nicht wegen des andauernden Fernbleibens entzogen
wurden. Jüngst wurden neue Verhandlungen angeknüpft, die an
sich bisher abermals ohne Erfolg blieben, aber doch wiederum den
Italienern die Mandate retten dürften. Ist die Session vorüber,
wird die Autonomiefrage wohl wieder für ein Jahr ruhen
gelassen. Von Neuwahlen hofft man vorläufig keinen Um-
schwung der übeln Situation. Im steierischen Landtag
sind die Slovenen bisher nicht erschienen und haben be-
schlossen, den Verhandlungen überhaupt fern zu bleiben; als
Grund geben sie an "das rücksichtslose und ungerechte Vor-
gehen der deutschen Landtagsmajorität und des Landesaus-
schusses gegen das slovenische Volk in Untersteier sowohl in
nationalen als auch in kulturellen und wirthschaftlichen An-
gelegenheiten". Der istrische Landtag ist noch gar nicht ein-
berufen worden, da der Konflikt zwischen Italienern und
Slaven noch nicht gelöst ist. Die Einberufung wird aber
trotzdem binnen kurzem erwartet, und zwar nach Parenzo,
dem gesetzlichen Versammlungsort, da die Slaven die Abstinenz
auf jeden Fall aufrecht erhalten wollen. Die letzten Sessionen
tagten in Pola, bezw. in Capo d'Istria und die Regierung
wäre auch bereit, den Landtagssitz desinitiv nach Pola zu
verlegen, wegen der slavischen Abstinenz aber ist die für eine
solche Aenderung erforderliche qualifizirte Majorität im Landtag
nicht aufzubringen.

Flüssigmachung der neuen Militärgagen.

* Nach dem nunmehr im ungarischen Reichstag erledigten
Budget des Honvedministeriums wird für die Offiziere
und Beamten der kgl. ungarischen Landwehr die-
selbe Aufbesserung der Gagen eingestellt, wie für die
Offiziere des Heeres. Mit der Annahme dieser Budget-
forderung ist das letzte Hinderniß beseitigt, welches bisher
gegen die Flüssigmachung der neuen Gagen bestanden hat.
Es ist danach zu erwarten, daß mit der Auszahlung der
Nachträge und neuen Gagen längstens mit 1. Mai begonnen
werden kann.

[Spaltenumbruch]
Nationale Regungen unter den südungarischen Deutschen.

Im eigentlichen Südungarn,
im Temescher Banat und in der Bacschka, leben nach der
amtlichen Volkszählung vom Jahre 1891 über 580,000
Deutsche, deren Anzahl heute sicherlich die Ziffer von 600,000
weit überschritten hat. Diese südungarischen Deutschen sind
Nachkommen jener Kolonisten, welche im vorigen Jahrhundert
auf Regierungskosten in den menschenleeren und verödeten
Landstrichen an der türlischen Grenze angesiedelt worden
waren. Die meisten dieser Kolonisten stammten aus Süd-
und Südwestdeutschland und gehören zum überwiegenden Theil
dem schwäbischen Volksstamm an. Diese Schwaben haben
durch ihren Fleiß und ihre Betriebsamkeit aus dem ver-
sumpften Boden die "Kornkammer Ungarns" geschaffen, haben
eine Reihe blühender Städte und Dörfer ins Leben gerufen
und sind selbst zu erheblichem Wohlstand gelangt. Infolge
des reichen Kindersegens und ihrer geregelten Lebensweise
hat sich ihre Zahl ungemein vermehrt, so daß sie allmählich
die in ihrer Mitte befindlichen rumänischen und serbischen
Ortschaften occupirten und so auch ihren Besitz beträchtlich
vergrößerten. Die deutschen Kolonisten waren von Anbeginn
persönlich freie Leute, besaßen aber bis zum Jahre 1848
keine politischen Rechte; infolgedessen bekümmerten sie sich
auch wenig um die öffentlichen Angelegenheiten im Komitat
und im Lande, nur für die Interessen ihrer Gemeinde traten
sie stets mit großem Eifer ein. Diese deutschen Gemeinden
zeigen auch in der Regel musterhafte Ordnung. Deßgleichen
waren die Schwaben jederzeit stolz auf ihre guten deutschen
Schulen. Ihr Volksbewußtsein als Deutsche kam wenig
zur Geltung; sie hielten mehr instinktiv an ihrem angestammten
Deutschthum fest, das sie indessen stets höher stellten als das
nichtdeutsche Volksthum in ihrer Nachbarschaft. Daß sie
Deutsche sind und es bleiben, war ihnen eine selbstverständ-
liche Sache, wie die Luft, die sie einathmeten. Im übrigen
verhielten sie sich in politischen wie in nationalen Dingen
auch dann noch gleichgültig, als sie in den Besitz der poli-
tischen Vollbürgerrechte gelangt waren. Sie erwiesen sich
nach wie vor als getreue und loyale Staatsbürger, als
pünktliche Steuerzahler, als ruhige, ordnungsliebende Leute. In
diesem Zustand ist nun in neuerer Zeit eine Wendung ein-
getreten: die politisch und national indifferenten Schwaben
haben ihre Aufmerksamkeit nach und nach auch den öffent-
lichen Dingen im Staatsleben zugewendet und sind in dem
Getriebe der Parteien auch zum eigenen nationalen
Selbstbewußtsein
gekommen. Dieses Erwachen des
schlummernden Volksthums ist großentheils ein Werk des
extremen Magyarismus, der die friedliche Natur des
südungarischen Schwaben gleichfalls für seine entnationali-
sirenden Angliederungszwecke ausbeuten will. Das deutsche
Bürgerthum in den Städten und Märkten Südungarns hat
unter dieser Einwirkung manche empfindliche Einbuße erlitten;
bei den Banern auf dem Lande ist der Erfolg ein ganz
unerwarteter gewesen. Der rücksichtslos vordringende Chau-
vinismus in der Verwaltung und Gerichtspflege, im
Komitat und selbst in der Gemeinde, sowie in Schule und
Kirche hat die Geduld und Langmuth des Schwaben
endlich erschöpft und es ist in ihm der Deutsche er-
wacht.
Dieser fortschreitenden nationalen Regung kommen
jetzt bereits mehrere Zeitungen richtungweisend zuhülfe.
Ebenso haben die fast in jedem größeren Ort veranstalteten
Lesevereine, Wandervorträge, Volksversammlungen u. s. w.
das Gemeingefühl geweckt und gefördert. Der Ruf der deutschen
Siege im Krieg wie im Frieden ist ebenfalls nicht ohne
mächtigen Eindruck geblieben; denn diese Schwaben hören
noch gern "vom Reich" erzählen und haben ihre Herkunft
von dort in Erinnerung. In einigen Städten, wie Weiß-
kirchen, Paneschowa, Groß-Kikinda sind die deutschen Bürger
für die Erhaltung ihres angestammten Volksthums in Ge-
meinde und Schule entschieden eingetreten, auch in Temeschwar
und Werschetz besinnt sich das überlistete oder überraschte
deutsche Bürgerthum seiner Nationalität und sucht das ver-
lorene Terrain wieder zu gewinnen. Das ist sicherlich ein
schweres Stück Arbeit. In neuester Zeit erweckte ziemliches
Aufsehen ein "Aufruf" der deutschen Studenten aus
Ungarn an der Hochschule in Wien, womit die studirende
deutsche Jugend aus den Ländern der ungarischen Krone auf-
gefordert wird, "einen Verein zu gründen, der es sich zur
Aufgabe stellt, im Bund mit den Siebenbürger Sachsen den
Muth unsrer strammdeutschen Väter im heiligen Kampf für
die Erhaltung unsrer deutschen Eigenart und
Muttersprache
aufs neue zu entflammen, die Wankenden
zu stärken und die Treugebliebenen dem Verdacht der Ent-
völklichung zu entziehen". Der etwas überschwänglich ab-
gefaßte "Aufruf" wurde von einem großen Theil der hiesigen
Tagespresse und auch im Reichstag auf das heftigste an-
gegriffen und als "unpatriotisch", ja als "vaterlands-
verrätherisch" verurtheilt. Die Thatsachen lassen sich jedoch
nicht hinwegleugnen, sie sollten vielmehr eine ernste Mahnung
dafür sein, daß dem verfolgungsfüchtigen Treiben des extremen
magyarischen Nationalismus möglichst bald Einhalt gethan
werde; denn er bedroht ganz erustlich den Frieden im Land.

