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Allgemeine Zeitung, Nr. 87, 27. März 1848.

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Allgemeine Zeitung.
Mit allerhöchsten Privilegien.


Montag Nr. 87. 27 März 1848.
AUGSBURG. Abonnement hier bei der
Zeitungs-Expedition, Preis vierteljährig
3 fl. 34 kr., für das ganze Jahr 14 fl. 15 kr.
des 24 fl.-Fusses od. 8 Thlr. 41/2 Sgr. pr. C.;
für aus wärts bei der hiesigen k. Ober-
postamts-Zeitungs-Expedition, sodann für
Deutschland bei allen Postämtern, ganz-
jährig, halbjährig und bei Beginn der
2ten Hälfte jedes Semesters auch viertel-
jährig; für Frankreich in Strassburg bei
G. A. Alexandre, in Paris bei demsel-
ben Nr 23. rue Notre Dame de Nazareth
und bei der deutschen Buchhandlung von
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F. Klincksieck Nr. 11, rue de Lille, und
bei dem Postamt in Karlsruhe; für Eng-
land bei Williams & Norgate, 14 Hen-
riette-Street, Covent-Garden in London,
für Nordamerika bei den Postämtern Bre-
men u. Hamburg, für Italien bei den k. k.
Postämtern zu Bregenz, Innsbruck, Vero-
na, Venedig, Triest u. Mailand, für Grie-
chenland u. die Levante etc. bei dem k. k.
Postamt in Triest. Inserate aller Art werden
aufgenommen und der Raum der dreispal-
tigen Colonelzeile berechnet: im Haupt-
blatt
mit 12 kr., in der Beilage mit 9 kr.
Uebersicht.
Deutschland. München (Adreßentwurf der Kammer der Ab-
geordneten. Protestationen gegen die jüngsten Erklärungen des Königs
von Preußen. Adressen an die Wiener und die Berliner. Die Instruc-
tionen für den Bundestagsgesandten); Nürnberg (Dr. Eisenmann
nach Frankfurt gesendet); Ulm und Stuttgart (Grundlofigkeit der
Lärmgerüchte); Karlsruhe (Erklärung der Kammer der Abgeord-
neten); Heidelberg (die Deutsche Zeitung über die Berliner Ereig-
niffe und die Proclamation des Königs von Preußen); Frankfurt (Vor-
bereitungen); Rastadt und Freiburg; Leipzig (Eindruck der Berliner
Manifestationen); Braunschweig (Enthuflasmus über die jüngsten Er-
klärungen); Triest; Wien (auch von hier aus Verwahrung eingelegt
gegen mögliche preußische Usurpationen. Freisinnige Weisungen an den
Bundestagsgesandten. Errichtung eines eigenen Unterrichts ministe-
riums).
Großbritannien. Joinville und Aumale in London. Die Presse
über Oesterreich. Die Ueberlandpost. Politische Verhaftungen in Ir-
land.
Frankreich. Die junge Presse. Oeffentliche Debatte über den
Wahltermin. Regierungsdecret in Betreff der ehemaligen königlichen
Schlösser.
Niederlande. Das Ministerium noch nicht geboren.
Rußland und Polen. Die Rüstungen der Armee und die
Kriegsmahnungen des Kaisers.
Handels- und Börsennachrichten. Paris. Plan die Pri-
vateisenbahnen und Canäle für den Staat anzukaufen.
Beilage. Roch ein Wort über Harleß' Heerpredigt -- Natio-
nalität. -- Aus Wien. -- Ungarn. (Preßburg: die Pesther Adresse.
Excesse gegen Juden). -- Aus und über Paris. -- Neapel und Sicilien.
(Endbedingungen mit Sicilien). -- Italienische Reisefragmente. (XVIII.)
Außerord. Beilage. Deutschland. (Hannover: das Ministe-
rium Stüve. Köln: Anneke, Willich etc. freigelassen. Aufregung.
Vincke beim König während der Mordnacht. Berlin: neue constitu-
tionelle Zusagen. Die Begräbnißfeier der Gefallenen. Dahlmann
zur Entwerfung des Wahlgesetzes berufen. Posen: höchste Aufregung
unter der polnischen Bevölkerung). -- Spanien. (Diplomatische Ernen-
nungen. Gerücht daß Ludwig Philipp nach Madrid kommen werde.) --
Italien. (Die Niederlage der österreichischen Waffen im weitesten Um-
fang bestätigt; ebenso die Einschreitung Piemonts. Mantua verloren.
