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Allgemeine Zeitung, Nr. 87, 27. März 1848.

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[Spaltenumbruch] dere Aufgabe als Bayern unsern westlichen Nachbarn gegenuber; es
muß wie dieses die Vormauer Deutschlands gegen französische Angriffe
seyn; Preußen ist die größte norddeutsche Macht, wie Bayern die größte
süddeutsche ist. Bayern aber hat wegen seiner freisinnigen Führung
am deutschen Bundestage und wegen seiner rein deutschen Stämme und
wegen seiner constitutionell wohlbegründeten Staatsverfassung viel we-
niger Antipathien gegen sich; im Könige Ludwig bezweifelte man nie-
mals seine deutsche Gesinnung; im Könige Mar II ruht die Hoffnung
und die gewisse freiwillige Erfüllung freisinniger constitutioneller Grund-
sätze. Er hat keinerlei Haß, keinerlei Blut, keinerlei Leidenschaft gegen
sich. Bayern ist mit seiner ganzen wohlarrondirten Macht deutsch; es
es hat keine nichtdeutschen Provinzen; die drei uralten Kernstämme
Bayern, Schwaben und Franken sind in ihm vertreten; das Gebiet ur-
alter deutscher Freiheit, das Gebiet der Reichsstädte und der Reichsritter-
schaft, der Nern des süddeutschen constitutionellen Lebens liegt in ihm.
Schon Bayern kann sich nicht der exclusiven preußischen Hegemonie unter-
ordnen. Aber auch Oesterreich wird dieß niemals thun. Oder will man
Oesterreich von Deutschland ausschließen? Wehe den deutschen Mächten
die einen solchen Wunsch aus Ehrgeiz oder aus kleinlichen Interessen
laut werden ließen! Oesterreich ist der Hort der deutschen Interessen
gegen Osten; viel weniger von Rußland angreifbar, viel weniger leicht
auseinandergesprengt als Preußen, in das sich der polnische Keil hinein-
treibt; im Osten geschützt durch das heldenmüthige und freie Volk der
Ungarn, im Nordosten durch die natürliche Mauer der Karpathen und
Sudeten, im Innern deutscher Kern durch die schneebedeckten Alpen,
liegt der österreichische Riese mit seinem massenhaften Körper als Schutz-
wehr in der Flanke Rußlands, vereint die germanistrten slavischen Nach-
barn unter seinem Scepter, beherrscht den Lauf des größten deutschen
Stroms, und streckt zum Schutz gegen den Westen wenigstens noch Einen
Arm in die italische Ebene aus. Da Oesterreich seine burgundischen und
schwäbischen Besitzungen verloren hat, so hat es auch seine ehemalige
Bedeutung im Westen Deutschlands aufgegeben; Bayern ist an seine
Stelle getreten und muß mit Württemberg, Baden und Hessen zugleich
der wichtigste Vorposten im Süden Deutschlands bleiben und immer
mehr werden. Dieß ist das Erbtheil Bayerns; es muß sein Auge auf
die deutschen Nachbarn im Elsaß und Lothringen und auf den Osten
Frankreichs wach erhalten. So aber ist die Sachlage der deutschen Dinge.
Drei mächtige Staaten, Bayern im Südwesten, Preußen im Norden,
Oesterreich im Osten stehen als Haltpunkte deutscher Macht da; sie sind
alle drei zu der natürlichen Hegemonie dann berusen wenn sie sich durch
deutsche übereinstimmende Verfassungen, durch kräftige Volksbewaff-
nung und Heerorganisationen, durch Wahrung der nationalen Freiheit
jeglicher Art derselben würdig gemacht haben. Der Ausschluß Oester-
reichs, die Unterdrückung Bayerns und der kecke exclusive Vortritt
Preußens ist gleich unmöglich. Es gibt jetzt nur einen thatsächlichen,
möglichen, freien und gesetzmäßigen Gedanken der eine starke und glück-
liche Zukunft für ganz Deutschland in sich schließt: Ein Bundesstaat
mit einem Nationalparlament, so daß die eigentliche Centralregie-
rung
der deutschen Interessen in den Händen der Bevollmächtigten oder
Gewählten aller deutschen Regierungen bleibe, deren Vorsitz und einigende
Leitung Bayern, Oesterreich und Preußen abwechselnd übernehmen. Da-
neben aber eine Vertretung und Wahrung der Rechte des deutschen
Volks durch die Repräsentanten der verschiedenen aber nach gleichen
Grundsätzen geordneten Kammern aller deutschen Stände und Staaten,
mit berathender und entscheidender Stimme in denjenigen Angelegen-
heiten welche die Gesammtinteressen Deutschlands sind. Nur auf diesen
Grundlagen läßt sich Kraft nach außen und innen gewinnen; ein Bun-
desgericht, eine Heerverfassung, eine auswärtige Politik, ein nationa-
les Zollsystem, ein Handelsrecht, ein einiges volkswirthschaftliches System
und eine Kriegsführung; welche Interessen und Gewalten dann eine Ein-
heit von 60 Millionen Deutschen bilden können, die weder Osten noch
Westen zu scheuen haben. Oesterreich und Bayern aber von der Leitung
der Angelegenheiten ausschließen, hieße Deutschlands Kräfte zersplit-
tern, und zu Gunsten eines Leiters die deutschen Kräfte absorbiren.
