Allgemeine Zeitung, Nr. 86, 29. März 1900.München, Donnerstag Allgemeine Zeitung 29. März 1900. Nr. 86. [Spaltenumbruch]
doch nicht anders beschaffen sein als das, was im Durch- Staatssekretär des Reichsmarineamts Tirpitz: Allge- Abg. Oertel: Wenn das Fleischbeschangesetz in wenigen Der Marine-Etat wird genehmigt. Beim Etat der Abg. Böckel (Antisemit) nach dem Stand der längst Staatssekretär der Justiz Nieberding: Die ursprüng- Beim Etat des Reichseisenbahnamts kommt Abg. Graf Kanitz (kons.) auf die bei der zweiten Präsident des Reichseisenbahnamts Dr. Schulz: Der Beim Etat der Reichspost- und Telegraphen- Abg. Liebermann v. Sonnenberg (deutsch-soz. Staatssekretär des Reichspostamts v. Podbielski: Prinzipiell ist jeder Oberpostdirektionsbezirk selbständig. Natur- Auf eine Anfrage des Abg. Braesicke (Freis. Volksp.) Zur Einführung des Postscheckverkehrs erklärt Staatssekretär des Reichsschatzamts Frhr. v. Thiel- Der Einnahmeausfall bei der (Bewegung links.) Beim Etat der Zölle und Verbrauchssteuern liegt Abg. Rickert: Finauzminister v. Miquel hat mir oft- Abg. Graf Klinckowström (kons.): Die gesammte ost- Staatssekretär v. Thielmann: Graf Kanitz hat 1895 Der Etat und das Etatsgesetz werden angenommen, Die Sitzung schließt um 51/4 Uhr. Die nächste Sitzung [Spaltenumbruch] Deutsches Reich. Vom Tage. [unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt] Berlin, 28. März. Tel. Die Generaldevatte über Die Nachricht, daß anläßlich der Verlobung des Ein Berliner Blatt hatte sich kürzlich aus St. Peters- Verhandlungen der Budgetkommission über die Flotten-Vorlage. * Berlin, 28. März. Tel. Bei der heute fortgesetzten Abg. Bebel (Soz.) würdigte die politische Lage Deutsch- Augen singen und spielen, um bei der Aufführung ihre Daß Hans Richter, der ausgezeichnete Kapellmeister, Wien ist nicht nur eine Musikstadt; sie beginnt ein Die feierliche Eröffnung der Frühjahrsausstellung Es geht ein frischer Luftzug durch das Künstlerhaus. Drüben ist mehr Farbe, mehr Harmonie und Stim- Das Wiener Publikum steht der Sezession nicht mehr Ist es nicht ein eigenthümlicher Zug der Zeit, daß, Draußen in den Sophien-Sälen, wo vor wenigen Der Wiener besitzt einen eigenen, vielleicht nicht ganz Wir feierten in diesen Tagen einen Siebzigjährigen, Der Rubikon ist überschritten: Kronprinzessin Stephanie Verus. München, Donnerſtag Allgemeine Zeitung 29. März 1900. Nr. 86. [Spaltenumbruch]
doch nicht anders beſchaffen ſein als das, was im Durch- Staatsſekretär des Reichsmarineamts Tirpitz: Allge- Abg. Oertel: Wenn das Fleiſchbeſchangeſetz in wenigen Der Marine-Etat wird genehmigt. Beim Etat der Abg. Böckel (Antiſemit) nach dem Stand der längſt Staatsſekretär der Juſtiz Nieberding: Die urſprüng- Beim Etat des Reichseiſenbahnamts kommt Abg. Graf Kanitz (konſ.) auf die bei der zweiten Präſident des Reichseiſenbahnamts Dr. Schulz: Der Beim Etat der Reichspoſt- und Telegraphen- Abg. Liebermann v. Sonnenberg (deutſch-ſoz. Staatsſekretär des Reichspoſtamts v. Podbielski: Prinzipiell iſt jeder Oberpoſtdirektionsbezirk ſelbſtändig. Natur- Auf eine Anfrage des Abg. Braeſicke (Freiſ. Volksp.) Zur Einführung des Poſtſcheckverkehrs erklärt Staatsſekretär des Reichsſchatzamts Frhr. v. Thiel- Der Einnahmeausfall bei der (Bewegung links.) Beim Etat der Zölle und Verbrauchsſteuern liegt Abg. Rickert: Finauzminiſter v. Miquel hat mir oft- Abg. Graf Klinckowſtröm (konſ.): Die geſammte oſt- Staatsſekretär v. Thielmann: Graf Kanitz hat 1895 Der Etat und das Etatsgeſetz werden angenommen, Die Sitzung ſchließt um 5¼ Uhr. Die nächſte Sitzung [Spaltenumbruch] Deutſches Reich. Vom Tage. [unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt] Berlin, 28. März. Tel. Die Generaldevatte über Die Nachricht, daß anläßlich der Verlobung des Ein Berliner Blatt hatte ſich kürzlich aus St. Peters- Verhandlungen der Budgetkommiſſion über die Flotten-Vorlage. * Berlin, 28. März. Tel. Bei der heute fortgeſetzten Abg. Bebel (Soz.) würdigte die politiſche Lage Deutſch- Augen ſingen und ſpielen, um bei der Aufführung ihre Daß Hans Richter, der ausgezeichnete Kapellmeiſter, Wien iſt nicht nur eine Muſikſtadt; ſie beginnt ein Die feierliche Eröffnung der Frühjahrsausſtellung Es geht ein friſcher Luftzug durch das Künſtlerhaus. Drüben iſt mehr Farbe, mehr Harmonie und Stim- Das Wiener Publikum ſteht der Sezeſſion nicht mehr Iſt es nicht ein eigenthümlicher Zug der Zeit, daß, Draußen in den Sophien-Sälen, wo vor wenigen Der Wiener beſitzt einen eigenen, vielleicht nicht ganz Wir feierten in dieſen Tagen einen Siebzigjährigen, Der Rubikon iſt überſchritten: Kronprinzeſſin Stephanie Verus. <TEI> <text> <body> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div xml:id="a2a" next="#a2b" type="jComment" n="2"> <pb facs="#f0002" n="2"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">München, Donnerſtag Allgemeine Zeitung</hi> 29. März 1900. Nr. 86.</fw><lb/> <cb/> </div> </div> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div xml:id="a1b" prev="#a1a" type="jArticle" n="3"> <p>doch nicht anders beſchaffen ſein als das, was im Durch-<lb/> ſchnitt im Handel vorkommt. Gerade heute, wo die Fleiſch-<lb/> beſchau vielleicht doch noch vor der Thür ſtehe und die<lb/> Flottenvorlage vielleicht doch noch Geſetz werde, ſolle die<lb/> Marineverwaltung ſich der Sache recht gründlich annehmen.</p><lb/> <p>Staatsſekretär des Reichsmarineamts <hi rendition="#b">Tirpitz:</hi></p> <cit> <quote>Allge-<lb/> mein iſt die Marineverwaltung jetzt ſchon beſtrebt, Konſerven<lb/> deutſchen Herkommens zu nehmen. Die Schiffe müſſen, wenn<lb/> ſie im Ausland ſind, nehmen, was dort an Proviant zu<lb/> haben iſt, daran können wir nichts ändern. In Betracht<lb/> kommt nur die Verproviantirung der Schiffe in der Heimath.