Frankreich.
Geschäftsfrömmigkeit. -- Maßregelung von Orden.

Jetzt wissen wir, weßhalb die
Assumptionisten solches Pech haben. Weil sie, wie die
"Croix" sagt, im Drauge der vielen Geschäfte es voriges
Jahr unterließen, Pilgerzüge nach Lourdes und
nach Jerusalem zu führen. Die feierlichen Wallfahrten
sind, nach Ansicht der "Croix", "die übernatürliche
Impfung gegen große Uebel",
und daher bereiten
viele Leute, welche diese "übernatürliche Impfung" richtig
erfassen, sich jetzt mehr als je darauf vor, am 25. April eine
Wallfahrt nach Jerusalem anzutreten, auf daß ihnen, ihren
Geschäften und Frankreich eine bessere Zukunft leuchte. Dies-
mal wird P. Bailly nicht auf dem "Kampfposten" an der
Spitze der Bußpilger fehlen, und im August wird P. Picard
in der Grotte von Lourdes erscheinen. Wir werden sehen,
ob dann der Weizen der Assumptionisten und anderer Ordens-
brüder blühen wird.

Wie der "Siecle" berichtet, hat der Ministerpräsident
Waldeck-Rousseau gegen eine aus Italienern und
Deutschen bestehende geistliche Genosseuschaft, die
sich in der Nähe von Barcelonnette (Niederalpen) angesiedelt
hatte, einen Ausweisungsbefehl erlassen. Dieser wurde
binnen zwei Tagen durchgeführt. Die Kongregation war
eine Filiale des Trinitarierordens und soll sich an den
politischen Parteikämpfen in einer Weise betheiligt haben,
welche höheren Orts Anstoß erregte. Einem Winke der Re-
gierung folgend hatte der Bischof von Digne den fremden
Mönchen gerathen, das französische Gebiet zu meiden, und
da sie dies nicht thaten, schiebt sie die Regierung selbst ab.

Nr. 86. München, Donnerſtag Allgemeine Zeitung 29. März 1900.
[Spaltenumbruch]

v. Kardorff (Reichsp.) iſt zwar mit der Flottenagitation
nicht vollkommen einverſtanden, will aber für die Vorlage
ſtimmen, weil die Flotte zur Aufrechterhaltung des Friedens
nothwendig ſei. — Abg. Freſe (Freiſ. Vgg.) erblickt in der
Vorlage nicht, wie Abg. Richter, unmögliche Zukunftspläne.
Die Vorlage ziehe einen Wechſel auf die Zukunft, den man
heute discontiren könne. — Abg. Müller-Fulda (Centr.)
führt aus, die Nothwendigkeit der verlangten Auslandsſchiffe
erſcheine ihm nicht erwieſen, zumal die vermehrte Schlacht-
flotte in ihrem Reſervematerial Kräfte genug zur Verſtärkung
der Vertretung im Auslande enthalte.

Staatsſekretär Graf Bülow betont mehrmals den
lediglich defenſiven Charakter der Vorlage allen Mächten
gegenüber. Der deutſchen Politik lägen aggreſſive Tendenzen
fern. Es werde ja ſogar im Reichstag und in einem Theil
der Preſſe zuweilen der Vorwurf erhoben, unſre auswärtige
Politik ſei zu vorſichtig. Dieſer Vorwurf ſei ebenſo unbe-
gründet, wie derjenige phantaſtiſcher Pläne und eines unbe-
ſonnenen Vorgehens. Die deutſche Politik verfolge das Ziel,
den Frieden aufrechtzuerhalten und die Würde des
Reiches zu wahren.
Dazu ſei nicht nur diplomatiſche
Umſicht, ſondern auch ein ausreichendes Maß von
materieller Macht
erforderlich. Die Schwäche des Einen
reize zu Uebergriffen Anderer. Er ſtehe noch auf dem Stand-
punkt, daß wegen geringfügiger Urſachen einen großen Krieg
zu entfeſſeln, in hohem Grade ruchlos geweſen wäre; es ſei
aber immer mit der Möglichkeit zu rechnen, daß man
verſuchen könnte, uns Beleidigungen zuzufügen, die
ein Volk wie das deutſche nicht acceptiren dürfe

und die hinzunehmen er, der Staatsſekretär, jedenfalls nicht
geſonnen ſei. Seit den 70er und 80er Jahren, in denen
Fürſt Bismarck eine kleine Flotte noch für genügend er-
achten konnte, hätten ſich die Verhältniſſe bedeutend geändert.
Mit dem Aufſchwung des Handels und der Entwicklung
unſrer induſtriellen und überſeeiſchen Intereſſen vermehrten
ſich die politiſchen Reibungsflächen. Wenn Fürſt Bis-
marck
1885 eine deutſche Flotte in der ungefähren
Stärke der amerikaniſchen
für ausreichend hielt, ſo iſt
bereits das eine Verſchiedenartigkeit der damaligen von der
jetzigen Lage; denn inzwiſchen hätten gerade die Ver-
einigten Staaten
die früheren Bahnen verlaſſen und ſich
zur See erheblich ſtärker gemacht. Auch die engliſche
Politik ſei ſeitdem eine andere geworden. Bis in die 70 er
und 80 er Jahre habe ſie das Prinzip der Nichtintervention
verfolgt; gegenwärtig faſſe die imperialiſtiſche Strömung in
England mehr und mehr Boden. Eine der Hauptſorgen der
deutſchen Politik ſei, gute Beziehungen zu allen
Mächten
zu unterhalten. Selbſtverſtändlich wären ſolche
nur möglich auf der Grundlage vollſter Gegenſeitigkeit
und gegenſeitiger Rückſichtnahme. Die offiziellen Be-
ziehungen wären durchweg die beſten, aber die Zeiten der
Kabinetspolitik wären geſchwunden und die Volksleiden-
ſchaften
mehr und mehr als einflußreicher Faktor in den
Vordergrund getreten. Deßhalb ſei es unumgänglich, unſre
materiellen Machtmittel zur Sicherung des Friedens zu ver-
mehren.