Diese Gefahr würde immer vorhanden seyn.


Schon die seit einiger Zeit hier
bekannten Absichten deutscher Demokraten in Paris, mehr aber noch die
heute vom frühen Morgen an verbreiteten Allarmgerüchte von räube-
rischen Einsällen französtscher und deutscher Arbeiter in deutsches Ge-
biet setzen hier alle Gemüther in Spannung, umsomehr da in diesem
Moment unglücklicherweise durch den König von Preußen der Erisapfel
[Spaltenumbruch] mitten in unser Vaterland geschleudert werden mußte. Unsere Re-
gierung hat vorbeugend bereits Marschbefehl an folgende Truppen er-
gehen lassen: an das Infanterieregiment König Otto in Würzburg, an
das dritte Jägerbataillon und an eine Abtheilung der in Dillingen gar-
nisonirenden Chevaulegers. Dieselben sind zunächst nach der Pfalz be-
stimmt, und wenn nicht schon dort angelangt, doch bereits auf dem Wege
dorthin. Zugleich erging an die Regierung von Frankreich eine Er-
klärung der bayerischen Regierung daß diese Truppenbewegungen durch-
aus keinen feindlichen Zweck haben, sondern nur eine gegen den signa-
listrten Einfall der genannten Republicaner gerichtete Vorsichts- und
Schutzmaßregel seyen. Sie kennen bereits die allgemeine Stimmung
gegen die Person des Königs von Preußen als Führer der deutschen
Bewegung. Sie spricht sich täglich entschiedener und heftiger aus. Die
Absicht und Gesinnung unserer Regierung gegenüber dieser Frage kann,
wie mir scheint, keineswegs darauf gerichtet seyn jener gereizten Stim-
mung unbedingt zu folgen und der Zwietracht in Deutschland, die gerade
jetzt mehr als je entfernt gehalten werden muß, dadurch in die Hände zu
arbeiten. Wenn indeß mit dem Provisorium eines deutschen König-
thums in Berlin beabsichtiget seyn sollte Bayern ganz und dauernd von
der Leitung der deutschen Verhältnisse auszuschließen, so müßte das-
selbe dagegen feierliche und ernstliche Verwahrung einlegen. Bayern
kann nur wünschen daß die definitive Constituirung des einigen Deutsch-
lands in Frankfurt, also auf einem durchaus neutralen Boden vor sich
gehe. Daß unsere Regierung in dieser Weise die Frage entschieden
wissen will, geht einmal schon aus der Nichtbetheiligung an dem beab-
sichtigten (nunmehr gar nicht zu Stande kommenden) Fürstencongreß
hervor, ferner daraus daß Hr. v. Gagern mit einem Haupttheil seiner
neulichen Mission hier: nämlich Bayern für Uebertragung der deutschen
Hegemonie an Preußen zu gewinnen, gänzlich gescheitert ist, endlich aus
der Wahl unseres neuen Bundestagsgesandten und aus den demselben
mitgegebenen Instructionen. Ich bin in den Stand gesetzt bezüglich der
letzteren Sie zu versichern daß dieselben so liberal gefaßt sind als nur
irgend vorausgesetzt werden konnte bei Uebergabe von Aufträgen an
einen politischen Charakter wie wir ihn in Willich kennen.