<lb/> Bei weitem der größte Theil der Verproviantirung iſt deutſcher<lb/> Herkunft. Unſre Schiffe haben Selbſtverpflegung, d. h. es<lb/> wird ihnen ein gewiſſes Geldquantum bewilligt, womit ſie<lb/> auszukommen haben; was ſie damit machen, iſt Sache der<lb/> Menagekommiſſion an Bord des Schiffes und der kann man<lb/> nicht gut Vorſchriften machen. Direkte Klagen in dieſer<lb/> Richtung ſind nicht laut geworden. Beim Einkauf der Menage<lb/> werden Stichproben genommen. Sollte das fremde Fleiſch<lb/> aus ſanitären Gründen nicht eingeführt werden dürfen, ſo<lb/> wird ſelbſtverſtändlich auch die Marineverwaltung ſich danach<lb/> richten. Jetzt liegt noch kein Anlaß vor, die Selbſtverpflegung<lb/> einzuſchränken.</quote> </cit><lb/> <p>Abg. <hi rendition="#b">Oertel:</hi></p> <cit> <quote>Wenn das Fleiſchbeſchangeſetz in wenigen<lb/> Monaten wirklich Geſetz wird, dann kann doch die Ver-<lb/> waltung dieſes Büchſenfleiſch nicht mehr verwenden. Warum<lb/> ſoll ſie dieſes ununterſuchbare und möglicherweiſe geſund-<lb/> heitsgefährliche Fleiſch nicht jetzt ſchon ausmerzen können?<lb/> Wenn es ſich nur um 60,000 M. handelt, um ſo beſſer! Der<lb/> Staatsſekretär ſollte ſich nicht hinter die Unabhängigkeit der<lb/> Schiffsmenagen verſchanzen. Der preußiſche Kriegsminiſter<lb/> kann ſolche Anweiſungen an die Menageverwaltungen auch<lb/> nicht erlaſſen, hat ſie aber darauf hingewieſen, daß das Staats-<lb/> intereſſe den unmittelbaren Einkauf bei den Produzenten em-<lb/> pfehle, und viele Menageverwaltungen ſind denn auch dazu<lb/> übergegangen. Ich habe an meinem eigenen Leib empfunden,<lb/> daß das amerikaniſche Büchſenfleiſch bedeukliche Wirkungen<lb/> hat. (Große Heiterkeit links.) Ob die marineamtliche Unter-<lb/> ſuchung des Büchſenfleiſches genügt, bezweifle ich.</quote> </cit><lb/> <p>Der Marine-Etat wird genehmigt. Beim Etat der<lb/><hi rendition="#g">Reichsjuſtizverwaltung</hi> fragt</p><lb/> <p>Abg. <hi rendition="#b">Böckel</hi> (Antiſemit) nach dem Stand der längſt<lb/> geforderten Reform der Anwaltsgebührenordnung, bittet, für<lb/> Herabſetzung der Gerichtskoſten zu ſorgen, und befürwortet,<lb/> den Anwaltszwang abzuſchaffen.</p><lb/> <p>Staatsſekretär der Juſtiz <hi rendition="#b">Nieberding:</hi></p> <cit> <quote>Die urſprüng-<lb/> lichen Sätze unſrer Gerichtsgebührenordnung haben ſchon<lb/> anfangs der 80 er Jahre eine Ermäßigung gefunden. Eine<lb/> ſpätere Vorlage über die Anwaltsgebührenermäßigung fand<lb/> nicht die Zuſtimmung des Hauſes. Die ganze Frage iſt ſeit-<lb/> dem liegen geblieben. Es wird auch noch weiterer praktiſcher<lb/> Erfahrungen bedürfen, ehe man an die Frage wieder herantreten<lb/> kann. Eine Aenderung des Anwaltszwanges iſt bisher bei<lb/> den Regierungen nicht in Anregung gekommen.</quote> </cit><lb/> <p>Beim Etat des <hi rendition="#g">Reichseiſenbahnamts</hi> kommt</p><lb/> <p>Abg. <hi rendition="#b">Graf Kanitz</hi> (konſ.) auf die bei der zweiten<lb/> Leſung gewünſchte Aufhebung der Kohlenausfuhrtarife in<lb/> den Reichslanden zurück. Auch für Roheiſen und Stahl<lb/> müſſe der beſtehende Ausfuhrtarif beſeitigt werden Die<lb/> hohen Eiſenpreiſe, die infolge der Eiſennoth eingetreten ſeien,<lb/> fielen außerordentlich ſchwer ins Gewicht. Die Verringerung<lb/> des Eiſenkonſums ſei eine Kalamität für das ganze Land.<lb/> Die Vermehrung des Flottenbeſtandes würde den Eiſenver-<lb/> brauch in Deutſchland ganz enorm ſteigern und da dürfte<lb/> man die Eiſenpreiſe nicht durch künſtlichen Export noch weiter<lb/> ſteigern. Das Reichseiſenbahnamt müſſe ſein Augenmerk<lb/> darauf richten, den Maſſenexport von Eiſen ſo zu reguliren,<lb/> daß Deutſchland dabei zu ſeinem Recht kommt.</p><lb/> <p>Präſident des Reichseiſenbahnamts <hi rendition="#aq">Dr.</hi> <hi rendition="#b">Schulz:</hi></p> <cit> <quote>Der<lb/> Reichskanzler hat eine gemeinſame Erörterung der wichtigen,<lb/> wirthſchaftlich bedeutſamen Frage der Aufhebung der er-<lb/> mäßigten Kohlenausfuhrtarife veranlaßt. Ich habe mich dem-<lb/> gemäß zunächſt mit dem preußiſchen Eiſenbahnminiſter ins<lb/> Benehmen geſetzt. Die preußiſchen Ermittelungen ſind abge-<lb/> ſchloſſen und der Landeseiſenbahnrath wird ſein Gutachten<lb/> darüber abgegeben haben. Auch die anderen Regierungen<lb/> ſind von dem Amte erſucht worden, die dem Zwecke dienlichen<lb/> Ermittlungen anzuſtellen. Daß die Preiſe der Kohlen, die<lb/> von der Saar nach Frankreich und der Schweiz ausgeführt<lb/> werden, weit billiger ſind, als die für die im Inlande ver-<lb/><cb/> bleibenden Kohlen, entſpricht nicht den Thatſachen. Die Preiſe<lb/> der Saarkohlen nach Frankreich, der Schweiz und Italien<lb/> werden nach eingeholter Auskunft nicht niedriger, ſondern<lb/> höher gehalten als die für den inländiſchen Verbrauch. Was<lb/> die Roheiſenausfuhrtarife betrifft, ſo haben die ermäßigten<lb/> Frachtſätze nicht unweſentlich dazu beigetragen, der deutſchen<lb/> Eiſeninduſtrie den außerordentlich ſchwierigen Wettbewerb<lb/> auf dem Weltmarkt zu erleichtern. Inländiſche Intereſſen ſind<lb/> dadurch meines Wiſſens nicht geſchädigt worden. Jedenfalls<lb/> liegen die Verhältniſſe bezüglich des Eiſens noch ſchwieriger,<lb/> als bezüglich der Kohlen.</quote> </cit><lb/> <p>Beim Etat der <hi rendition="#g">Reichspoſt- und Telegraphen-<lb/> verwaltung</hi> beſchwert ſich</p><lb/> <p>Abg. <hi rendition="#b">Liebermann v. Sonnenberg</hi> (deutſch-ſoz.<lb/> Reformp.) darüber, daß in Straßburg im Elſaß die Bewerbung<lb/> einer Vereinigung von Schneidermeiſtern um die ausge-<lb/> ſchriebene Lieferung von Bekleidungsgegenſtänden für Poſt-<lb/> beamte von der Oberpoſtdirektion zurückgewieſen worden ſei,<lb/> obwohl ſie den abgegebenen Submiſſionsbedingungen durch-<lb/> aus entſprochen hätte. Den Zuſchlag habe ſchließlich keine<lb/> Straßburger Firma, ſondern die Firma Sachs in Berlin er-<lb/> halten, weil ſie die billigſte geweſen ſei. Dieſer Firma gegen-<lb/> über komme eine ſehr große Anzahl von Handwerksmeiſtern<lb/> und Innungen im Deutſchen Reich ſehr zu kurz, denn die<lb/> Firma liefere für eine große Anzahl von Orten.