Auch Venedig sagt sich von der österreichischen Herrschaft
los,
und schickt die Truppen und Beamten über die Gränze.)
Datum der Börsen: Madrid 17; London 22; Paris, Amsterdam
23; Wien 24; Frankfurt 25 März.



Deutschland.
Bayern.

Gestern ward hier an öffentlichen
Orten, in Lesezirkeln und Kaffeehäusern die Erklärung des Königs von
Preußen über die Ergreifung der Hegemonie in Deutschland aus der All-
gemeinen Preußischen Zeitung laut verlesen, und schon früher durch
directe Nachrichten aus Berlin bekannt. Ich habe selbst an mehreren
Orten in zahlreichen Versammlungen gebildeter Männer, worunter viele
der zum Landtag versammelten Deputirten, den Eindruck beobachtet den
diese höchst unerwartete Nachricht auf alle Bayern und Deutschen
hervorbrachte. Es war dieß der Eindruck der Entrüstung, bei
den meisten sogar einer in höhnisches Lachen übergehenden Ver-
achtung. Das Berliner Cabinet, das weit, weit hinter den Re-
gierungen Süddeutschlands in allen constitutionellen Fortschritten deut-
scher Entwicklung zurückblieb, das mit Rußland noch in neuester Zeit
liebäugelte und Brüderschaft schloß, das Berliner Volk, das zuletzt von
allen deutschen die Gelegenheit säumend ergriff auch nur einige Annähe-
rungen an die allgemeinen deutschen Verfassungsgrundsätze durchzusetzen,
das Berliner Volk, das zusammengeschoffen wurde und dann den Mon-
archen des Blutbades jubelnd empfing, und die Stadt illuminirte, ergreift
in der wechselnden Erregung der Gefühle, während ganz Süddeutschland
die Nachricht von der Abdankung des Königs von Preußen und die Ueber-
[Spaltenumbruch] tragung der Krone auf einen nicht mit Blut und Haß befleckten Erbprinzen
erwartete, einen Augenblick unendlicher Verwirrung, um den König zu
bestimmen sich an die Spitze von ganz Deutschland zu stellen und, wie
es heißt, ganz Deutschland in seiner Entwicklung voranzuschreiten.
Aber man dringt sich nicht so leicht den freiheitstolzen und ihrer
Kraft und ihres Verdiensles um die allgemeine Sache selbstbewußten
andern deutschen Stämmen auf. Während Baden, Württemberg,
Nassau, Hessen und Bayern so eben zu freier und gesetzmä-
ßiger
Berathung des deutschen Parlaments und der deutschen Verfas-
sungsfrage ihre volksbekannten Männer entsendet haben, während eine
Einigung erzielt wird welche der König Mar II sogleich in seiner Thron-
rede auf gesetzlichem Wege verkündete, während viele Stimmen in Süd-
deutschland sich dafür aussprachen die Oberleitung oder das Prästdium
der allgemeinen deutschen Angelegenheiten in die Hand Bayerns, Oester-
reichs und Preußens abwechselnd zu legen, glaubt man in Berlin durch
einen Handstreich des Ehrgeizes das längst Versäumte wieder nachholen
und gutmachen zu können, ja sie glauben für sich allein die Früchte des
Siegs verlangen zu dürfen, die andere vor ihnen errangen. Welche
Verkennung der Sachlage und Thatsachen welche Keckheit die Geschichte
zu machen, in Luftsprüngen, anstatt Schritt vor Schritt, der Welt eine
andere Physiognomie zu geben. Die Idee der preußischen exclusiven
Hegemonie in Deutschland ist gerade für die Gegenwart eine der unglück-
lichsten, die nur in dem Kopfe eines sehr undeutschen Mannes entsprin-
gen kann. Betrachten wir zuerst die Person des neuen Kaisers, oder
Königs oder Hegemonen oder Leiters des Präsidiums, wie er von Berlin
aus proclamirt wird, so ist sie eine reine Unmöglichkeit. Sie hat das