Heute ward eine gediegene Adresse an
den König (deren Text ich morgen nachliefern werde) von hiesigen Ein-
wohnern entworfen, in welcher, neben der Versicherung der Treue und
der Verwahrung gegen jede Zersplitterung der deutschen Kräfte, gegen
die Prätensionen des Königs von Preußen vom 21 März Verwahrung
eingelegt wird. Zugleich wird eine Adresse an die Berliner ergehen um
jedes Mißverständniß, als wollte darum die allgemeine Eintracht gestört
werden, zu beseitigen, und eine andere an die Wiener, um sie wegen ihrer
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Nachmittags war eine Versammlung von Studenten, welche ähnliche
Beschlüsse faßten. Darauf kam eine Adresse an die Stände zur Bera-
thung in welcher Wünsche niedergelegt sind die dem Geiste der Petenten
zu aller Ehre gereichen, ich bemerke von denselben: Aufhebung der die
Aermeren drückenden Collegiengelder und Promotionsgebühren, bessere
Besoldung der Professoren, freiere Studienform mit einem Schlußexamen,
Berücksichtigung des Studiums der deutschen Litteratur und der Politik,
volle Gleichberechtigung während und nach den Studienjahren für die
Studenten jüdischer Religion, endlich unter mehrerem andern auch volle
Lehrfreiheit. Der letzte Antrag gab den zahlreich anwesenden Anhängern
der im vorigen Jahre entfernten Professoren Gelegenheit eine Modisica-
tion dahin vorzuschlagen daß die Rehabilitation von vier derselben (Las-
saulx, Deutinger, Phillips und Sepp) ausdrücklich verlangt werde.
Während dieser specialistrte Antrag zu lebhaften Debatten führte, ja
einen Augenblick zum Zankapfel der Anwesenden zu werden drohte, ward
durch ein Extrablatt der Einbruch an der Westgränze bekannt. Es war
ehrend und erhebend, wie in einem Athem der Antrag fallen gelassen
und von allen beschlossen wurde die augenblickliche Bereitwilligkeit des
Freicorps dem Könige mit der Hoffnung anzubieten vielleicht übermor-
gen schon auf dem Marsche zu seyn. Nach neuern Nachrichten dürfte die
Gefahr nicht so groß seyn als es im ersten Augenblick den Anschein hatie.
-- Morgen hält die Kammer der Abgeordneten ihre erste öffentliche Si-
tzung; es wird die Adresse an den König berathen. Ich lege Ihnen den
Adreßentwurf bei; er macht dem wahren aufopfernden Patriotismus der
Commission volle Ehre, denn es waren unter 9 Mitgliedern 3 adelige
Grundherren und 2 Geistliche. Der Entwurf lautet:

Allerdurchlauchtigster Großmächtigster König! Allergnädigster
König und Herr! "In einem Momente, seit Jahrhunderten dem

[Spaltenumbruch] dere Aufgabe als Bayern unſern weſtlichen Nachbarn gegenuber; es
muß wie dieſes die Vormauer Deutſchlands gegen franzöſiſche Angriffe
ſeyn; Preußen iſt die größte norddeutſche Macht, wie Bayern die größte
ſüddeutſche iſt. Bayern aber hat wegen ſeiner freiſinnigen Führung
am deutſchen Bundestage und wegen ſeiner rein deutſchen Stämme und
wegen ſeiner conſtitutionell wohlbegründeten Staatsverfaſſung viel we-
niger Antipathien gegen ſich; im Könige Ludwig bezweifelte man nie-
mals ſeine deutſche Geſinnung; im Könige Mar II ruht die Hoffnung
und die gewiſſe freiwillige Erfüllung freiſinniger conſtitutioneller Grund-
ſätze. Er hat keinerlei Haß, keinerlei Blut, keinerlei Leidenſchaft gegen
ſich. Bayern iſt mit ſeiner ganzen wohlarrondirten Macht deutſch; es
es hat keine nichtdeutſchen Provinzen; die drei uralten Kernſtämme
Bayern, Schwaben und Franken ſind in ihm vertreten; das Gebiet ur-
alter deutſcher Freiheit, das Gebiet der Reichsſtädte und der Reichsritter-
ſchaft, der Nern des ſüddeutſchen conſtitutionellen Lebens liegt in ihm.