</p><lb/> <p>Staatsſekretär des Reichspoſtamts <hi rendition="#b">v. Podbielski:</hi></p><lb/> <cit> <quote>Prinzipiell iſt jeder Oberpoſtdirektionsbezirk ſelbſtändig. Natur-<lb/> gemäß behauptet bei jeder Submiſſion der nicht Berückſichtigte,<lb/> das beſte Material gehabt zu haben. Wir haben ein vitales<lb/> Intereſſe daran, daß die Kleidung nicht zu theuer wird, denn<lb/> die Unterbeamten haben dabei etwa ein Siebentel bis ein<lb/> Achtel zuzuſchießen. Ich habe ſelbſtverſtändlich keinen Einfluß<lb/> darauf geübt, daß der Lieferant Sachs bevorzugt wurde.</quote> </cit><lb/> <p>Auf eine Anfrage des Abg. <hi rendition="#b">Braeſicke</hi> (Freiſ. Volksp.)<lb/> erklärt <hi rendition="#b">v. Podbielski,</hi> daß von einer fundamentalen Um-<lb/> geſtaltung des Pakettarifs nicht die Rede ſei, ſondern nur<lb/> von einer Aenderung der Tarife für die mehr als 5 Pfund<lb/> ſchweren Pakete. Erſt müßten aber die beſchloſſenen Geſetze<lb/> zur Durchführung gebracht werden.</p><lb/> <p>Zur Einführung des <hi rendition="#g">Poſtſcheckverkehrs</hi> erklärt</p><lb/> <p>Staatsſekretär des Reichsſchatzamts <hi rendition="#b">Frhr. v. Thiel-<lb/> mann</hi> (ſchwer verſtändlich):</p> <cit> <quote>Der Einnahmeausfall bei der<lb/> Poſtverwaltung wird durch die zum Scheckverkehr gefaßten<lb/> Beſchlüſſe noch vermehrt werden. Bleiben dieſe Beſchlüſſe be-<lb/> ſtehen, ſo wird die Einführung des Scheckverkehrs ſtarken<lb/> Bedenken unterliegen und die Regierungen müſſen ſich volle<lb/> Freiheit der Entſchließung vorbehalten, ob ſie von der im<lb/> Etatsgeſetz ertheilten Befugniß Gebrauch machen werden.</quote> </cit><lb/> <p>(Bewegung links.)</p><lb/> <p>Beim Etat der <hi rendition="#g">Zölle und Verbrauchsſteuern</hi> liegt<lb/> ein Antrag des Abg. <hi rendition="#g">Broemel</hi> (Frſ. Vgg.) vor, die Zoll-<lb/> freiheit für Schiffsbaumaterialien aufzuheben, ferner ein An-<lb/> trag des Abg. <hi rendition="#g">Bargmann</hi> (Frſ. Vp.) über das Saccharin-<lb/> geſetz; beide Anträge werden ſpäter für ſich ſelbſtändig be-<lb/> handelt werden.</p><lb/> <p>Abg. <hi rendition="#b">Rickert:</hi></p> <cit> <quote>Finauzminiſter v. Miquel hat mir oft-<lb/> mals zugegeben, daß die gemiſchten Tranſitlager unentbehr-<lb/> lich ſeien.</quote> </cit><lb/> <p>Abg. <hi rendition="#b">Graf Klinckowſtröm</hi> (konſ.):</p> <cit> <quote>Die geſammte oſt-<lb/> preußiſche Landwirthſchaft hat ſich für die Aufhebung aus-<lb/> geſprochen. Die Intereſſen der Seeſtädte werden durch die<lb/> reinen Tranſitlager genügend gewahrt, während das ge-<lb/> miſchte Tranſitlager den Charakter der Spekulation trägt.</quote> </cit><lb/> <p>Staatsſekretär <hi rendition="#b">v. Thielmann:</hi></p> <cit> <quote>Graf Kanitz hat 1895<lb/> noch ſelbſt zugegeben, daß die abſolute Aufhebung die<lb/> Handelsintereſſen der Seeſtädte ſchädigen müßte. Heute würde<lb/> er vielleicht dieſen Standpunkt nicht vertreten, aber die Herren,<lb/> deren Standpunkt ſich ſelbſt derart verſchiebt, können nicht<lb/> verlangen, daß die Regierungen jeder ſolchen Verſchiebung<lb/> ſofort ihrerſeits folgen.</quote> </cit><lb/> <p>Der <hi rendition="#g">Etat</hi> und das <hi rendition="#g">Etatsgeſetz</hi> werden angenommen,<lb/> ebenſo die zum Etat vorgeſchlagenen Reſolutionen mit Aus-<lb/> nahme derjenigen auf Herabſetzung der Patentgebühren.</p><lb/> <p>Die Sitzung ſchließt um 5¼ Uhr. Die nächſte Sitzung<lb/> wird auf Dienſtag, den 24. <hi rendition="#g">April,</hi> 2 Uhr, anberaumt. Auf<lb/> die Tagesordnung ſetzt der Präſident die <hi rendition="#g">Literarkon-<lb/> vention mit Oeſterreich</hi> und das <hi rendition="#g">Seuchengeſetz.</hi></p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> </div> </div> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Deutſches Reich.</hi> </head><lb/> <div n="3"> <head>Vom Tage.</head><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline><gap reason="illegible" unit="chars" quantity="1"/><hi rendition="#b">Berlin,</hi> 28. März.</dateline> <p><hi rendition="#g">Tel.</hi> Die Generaldevatte über<lb/> die <hi rendition="#g">Flottenvorlage</hi> in der <hi rendition="#g">Budgetkommiſſion</hi><lb/> dürfte morgen zu Ende geführt werden. Nach allem, was<lb/> bis jetzt darüber bekannt geworden iſt, ſind gute Aus-<lb/> ſichten für eine Durchbringung der Vorlage vorhanden.</p><lb/> <p>Die Nachricht, daß anläßlich der Verlobung des<lb/><hi rendition="#g">Prinzen Max von Baden</hi> mit der <hi rendition="#g">Prinzeſſin<lb/> von Cumberland</hi> telegraphiſch herzliche Glückwünſche<lb/> zwiſchen dem <hi rendition="#g">Kaiſer</hi> und dem <hi rendition="#g">Herzog von Cumber-<lb/> land</hi> ausgetauſcht wurden, entſpricht den Thatſachen.<lb/> Indeſſen iſt es als völlig <hi rendition="#g">ausgeſchloſſen</hi> zu betrachten,<lb/> daß ſich aus dieſem Akt der Konzilianz irgend eine Ver-<lb/> änderung in der Auffaſſung der <hi rendition="#g">braunſchweigiſchen<lb/> Frage</hi> ſeitens der betheiligten Kreiſe ergibt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <p>Ein Berliner Blatt hatte ſich kürzlich aus <hi rendition="#g">St. Peters-<lb/> burg</hi> über gewiſſe Mißhelligkeiten berichten laſſen, die<lb/> zwiſchen dem Großfürſten <hi rendition="#g">Wladimir</hi> und ſeiner Ge-<lb/> mahlin <hi rendition="#g">Maria Paulowna</hi> einerſeits und dem <hi rendition="#g">deut-<lb/> ſchen Botſchafter, Fürſten Radolin,</hi> andrerſeits<lb/> dadurch entſtanden ſeien, daß Fürſt Radolin bei der<lb/> Großfürſtin über ein ſehr wenig angebrachtes Scherzwort<lb/> ihres Gemahls Beſchwerde geführt habe, worauf die hohe<lb/> Dame in ſcharfem Tone replizirt und u. a. bemerkt haben<lb/> ſolle, der Fürſt habe in ihr nicht die deutſche Prinzeſſin,<lb/> ſondern die ruſſiſche Großfürſtin zu ſehen. Es mag dahin-<lb/> geſtellt bleiben, ob dieſe Darſtellung, die mehrfach mit ge-<lb/> wiſſen, von maßgebender Seite bereits in aller Form<lb/> dementirten Gerüchten über einen Botſchafterwechſel in<lb/> St. Petersburg in Zuſammenhang gebracht wurde, völlig<lb/> den Thatſachen entſpricht. Sie rundweg ins Gebiet gegen-<lb/> ſtandsloſen Klatſches zu verweiſen, iſt indeſſen nicht wohl<lb/> angebracht. Immerhin dürfte ſich, falls der „Figaro“<lb/> recht mit der Behauptung hat, daß die Großfürſtin Maria<lb/> Paulowna äußerte, ſie hoffe bei ihrer Rückkehr nach<lb/> St. Petersburg einen anderen deutſchen Botſchafter zu<lb/> finden, dieſe Erwartung im Hinblick auf das bisherige<lb/> Eintreten der deutſchen Regierung für den Fürſten Radolin<lb/> als <hi rendition="#g">trügeriſch</hi> erweiſen.