Abg. Bebel (Soz.) meint, die Völker trieben die Flotten-
laſten gegenſeitig in die Höhe. Verhältnißmäßig ſeien Deutſch-
lands See-Intereſſen beſſer geſchützt als die engliſchen und
Deutſchlands Küſten beſſer als die franzöſiſchen. Wenn
Deutſchland Krieg führe, werde die Entſcheidung immer zu
Lande erfolgen. Wenn aber einmal eine Flottenvermehrung
nöthig werde, müſſe ſie in einer Verſtärkung der Auslands-
flotte beſtehen. — Abg. Gröber (Centr.) bemerkt, die Aeuße-
rungen des Grafen Bülow hätten ihn beruhigt, doch ſei
eine Expanſion unſrer Auslandspolitik keineswegs gefahrlos.
Wenn Abg. Richter der Flottenvermehrung an ſich nicht ab-
geneigt ſei und nur keine lange Bindung wolle, ſo ſei dies
ein werthvolles Zugeſtändniß. Bezüglich der Ausführung des
Flottenprogramms behalte der Reichstag ja freie Hand.
Redner betont, er wolle ſich hier zunächſt informiren; das
Votum der Kommiſſionsmitglieder binde die Parteien in
keiner Weiſe. — Abg. Roeren (Centr.) bezweifelt noch die
Nothwendigkeit einer Vermehrung der Schlachtflotte. Das
Geſetz enthalte eine ſchwerwiegende Bindung, es ſei keine Nonelle,
ſondern hebe das alte Geſetz auf. — Abg. Richter (Frſ. Volksp.)
will die Frage der Vermehrung der Auslandsſchiffe der
Etatberathung vorbehalten, er bekämpfe nicht jede Flottenver-
mehrung, halte aber das gegenwärtige durch die Erſatzpflicht
der Schiffe gegebene Arbeitspenſum für genügend. — Abg.
Prinz Arenberg (Centr.) meint, die Verhältniſſe der Gegen-
wart böten, wie aus der Rede des Grafen Bülow hervor-
gehe, einen ſtarken Impuls, für die Vorlage einzutreten. Da-
her ſei die eifrige Flottenagitation überflüſſig und ſchädlich.
— Abg. Müller-Fulda (Centr.) bekämpft Bebels Auf-
faſſung betreffs der gegenwärtigen Seerüſtung Deutſchlands,
empfiehlt aber Vorſicht angeſichts der Höhe der Forderungen.
Vielleicht ſei die Erſatzpflicht kleiner Kreuzer hinauszuſchieben.

Zu der Frage, welche Steigerungen der ſonſtigen
Reichsausgaben
bis 1920 wahrſcheinlich zu erwarten
ſind, erklärte Staatsſekretär Frhr. v. Thielmann,
dieſe Frage ſei bei der Verſchiedenheit der in ihr zuſammen-
gefaßten Materien ſchwer zu beantworten. Er werde die be-
theiligten Reſſorts zu Rathe ziehen. Die Entwicklung der
Einnahmen in den letzten Jahren weiſe darauf hin, daß
neben den Erforderniſſen für die Marine noch
ein erheblicher Poſten für andere Bedürfniſſe
frei bleiben werde.
Der Staatsſekretär wies dies im
einzelnen ziffernmäßig nach und Abg. Gröber ſprach die
Bitte aus, dieſe Ziffern dem Protokoll beizufügen.

Die nächſte Sitzung findet morgen ſtatt.

Sachſen: Sozialdemokratiſche Gemeindepolitik.

α. Die „Sächſ. Arbeiterztg.“ veröffentlicht einen ſechs
Spalten langen Bericht über die Konferenz von 90 ſozial-
demokratiſchen Gemeindevertretern
Sachſens, die
am vergangenen Sonntag in Chemnitz den Entwurf eines
Gemeinde wahlprogramms zu berathen hatten. Der
vom Zentral-Agitationskomitee der ſächſiſchen Sozialdemo-
[Spaltenumbruch] kraten ausgearbeitete, ſeinerzeit von uns beleuchtete Entwurf
eines Gemeindewahlprogramms iſt in Chemnitz jetzt noch
radikaler
geſtaltet worden. Das Wahlrecht zu den Ge-
meindevertretungen ſoll nämlich nicht nur unter Anwendung
des Proportionalwahlſyſtems für alle mündigen Einwohner
ohne Unterſchied des Geſchlechts allgemein, geheim und direkt
ſein; es ſoll nicht nur durch den Empfang irgendwelcher
Unterſtützung aus öffentlichen Mitteln nicht beſchränkt werden,
ſondern es iſt auch die Abſchaffung der getrennten
Kollegien
und ihre Zuſammenlegung zu einem von allen
mündigen Gemeindemitgliedern gewählten Gemeinderath be-
ſchloſſen worden! Damit wäre denn das Ideal einer Ge-
meindevertretung erreicht, die vollſtändig unter der Herrſchaft
der Maſſe ſtünde. Denn auch das Beſtätigungsrecht des Staates
gegenüber den Gemeindebeamten hat die Chemnitzer Konferenz, ent-
ſprechend den Vorſchlägen des Zentral-Agitationskomitees, be-
ſeitigt. Eine weitere Radikaliſirung des urſprünglichen Entwurfs
beſchloß die Konferenz durch die Annahme der Forderung, die
von den Gemeindevertretern des vierten ſächſiſchen Reichstags-
wahlkreiſes in Bezug auf die Verleihung der Immunität an
die Gemeindevertreter geſtellt war. Durch dieſen Beſchluß
wäre der Verwilderung des öffentlichen Lebens in der Ge-
meinde Thür und Thor geöffnet; denn auch die ärgſten Ver-
hetzungen und Entſtellungen ſozialdemokratiſcher Agitatoren
in der Gemeindevertretung würden dann ſtraflos bleiben.
Welchen Grad der Gleichheitsfanatismus in der Sozial-
demokratie erreicht hat, zeigt der Antrag des Krimitſchauer
„Genoſſen“, von Gemeinde wegen eine einheitliche Todten-
beſtattung
herbeizuführen. „Genoſſe“ Schulze, Coſſebaude,
erwies ſich als ein verſtändiger Herr, indem er den Krimi-
tſchauer Antrag mit dem Bemerken ablehnte, das Todtenkleid
könne nicht vorgeſchrieben werden, man dürfe nur die Unent-
geltlichkeit der Beſtattung verlangen. Genoſſe Meiſer, Krimi-
tſchau, dagegen befürchtete von dieſer Beſchränkung, daß ſie noch
immer die Möglichkeit erhalte, den Arbeiter ganz einfach, den
Kommerzienrath aber mit großem Pomp zu beerdigen. „Dieſer
Zuſtand müſſe beſeitigt werden.“ — Wenn die Konferenz
den Krimitſchauer Antrag verwarf, ſo bewährte ſie in dieſem
Punkte wenigſtens ein Maß von Einſicht und Selbſtbeſchrän-
kung, das von der überwältigenden Mehrheit ihrer übrigen
Beſchlüſſe ſich ſehr vortheilhaft abhebt.

Oeſterreich-Ungarn.
Landtage.