Schon Bayern kann ſich nicht der excluſiven preußiſchen Hegemonie unter-
ordnen. Aber auch Oeſterreich wird dieß niemals thun. Oder will man
Oeſterreich von Deutſchland ausſchließen? Wehe den deutſchen Mächten
die einen ſolchen Wunſch aus Ehrgeiz oder aus kleinlichen Intereſſen
laut werden ließen! Oeſterreich iſt der Hort der deutſchen Intereſſen
gegen Oſten; viel weniger von Rußland angreifbar, viel weniger leicht
auseinandergeſprengt als Preußen, in das ſich der polniſche Keil hinein-
treibt; im Oſten geſchützt durch das heldenmüthige und freie Volk der
Ungarn, im Nordoſten durch die natürliche Mauer der Karpathen und
Sudeten, im Innern deutſcher Kern durch die ſchneebedeckten Alpen,
liegt der öſterreichiſche Rieſe mit ſeinem maſſenhaften Körper als Schutz-
wehr in der Flanke Rußlands, vereint die germaniſtrten ſlaviſchen Nach-
barn unter ſeinem Scepter, beherrſcht den Lauf des größten deutſchen
Stroms, und ſtreckt zum Schutz gegen den Weſten wenigſtens noch Einen
Arm in die italiſche Ebene aus. Da Oeſterreich ſeine burgundiſchen und
ſchwäbiſchen Beſitzungen verloren hat, ſo hat es auch ſeine ehemalige
Bedeutung im Weſten Deutſchlands aufgegeben; Bayern iſt an ſeine
Stelle getreten und muß mit Württemberg, Baden und Heſſen zugleich
der wichtigſte Vorpoſten im Süden Deutſchlands bleiben und immer
mehr werden. Dieß iſt das Erbtheil Bayerns; es muß ſein Auge auf
die deutſchen Nachbarn im Elſaß und Lothringen und auf den Oſten
Frankreichs wach erhalten. So aber iſt die Sachlage der deutſchen Dinge.
Drei mächtige Staaten, Bayern im Südweſten, Preußen im Norden,
Oeſterreich im Oſten ſtehen als Haltpunkte deutſcher Macht da; ſie ſind
alle drei zu der natürlichen Hegemonie dann beruſen wenn ſie ſich durch
deutſche übereinſtimmende Verfaſſungen, durch kräftige Volksbewaff-
nung und Heerorganiſationen, durch Wahrung der nationalen Freiheit
jeglicher Art derſelben würdig gemacht haben. Der Ausſchluß Oeſter-
reichs, die Unterdrückung Bayerns und der kecke excluſive Vortritt
Preußens iſt gleich unmöglich. Es gibt jetzt nur einen thatſächlichen,
möglichen, freien und geſetzmäßigen Gedanken der eine ſtarke und glück-
liche Zukunft für ganz Deutſchland in ſich ſchließt: Ein Bundesſtaat
mit einem Nationalparlament, ſo daß die eigentliche Centralregie-
rung
der deutſchen Intereſſen in den Händen der Bevollmächtigten oder
Gewählten aller deutſchen Regierungen bleibe, deren Vorſitz und einigende
Leitung Bayern, Oeſterreich und Preußen abwechſelnd übernehmen. Da-
neben aber eine Vertretung und Wahrung der Rechte des deutſchen
Volks durch die Repräſentanten der verſchiedenen aber nach gleichen
Grundſätzen geordneten Kammern aller deutſchen Stände und Staaten,
mit berathender und entſcheidender Stimme in denjenigen Angelegen-
heiten welche die Geſammtintereſſen Deutſchlands ſind. Nur auf dieſen
Grundlagen läßt ſich Kraft nach außen und innen gewinnen; ein Bun-
desgericht, eine Heerverfaſſung, eine auswärtige Politik, ein nationa-
les Zollſyſtem, ein Handelsrecht, ein einiges volkswirthſchaftliches Syſtem
und eine Kriegsführung; welche Intereſſen und Gewalten dann eine Ein-
heit von 60 Millionen Deutſchen bilden können, die weder Oſten noch
Weſten zu ſcheuen haben. Oeſterreich und Bayern aber von der Leitung
der Angelegenheiten ausſchließen, hieße Deutſchlands Kräfte zerſplit-
tern, und zu Gunſten eines Leiters die deutſchen Kräfte abſorbiren.
Dieſe Gefahr würde immer vorhanden ſeyn.