</p> </div><lb/> <div xml:id="a3a" next="#a3b" n="4"> <head> <hi rendition="#c">Verhandlungen der Budgetkommiſſion über die Flotten-Vorlage.</hi> </head><lb/> <dateline>* <hi rendition="#b">Berlin,</hi> 28. März.</dateline> <p><hi rendition="#g">Tel.</hi> Bei der heute fortgeſetzten<lb/> Berathung der <hi rendition="#g">Novelle zum Flottengeſetz</hi> in der<lb/><hi rendition="#g">Budgetkommiſſion des Reichstags</hi> wurde in der ver-<lb/> traulichen Erörterung der Fragen betr. die Nothwendig-<lb/> keit und den Umfang der Flottenvermehrung fortgefahren.<lb/> Die Details der Beſprechung entziehen ſich demgemäß der<lb/> Wiedergabe, doch darf das Nachſtehende hervorgehoben<lb/> werden.</p><lb/> <p>Abg. <hi rendition="#g">Bebel</hi> (Soz.) würdigte die politiſche Lage Deutſch-<lb/> lands inmitten der übrigen Völker. Er glaubt, daß ſie die<lb/> verlangte Erweiterung der Flotte nicht rechtfertige. Einen<lb/> abſoluten Schutz des Handels im Kriege gewährleiſte auch<lb/> eine ſtärkere Flotte nicht. Der deutſche Handel werde im<lb/> Kriege überhaupt nicht wagen, den überſeeiſchen Betrieb auf-<lb/> rechtzuerhalten. Er gelangt demgemäß zur Ablehnung der<lb/> Vorlage. — Abg. <hi rendition="#g">Graf Stolberg-Wernigerode</hi> (konſ.)<lb/> legt dar, daß dem Geſetze jede aggreſſive Tendenz fern liege.<lb/> In der wirthſchaftlichen Entwicklung Deutſchlands lägen<lb/> jedoch Reibungsmöglichkeiten in großer Menge. Mit<lb/> ſchwachen Rüſtungen ſich begnügen zu wollen weil die<lb/> möglichen Gegner doch ſtärker ſein würden entſpräche<lb/> nicht einer vorausſehenden Politik, es müſſe vielmehr ge-<lb/> ſchehen, was den Kräften der Nation entſpreche. Deß-<lb/> halb ſei er für die Vorlage. — In ähnlichem Sinne ſpricht<lb/> ſich Abg. <hi rendition="#g">Baſſermann</hi> (nat.-lib.) aus. — Abg. <hi rendition="#g">Richter</hi><lb/> (Freiſ. Volksp.) hält die Lage im Vergleich zu 1897, wo das<lb/> erſte Flottengeſetz vorgelegt wurde, für nicht weſentlich ver-<lb/> ändert. Fürſt Bismarck habe im Jahre 1885 ſeinen Stand-<lb/> punkt zur Flotte dahin gekennzeichnet, daß Deutſchland mit<lb/> den großen Seemächten nicht wetteifern ſolle. Noch 1897<lb/> habe er eine „gute Anſtandsflotte“ für Deutſchland als aus-<lb/> reichend erachtet In den zur Zeit beſtehenden Macht-<lb/> ver hältniſſen der Völker liege eine gute Garantie für die<lb/> Fortdauer friedlicher Verhältniſſe. Er gelange zur Ablehnung<lb/> der Novelle umſomehr, als ſie Projekte enthalte für eine Zu-<lb/> kunft, welche ſich in keiner Weiſe überſehen laſſe. — Abg.</p><lb/> <cb/> </div> </div> </div> </div> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div xml:id="a2b" prev="#a2a" type="jComment" n="2"> <p>Augen ſingen und ſpielen, um bei der Aufführung ihre<lb/> Blindheit glaubwürdig zu machen.</p><lb/> <p>Daß Hans Richter, der ausgezeichnete Kapellmeiſter,<lb/> Wien, die Stätte ſeines Ruhms, für immer verläßt, wird<lb/> tief bedauert. Wer kann in das Herz des Menſchen<lb/> ſchauen, um den wahren Grund dieſer Trennung zu er-<lb/> rathen?</p><lb/> <p>Wien iſt nicht nur eine Muſikſtadt; ſie beginnt ein<lb/> zweites München zu werden; denn die Maler regen ſich<lb/> allgewaltig, die Alten und die Jungen!</p><lb/> <p>Die feierliche Eröffnung der Frühjahrsausſtellung<lb/> im Künſtlerhauſe, dem Heim der Alten, geſtaltete ſich<lb/> wie alljährlich zu einem glänzenden Feſte. Elegante<lb/> Damen in den modernſten Frühjahrstoiletten ſtrömten zu<lb/> den Hallen der Kunſt, mehr, um geſehen zu werden, als<lb/> um ſelbſt zu ſehen. Man ſah vor lauter Bäumen nicht<lb/> den Wald; vor lebendigen Bildern nicht die gemalten.<lb/> Alles drängte zu dem Vordergrund, um den Kaiſer zu<lb/> ſehen, der mit gewohntem, bewunderungswürdigem Pflicht-<lb/> eifer und ſichtlichem Intereſſe die Bilder in Augenſchein<lb/> nahm. Ihn begleiteten der Thronfolger, Erzherzog Franz<lb/> Ferdinand Eſte, den die Fama ſchon verheirathet hat —<lb/> und Erzherzog Eugen, der Stiefbruder der Prinzeſſin<lb/> Ludwig von Bayern, eine ſchöne, ritterliche Erſcheinung.<lb/> Er gilt als einer der kunſtſinnigſten Prinzen.</p><lb/> <p>Es geht ein friſcher Luftzug durch das Künſtlerhaus.<lb/> Auch dekorativ leiſtet es jetzt mehr als früher. Man<lb/> ſieht, die Nachbarin Sezeſſion gibt ihm zu ſchaffen. Es<lb/> will nicht zurückbleiben im Wettkampfe um die Sieges-<lb/> palme.</p><lb/> <p>Drüben iſt mehr Farbe, mehr Harmonie und Stim-<lb/> mung in der Ausſchmückung der Säle. Auch die Rahmen<lb/> der Bilder ſind ſtilvoller, der ſchwere Goldrahmen, dem<lb/> wir im Künſtlerhaus ſo häufig begegnen, iſt in der Se-<lb/> zeſſion faſt gänzlich verſchwunden.</p><lb/> <p>Das Wiener Publikum ſteht der Sezeſſion nicht mehr<lb/> ſkeptiſch gegenüber, nur für die rothhaarigen, ätheriſchen<lb/> Frauengeſtalten hat es kein Verſtändniß. Sie ſtehen zu<lb/> ſehr im Kontraſt zu den zwar auf ſezeſſioniſtiſche Taille<lb/> ſchwörenden, aber ſonſt lebensvollen, üppigen Wienerinnen.