* Seit Montag iſt die Mehrzahl der öſterreichiſchen
Landtage verſammelt, der Zuſammentritt vollzog ſich überall,
auch in Prag, geſchäftsmäßig und ohne Zwiſchenfall. Die
politiſchen Fragen dürſten diesmal nicht in dem Maße wie in
den letzten Jahren die Verhandlungen beherrſchen, dagegen
werden die wirthſchaftlichen Fragen in den Vordergrund
treten, insbeſondere wird man ſich, und zwar hauptſächlich
im böhmiſchen und mähriſchen Landtag, mit dem Ausſtand
der Kohlenarbeiter
und den damit zuſammenhängenden
Angelegenheiten zu beſchäftigen haben. Im böhmiſchen Land-
tag liegt bereits eine Interpellation von dentſchfortſchrittlicher
Seite vor, worin gefragt wird, was die Regierung unter-
nehmen wolle, um der Kohlennoth zu ſteuern und der wuche-
riſchen Preisſteigerung der Kohle wirkſam entgegenzutreten.
Die entſcheidenden Fragen betreffs geſetzlicher Negelung der
Arbeitszeit im Bergbau u. ſ. w. liegen aber natürlich außer-
halb der landtäglichen Kompetenz. Ganz von der Diskuſſion
ausgeſchloſſen bleiben freilich die politiſchen und natio-
nalen
Augelegenheiten voransſichtlich nicht, wie wenig das
auch der Regierung angenehm ſein mag. Dieſe hat es unter-
laſſen, im böhmiſchen Landtag eine Vorlage über den Sprachen-
gebrauch bei den autonomen Behörden Böhmens einzubringen,
obgleich ja der bezügliche Entwurf von der Verſtändigungs-
konferenz ſo gut wie vollſtändig ausgearbeitet und genehmigt
worden. Dagegen wurden von den Parteien, Deutſchen und
Tſchechen, eine ganze Reihe von Anträgen geſtellt, die ſich
auf auch in der Konferenz behandelte Gegenſtände — tſchechiſche
Sprache bei den Gerichten und Staatsbehörden Böhmens,
Fortſetzung der Abgrenzungsarbeiten, Errichtung von Land-
tagskurien u. ſ. w. — beziehen, aber die Ergebniſſe der Kon-
ferenzverhandlungen anſcheinend unberückſichtigt laſſen. Die
dentſch-volklichen und dentſch-radikalen Abgeordneten Böhmens
ſcheinen in Zukunft einen engeren Verband bilden zu wollen;
in Sachen der Auftheilung der Kommiſſionsmandate (welche
übrigens zwiſchen Tſchechen, Deutſchen und Großgrundbeſitzern
nach dem früher angewandten Schlüſſel anſtandslos geregelt
wurde) ſind ſie wie eine einheitliche Gruppe vorgegangen.
Einige Landtage werden auch heuer Rumpflandtage
bleiben, ſo der Tiroler, der ſteieriſche und der iſtriſche.
Die Abgeordneten aus Italieniſch-Tirol wollen vorläufig bei
der ſeit zehn Jahren geübten Abſtinenz bleiben. Im Vor-
jahre haben ſie durch die Verhandlungen über die wälſch-
tiroler Autonomiefragen erreicht, daß ihnen die Landtags-
mandate nicht wegen des andauernden Fernbleibens entzogen
wurden. Jüngſt wurden neue Verhandlungen angeknüpft, die an
ſich bisher abermals ohne Erfolg blieben, aber doch wiederum den
Italienern die Mandate retten dürften. Iſt die Seſſion vorüber,
wird die Autonomiefrage wohl wieder für ein Jahr ruhen
gelaſſen. Von Neuwahlen hofft man vorläufig keinen Um-
ſchwung der übeln Situation. Im ſteieriſchen Landtag
ſind die Slovenen bisher nicht erſchienen und haben be-
ſchloſſen, den Verhandlungen überhaupt fern zu bleiben; als
Grund geben ſie an „das rückſichtsloſe und ungerechte Vor-
gehen der deutſchen Landtagsmajorität und des Landesaus-
ſchuſſes gegen das ſloveniſche Volk in Unterſteier ſowohl in
nationalen als auch in kulturellen und wirthſchaftlichen An-
gelegenheiten“. Der iſtriſche Landtag iſt noch gar nicht ein-
berufen worden, da der Konflikt zwiſchen Italienern und
Slaven noch nicht gelöst iſt. Die Einberufung wird aber
trotzdem binnen kurzem erwartet, und zwar nach Parenzo,
dem geſetzlichen Verſammlungsort, da die Slaven die Abſtinenz
auf jeden Fall aufrecht erhalten wollen. Die letzten Seſſionen
tagten in Pola, bezw. in Capo d’Iſtria und die Regierung
wäre auch bereit, den Landtagsſitz deſinitiv nach Pola zu
verlegen, wegen der ſlaviſchen Abſtinenz aber iſt die für eine
ſolche Aenderung erforderliche qualifizirte Majorität im Landtag
nicht aufzubringen.

Flüſſigmachung der neuen Militärgagen.

* Nach dem nunmehr im ungariſchen Reichstag erledigten
Budget des Honvedminiſteriums wird für die Offiziere
und Beamten der kgl. ungariſchen Landwehr die-
ſelbe Aufbeſſerung der Gagen eingeſtellt, wie für die
Offiziere des Heeres. Mit der Annahme dieſer Budget-
forderung iſt das letzte Hinderniß beſeitigt, welches bisher
gegen die Flüſſigmachung der neuen Gagen beſtanden hat.
Es iſt danach zu erwarten, daß mit der Auszahlung der
Nachträge und neuen Gagen längſtens mit 1. Mai begonnen
werden kann.

[Spaltenumbruch]
Nationale Regungen unter den ſüdungariſchen Deutſchen.