Vertrauen der Deutschen nicht in einer Zeit wo alles auf Offenheit, Ehr-
lichkeit und consequentes freisinniges Benehmen ankommt; sie hat das
Vertrauen des eigenen Volkes nicht; Tausende von Stimmen aus den
Rheinlanden und aus Ostpreußen beweisen dieß; die Thatsache selbst steht
fest*) daß der König von Preußen mit bewaffneter Hand zuerft zu einer
ganz vagen Proclamation über die Berliner Hegemonie gezwungen
wurde; unter der ersten Proclamation fehlt sogar seine Unterschrift; die
zweite Erklärung, diejenige welche in der Allg. Preuß. Staatszeitung
vom 22 März erschien, lenkt schon ein; es ist schon mehr von einer Be-
rathung und Einigung mit den andern Fürsten und den ständischen
Vertretern, wenn auch in höchst dunklen Ausdrücken, die Rede. Kurz
ein unklarer Gedanke im Halbdunkel des Ehrgeizes wird von dem Schat-
ten eines Königs und den Namen eines Ministeriums vertreten, die
selber nicht wissen was sie wollen und können. Wir theilen die hier
ausgesprochene Befürchtung nicht daß diese Berliner Anmaßung
einen Bürgerkrieg in Deutschland hervorrufen werde; sie werden wohl
so viel Besinnung allmählich wieder erlangen, daß sie nicht glauben wer-
den ihren Handstreich auch mit bewaffneter Hand den andern deutschen
Staaten aufzudringen, aber wir müssen auf das Benehmen Preußens
am deutschen Bundestage hinweisen welches es seit mehr als zwanzig
Jahren innegehalten hat, und wie egoistisch, gesondert und illiberal
dieses Benehmen in allen deutschen nationalen Fragen im Gegensatze
zum Benehmen von Württemberg und namentlich von Bayern war.
Die noch kürzlich verbotenen Verhandlungen des deutschen Bundes-
tages, in Heidelberg veröffentlicht, geben darüber hinreichenden Aus-
schluß. Preußen ist bis jetzt nicht einmal mit allen seinen deutschen
Ländern Mitglied des deutschen Bundes geworden, es hat sich eben
dadurch stets seine eigene Politik, sein eigenes Kriegs- und Friedens-
recht und die Möglichkeit vorbehalten gelegentlich die andern deutschen
Kräfte zu seinem Vortheile zu verwenden. Preußen hat für die deutsche
Sache nicht mehr und weniger gethan als Oesterreich. Gehen wir auf
die Sachlage der Territorialverhältnisse über, so hat Preußen keine an-

*) Es existirt darüber ein merkwürdiges Document.

[Spaltenumbruch]
Allgemeine Zeitung.
Mit allerhöchſten Privilegien.


Montag Nr. 87. 27 März 1848.
AUGSBURG. Abonnement hier bei der
Zeitungs-Expedition, Preis vierteljährig
3 fl. 34 kr., für das ganze Jahr 14 fl. 15 kr.
des 24 fl.-Fusses od. 8 Thlr. 4½ Sgr. pr. C.;
für aus wärts bei der hiesigen k. Ober-
postamts-Zeitungs-Expedition, sodann für
Deutschland bei allen Postämtern, ganz-
jährig, halbjährig und bei Beginn der
2ten Hälfte jedes Semesters auch viertel-
jährig; für Frankreich in Strassburg bei
G. A. Alexandre, in Paris bei demsel-
ben Nr 23. rue Notre Dame de Nazareth
und bei der deutschen Buchhandlung von
[Spaltenumbruch]

[Spaltenumbruch]
F. Klincksieck Nr. 11, rue de Lille, und
bei dem Postamt in Karlsruhe; für Eng-
land bei Williams & Norgate, 14 Hen-
riette-Street, Covent-Garden in London,
für Nordamerika bei den Postämtern Bre-
men u. Hamburg, für Italien bei den k. k.
Postämtern zu Bregenz, Innsbruck, Vero-
na, Venedig, Triest u. Mailand, für Grie-
chenland u. die Levante etc. bei dem k. k.
Postamt in Triest. Inserate aller Art werden
aufgenommen und der Raum der dreispal-
tigen Colonelzeile berechnet: im Haupt-
blatt
mit 12 kr., in der Beilage mit 9 kr.
Ueberſicht.