<lb/><cb/> Ganz merkwürdig iſt es, daß der Altmeiſter der Mal-<lb/> kunſt, der Aquarelliſt Rudolf Alt, in einer ſtarken oder<lb/> ſchwachen Stunde ſeinen Namen auf die Fahne der Se-<lb/> zeſſion geſchrieben hat. Es wird eine Zeit kommen, wo<lb/> alt und jung ſich wieder vereinigen wird! Wer hätte<lb/> vor zwei Jahren geglaubt, daß der hypermoderne Strath-<lb/> mann bei den Alten und Rudolf Alt bei den Jungen<lb/> heimiſch werden könnten!</p><lb/> <p>Iſt es nicht ein eigenthümlicher Zug der Zeit, daß,<lb/> je tiefer das politiſche Leben ſinkt, das Künſtleriſche deſto<lb/> höher ſteigt. Seit langem herrſchte bei uns kein ſo reges<lb/> geiſtiges Leben, wie jetzt. Auch Frau Caritas profitirt<lb/> davon — und da Hut ab! ſtehen unſre Frauen an der<lb/> Spitze! Die Modeausſtellung dient etwa nicht nur der<lb/> frivolen Göttin Mode, ſondern auch hauptſächlich dem<lb/> Gewerbe in den verſchiedenſten Zweigen. Frau Eitelkeit<lb/> ſpielt natürlich mit, denn was wäre die Mode ohne die<lb/> Eitelkeit des weiblichen Geſchlechts? Die ſchönen Frauen,<lb/> welche in der Ausſtellung in ſchönen Toiletten die Gäſte<lb/> empfangen, wiſſen ganz gut, welche Anziehungskraft ſie<lb/> ausüben. Wir ſehen die reizende Gemahlin des Statt-<lb/> halters, Gräfin Kielmansegg — als Präſidentin, die<lb/> Hofſchauſpielerin Frau Schratt als Vizepräſidentin. Frau<lb/> Schratt mit ihrer geſunden Weltanſchanung und ihrem<lb/> liebenswürdigen Humor weiß ganz gut, daß ſie ſelbſt<lb/> noch viel anziehender iſt, als ihre geſchmackvolle Toilette.<lb/> Frau Odilon vom Volkstheater repräſentirt die Pikan-<lb/> terie, Gräfin Kinsky-Palmay den Chic u. ſ. w. — Attri-<lb/> bute, die mit der Mode Hand in Hand gehen. Die aus-<lb/> geſtellten Toiletten dienen den Damen als Folie. Der<lb/> Hochzeitszug aus reizenden Wachspuppen iſt der Clon der<lb/> Ausſtellung.</p><lb/> <p>Draußen in den Sophien-Sälen, wo vor wenigen<lb/> Wochen die weiße Redoute ihren Zauberſpuk getrieben<lb/> hatte, ſind nun kleine, trauliche Interieurs geſchaffen<lb/> worden, ſozuſagen kleine Theeſalons, wo Damen aus der<lb/> Geſellſchaft ihre <hi rendition="#aq">jours</hi> halten und zu wohlthätigen Zwecken<lb/> eine Taſſe Thee kredenzen.</p><lb/> <p>Der Wiener beſitzt einen eigenen, vielleicht nicht ganz<lb/> ſalonfähigen, aber ſehr bezeichnenden Ausdruck für eine<lb/><cb/> gewiſſe Art eleganten Raubritterthums, ein Spekuliren auf<lb/> die Gutmüthigkeit und den Wohlthätigkeitsſinn der Be-<lb/> kannten und Freunde, ja auch der gänzlich Fremden.<lb/> Das ſchöne Wort heißt: Wurzen — und das gutmüthige<lb/> Opfer: eine gute Wurzen. Die Etymologie dieſes inter-<lb/> eſſanten Wortes findet man weder in Heyſe’s Grammatik<lb/> noch in deſſen Fremdwörterbuch; und ich könnte dieſelbe<lb/> auch nicht erklären. Beim „Wurzen“ fallen alle geſell-<lb/> ſchaftlichen und konfeſſionellen Schranken.</p><lb/> <p>Wir feierten in dieſen Tagen einen Siebzigjährigen,<lb/> aber in wehmüthiger Stille, um nicht die Wunde aufzu-<lb/> reißen, die ihm der Tod ſeiner geliebten Gattin vor zwei<lb/> Wochen geſchlagen. Es iſt dies der Chef des General-<lb/> ſtabs der gemeinſamen Armee, Feldzeugmeiſter Frhr.<lb/> v. Beck, einer der populärſten Generale Oeſterreichs, der<lb/> ſich auch des beſonderen Wohlwollens ſeines oberſten<lb/> Kriegsherrn, des Kaiſers, erfreut. Wie populär der noch<lb/> vollkommen rüſtige, unermüdlich thätige General iſt, be-<lb/> wies die ungeheure Theilnahme an dem ſchweren Verluſt,<lb/> den er und ſein Sohn, ein ausgezeichneter Generalſtabs-<lb/> offizier, erlitten. Die verſtorbene Baronin Beck war eine<lb/> vornehme Franenerſcheinung. Obwohl eine hohe Stellung<lb/> in der Geſellſchaft einnehmend, lebte ſie gänzlich zurück-<lb/> gezogen, nur ihren Pflichten als Gattin und Mutter und<lb/> der Pflege des Edlen und Schönen. So lange ſie lebte,<lb/> galt für ſie jener bekannte Ausſpruch Napoleons: „Die<lb/> Frau iſt die beſte, von welcher am wenigſten geſprochen<lb/> wird.“ Nach ihrem Tode wurden viele Stimmen des<lb/> Lobes über ſie laut.</p><lb/> <p>Der Rubikon iſt überſchritten: Kronprinzeſſin Stephanie<lb/> iſt Gräfin Lonyay geworden. Viele ſtehen in Oeſterreich<lb/> dem Glücke der Gräfin Lonyay ſkeptiſch gegenüber, der<lb/> vollſtändige Umſchwung der Verhältniſſe, die Zwitterſtellung,<lb/> die Trennung von ihrer Tochter — all dieſes zu über-<lb/> winden, dazu gehört viel Heroismus und Charakterſtärke.<lb/> Man glaubt nicht mehr an die romantiſche Liebe, von<lb/> welcher Ranpach ſchön ſagt: „Entſchloſſenheit zum ſchwerſten<lb/> Opfer iſt der Liebe Ruhm und höchſte Offenbarung.“</p><lb/> <p> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#aq">Verus.</hi> </hi> </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [2/0002]
München, Donnerſtag Allgemeine Zeitung 29. März 1900. Nr. 86.
doch nicht anders beſchaffen ſein als das, was im Durch-
ſchnitt im Handel vorkommt. Gerade heute, wo die Fleiſch-
beſchau vielleicht doch noch vor der Thür ſtehe und die
Flottenvorlage vielleicht doch noch Geſetz werde, ſolle die
Marineverwaltung ſich der Sache recht gründlich annehmen.
Staatsſekretär des Reichsmarineamts Tirpitz:
Allge-
mein iſt die Marineverwaltung jetzt ſchon beſtrebt, Konſerven
deutſchen Herkommens zu nehmen. Die Schiffe müſſen, wenn
ſie im Ausland ſind, nehmen, was dort an Proviant zu
haben iſt, daran können wir nichts ändern. In Betracht
kommt nur die Verproviantirung der Schiffe in der Heimath.
Bei weitem der größte Theil der Verproviantirung iſt deutſcher
Herkunft. Unſre Schiffe haben Selbſtverpflegung, d. h. es
wird ihnen ein gewiſſes Geldquantum bewilligt, womit ſie
auszukommen haben; was ſie damit machen, iſt Sache der
Menagekommiſſion an Bord des Schiffes und der kann man
nicht gut Vorſchriften machen. Direkte Klagen in dieſer
Richtung ſind nicht laut geworden. Beim Einkauf der Menage
werden Stichproben genommen. Sollte das fremde Fleiſch
aus ſanitären Gründen nicht eingeführt werden dürfen, ſo
wird ſelbſtverſtändlich auch die Marineverwaltung ſich danach
richten. Jetzt liegt noch kein Anlaß vor, die Selbſtverpflegung
einzuſchränken.