Im eigentlichen Südungarn,
im Temeſcher Banat und in der Bacſchka, leben nach der
amtlichen Volkszählung vom Jahre 1891 über 580,000
Deutſche, deren Anzahl heute ſicherlich die Ziffer von 600,000
weit überſchritten hat. Dieſe ſüdungariſchen Deutſchen ſind
Nachkommen jener Koloniſten, welche im vorigen Jahrhundert
auf Regierungskoſten in den menſchenleeren und verödeten
Landſtrichen an der türliſchen Grenze angeſiedelt worden
waren. Die meiſten dieſer Koloniſten ſtammten aus Süd-
und Südweſtdeutſchland und gehören zum überwiegenden Theil
dem ſchwäbiſchen Volksſtamm an. Dieſe Schwaben haben
durch ihren Fleiß und ihre Betriebſamkeit aus dem ver-
ſumpften Boden die „Kornkammer Ungarns“ geſchaffen, haben
eine Reihe blühender Städte und Dörfer ins Leben gerufen
und ſind ſelbſt zu erheblichem Wohlſtand gelangt. Infolge
des reichen Kinderſegens und ihrer geregelten Lebensweiſe
hat ſich ihre Zahl ungemein vermehrt, ſo daß ſie allmählich
die in ihrer Mitte befindlichen rumäniſchen und ſerbiſchen
Ortſchaften occupirten und ſo auch ihren Beſitz beträchtlich
vergrößerten. Die deutſchen Koloniſten waren von Anbeginn
perſönlich freie Leute, beſaßen aber bis zum Jahre 1848
keine politiſchen Rechte; infolgedeſſen bekümmerten ſie ſich
auch wenig um die öffentlichen Angelegenheiten im Komitat
und im Lande, nur für die Intereſſen ihrer Gemeinde traten
ſie ſtets mit großem Eifer ein. Dieſe deutſchen Gemeinden
zeigen auch in der Regel muſterhafte Ordnung. Deßgleichen
waren die Schwaben jederzeit ſtolz auf ihre guten deutſchen
Schulen. Ihr Volksbewußtſein als Deutſche kam wenig
zur Geltung; ſie hielten mehr inſtinktiv an ihrem angeſtammten
Deutſchthum feſt, das ſie indeſſen ſtets höher ſtellten als das
nichtdeutſche Volksthum in ihrer Nachbarſchaft. Daß ſie
Deutſche ſind und es bleiben, war ihnen eine ſelbſtverſtänd-
liche Sache, wie die Luft, die ſie einathmeten. Im übrigen
verhielten ſie ſich in politiſchen wie in nationalen Dingen
auch dann noch gleichgültig, als ſie in den Beſitz der poli-
tiſchen Vollbürgerrechte gelangt waren. Sie erwieſen ſich
nach wie vor als getreue und loyale Staatsbürger, als
pünktliche Steuerzahler, als ruhige, ordnungsliebende Leute. In
dieſem Zuſtand iſt nun in neuerer Zeit eine Wendung ein-
getreten: die politiſch und national indifferenten Schwaben
haben ihre Aufmerkſamkeit nach und nach auch den öffent-
lichen Dingen im Staatsleben zugewendet und ſind in dem
Getriebe der Parteien auch zum eigenen nationalen
Selbſtbewußtſein
gekommen. Dieſes Erwachen des
ſchlummernden Volksthums iſt großentheils ein Werk des
extremen Magyarismus, der die friedliche Natur des
ſüdungariſchen Schwaben gleichfalls für ſeine entnationali-
ſirenden Angliederungszwecke ausbeuten will. Das deutſche
Bürgerthum in den Städten und Märkten Südungarns hat
unter dieſer Einwirkung manche empfindliche Einbuße erlitten;
bei den Banern auf dem Lande iſt der Erfolg ein ganz
unerwarteter geweſen. Der rückſichtslos vordringende Chau-
vinismus in der Verwaltung und Gerichtspflege, im
Komitat und ſelbſt in der Gemeinde, ſowie in Schule und
Kirche hat die Geduld und Langmuth des Schwaben
endlich erſchöpft und es iſt in ihm der Deutſche er-
wacht.
Dieſer fortſchreitenden nationalen Regung kommen
jetzt bereits mehrere Zeitungen richtungweiſend zuhülfe.
Ebenſo haben die faſt in jedem größeren Ort veranſtalteten
Leſevereine, Wandervorträge, Volksverſammlungen u. ſ. w.
das Gemeingefühl geweckt und gefördert. Der Ruf der deutſchen
Siege im Krieg wie im Frieden iſt ebenfalls nicht ohne
mächtigen Eindruck geblieben; denn dieſe Schwaben hören
noch gern „vom Reich“ erzählen und haben ihre Herkunft
von dort in Erinnerung. In einigen Städten, wie Weiß-
kirchen, Paneſchowa, Groß-Kikinda ſind die deutſchen Bürger
für die Erhaltung ihres angeſtammten Volksthums in Ge-
meinde und Schule entſchieden eingetreten, auch in Temeſchwar
und Werſchetz beſinnt ſich das überliſtete oder überraſchte
deutſche Bürgerthum ſeiner Nationalität und ſucht das ver-
lorene Terrain wieder zu gewinnen. Das iſt ſicherlich ein
ſchweres Stück Arbeit. In neueſter Zeit erweckte ziemliches
Aufſehen ein „Aufruf“ der deutſchen Studenten aus
Ungarn an der Hochſchule in Wien, womit die ſtudirende
deutſche Jugend aus den Ländern der ungariſchen Krone auf-
gefordert wird, „einen Verein zu gründen, der es ſich zur
Aufgabe ſtellt, im Bund mit den Siebenbürger Sachſen den
Muth unſrer ſtrammdeutſchen Väter im heiligen Kampf für
die Erhaltung unſrer deutſchen Eigenart und
Mutterſprache
aufs neue zu entflammen, die Wankenden
zu ſtärken und die Treugebliebenen dem Verdacht der Ent-
völklichung zu entziehen“. Der etwas überſchwänglich ab-
gefaßte „Aufruf“ wurde von einem großen Theil der hieſigen
Tagespreſſe und auch im Reichstag auf das heftigſte an-
gegriffen und als „unpatriotiſch“, ja als „vaterlands-
verrätheriſch“ verurtheilt. Die Thatſachen laſſen ſich jedoch
nicht hinwegleugnen, ſie ſollten vielmehr eine ernſte Mahnung
dafür ſein, daß dem verfolgungsfüchtigen Treiben des extremen
magyariſchen Nationalismus möglichſt bald Einhalt gethan
werde; denn er bedroht ganz eruſtlich den Frieden im Land.

Frankreich.
Geſchäftsfrömmigkeit. — Maßregelung von Orden.

Jetzt wiſſen wir, weßhalb die
Aſſumptioniſten ſolches Pech haben. Weil ſie, wie die
„Croix“ ſagt, im Drauge der vielen Geſchäfte es voriges
Jahr unterließen, Pilgerzüge nach Lourdes und
nach Jeruſalem zu führen. Die feierlichen Wallfahrten
ſind, nach Anſicht der „Croix“, „die übernatürliche
Impfung gegen große Uebel“,
und daher bereiten
viele Leute, welche dieſe „übernatürliche Impfung“ richtig
erfaſſen, ſich jetzt mehr als je darauf vor, am 25. April eine
Wallfahrt nach Jeruſalem anzutreten, auf daß ihnen, ihren
Geſchäften und Frankreich eine beſſere Zukunft leuchte. Dies-
mal wird P. Bailly nicht auf dem „Kampfpoſten“ an der
Spitze der Bußpilger fehlen, und im Auguſt wird P. Picard
in der Grotte von Lourdes erſcheinen. Wir werden ſehen,
ob dann der Weizen der Aſſumptioniſten und anderer Ordens-
brüder blühen wird.

Wie der „Siècle“ berichtet, hat der Miniſterpräſident
Waldeck-Rouſſeau gegen eine aus Italienern und
Deutſchen beſtehende geiſtliche Genoſſeuſchaft, die
ſich in der Nähe von Barcelonnette (Niederalpen) angeſiedelt
hatte, einen Ausweiſungsbefehl erlaſſen. Dieſer wurde
binnen zwei Tagen durchgeführt. Die Kongregation war
eine Filiale des Trinitarierordens und ſoll ſich an den
politiſchen Parteikämpfen in einer Weiſe betheiligt haben,
welche höheren Orts Anſtoß erregte. Einem Winke der Re-
gierung folgend hatte der Biſchof von Digne den fremden
Mönchen gerathen, das franzöſiſche Gebiet zu meiden, und
da ſie dies nicht thaten, ſchiebt ſie die Regierung ſelbſt ab.