Deutſchland. München (Adreßentwurf der Kammer der Ab-
geordneten. Proteſtationen gegen die jüngſten Erklärungen des Königs
von Preußen. Adreſſen an die Wiener und die Berliner. Die Inſtruc-
tionen für den Bundestagsgeſandten); Nürnberg (Dr. Eiſenmann
nach Frankfurt geſendet); Ulm und Stuttgart (Grundlofigkeit der
Lärmgerüchte); Karlsruhe (Erklärung der Kammer der Abgeord-
neten); Heidelberg (die Deutſche Zeitung über die Berliner Ereig-
niffe und die Proclamation des Königs von Preußen); Frankfurt (Vor-
bereitungen); Raſtadt und Freiburg; Leipzig (Eindruck der Berliner
Manifeſtationen); Braunſchweig (Enthuflasmus über die jüngſten Er-
klärungen); Trieſt; Wien (auch von hier aus Verwahrung eingelegt
gegen mögliche preußiſche Uſurpationen. Freiſinnige Weiſungen an den
Bundestagsgeſandten. Errichtung eines eigenen Unterrichts miniſte-
riums).
Großbritannien. Joinville und Aumale in London. Die Preſſe
über Oeſterreich. Die Ueberlandpoſt. Politiſche Verhaftungen in Ir-
land.
Frankreich. Die junge Preſſe. Oeffentliche Debatte über den
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Schlöſſer.
Niederlande. Das Miniſterium noch nicht geboren.
Rußland und Polen. Die Rüſtungen der Armee und die
Kriegsmahnungen des Kaiſers.
Handels- und Börſennachrichten. Paris. Plan die Pri-
vateiſenbahnen und Canäle für den Staat anzukaufen.
Beilage. Roch ein Wort über Harleß’ Heerpredigt — Natio-
nalität. — Aus Wien. — Ungarn. (Preßburg: die Peſther Adreſſe.
Exceſſe gegen Juden). — Aus und über Paris. — Neapel und Sicilien.
(Endbedingungen mit Sicilien). — Italieniſche Reiſefragmente. (XVIII.)
Außerord. Beilage. Deutſchland. (Hannover: das Miniſte-
rium Stüve. Köln: Anneke, Willich ꝛc. freigelaſſen. Aufregung.
Vincke beim König während der Mordnacht. Berlin: neue conſtitu-
tionelle Zuſagen. Die Begräbnißfeier der Gefallenen. Dahlmann
zur Entwerfung des Wahlgeſetzes berufen. Poſen: höchſte Aufregung
unter der polniſchen Bevölkerung). — Spanien. (Diplomatiſche Ernen-
nungen. Gerücht daß Ludwig Philipp nach Madrid kommen werde.) —
Italien. (Die Niederlage der öſterreichiſchen Waffen im weiteſten Um-
fang beſtätigt; ebenſo die Einſchreitung Piemonts. Mantua verloren.
Auch Venedig ſagt ſich von der öſterreichiſchen Herrſchaft
los,
und ſchickt die Truppen und Beamten über die Gränze.)
Datum der Börſen: Madrid 17; London 22; Paris, Amſterdam
23; Wien 24; Frankfurt 25 März.



Deutſchland.
Bayern.

Geſtern ward hier an öffentlichen
Orten, in Leſezirkeln und Kaffeehäuſern die Erklärung des Königs von
Preußen über die Ergreifung der Hegemonie in Deutſchland aus der All-
gemeinen Preußiſchen Zeitung laut verleſen, und ſchon früher durch
directe Nachrichten aus Berlin bekannt. Ich habe ſelbſt an mehreren
Orten in zahlreichen Verſammlungen gebildeter Männer, worunter viele
der zum Landtag verſammelten Deputirten, den Eindruck beobachtet den
dieſe höchſt unerwartete Nachricht auf alle Bayern und Deutſchen
hervorbrachte. Es war dieß der Eindruck der Entrüſtung, bei
den meiſten ſogar einer in höhniſches Lachen übergehenden Ver-
achtung. Das Berliner Cabinet, das weit, weit hinter den Re-
gierungen Süddeutſchlands in allen conſtitutionellen Fortſchritten deut-
ſcher Entwicklung zurückblieb, das mit Rußland noch in neueſter Zeit
liebäugelte und Brüderſchaft ſchloß, das Berliner Volk, das zuletzt von
allen deutſchen die Gelegenheit ſäumend ergriff auch nur einige Annähe-
rungen an die allgemeinen deutſchen Verfaſſungsgrundſätze durchzuſetzen,
das Berliner Volk, das zuſammengeſchoffen wurde und dann den Mon-
archen des Blutbades jubelnd empfing, und die Stadt illuminirte, ergreift
in der wechſelnden Erregung der Gefühle, während ganz Süddeutſchland
die Nachricht von der Abdankung des Königs von Preußen und die Ueber-
[Spaltenumbruch] tragung der Krone auf einen nicht mit Blut und Haß befleckten Erbprinzen
erwartete, einen Augenblick unendlicher Verwirrung, um den König zu
beſtimmen ſich an die Spitze von ganz Deutſchland zu ſtellen und, wie
es heißt, ganz Deutſchland in ſeiner Entwicklung voranzuſchreiten.