Abg. Oertel:
Wenn das Fleiſchbeſchangeſetz in wenigen
Monaten wirklich Geſetz wird, dann kann doch die Ver-
waltung dieſes Büchſenfleiſch nicht mehr verwenden. Warum
ſoll ſie dieſes ununterſuchbare und möglicherweiſe geſund-
heitsgefährliche Fleiſch nicht jetzt ſchon ausmerzen können?
Wenn es ſich nur um 60,000 M. handelt, um ſo beſſer! Der
Staatsſekretär ſollte ſich nicht hinter die Unabhängigkeit der
Schiffsmenagen verſchanzen. Der preußiſche Kriegsminiſter
kann ſolche Anweiſungen an die Menageverwaltungen auch
nicht erlaſſen, hat ſie aber darauf hingewieſen, daß das Staats-
intereſſe den unmittelbaren Einkauf bei den Produzenten em-
pfehle, und viele Menageverwaltungen ſind denn auch dazu
übergegangen. Ich habe an meinem eigenen Leib empfunden,
daß das amerikaniſche Büchſenfleiſch bedeukliche Wirkungen
hat. (Große Heiterkeit links.) Ob die marineamtliche Unter-
ſuchung des Büchſenfleiſches genügt, bezweifle ich.
Der Marine-Etat wird genehmigt. Beim Etat der
Reichsjuſtizverwaltung fragt
Abg. Böckel (Antiſemit) nach dem Stand der längſt
geforderten Reform der Anwaltsgebührenordnung, bittet, für
Herabſetzung der Gerichtskoſten zu ſorgen, und befürwortet,
den Anwaltszwang abzuſchaffen.
Staatsſekretär der Juſtiz Nieberding:
Die urſprüng-
lichen Sätze unſrer Gerichtsgebührenordnung haben ſchon
anfangs der 80 er Jahre eine Ermäßigung gefunden. Eine
ſpätere Vorlage über die Anwaltsgebührenermäßigung fand
nicht die Zuſtimmung des Hauſes. Die ganze Frage iſt ſeit-
dem liegen geblieben. Es wird auch noch weiterer praktiſcher
Erfahrungen bedürfen, ehe man an die Frage wieder herantreten
kann. Eine Aenderung des Anwaltszwanges iſt bisher bei
den Regierungen nicht in Anregung gekommen.
Beim Etat des Reichseiſenbahnamts kommt
Abg. Graf Kanitz (konſ.) auf die bei der zweiten
Leſung gewünſchte Aufhebung der Kohlenausfuhrtarife in
den Reichslanden zurück. Auch für Roheiſen und Stahl
müſſe der beſtehende Ausfuhrtarif beſeitigt werden Die
hohen Eiſenpreiſe, die infolge der Eiſennoth eingetreten ſeien,
fielen außerordentlich ſchwer ins Gewicht. Die Verringerung
des Eiſenkonſums ſei eine Kalamität für das ganze Land.
Die Vermehrung des Flottenbeſtandes würde den Eiſenver-
brauch in Deutſchland ganz enorm ſteigern und da dürfte
man die Eiſenpreiſe nicht durch künſtlichen Export noch weiter
ſteigern. Das Reichseiſenbahnamt müſſe ſein Augenmerk
darauf richten, den Maſſenexport von Eiſen ſo zu reguliren,
daß Deutſchland dabei zu ſeinem Recht kommt.
Präſident des Reichseiſenbahnamts Dr. Schulz:
Der
Reichskanzler hat eine gemeinſame Erörterung der wichtigen,
wirthſchaftlich bedeutſamen Frage der Aufhebung der er-
mäßigten Kohlenausfuhrtarife veranlaßt. Ich habe mich dem-
gemäß zunächſt mit dem preußiſchen Eiſenbahnminiſter ins
Benehmen geſetzt. Die preußiſchen Ermittelungen ſind abge-
ſchloſſen und der Landeseiſenbahnrath wird ſein Gutachten
darüber abgegeben haben. Auch die anderen Regierungen
ſind von dem Amte erſucht worden, die dem Zwecke dienlichen
Ermittlungen anzuſtellen. Daß die Preiſe der Kohlen, die
von der Saar nach Frankreich und der Schweiz ausgeführt
werden, weit billiger ſind, als die für die im Inlande ver-
bleibenden Kohlen, entſpricht nicht den Thatſachen. Die Preiſe
der Saarkohlen nach Frankreich, der Schweiz und Italien
werden nach eingeholter Auskunft nicht niedriger, ſondern
höher gehalten als die für den inländiſchen Verbrauch. Was
die Roheiſenausfuhrtarife betrifft, ſo haben die ermäßigten
Frachtſätze nicht unweſentlich dazu beigetragen, der deutſchen
Eiſeninduſtrie den außerordentlich ſchwierigen Wettbewerb
auf dem Weltmarkt zu erleichtern. Inländiſche Intereſſen ſind
dadurch meines Wiſſens nicht geſchädigt worden. Jedenfalls
liegen die Verhältniſſe bezüglich des Eiſens noch ſchwieriger,
als bezüglich der Kohlen.
Beim Etat der Reichspoſt- und Telegraphen-
verwaltung beſchwert ſich
Abg. Liebermann v. Sonnenberg (deutſch-ſoz.
Reformp.) darüber, daß in Straßburg im Elſaß die Bewerbung
einer Vereinigung von Schneidermeiſtern um die ausge-
ſchriebene Lieferung von Bekleidungsgegenſtänden für Poſt-
beamte von der Oberpoſtdirektion zurückgewieſen worden ſei,
obwohl ſie den abgegebenen Submiſſionsbedingungen durch-
aus entſprochen hätte. Den Zuſchlag habe ſchließlich keine
Straßburger Firma, ſondern die Firma Sachs in Berlin er-
halten, weil ſie die billigſte geweſen ſei. Dieſer Firma gegen-
über komme eine ſehr große Anzahl von Handwerksmeiſtern
und Innungen im Deutſchen Reich ſehr zu kurz, denn die
Firma liefere für eine große Anzahl von Orten.
Staatsſekretär des Reichspoſtamts v. Podbielski:
Prinzipiell iſt jeder Oberpoſtdirektionsbezirk ſelbſtändig. Natur-
gemäß behauptet bei jeder Submiſſion der nicht Berückſichtigte,
das beſte Material gehabt zu haben. Wir haben ein vitales
Intereſſe daran, daß die Kleidung nicht zu theuer wird, denn
die Unterbeamten haben dabei etwa ein Siebentel bis ein
Achtel zuzuſchießen. Ich habe ſelbſtverſtändlich keinen Einfluß
darauf geübt, daß der Lieferant Sachs bevorzugt wurde.
Auf eine Anfrage des Abg. Braeſicke (Freiſ. Volksp.)
erklärt v. Podbielski, daß von einer fundamentalen Um-
geſtaltung des Pakettarifs nicht die Rede ſei, ſondern nur
von einer Aenderung der Tarife für die mehr als 5 Pfund
ſchweren Pakete. Erſt müßten aber die beſchloſſenen Geſetze
zur Durchführung gebracht werden.
Zur Einführung des Poſtſcheckverkehrs erklärt
Staatsſekretär des Reichsſchatzamts Frhr. v. Thiel-
mann (ſchwer verſtändlich):
Der Einnahmeausfall bei der
Poſtverwaltung wird durch die zum Scheckverkehr gefaßten
Beſchlüſſe noch vermehrt werden. Bleiben dieſe Beſchlüſſe be-
ſtehen, ſo wird die Einführung des Scheckverkehrs ſtarken
Bedenken unterliegen und die Regierungen müſſen ſich volle
Freiheit der Entſchließung vorbehalten, ob ſie von der im
Etatsgeſetz ertheilten Befugniß Gebrauch machen werden.