Schon die ſeit einiger Zeit hier
bekannten Abſichten deutſcher Demokraten in Paris, mehr aber noch die
heute vom frühen Morgen an verbreiteten Allarmgerüchte von räube-
riſchen Einſällen franzöſtſcher und deutſcher Arbeiter in deutſches Ge-
biet ſetzen hier alle Gemüther in Spannung, umſomehr da in dieſem
Moment unglücklicherweiſe durch den König von Preußen der Erisapfel
[Spaltenumbruch] mitten in unſer Vaterland geſchleudert werden mußte. Unſere Re-
gierung hat vorbeugend bereits Marſchbefehl an folgende Truppen er-
gehen laſſen: an das Infanterieregiment König Otto in Würzburg, an
das dritte Jägerbataillon und an eine Abtheilung der in Dillingen gar-
niſonirenden Chevaulegers. Dieſelben ſind zunächſt nach der Pfalz be-
ſtimmt, und wenn nicht ſchon dort angelangt, doch bereits auf dem Wege
dorthin. Zugleich erging an die Regierung von Frankreich eine Er-
klärung der bayeriſchen Regierung daß dieſe Truppenbewegungen durch-
aus keinen feindlichen Zweck haben, ſondern nur eine gegen den ſigna-
liſtrten Einfall der genannten Republicaner gerichtete Vorſichts- und
Schutzmaßregel ſeyen. Sie kennen bereits die allgemeine Stimmung
gegen die Perſon des Königs von Preußen als Führer der deutſchen
Bewegung. Sie ſpricht ſich täglich entſchiedener und heftiger aus. Die
Abſicht und Geſinnung unſerer Regierung gegenüber dieſer Frage kann,
wie mir ſcheint, keineswegs darauf gerichtet ſeyn jener gereizten Stim-
mung unbedingt zu folgen und der Zwietracht in Deutſchland, die gerade
jetzt mehr als je entfernt gehalten werden muß, dadurch in die Hände zu
arbeiten. Wenn indeß mit dem Proviſorium eines deutſchen König-
thums in Berlin beabſichtiget ſeyn ſollte Bayern ganz und dauernd von
der Leitung der deutſchen Verhältniſſe auszuſchließen, ſo müßte das-
ſelbe dagegen feierliche und ernſtliche Verwahrung einlegen. Bayern
kann nur wünſchen daß die definitive Conſtituirung des einigen Deutſch-
lands in Frankfurt, alſo auf einem durchaus neutralen Boden vor ſich
gehe. Daß unſere Regierung in dieſer Weiſe die Frage entſchieden
wiſſen will, geht einmal ſchon aus der Nichtbetheiligung an dem beab-
ſichtigten (nunmehr gar nicht zu Stande kommenden) Fürſtencongreß
hervor, ferner daraus daß Hr. v. Gagern mit einem Haupttheil ſeiner
neulichen Miſſion hier: nämlich Bayern für Uebertragung der deutſchen
Hegemonie an Preußen zu gewinnen, gänzlich geſcheitert iſt, endlich aus
der Wahl unſeres neuen Bundestagsgeſandten und aus den demſelben
mitgegebenen Inſtructionen. Ich bin in den Stand geſetzt bezüglich der
letzteren Sie zu verſichern daß dieſelben ſo liberal gefaßt ſind als nur
irgend vorausgeſetzt werden konnte bei Uebergabe von Aufträgen an
einen politiſchen Charakter wie wir ihn in Willich kennen.


Heute ward eine gediegene Adreſſe an
den König (deren Text ich morgen nachliefern werde) von hieſigen Ein-
wohnern entworfen, in welcher, neben der Verſicherung der Treue und
der Verwahrung gegen jede Zerſplitterung der deutſchen Kräfte, gegen
die Prätenſionen des Königs von Preußen vom 21 März Verwahrung
eingelegt wird. Zugleich wird eine Adreſſe an die Berliner ergehen um
jedes Mißverſtändniß, als wollte darum die allgemeine Eintracht geſtört
werden, zu beſeitigen, und eine andere an die Wiener, um ſie wegen ihrer
Errungenſchaft und deren kräftiger Erkämpfung zu beglückwünſchen.
Nachmittags war eine Verſammlung von Studenten, welche ähnliche
Beſchlüſſe faßten. Darauf kam eine Adreſſe an die Stände zur Bera-
thung in welcher Wünſche niedergelegt ſind die dem Geiſte der Petenten
zu aller Ehre gereichen, ich bemerke von denſelben: Aufhebung der die
Aermeren drückenden Collegiengelder und Promotionsgebühren, beſſere
Beſoldung der Profeſſoren, freiere Studienform mit einem Schlußexamen,
Berückſichtigung des Studiums der deutſchen Litteratur und der Politik,
volle Gleichberechtigung während und nach den Studienjahren für die
Studenten jüdiſcher Religion, endlich unter mehrerem andern auch volle
Lehrfreiheit. Der letzte Antrag gab den zahlreich anweſenden Anhängern
der im vorigen Jahre entfernten Profeſſoren Gelegenheit eine Modiſica-
tion dahin vorzuſchlagen daß die Rehabilitation von vier derſelben (Laſ-
ſaulx, Deutinger, Phillips und Sepp) ausdrücklich verlangt werde.