Aber man dringt ſich nicht ſo leicht den freiheitſtolzen und ihrer
Kraft und ihres Verdienſles um die allgemeine Sache ſelbſtbewußten
andern deutſchen Stämmen auf. Während Baden, Württemberg,
Naſſau, Heſſen und Bayern ſo eben zu freier und geſetzmä-
ßiger
Berathung des deutſchen Parlaments und der deutſchen Verfaſ-
ſungsfrage ihre volksbekannten Männer entſendet haben, während eine
Einigung erzielt wird welche der König Mar II ſogleich in ſeiner Thron-
rede auf geſetzlichem Wege verkündete, während viele Stimmen in Süd-
deutſchland ſich dafür ausſprachen die Oberleitung oder das Präſtdium
der allgemeinen deutſchen Angelegenheiten in die Hand Bayerns, Oeſter-
reichs und Preußens abwechſelnd zu legen, glaubt man in Berlin durch
einen Handſtreich des Ehrgeizes das längſt Verſäumte wieder nachholen
und gutmachen zu können, ja ſie glauben für ſich allein die Früchte des
Siegs verlangen zu dürfen, die andere vor ihnen errangen. Welche
Verkennung der Sachlage und Thatſachen welche Keckheit die Geſchichte
zu machen, in Luftſprüngen, anſtatt Schritt vor Schritt, der Welt eine
andere Phyſiognomie zu geben. Die Idee der preußiſchen excluſiven
Hegemonie in Deutſchland iſt gerade für die Gegenwart eine der unglück-
lichſten, die nur in dem Kopfe eines ſehr undeutſchen Mannes entſprin-
gen kann. Betrachten wir zuerſt die Perſon des neuen Kaiſers, oder
Königs oder Hegemonen oder Leiters des Präſidiums, wie er von Berlin
aus proclamirt wird, ſo iſt ſie eine reine Unmöglichkeit. Sie hat das
Vertrauen der Deutſchen nicht in einer Zeit wo alles auf Offenheit, Ehr-
lichkeit und conſequentes freiſinniges Benehmen ankommt; ſie hat das
Vertrauen des eigenen Volkes nicht; Tauſende von Stimmen aus den
Rheinlanden und aus Oſtpreußen beweiſen dieß; die Thatſache ſelbſt ſteht
feſt*) daß der König von Preußen mit bewaffneter Hand zuerft zu einer
ganz vagen Proclamation über die Berliner Hegemonie gezwungen
wurde; unter der erſten Proclamation fehlt ſogar ſeine Unterſchrift; die
zweite Erklärung, diejenige welche in der Allg. Preuß. Staatszeitung
vom 22 März erſchien, lenkt ſchon ein; es iſt ſchon mehr von einer Be-
rathung und Einigung mit den andern Fürſten und den ſtändiſchen
Vertretern, wenn auch in höchſt dunklen Ausdrücken, die Rede. Kurz
ein unklarer Gedanke im Halbdunkel des Ehrgeizes wird von dem Schat-
ten eines Königs und den Namen eines Miniſteriums vertreten, die
ſelber nicht wiſſen was ſie wollen und können. Wir theilen die hier
ausgeſprochene Befürchtung nicht daß dieſe Berliner Anmaßung
einen Bürgerkrieg in Deutſchland hervorrufen werde; ſie werden wohl
ſo viel Beſinnung allmählich wieder erlangen, daß ſie nicht glauben wer-
den ihren Handſtreich auch mit bewaffneter Hand den andern deutſchen
Staaten aufzudringen, aber wir müſſen auf das Benehmen Preußens
am deutſchen Bundestage hinweiſen welches es ſeit mehr als zwanzig
Jahren innegehalten hat, und wie egoiſtiſch, geſondert und illiberal
dieſes Benehmen in allen deutſchen nationalen Fragen im Gegenſatze
zum Benehmen von Württemberg und namentlich von Bayern war.