(Bewegung links.)
Beim Etat der Zölle und Verbrauchsſteuern liegt
ein Antrag des Abg. Broemel (Frſ. Vgg.) vor, die Zoll-
freiheit für Schiffsbaumaterialien aufzuheben, ferner ein An-
trag des Abg. Bargmann (Frſ. Vp.) über das Saccharin-
geſetz; beide Anträge werden ſpäter für ſich ſelbſtändig be-
handelt werden.
Abg. Rickert:
Finauzminiſter v. Miquel hat mir oft-
mals zugegeben, daß die gemiſchten Tranſitlager unentbehr-
lich ſeien.
Abg. Graf Klinckowſtröm (konſ.):
Die geſammte oſt-
preußiſche Landwirthſchaft hat ſich für die Aufhebung aus-
geſprochen. Die Intereſſen der Seeſtädte werden durch die
reinen Tranſitlager genügend gewahrt, während das ge-
miſchte Tranſitlager den Charakter der Spekulation trägt.
Staatsſekretär v. Thielmann:
Graf Kanitz hat 1895
noch ſelbſt zugegeben, daß die abſolute Aufhebung die
Handelsintereſſen der Seeſtädte ſchädigen müßte. Heute würde
er vielleicht dieſen Standpunkt nicht vertreten, aber die Herren,
deren Standpunkt ſich ſelbſt derart verſchiebt, können nicht
verlangen, daß die Regierungen jeder ſolchen Verſchiebung
ſofort ihrerſeits folgen.
Der Etat und das Etatsgeſetz werden angenommen,
ebenſo die zum Etat vorgeſchlagenen Reſolutionen mit Aus-
nahme derjenigen auf Herabſetzung der Patentgebühren.
Die Sitzung ſchließt um 5¼ Uhr. Die nächſte Sitzung
wird auf Dienſtag, den 24. April, 2 Uhr, anberaumt. Auf
die Tagesordnung ſetzt der Präſident die Literarkon-
vention mit Oeſterreich und das Seuchengeſetz.
Deutſches Reich.
Vom Tage.
_ Berlin, 28. März. Tel. Die Generaldevatte über
die Flottenvorlage in der Budgetkommiſſion
dürfte morgen zu Ende geführt werden. Nach allem, was
bis jetzt darüber bekannt geworden iſt, ſind gute Aus-
ſichten für eine Durchbringung der Vorlage vorhanden.
Die Nachricht, daß anläßlich der Verlobung des
Prinzen Max von Baden mit der Prinzeſſin
von Cumberland telegraphiſch herzliche Glückwünſche
zwiſchen dem Kaiſer und dem Herzog von Cumber-
land ausgetauſcht wurden, entſpricht den Thatſachen.
Indeſſen iſt es als völlig ausgeſchloſſen zu betrachten,
daß ſich aus dieſem Akt der Konzilianz irgend eine Ver-
änderung in der Auffaſſung der braunſchweigiſchen
Frage ſeitens der betheiligten Kreiſe ergibt.
Ein Berliner Blatt hatte ſich kürzlich aus St. Peters-
burg über gewiſſe Mißhelligkeiten berichten laſſen, die
zwiſchen dem Großfürſten Wladimir und ſeiner Ge-
mahlin Maria Paulowna einerſeits und dem deut-
ſchen Botſchafter, Fürſten Radolin, andrerſeits
dadurch entſtanden ſeien, daß Fürſt Radolin bei der
Großfürſtin über ein ſehr wenig angebrachtes Scherzwort
ihres Gemahls Beſchwerde geführt habe, worauf die hohe
Dame in ſcharfem Tone replizirt und u. a. bemerkt haben
ſolle, der Fürſt habe in ihr nicht die deutſche Prinzeſſin,
ſondern die ruſſiſche Großfürſtin zu ſehen. Es mag dahin-
geſtellt bleiben, ob dieſe Darſtellung, die mehrfach mit ge-
wiſſen, von maßgebender Seite bereits in aller Form
dementirten Gerüchten über einen Botſchafterwechſel in
St. Petersburg in Zuſammenhang gebracht wurde, völlig
den Thatſachen entſpricht. Sie rundweg ins Gebiet gegen-
ſtandsloſen Klatſches zu verweiſen, iſt indeſſen nicht wohl
angebracht. Immerhin dürfte ſich, falls der „Figaro“
recht mit der Behauptung hat, daß die Großfürſtin Maria
Paulowna äußerte, ſie hoffe bei ihrer Rückkehr nach
St. Petersburg einen anderen deutſchen Botſchafter zu
finden, dieſe Erwartung im Hinblick auf das bisherige
Eintreten der deutſchen Regierung für den Fürſten Radolin
als trügeriſch erweiſen.
Verhandlungen der Budgetkommiſſion über die Flotten-Vorlage.
* Berlin, 28. März. Tel. Bei der heute fortgeſetzten
Berathung der Novelle zum Flottengeſetz in der
Budgetkommiſſion des Reichstags wurde in der ver-
traulichen Erörterung der Fragen betr. die Nothwendig-
keit und den Umfang der Flottenvermehrung fortgefahren.
Die Details der Beſprechung entziehen ſich demgemäß der
Wiedergabe, doch darf das Nachſtehende hervorgehoben
werden.
Abg. Bebel (Soz.) würdigte die politiſche Lage Deutſch-
lands inmitten der übrigen Völker. Er glaubt, daß ſie die
verlangte Erweiterung der Flotte nicht rechtfertige. Einen
abſoluten Schutz des Handels im Kriege gewährleiſte auch
eine ſtärkere Flotte nicht. Der deutſche Handel werde im
Kriege überhaupt nicht wagen, den überſeeiſchen Betrieb auf-
rechtzuerhalten. Er gelangt demgemäß zur Ablehnung der
Vorlage. — Abg. Graf Stolberg-Wernigerode (konſ.)
legt dar, daß dem Geſetze jede aggreſſive Tendenz fern liege.
In der wirthſchaftlichen Entwicklung Deutſchlands lägen
jedoch Reibungsmöglichkeiten in großer Menge. Mit
ſchwachen Rüſtungen ſich begnügen zu wollen weil die
möglichen Gegner doch ſtärker ſein würden entſpräche
nicht einer vorausſehenden Politik, es müſſe vielmehr ge-
ſchehen, was den Kräften der Nation entſpreche. Deß-
halb ſei er für die Vorlage. — In ähnlichem Sinne ſpricht
ſich Abg. Baſſermann (nat.-lib.) aus. — Abg. Richter
(Freiſ. Volksp.) hält die Lage im Vergleich zu 1897, wo das
erſte Flottengeſetz vorgelegt wurde, für nicht weſentlich ver-
ändert. Fürſt Bismarck habe im Jahre 1885 ſeinen Stand-
punkt zur Flotte dahin gekennzeichnet, daß Deutſchland mit
den großen Seemächten nicht wetteifern ſolle. Noch 1897
habe er eine „gute Anſtandsflotte“ für Deutſchland als aus-
reichend erachtet In den zur Zeit beſtehenden Macht-
ver hältniſſen der Völker liege eine gute Garantie für die
Fortdauer friedlicher Verhältniſſe. Er gelange zur Ablehnung
der Novelle umſomehr, als ſie Projekte enthalte für eine Zu-
kunft, welche ſich in keiner Weiſe überſehen laſſe. — Abg.
Augen ſingen und ſpielen, um bei der Aufführung ihre
Blindheit glaubwürdig zu machen.
Daß Hans Richter, der ausgezeichnete Kapellmeiſter,
Wien, die Stätte ſeines Ruhms, für immer verläßt, wird
tief bedauert. Wer kann in das Herz des Menſchen
ſchauen, um den wahren Grund dieſer Trennung zu er-
rathen?