Während dieſer ſpecialiſtrte Antrag zu lebhaften Debatten führte, ja
einen Augenblick zum Zankapfel der Anweſenden zu werden drohte, ward
durch ein Extrablatt der Einbruch an der Weſtgränze bekannt. Es war
ehrend und erhebend, wie in einem Athem der Antrag fallen gelaſſen
und von allen beſchloſſen wurde die augenblickliche Bereitwilligkeit des
Freicorps dem Könige mit der Hoffnung anzubieten vielleicht übermor-
gen ſchon auf dem Marſche zu ſeyn. Nach neuern Nachrichten dürfte die
Gefahr nicht ſo groß ſeyn als es im erſten Augenblick den Anſchein hatie.
— Morgen hält die Kammer der Abgeordneten ihre erſte öffentliche Si-
tzung; es wird die Adreſſe an den König berathen. Ich lege Ihnen den
Adreßentwurf bei; er macht dem wahren aufopfernden Patriotismus der
Commiſſion volle Ehre, denn es waren unter 9 Mitgliedern 3 adelige
Grundherren und 2 Geiſtliche. Der Entwurf lautet:

Allerdurchlauchtigſter Großmächtigſter König! Allergnädigſter
König und Herr! „In einem Momente, ſeit Jahrhunderten dem

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[1378/0002] dere Aufgabe als Bayern unſern weſtlichen Nachbarn gegenuber; es muß wie dieſes die Vormauer Deutſchlands gegen franzöſiſche Angriffe ſeyn; Preußen iſt die größte norddeutſche Macht, wie Bayern die größte ſüddeutſche iſt. Bayern aber hat wegen ſeiner freiſinnigen Führung am deutſchen Bundestage und wegen ſeiner rein deutſchen Stämme und wegen ſeiner conſtitutionell wohlbegründeten Staatsverfaſſung viel we- niger Antipathien gegen ſich; im Könige Ludwig bezweifelte man nie- mals ſeine deutſche Geſinnung; im Könige Mar II ruht die Hoffnung und die gewiſſe freiwillige Erfüllung freiſinniger conſtitutioneller Grund- ſätze. Er hat keinerlei Haß, keinerlei Blut, keinerlei Leidenſchaft gegen ſich. Bayern iſt mit ſeiner ganzen wohlarrondirten Macht deutſch; es es hat keine nichtdeutſchen Provinzen; die drei uralten Kernſtämme Bayern, Schwaben und Franken ſind in ihm vertreten; das Gebiet ur- alter deutſcher Freiheit, das Gebiet der Reichsſtädte und der Reichsritter- ſchaft, der Nern des ſüddeutſchen conſtitutionellen Lebens liegt in ihm. Schon Bayern kann ſich nicht der excluſiven preußiſchen Hegemonie unter- ordnen. Aber auch Oeſterreich wird dieß niemals thun. Oder will man Oeſterreich von Deutſchland ausſchließen? Wehe den deutſchen Mächten die einen ſolchen Wunſch aus Ehrgeiz oder aus kleinlichen Intereſſen laut werden ließen! Oeſterreich iſt der Hort der deutſchen Intereſſen gegen Oſten; viel weniger von Rußland angreifbar, viel weniger leicht auseinandergeſprengt als Preußen, in das ſich der polniſche Keil hinein- treibt; im Oſten geſchützt durch das heldenmüthige und freie Volk der Ungarn, im Nordoſten durch die natürliche Mauer der Karpathen und Sudeten, im Innern deutſcher Kern durch die ſchneebedeckten Alpen, liegt der öſterreichiſche Rieſe mit ſeinem maſſenhaften Körper als Schutz- wehr in der Flanke Rußlands, vereint die germaniſtrten ſlaviſchen Nach- barn unter ſeinem Scepter, beherrſcht den Lauf des größten deutſchen Stroms, und ſtreckt zum Schutz gegen den Weſten wenigſtens noch Einen Arm in die italiſche Ebene aus. Da Oeſterreich ſeine burgundiſchen und ſchwäbiſchen Beſitzungen verloren hat, ſo hat es auch ſeine ehemalige Bedeutung im Weſten Deutſchlands aufgegeben; Bayern iſt an ſeine Stelle getreten und muß mit Württemberg, Baden und Heſſen zugleich der wichtigſte Vorpoſten im Süden Deutſchlands bleiben und immer mehr werden. Dieß iſt das Erbtheil Bayerns; es muß ſein Auge auf die deutſchen Nachbarn im Elſaß und Lothringen und auf den Oſten Frankreichs wach erhalten. So aber iſt die Sachlage der deutſchen Dinge. Drei mächtige