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Die ent&#x017F;cheidenden Fragen betreffs ge&#x017F;etzlicher Negelung der<lb/>
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T&#x017F;chechen, eine ganze Reihe von Anträgen ge&#x017F;tellt, die &#x017F;ich<lb/>
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[3/0003] Nr. 86. München, Donnerſtag Allgemeine Zeitung 29. März 1900. v. Kardorff (Reichsp.) iſt zwar mit der Flottenagitation nicht vollkommen einverſtanden, will aber für die Vorlage ſtimmen, weil die Flotte zur Aufrechterhaltung des Friedens nothwendig ſei. — Abg. Freſe (Freiſ. Vgg.) erblickt in der Vorlage nicht, wie Abg. Richter, unmögliche Zukunftspläne. Die Vorlage ziehe einen Wechſel auf die Zukunft, den man heute discontiren könne. — Abg. Müller-Fulda (Centr.) führt aus, die Nothwendigkeit der verlangten Auslandsſchiffe erſcheine ihm nicht erwieſen, zumal die vermehrte Schlacht- flotte in ihrem Reſervematerial Kräfte genug zur Verſtärkung der Vertretung im Auslande enthalte. Staatsſekretär Graf Bülow betont mehrmals den lediglich defenſiven Charakter der Vorlage allen Mächten gegenüber. Der deutſchen Politik lägen aggreſſive Tendenzen fern. Es werde ja ſogar im Reichstag und in einem Theil der Preſſe zuweilen der Vorwurf erhoben, unſre auswärtige Politik ſei zu vorſichtig. Dieſer Vorwurf ſei ebenſo unbe- gründet, wie derjenige phantaſtiſcher Pläne und eines unbe- ſonnenen Vorgehens. Die deutſche Politik verfolge das Ziel, den Frieden aufrechtzuerhalten und die Würde des Reiches zu wahren. Dazu ſei nicht nur diplomatiſche Umſicht, ſondern auch ein ausreichendes Maß von materieller Macht erforderlich. Die Schwäche des Einen reize zu Uebergriffen Anderer. Er ſtehe noch auf dem Stand- punkt, daß wegen geringfügiger Urſachen einen großen Krieg zu entfeſſeln, in hohem Grade ruchlos geweſen wäre; es ſei aber immer mit der Möglichkeit zu rechnen, daß man verſuchen könnte, uns Beleidigungen zuzufügen, die ein Volk wie das deutſche nicht acceptiren dürfe und die hinzunehmen er, der Staatsſekretär, jedenfalls nicht geſonnen ſei. Seit den 70er und 80er Jahren, in denen Fürſt Bismarck eine kleine Flotte noch für genügend er- achten konnte, hätten ſich die Verhältniſſe bedeutend geändert. Mit dem Aufſchwung des Handels und der Entwicklung unſrer induſtriellen und überſeeiſchen Intereſſen vermehrten ſich die politiſchen Reibungsflächen. Wenn Fürſt Bis- marck 1885 eine deutſche Flotte in der ungefähren Stärke der amerikaniſchen für ausreichend hielt, ſo iſt bereits das eine Verſchiedenartigkeit der damaligen von der jetzigen Lage; denn inzwiſchen hätten gerade die Ver- einigten Staaten die früheren Bahnen verlaſſen und ſich zur See erheblich ſtärker gemacht. Auch die engliſche Politik ſei ſeitdem eine andere geworden. Bis in die 70 er und 80 er Jahre habe ſie das Prinzip der Nichtintervention verfolgt; gegenwärtig faſſe die imperialiſtiſche Strömung in England mehr und mehr Boden. Eine der Hauptſorgen der deutſchen Politik ſei, gute Beziehungen zu allen Mächten zu unterhalten. Selbſtverſtändlich wären ſolche nur möglich auf der Grundlage vollſter Gegenſeitigkeit und gegenſeitiger Rückſichtnahme. Die offiziellen Be- ziehungen wären durchweg die beſten, aber die Zeiten der Kabinetspolitik wären geſchwunden und die Volksleiden- ſchaften mehr und mehr als einflußreicher Faktor in den Vordergrund getreten. Deßhalb ſei es unumgänglich, unſre materiellen Machtmittel zur Sicherung des Friedens zu ver- mehren. Abg. Bebel (Soz.) meint, die Völker trieben die Flotten- laſten gegenſeitig in die Höhe. Verhältnißmäßig ſeien Deutſch- lands See-Intereſſen beſſer geſchützt als die engliſchen und Deutſchlands Küſten beſſer als die franzöſiſchen. Wenn Deutſchland Krieg führe, werde die Entſcheidung immer zu Lande erfolgen. Wenn aber einmal eine Flottenvermehrung nöthig werde, müſſe ſie in einer Verſtärkung der Auslands- flotte beſtehen. — Abg. Gröber (Centr.) bemerkt, die Aeuße- rungen des Grafen Bülow hätten ihn beruhigt, doch ſei eine Expanſion unſrer Auslandspolitik keineswegs gefahrlos. Wenn Abg. Richter der Flottenvermehrung an ſich nicht ab- geneigt ſei und nur keine lange Bindung wolle, ſo ſei dies ein werthvolles Zugeſtändniß. Bezüglich der Ausführung des Flottenprogramms behalte der Reichstag ja freie Hand. Redner betont, er wolle ſich hier zunächſt informiren; das Votum der Kommiſſionsmitglieder binde die Parteien in keiner Weiſe. — Abg. Roeren (Centr.) bezweifelt noch die Nothwendigkeit einer Vermehrung der Schlachtflotte. Das Geſetz enthalte eine ſchwerwiegende Bindung, es ſei keine Nonelle, ſondern hebe das alte Geſetz auf. — Abg. Richter (Frſ. Volksp.) will die Frage der Vermehrung der Auslandsſchiffe der Etatberathung vorbehalten, er bekämpfe nicht jede Flottenver- mehrung, halte aber das gegenwärtige durch die Erſatzpflicht der Schiffe gegebene Arbeitspenſum für genügend. — Abg. Prinz Arenberg (Centr.) meint, die Verhältniſſe der Gegen- wart böten, wie aus der Rede des Grafen Bülow hervor- gehe, einen ſtarken Impuls, für die Vorlage einzutreten. Da- her ſei die eifrige Flottenagitation überflüſſig und ſchädlich. — Abg. Müller-Fulda (Centr.) bekämpft Bebels Auf- faſſung betreffs der gegenwärtigen Seerüſtung Deutſchlands, empfiehlt aber Vorſicht angeſichts der Höhe der Forderungen. Vielleicht ſei die Erſatzpflicht kleiner Kreuzer hinauszuſchieben. Zu der Frage, welche Steigerungen der ſonſtigen Reichsausgaben bis 1920 wahrſcheinlich zu erwarten ſind, erklärte Staatsſekretär Frhr. v. Thielmann, dieſe Frage ſei bei der Verſchiedenheit der in ihr zuſammen- gefaßten Materien ſchwer zu beantworten. Er werde die be- theiligten Reſſorts zu Rathe ziehen. Die Entwicklung der Einnahmen in den letzten Jahren weiſe darauf hin, daß neben den Erforderniſſen für die Marine noch ein erheblicher Poſten für andere Bedürfniſſe frei bleiben werde. Der Staatsſekretär wies dies im einzelnen ziffernmäßig nach und Abg. Gröber ſprach die Bitte aus, dieſe Ziffern dem Protokoll beizufügen. Die nächſte Sitzung findet morgen ſtatt. Sachſen: Sozialdemokratiſche Gemeindepolitik. α. Die „Sächſ. Arbeiterztg.