Wien iſt nicht nur eine Muſikſtadt; ſie beginnt ein
zweites München zu werden; denn die Maler regen ſich
allgewaltig, die Alten und die Jungen!
Die feierliche Eröffnung der Frühjahrsausſtellung
im Künſtlerhauſe, dem Heim der Alten, geſtaltete ſich
wie alljährlich zu einem glänzenden Feſte. Elegante
Damen in den modernſten Frühjahrstoiletten ſtrömten zu
den Hallen der Kunſt, mehr, um geſehen zu werden, als
um ſelbſt zu ſehen. Man ſah vor lauter Bäumen nicht
den Wald; vor lebendigen Bildern nicht die gemalten.
Alles drängte zu dem Vordergrund, um den Kaiſer zu
ſehen, der mit gewohntem, bewunderungswürdigem Pflicht-
eifer und ſichtlichem Intereſſe die Bilder in Augenſchein
nahm. Ihn begleiteten der Thronfolger, Erzherzog Franz
Ferdinand Eſte, den die Fama ſchon verheirathet hat —
und Erzherzog Eugen, der Stiefbruder der Prinzeſſin
Ludwig von Bayern, eine ſchöne, ritterliche Erſcheinung.
Er gilt als einer der kunſtſinnigſten Prinzen.
Es geht ein friſcher Luftzug durch das Künſtlerhaus.
Auch dekorativ leiſtet es jetzt mehr als früher. Man
ſieht, die Nachbarin Sezeſſion gibt ihm zu ſchaffen. Es
will nicht zurückbleiben im Wettkampfe um die Sieges-
palme.
Drüben iſt mehr Farbe, mehr Harmonie und Stim-
mung in der Ausſchmückung der Säle. Auch die Rahmen
der Bilder ſind ſtilvoller, der ſchwere Goldrahmen, dem
wir im Künſtlerhaus ſo häufig begegnen, iſt in der Se-
zeſſion faſt gänzlich verſchwunden.
Das Wiener Publikum ſteht der Sezeſſion nicht mehr
ſkeptiſch gegenüber, nur für die rothhaarigen, ätheriſchen
Frauengeſtalten hat es kein Verſtändniß. Sie ſtehen zu
ſehr im Kontraſt zu den zwar auf ſezeſſioniſtiſche Taille
ſchwörenden, aber ſonſt lebensvollen, üppigen Wienerinnen.
Ganz merkwürdig iſt es, daß der Altmeiſter der Mal-
kunſt, der Aquarelliſt Rudolf Alt, in einer ſtarken oder
ſchwachen Stunde ſeinen Namen auf die Fahne der Se-
zeſſion geſchrieben hat. Es wird eine Zeit kommen, wo
alt und jung ſich wieder vereinigen wird! Wer hätte
vor zwei Jahren geglaubt, daß der hypermoderne Strath-
mann bei den Alten und Rudolf Alt bei den Jungen
heimiſch werden könnten!
Iſt es nicht ein eigenthümlicher Zug der Zeit, daß,
je tiefer das politiſche Leben ſinkt, das Künſtleriſche deſto
höher ſteigt. Seit langem herrſchte bei uns kein ſo reges
geiſtiges Leben, wie jetzt. Auch Frau Caritas profitirt
davon — und da Hut ab! ſtehen unſre Frauen an der
Spitze! Die Modeausſtellung dient etwa nicht nur der
frivolen Göttin Mode, ſondern auch hauptſächlich dem
Gewerbe in den verſchiedenſten Zweigen. Frau Eitelkeit
ſpielt natürlich mit, denn was wäre die Mode ohne die
Eitelkeit des weiblichen Geſchlechts? Die ſchönen Frauen,
welche in der Ausſtellung in ſchönen Toiletten die Gäſte
empfangen, wiſſen ganz gut, welche Anziehungskraft ſie
ausüben. Wir ſehen die reizende Gemahlin des Statt-
halters, Gräfin Kielmansegg — als Präſidentin, die
Hofſchauſpielerin Frau Schratt als Vizepräſidentin. Frau
Schratt mit ihrer geſunden Weltanſchanung und ihrem
liebenswürdigen Humor weiß ganz gut, daß ſie ſelbſt
noch viel anziehender iſt, als ihre geſchmackvolle Toilette.
Frau Odilon vom Volkstheater repräſentirt die Pikan-
terie, Gräfin Kinsky-Palmay den Chic u. ſ. w. — Attri-
bute, die mit der Mode Hand in Hand gehen. Die aus-
geſtellten Toiletten dienen den Damen als Folie. Der
Hochzeitszug aus reizenden Wachspuppen iſt der Clon der
Ausſtellung.
Draußen in den Sophien-Sälen, wo vor wenigen
Wochen die weiße Redoute ihren Zauberſpuk getrieben
hatte, ſind nun kleine, trauliche Interieurs geſchaffen
worden, ſozuſagen kleine Theeſalons, wo Damen aus der
Geſellſchaft ihre jours halten und zu wohlthätigen Zwecken
eine Taſſe Thee kredenzen.
Der Wiener beſitzt einen eigenen, vielleicht nicht ganz
ſalonfähigen, aber ſehr bezeichnenden Ausdruck für eine
gewiſſe Art eleganten Raubritterthums, ein Spekuliren auf
die Gutmüthigkeit und den Wohlthätigkeitsſinn der Be-
kannten und Freunde, ja auch der gänzlich Fremden.
Das ſchöne Wort heißt: Wurzen — und das gutmüthige
Opfer: eine gute Wurzen. Die Etymologie dieſes inter-
eſſanten Wortes findet man weder in Heyſe’s Grammatik
noch in deſſen Fremdwörterbuch; und ich könnte dieſelbe
auch nicht erklären. Beim „Wurzen“ fallen alle geſell-
ſchaftlichen und konfeſſionellen Schranken.
Wir feierten in dieſen Tagen einen Siebzigjährigen,
aber in wehmüthiger Stille, um nicht die Wunde aufzu-
reißen, die ihm der Tod ſeiner geliebten Gattin vor zwei
Wochen geſchlagen. Es iſt dies der Chef des General-
ſtabs der gemeinſamen Armee, Feldzeugmeiſter Frhr.
v. Beck, einer der populärſten Generale Oeſterreichs, der
ſich auch des beſonderen Wohlwollens ſeines oberſten
Kriegsherrn, des Kaiſers, erfreut. Wie populär der noch
vollkommen rüſtige, unermüdlich thätige General iſt, be-
wies die ungeheure Theilnahme an dem ſchweren Verluſt,
den er und ſein Sohn, ein ausgezeichneter Generalſtabs-
offizier, erlitten. Die verſtorbene Baronin Beck war eine
vornehme Franenerſcheinung. Obwohl eine hohe Stellung
in der Geſellſchaft einnehmend, lebte ſie gänzlich zurück-
gezogen, nur ihren Pflichten als Gattin und Mutter und
der Pflege des Edlen und Schönen. So lange ſie lebte,
galt für ſie jener bekannte Ausſpruch Napoleons: „Die
Frau iſt die beſte, von welcher am wenigſten geſprochen
wird.“ Nach ihrem Tode wurden viele Stimmen des
Lobes über ſie laut.
Der Rubikon iſt überſchritten: Kronprinzeſſin Stephanie
iſt Gräfin Lonyay geworden. Viele ſtehen in Oeſterreich
dem Glücke der Gräfin Lonyay ſkeptiſch gegenüber, der
vollſtändige Umſchwung der Verhältniſſe, die Zwitterſtellung,
die Trennung von ihrer Tochter — all dieſes zu über-
winden, dazu gehört viel Heroismus und Charakterſtärke.
Man glaubt nicht mehr an die romantiſche Liebe, von
welcher Ranpach ſchön ſagt: „Entſchloſſenheit zum ſchwerſten
Opfer iſt der Liebe Ruhm und höchſte Offenbarung.“
Verus.
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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