Staaten, Bayern im Südweſten, Preußen im Norden, Oeſterreich im Oſten ſtehen als Haltpunkte deutſcher Macht da; ſie ſind alle drei zu der natürlichen Hegemonie dann beruſen wenn ſie ſich durch deutſche übereinſtimmende Verfaſſungen, durch kräftige Volksbewaff- nung und Heerorganiſationen, durch Wahrung der nationalen Freiheit jeglicher Art derſelben würdig gemacht haben. Der Ausſchluß Oeſter- reichs, die Unterdrückung Bayerns und der kecke excluſive Vortritt Preußens iſt gleich unmöglich. Es gibt jetzt nur einen thatſächlichen, möglichen, freien und geſetzmäßigen Gedanken der eine ſtarke und glück- liche Zukunft für ganz Deutſchland in ſich ſchließt: Ein Bundesſtaat mit einem Nationalparlament, ſo daß die eigentliche Centralregie- rung der deutſchen Intereſſen in den Händen der Bevollmächtigten oder Gewählten aller deutſchen Regierungen bleibe, deren Vorſitz und einigende Leitung Bayern, Oeſterreich und Preußen abwechſelnd übernehmen. Da- neben aber eine Vertretung und Wahrung der Rechte des deutſchen Volks durch die Repräſentanten der verſchiedenen aber nach gleichen Grundſätzen geordneten Kammern aller deutſchen Stände und Staaten, mit berathender und entſcheidender Stimme in denjenigen Angelegen- heiten welche die Geſammtintereſſen Deutſchlands ſind. Nur auf dieſen Grundlagen läßt ſich Kraft nach außen und innen gewinnen; ein Bun- desgericht, eine Heerverfaſſung, eine auswärtige Politik, ein nationa- les Zollſyſtem, ein Handelsrecht, ein einiges volkswirthſchaftliches Syſtem und eine Kriegsführung; welche Intereſſen und Gewalten dann eine Ein- heit von 60 Millionen Deutſchen bilden können, die weder Oſten noch Weſten zu ſcheuen haben. Oeſterreich und Bayern aber von der Leitung der Angelegenheiten ausſchließen, hieße Deutſchlands Kräfte zerſplit- tern, und zu Gunſten eines Leiters die deutſchen Kräfte abſorbiren. Dieſe Gefahr würde immer vorhanden ſeyn. ## München, 26 März. Schon die ſeit einiger Zeit hier bekannten Abſichten deutſcher Demokraten in Paris, mehr aber noch die heute vom frühen Morgen an verbreiteten Allarmgerüchte von räube- riſchen Einſällen franzöſtſcher und deutſcher Arbeiter in deutſches Ge- biet ſetzen hier alle Gemüther in Spannung, umſomehr da in dieſem Moment unglücklicherweiſe durch den König von Preußen der Erisapfel mitten in unſer Vaterland geſchleudert werden mußte. Unſere Re- gierung hat vorbeugend bereits Marſchbefehl an folgende Truppen er- gehen laſſen: an das Infanterieregiment König Otto in Würzburg, an das dritte Jägerbataillon und an eine Abtheilung der in Dillingen gar- niſonirenden Chevaulegers. Dieſelben ſind zunächſt nach der Pfalz be- ſtimmt, und wenn nicht ſchon dort angelangt, doch bereits auf dem Wege dorthin. Zugleich erging an die Regierung von Frankreich eine Er- klärung der bayeriſchen Regierung daß dieſe Truppenbewegungen durch- aus keinen feindlichen Zweck haben, ſondern nur eine gegen den ſigna- liſtrten Einfall der genannten Republicaner gerichtete Vorſichts- und Schutzmaßregel ſeyen. Sie kennen bereits die allgemeine Stimmung gegen die Perſon des Königs von Preußen als Führer der deutſchen Bewegung. Sie ſpricht ſich täglich entſchiedener und heftiger aus. Die Abſicht und Geſinnung unſerer Regierung gegenüber dieſer Frage kann, wie mir ſcheint, keineswegs darauf gerichtet ſeyn jener gereizten Stim- mung unbedingt zu folgen und der Zwietracht in Deutſchland, die gerade jetzt mehr als je entfernt gehalten werden muß, dadurch in die Hände zu arbeiten. Wenn indeß mit dem Proviſorium eines deutſchen König- thums in Berlin beabſichtiget ſeyn ſollte Bayern ganz und dauernd von der Leitung der deutſchen Verhältniſſe auszuſchließen, ſo