“ veröffentlicht einen ſechs Spalten langen Bericht über die Konferenz von 90 ſozial- demokratiſchen Gemeindevertretern Sachſens, die am vergangenen Sonntag in Chemnitz den Entwurf eines Gemeinde wahlprogramms zu berathen hatten. Der vom Zentral-Agitationskomitee der ſächſiſchen Sozialdemo- kraten ausgearbeitete, ſeinerzeit von uns beleuchtete Entwurf eines Gemeindewahlprogramms iſt in Chemnitz jetzt noch radikaler geſtaltet worden. Das Wahlrecht zu den Ge- meindevertretungen ſoll nämlich nicht nur unter Anwendung des Proportionalwahlſyſtems für alle mündigen Einwohner ohne Unterſchied des Geſchlechts allgemein, geheim und direkt ſein; es ſoll nicht nur durch den Empfang irgendwelcher Unterſtützung aus öffentlichen Mitteln nicht beſchränkt werden, ſondern es iſt auch die Abſchaffung der getrennten Kollegien und ihre Zuſammenlegung zu einem von allen mündigen Gemeindemitgliedern gewählten Gemeinderath be- ſchloſſen worden! Damit wäre denn das Ideal einer Ge- meindevertretung erreicht, die vollſtändig unter der Herrſchaft der Maſſe ſtünde. Denn auch das Beſtätigungsrecht des Staates gegenüber den Gemeindebeamten hat die Chemnitzer Konferenz, ent- ſprechend den Vorſchlägen des Zentral-Agitationskomitees, be- ſeitigt. Eine weitere Radikaliſirung des urſprünglichen Entwurfs beſchloß die Konferenz durch die Annahme der Forderung, die von den Gemeindevertretern des vierten ſächſiſchen Reichstags- wahlkreiſes in Bezug auf die Verleihung der Immunität an die Gemeindevertreter geſtellt war. Durch dieſen Beſchluß wäre der Verwilderung des öffentlichen Lebens in der Ge- meinde Thür und Thor geöffnet; denn auch die ärgſten Ver- hetzungen und Entſtellungen ſozialdemokratiſcher Agitatoren in der Gemeindevertretung würden dann ſtraflos bleiben. Welchen Grad der Gleichheitsfanatismus in der Sozial- demokratie erreicht hat, zeigt der Antrag des Krimitſchauer „Genoſſen“, von Gemeinde wegen eine einheitliche Todten- beſtattung herbeizuführen. „Genoſſe“ Schulze, Coſſebaude, erwies ſich als ein verſtändiger Herr, indem er den Krimi- tſchauer Antrag mit dem Bemerken ablehnte, das Todtenkleid könne nicht vorgeſchrieben werden, man dürfe nur die Unent- geltlichkeit der Beſtattung verlangen. Genoſſe Meiſer, Krimi- tſchau, dagegen befürchtete von dieſer Beſchränkung, daß ſie noch immer die Möglichkeit erhalte, den Arbeiter ganz einfach, den Kommerzienrath aber mit großem Pomp zu beerdigen. „Dieſer Zuſtand müſſe beſeitigt werden.“ — Wenn die Konferenz den Krimitſchauer Antrag verwarf, ſo bewährte ſie in dieſem Punkte wenigſtens ein Maß von Einſicht und Selbſtbeſchrän- kung, das von der überwältigenden Mehrheit ihrer übrigen Beſchlüſſe ſich ſehr vortheilhaft abhebt. Oeſterreich-Ungarn. Landtage. * Seit Montag iſt die Mehrzahl der öſterreichiſchen Landtage verſammelt, der Zuſammentritt vollzog ſich überall, auch in Prag, geſchäftsmäßig und ohne Zwiſchenfall. Die politiſchen Fragen dürſten diesmal nicht in dem Maße wie in den letzten Jahren die Verhandlungen beherrſchen, dagegen werden die wirthſchaftlichen Fragen in den Vordergrund treten, insbeſondere wird man ſich, und zwar hauptſächlich im böhmiſchen und mähriſchen Landtag, mit dem Ausſtand der Kohlenarbeiter und den damit zuſammenhängenden Angelegenheiten zu beſchäftigen haben. Im böhmiſchen Land- tag liegt bereits eine Interpellation von dentſchfortſchrittlicher Seite vor, worin gefragt wird, was die Regierung unter- nehmen wolle, um der Kohlennoth zu ſteuern und der wuche- riſchen Preisſteigerung der Kohle wirkſam entgegenzutreten. Die entſcheidenden Fragen betreffs geſetzlicher Negelung der Arbeitszeit im Bergbau u. ſ. w. liegen aber natürlich außer- halb der landtäglichen Kompetenz. Ganz von der Diskuſſion ausgeſchloſſen bleiben freilich die politiſchen und natio- nalen Augelegenheiten voransſichtlich nicht, wie wenig das auch der Regierung angenehm ſein mag. Dieſe hat es unter- laſſen, im böhmiſchen Landtag eine Vorlage über den Sprachen- gebrauch bei den autonomen Behörden Böhmens einzubringen, obgleich ja der bezügliche Entwurf von der Verſtändigungs- konferenz ſo gut wie vollſtändig ausgearbeitet und genehmigt worden. Dagegen wurden von den Parteien, Deutſchen und Tſchechen, eine ganze Reihe von Anträgen geſtellt, die ſich auf auch in der Konferenz behandelte Gegenſtände — tſchechiſche Sprache bei den Gerichten und Staatsbehörden Böhmens, Fortſetzung der Abgrenzungsarbeiten, Errichtung von Land- tagskurien u. ſ. w. — beziehen, aber die Ergebniſſe der Kon- ferenzverhandlungen anſcheinend unberückſichtigt laſſen. Die dentſch-volklichen und dentſch-radikalen Abgeordneten Böhmens ſcheinen in Zukunft einen engeren Verband bilden zu wollen; in Sachen der Auftheilung der Kommiſſionsmandate (welche übrigens zwiſchen Tſchechen, Deutſchen und Großgrundbeſitzern nach dem früher angewandten Schlüſſel anſtandslos geregelt wurde) ſind ſie wie eine einheitliche Gruppe vorgegangen. Einige Landtage werden auch heuer Rumpflandtage bleiben, ſo der Tiroler, der ſteieriſche und der iſtriſche. Die Abgeordneten aus Italieniſch-Tirol wollen vorläufig bei der ſeit zehn Jahren geübten Abſtinenz bleiben. Im Vor- jahre haben ſie durch die Verhandlungen über die wälſch- tiroler Autonomiefragen erreicht, daß ihnen die Landtags- mandate nicht wegen des andauernden Fernbleibens entzogen wurden. Jüngſt wurden neue Verhandlungen angeknüpft, die an ſich bisher abermals ohne Erfolg blieben, aber doch wiederum den Italienern die Mandate retten dürften. Iſt die Seſſion vorüber, wird die Autonomiefrage wohl wieder für ein Jahr ruhen gelaſſen. Von Neuwahlen hofft man vorläufig keinen Um- ſchwung der übeln Situation. Im ſteieriſchen Landtag ſind die Slovenen bisher nicht erſchienen und haben be- ſchloſſen, den Verhandlungen überhaupt fern zu bleiben; als Grund geben ſie an „das rückſichtsloſe und ungerechte Vor- gehen der deutſchen Landtagsmajorität und des Landesaus- ſchuſſes gegen das ſloveniſche Volk in Unterſteier ſowohl in nationalen als auch in kulturellen und wirthſchaftlichen An- gelegenheiten“. Der iſtriſche Landtag iſt noch gar nicht ein- berufen worden, da der Konflikt zwiſchen Italienern und Slaven noch nicht gelöst iſt. Die Einberufung wird aber trotzdem binnen kurzem erwartet, und zwar nach Parenzo, dem geſetzlichen Verſammlungsort, da die Slaven die Abſtinenz auf jeden Fall aufrecht erhalten wollen. Die letzten Seſſionen tagten in Pola, bezw. in Capo d’Iſtria und die Regierung wäre auch bereit, den Landtagsſitz deſinitiv nach Pola zu verlegen, wegen der ſlaviſchen Abſtinenz aber iſt die für eine ſolche Aenderung erforderliche qualifizirte Majorität im Landtag nicht aufzubringen. Flüſſigmachung der neuen Militärgagen. * Nach dem nunmehr im ungariſchen Reichstag erledigten Budget des Honvedminiſteriums wird für die Offiziere und Beamten der kgl. ungariſchen Landwehr die- ſelbe Aufbeſſerung der Gagen eingeſtellt, wie für die Offiziere des Heeres. Mit der Annahme dieſer Budget- forderung iſt das letzte Hinderniß beſeitigt, welches bisher gegen die Flüſſigmachung der neuen Gagen beſtanden hat. Es iſt danach zu erwarten, daß mit der Auszahlung der Nachträge und neuen Gagen längſtens mit 1. Mai begonnen werden kann. Nationale Regungen unter den ſüdungariſchen Deutſchen. _ Budapeſt, 26. März. Im eigentlichen Südungarn, im Temeſcher Banat und in der Bacſchka, leben nach der amtlichen Volkszählung vom Jahre 1891 