Die noch kürzlich verbotenen Verhandlungen des deutſchen Bundes-
tages, in Heidelberg veröffentlicht, geben darüber hinreichenden Auſ-
ſchluß. Preußen iſt bis jetzt nicht einmal mit allen ſeinen deutſchen
Ländern Mitglied des deutſchen Bundes geworden, es hat ſich eben
dadurch ſtets ſeine eigene Politik, ſein eigenes Kriegs- und Friedens-
recht und die Möglichkeit vorbehalten gelegentlich die andern deutſchen
Kräfte zu ſeinem Vortheile zu verwenden. Preußen hat für die deutſche
Sache nicht mehr und weniger gethan als Oeſterreich. Gehen wir auf
die Sachlage der Territorialverhältniſſe über, ſo hat Preußen keine an-

*) Es exiſtirt darüber ein merkwürdiges Document.
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[0001] Allgemeine Zeitung. Mit allerhöchſten Privilegien. Montag Nr. 87. 27 März 1848. AUGSBURG. Abonnement hier bei der Zeitungs-Expedition, Preis vierteljährig 3 fl. 34 kr., für das ganze Jahr 14 fl. 15 kr. des 24 fl.-Fusses od. 8 Thlr. 4½ Sgr. pr. C.; für aus wärts bei der hiesigen k. Ober- postamts-Zeitungs-Expedition, sodann für Deutschland bei allen Postämtern, ganz- jährig, halbjährig und bei Beginn der 2ten Hälfte jedes Semesters auch viertel- jährig; für Frankreich in Strassburg bei G. A. Alexandre, in Paris bei demsel- ben Nr 23. rue Notre Dame de Nazareth und bei der deutschen Buchhandlung von F. Klincksieck Nr. 11, rue de Lille, und bei dem Postamt in Karlsruhe; für Eng- land bei Williams & Norgate, 14 Hen- riette-Street, Covent-Garden in London, für Nordamerika bei den Postämtern Bre- men u. Hamburg, für Italien bei den k. k. Postämtern zu Bregenz, Innsbruck, Vero- na, Venedig, Triest u. Mailand, für Grie- chenland u. die Levante etc. bei dem k. k. Postamt in Triest. Inserate aller Art werden aufgenommen und der Raum der dreispal- tigen Colonelzeile berechnet: im Haupt- blatt mit 12 kr., in der Beilage mit 9 kr. Ueberſicht. Deutſchland. München (Adreßentwurf der Kammer der Ab- geordneten. Proteſtationen gegen die jüngſten Erklärungen des Königs von Preußen. Adreſſen an die Wiener und die Berliner. Die Inſtruc- tionen für den Bundestagsgeſandten); Nürnberg (Dr. Eiſenmann nach Frankfurt geſendet); Ulm und Stuttgart (Grundlofigkeit der Lärmgerüchte); Karlsruhe (Erklärung der Kammer der Abgeord- neten); Heidelberg (die Deutſche Zeitung über die Berliner Ereig- niffe und die Proclamation des Königs von Preußen); Frankfurt (Vor- bereitungen); Raſtadt und Freiburg; Leipzig (Eindruck der Berliner Manifeſtationen); Braunſchweig (Enthuflasmus über die jüngſten Er- klärungen); Trieſt; Wien (auch von hier aus Verwahrung eingelegt gegen mögliche preußiſche Uſurpationen. Freiſinnige Weiſungen an den Bundestagsgeſandten. Errichtung eines eigenen Unterrichts miniſte- riums). Großbritannien. Joinville und Aumale in London. Die Preſſe über Oeſterreich. Die Ueberlandpoſt. Politiſche Verhaftungen in Ir- land. Frankreich. Die junge Preſſe. Oeffentliche Debatte über den Wahltermin. Regierungsdecret in Betreff der ehemaligen königlichen Schlöſſer. Niederlande. Das Miniſterium noch nicht geboren. Rußland und Polen. Die Rüſtungen der Armee und die Kriegsmahnungen des Kaiſers. Handels- und Börſennachrichten. Paris. Plan die Pri- vateiſenbahnen und Canäle für den Staat anzukaufen. Beilage. Roch ein Wort über Harleß’ Heerpredigt — Natio- nalität. — Aus Wien. — Ungarn. (Preßburg: die Peſther Adreſſe. Exceſſe gegen Juden). — Aus und über Paris. — Neapel und Sicilien. (Endbedingungen mit Sicilien). — Italieniſche Reiſefragmente. (XVIII.) Außerord. Beilage. Deutſchland. (Hannover: das Miniſte- rium Stüve. Köln: Anneke, Willich ꝛc. freigelaſſen. Aufregung. Vincke beim König während der Mordnacht. Berlin: neue conſtitu- tionelle Zuſagen. Die Begräbnißfeier der Gefallenen. Dahlmann zur Entwerfung des Wahlgeſetzes berufen. Poſen: höchſte Aufregung unter der polniſchen Bevölkerung). — Spanien. (Diplomatiſche Ernen- nungen. Gerücht daß Ludwig Philipp nach Madrid kommen werde.) — Italien. (Die Niederlage der öſterreichiſchen Waffen im weiteſten Um- fang beſtätigt; ebenſo die Einſchreitung Piemonts. Mantua verloren. Auch Venedig ſagt ſich von der öſterreichiſchen Herrſchaft los, und ſchickt die Truppen und Beamten über die Gränze.) Datum der Börſen: Madrid 17; London 22; Paris, Amſterdam 23; Wien 24; Frankfurt 25 März. Deutſchland. Bayern. I München, 25 März. Geſtern ward hier an öffentlichen Orten, in Leſezirkeln und Kaffeehäuſern die Erklärung des Königs von Preußen über die Ergreifung der Hegemonie in Deutſchland aus der All- gemeinen Preußiſchen Zeitung laut verleſen, und ſchon früher durch directe Nachrichten aus Berlin bekannt. Ich habe ſelbſt an mehreren Orten in zahlreichen Verſammlungen gebildeter Männer, worunter viele der zum Landtag verſammelten Deputirten, den Eindruck beobachtet den dieſe höchſt unerwartete Nachricht auf alle Bayern und Deutſchen hervorbrachte. Es war dieß der Eindruck der Entrüſtung, bei den meiſten ſogar einer in höhniſches Lachen übergehenden Ver- achtung. Das Berliner Cabinet, das weit, weit hinter den Re- gierungen Süddeutſchlands in allen conſtitutionellen Fortſchritten deut- ſcher Entwicklung zurückblieb, das mit Rußland noch in neueſter Zeit liebäugelte und Brüderſchaft ſchloß, das Berliner Volk, das zuletzt von allen deutſchen die Gelegenheit ſäumend ergriff auch nur einige Annähe- rungen an die allgemeinen deutſchen Verfaſſungsgrundſätze durchzuſetzen, das Berliner Volk, das zuſammengeſchoffen wurde und dann den Mon- archen des Blutbades jubelnd empfing, und die Stadt illuminirte, ergreift in der wechſelnden Erregung der Gefühle, während ganz Süddeutſchland die Nachricht von der Abdankung des Königs von Preußen und die Ueber- tragung der Krone auf einen nicht mit Blut und Haß befleckten Erbprinzen erwartete, einen Augenblick unendlicher Verwirrung, um den König zu beſtimmen ſich an die Spitze von ganz Deutſchland zu ſtellen und, wie es heißt, ganz Deutſchland in ſeiner Entwicklung voranzuſchreiten. Aber man dringt ſich nicht ſo leicht den freiheitſtolzen und ihrer Kraft und ihres Verdienſles um die allgemeine Sache ſelbſtbewußten andern deutſchen Stämmen auf. Während Baden, Württemberg, Naſſau, Heſſen und Bayern ſo eben zu freier und geſetzmä- ßiger Berathung des deutſchen Parlaments und der deutſchen Verfaſ- ſungsfrage ihre volksbekannten Männer entſendet haben, während eine Einigung erzielt wird welche der König Mar II ſogleich in ſeiner Thron- rede auf geſetzlichem Wege verkündete, während viele Stimmen in Süd- deutſchland ſich dafür ausſprachen die Oberleitung oder das Präſtdium der allgemeinen