müßte das- ſelbe dagegen feierliche und ernſtliche Verwahrung einlegen. Bayern kann nur wünſchen daß die definitive Conſtituirung des einigen Deutſch- lands in Frankfurt, alſo auf einem durchaus neutralen Boden vor ſich gehe. Daß unſere Regierung in dieſer Weiſe die Frage entſchieden wiſſen will, geht einmal ſchon aus der Nichtbetheiligung an dem beab- ſichtigten (nunmehr gar nicht zu Stande kommenden) Fürſtencongreß hervor, ferner daraus daß Hr. v. Gagern mit einem Haupttheil ſeiner neulichen Miſſion hier: nämlich Bayern für Uebertragung der deutſchen Hegemonie an Preußen zu gewinnen, gänzlich geſcheitert iſt, endlich aus der Wahl unſeres neuen Bundestagsgeſandten und aus den demſelben mitgegebenen Inſtructionen. Ich bin in den Stand geſetzt bezüglich der letzteren Sie zu verſichern daß dieſelben ſo liberal gefaßt ſind als nur irgend vorausgeſetzt werden konnte bei Uebergabe von Aufträgen an einen politiſchen Charakter wie wir ihn in Willich kennen. ǁ München, 26 März. Heute ward eine gediegene Adreſſe an den König (deren Text ich morgen nachliefern werde) von hieſigen Ein- wohnern entworfen, in welcher, neben der Verſicherung der Treue und der Verwahrung gegen jede Zerſplitterung der deutſchen Kräfte, gegen die Prätenſionen des Königs von Preußen vom 21 März Verwahrung eingelegt wird. Zugleich wird eine Adreſſe an die Berliner ergehen um jedes Mißverſtändniß, als wollte darum die allgemeine Eintracht geſtört werden, zu beſeitigen, und eine andere an die Wiener, um ſie wegen ihrer Errungenſchaft und deren kräftiger Erkämpfung zu beglückwünſchen. Nachmittags war eine Verſammlung von Studenten, welche ähnliche Beſchlüſſe faßten. Darauf kam eine Adreſſe an die Stände zur Bera- thung in welcher Wünſche niedergelegt ſind die dem Geiſte der Petenten zu aller Ehre gereichen, ich bemerke von denſelben: Aufhebung der die Aermeren drückenden Collegiengelder und Promotionsgebühren, beſſere Beſoldung der Profeſſoren, freiere Studienform mit einem Schlußexamen, Berückſichtigung des Studiums der deutſchen Litteratur und der Politik, volle Gleichberechtigung während und nach den Studienjahren für die Studenten jüdiſcher Religion, endlich unter mehrerem andern auch volle Lehrfreiheit. Der letzte Antrag gab den zahlreich anweſenden Anhängern der im vorigen Jahre entfernten Profeſſoren Gelegenheit eine Modiſica- tion dahin vorzuſchlagen daß die Rehabilitation von vier derſelben (Laſ- ſaulx, Deutinger, Phillips und Sepp) ausdrücklich verlangt werde. Während dieſer ſpecialiſtrte Antrag zu lebhaften Debatten führte, ja einen Augenblick zum Zankapfel der Anweſenden zu werden drohte, ward durch ein Extrablatt der Einbruch an der Weſtgränze bekannt. Es war ehrend und erhebend, wie in einem Athem der Antrag fallen gelaſſen und von allen beſchloſſen wurde die augenblickliche Bereitwilligkeit des Freicorps dem Könige mit der Hoffnung anzubieten vielleicht übermor- gen ſchon auf dem Marſche zu ſeyn. Nach neuern Nachrichten dürfte die Gefahr nicht ſo groß ſeyn als es im erſten Augenblick den Anſchein hatie. — Morgen hält die Kammer der Abgeordneten ihre erſte öffentliche Si- tzung; es wird die Adreſſe an den König berathen. Ich lege Ihnen den Adreßentwurf bei; er macht dem wahren aufopfernden Patriotismus der Commiſſion volle Ehre, denn es waren unter 9 Mitgliedern 3 adelige Grundherren und 2 Geiſtliche. Der Entwurf lautet: Allerdurchlauchtigſter Großmächtigſter König! Allergnädigſter König und Herr! „In einem Momente, ſeit Jahrhunderten dem

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 87, 27. März 1848, S. 1378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine87_1848/2>, abgerufen am 21.11.2024.