über 580,000 Deutſche, deren Anzahl heute ſicherlich die Ziffer von 600,000 weit überſchritten hat. Dieſe ſüdungariſchen Deutſchen ſind Nachkommen jener Koloniſten, welche im vorigen Jahrhundert auf Regierungskoſten in den menſchenleeren und verödeten Landſtrichen an der türliſchen Grenze angeſiedelt worden waren. Die meiſten dieſer Koloniſten ſtammten aus Süd- und Südweſtdeutſchland und gehören zum überwiegenden Theil dem ſchwäbiſchen Volksſtamm an. Dieſe Schwaben haben durch ihren Fleiß und ihre Betriebſamkeit aus dem ver- ſumpften Boden die „Kornkammer Ungarns“ geſchaffen, haben eine Reihe blühender Städte und Dörfer ins Leben gerufen und ſind ſelbſt zu erheblichem Wohlſtand gelangt. Infolge des reichen Kinderſegens und ihrer geregelten Lebensweiſe hat ſich ihre Zahl ungemein vermehrt, ſo daß ſie allmählich die in ihrer Mitte befindlichen rumäniſchen und ſerbiſchen Ortſchaften occupirten und ſo auch ihren Beſitz beträchtlich vergrößerten. Die deutſchen Koloniſten waren von Anbeginn perſönlich freie Leute, beſaßen aber bis zum Jahre 1848 keine politiſchen Rechte; infolgedeſſen bekümmerten ſie ſich auch wenig um die öffentlichen Angelegenheiten im Komitat und im Lande, nur für die Intereſſen ihrer Gemeinde traten ſie ſtets mit großem Eifer ein. Dieſe deutſchen Gemeinden zeigen auch in der Regel muſterhafte Ordnung. Deßgleichen waren die Schwaben jederzeit ſtolz auf ihre guten deutſchen Schulen. Ihr Volksbewußtſein als Deutſche kam wenig zur Geltung; ſie hielten mehr inſtinktiv an ihrem angeſtammten Deutſchthum feſt, das ſie indeſſen ſtets höher ſtellten als das nichtdeutſche Volksthum in ihrer Nachbarſchaft. Daß ſie Deutſche ſind und es bleiben, war ihnen eine ſelbſtverſtänd- liche Sache, wie die Luft, die ſie einathmeten. Im übrigen verhielten ſie ſich in politiſchen wie in nationalen Dingen auch dann noch gleichgültig, als ſie in den Beſitz der poli- tiſchen Vollbürgerrechte gelangt waren. Sie erwieſen ſich nach wie vor als getreue und loyale Staatsbürger, als pünktliche Steuerzahler, als ruhige, ordnungsliebende Leute. In dieſem Zuſtand iſt nun in neuerer Zeit eine Wendung ein- getreten: die politiſch und national indifferenten Schwaben haben ihre Aufmerkſamkeit nach und nach auch den öffent- lichen Dingen im Staatsleben zugewendet und ſind in dem Getriebe der Parteien auch zum eigenen nationalen Selbſtbewußtſein gekommen. Dieſes Erwachen des ſchlummernden Volksthums iſt großentheils ein Werk des extremen Magyarismus, der die friedliche Natur des ſüdungariſchen Schwaben gleichfalls für ſeine entnationali- ſirenden Angliederungszwecke ausbeuten will. Das deutſche Bürgerthum in den Städten und Märkten Südungarns hat unter dieſer Einwirkung manche empfindliche Einbuße erlitten; bei den Banern auf dem Lande iſt der Erfolg ein ganz unerwarteter geweſen. Der rückſichtslos vordringende Chau- vinismus in der Verwaltung und Gerichtspflege, im Komitat und ſelbſt in der Gemeinde, ſowie in Schule und Kirche hat die Geduld und Langmuth des Schwaben endlich erſchöpft und es iſt in ihm der Deutſche er- wacht. Dieſer fortſchreitenden nationalen Regung kommen jetzt bereits mehrere Zeitungen richtungweiſend zuhülfe. Ebenſo haben die faſt in jedem größeren Ort veranſtalteten Leſevereine, Wandervorträge, Volksverſammlungen u. ſ. w. das Gemeingefühl geweckt und gefördert. Der Ruf der deutſchen Siege im Krieg wie im Frieden iſt ebenfalls nicht ohne mächtigen Eindruck geblieben; denn dieſe Schwaben hören noch gern „vom Reich“ erzählen und haben ihre Herkunft von dort in Erinnerung. In einigen Städten, wie Weiß- kirchen, Paneſchowa, Groß-Kikinda ſind die deutſchen Bürger für die Erhaltung ihres angeſtammten Volksthums in Ge- meinde und Schule entſchieden eingetreten, auch in Temeſchwar und Werſchetz beſinnt ſich das überliſtete oder überraſchte deutſche Bürgerthum ſeiner Nationalität und ſucht das ver- lorene Terrain wieder zu gewinnen. Das iſt ſicherlich ein ſchweres Stück Arbeit. In neueſter Zeit erweckte ziemliches Aufſehen ein „Aufruf“ der deutſchen Studenten aus Ungarn an der Hochſchule in Wien, womit die ſtudirende deutſche Jugend aus den Ländern der ungariſchen Krone auf- gefordert wird, „einen Verein zu gründen, der es ſich zur Aufgabe ſtellt, im Bund mit den Siebenbürger Sachſen den Muth unſrer ſtrammdeutſchen Väter im heiligen Kampf für die Erhaltung unſrer deutſchen Eigenart und Mutterſprache aufs neue zu entflammen, die Wankenden zu ſtärken und die Treugebliebenen dem Verdacht der Ent- völklichung zu entziehen“. Der etwas überſchwänglich ab- gefaßte „Aufruf“ wurde von einem großen Theil der hieſigen Tagespreſſe und auch im Reichstag auf das heftigſte an- gegriffen und als „unpatriotiſch“, ja als „vaterlands- verrätheriſch“ verurtheilt. Die Thatſachen laſſen ſich jedoch nicht hinwegleugnen, ſie ſollten vielmehr eine ernſte Mahnung dafür ſein, daß dem verfolgungsfüchtigen Treiben des extremen magyariſchen Nationalismus möglichſt bald Einhalt gethan werde; denn er bedroht ganz eruſtlich den Frieden im Land. Frankreich. Geſchäftsfrömmigkeit. — Maßregelung von Orden. * Paris, 27. März. Jetzt wiſſen wir, weßhalb die Aſſumptioniſten ſolches Pech haben. Weil ſie, wie die „Croix“ ſagt, im Drauge der vielen Geſchäfte es voriges Jahr unterließen, Pilgerzüge nach Lourdes und nach Jeruſalem zu führen. Die feierlichen Wallfahrten ſind, nach Anſicht der „Croix“, „die übernatürliche Impfung gegen große Uebel“, und daher bereiten viele Leute, welche dieſe „übernatürliche Impfung“ richtig erfaſſen, ſich jetzt mehr als je darauf vor, am 25. April eine Wallfahrt nach Jeruſalem anzutreten, auf daß ihnen, ihren Geſchäften und Frankreich eine beſſere Zukunft leuchte. Dies- mal wird P. Bailly nicht auf dem „Kampfpoſten“ an der Spitze der Bußpilger fehlen, und im Auguſt wird P. Picard in der Grotte von Lourdes erſcheinen. Wir werden ſehen, ob dann der Weizen der Aſſumptioniſten und anderer Ordens- brüder blühen wird. Wie der „Siècle“ berichtet, hat der Miniſterpräſident Waldeck-Rouſſeau gegen eine aus Italienern und Deutſchen beſtehende geiſtliche Genoſſeuſchaft, die ſich in der Nähe von Barcelonnette (Niederalpen) angeſiedelt hatte, einen Ausweiſungsbefehl erlaſſen. Dieſer wurde binnen zwei Tagen durchgeführt. Die Kongregation war eine Filiale des Trinitarierordens und ſoll ſich an den politiſchen Parteikämpfen in einer Weiſe betheiligt haben, welche höheren Orts Anſtoß erregte. Einem Winke der Re- gierung folgend hatte der Biſchof von Digne den fremden Mönchen gerathen, das franzöſiſche Gebiet zu meiden, und da ſie dies nicht thaten, ſchiebt ſie die Regierung ſelbſt ab.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 86, 29. März 1900, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine86_1900/3>, abgerufen am 01.06.2024.