deutſchen Angelegenheiten in die Hand Bayerns, Oeſter- reichs und Preußens abwechſelnd zu legen, glaubt man in Berlin durch einen Handſtreich des Ehrgeizes das längſt Verſäumte wieder nachholen und gutmachen zu können, ja ſie glauben für ſich allein die Früchte des Siegs verlangen zu dürfen, die andere vor ihnen errangen. Welche Verkennung der Sachlage und Thatſachen welche Keckheit die Geſchichte zu machen, in Luftſprüngen, anſtatt Schritt vor Schritt, der Welt eine andere Phyſiognomie zu geben. Die Idee der preußiſchen excluſiven Hegemonie in Deutſchland iſt gerade für die Gegenwart eine der unglück- lichſten, die nur in dem Kopfe eines ſehr undeutſchen Mannes entſprin- gen kann. Betrachten wir zuerſt die Perſon des neuen Kaiſers, oder Königs oder Hegemonen oder Leiters des Präſidiums, wie er von Berlin aus proclamirt wird, ſo iſt ſie eine reine Unmöglichkeit. Sie hat das Vertrauen der Deutſchen nicht in einer Zeit wo alles auf Offenheit, Ehr- lichkeit und conſequentes freiſinniges Benehmen ankommt; ſie hat das Vertrauen des eigenen Volkes nicht; Tauſende von Stimmen aus den Rheinlanden und aus Oſtpreußen beweiſen dieß; die Thatſache ſelbſt ſteht feſt *) daß der König von Preußen mit bewaffneter Hand zuerft zu einer ganz vagen Proclamation über die Berliner Hegemonie gezwungen wurde; unter der erſten Proclamation fehlt ſogar ſeine Unterſchrift; die zweite Erklärung, diejenige welche in der Allg. Preuß. Staatszeitung vom 22 März erſchien, lenkt ſchon ein; es iſt ſchon mehr von einer Be- rathung und Einigung mit den andern Fürſten und den ſtändiſchen Vertretern, wenn auch in höchſt dunklen Ausdrücken, die Rede. Kurz ein unklarer Gedanke im Halbdunkel des Ehrgeizes wird von dem Schat- ten eines Königs und den Namen eines Miniſteriums vertreten, die ſelber nicht wiſſen was ſie wollen und können. Wir theilen die hier ausgeſprochene Befürchtung nicht daß dieſe Berliner Anmaßung einen Bürgerkrieg in Deutſchland hervorrufen werde; ſie werden wohl ſo viel Beſinnung allmählich wieder erlangen, daß ſie nicht glauben wer- den ihren Handſtreich auch mit bewaffneter Hand den andern deutſchen Staaten aufzudringen, aber wir müſſen auf das Benehmen Preußens am deutſchen Bundestage hinweiſen welches es ſeit mehr als zwanzig Jahren innegehalten hat, und wie egoiſtiſch, geſondert und illiberal dieſes Benehmen in allen deutſchen nationalen Fragen im Gegenſatze zum Benehmen von Württemberg und namentlich von Bayern war. Die noch kürzlich verbotenen Verhandlungen des deutſchen Bundes- tages, in Heidelberg veröffentlicht, geben darüber hinreichenden Auſ- ſchluß. Preußen iſt bis jetzt nicht einmal mit allen ſeinen deutſchen Ländern Mitglied des deutſchen Bundes geworden, es hat ſich eben dadurch ſtets ſeine eigene Politik, ſein eigenes Kriegs- und Friedens- recht und die Möglichkeit vorbehalten gelegentlich die andern deutſchen Kräfte zu ſeinem Vortheile zu verwenden. Preußen hat für die deutſche Sache nicht mehr und weniger gethan als Oeſterreich. Gehen wir auf die Sachlage der Territorialverhältniſſe über, ſo hat Preußen keine an- *) Es exiſtirt darüber ein merkwürdiges Document.

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 87, 27. März 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine87_1848/1>, abgerufen am 17.05.2024.