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Allgemeine Zeitung, Nr. 87, 27. März 1848.

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[Spaltenumbruch] die bewaffneten Studenten mit dem Reichsbanner, der bewaffnete
Handwerkerverein, die Malmeneschen Kuaben, die Abgeordneten aus-
wärtiger Städte, worunter nicht nur unsere näheren Landsleute,
Charlottenburg, Potsdam, Spandau, Magdeburg, Frankfurt, Breslau
u. s. w., sondern auch die deutschen Städte Hamburg und Braunschweig
ihre Bertreter entsendet hatten. Die Arbeiter der Borsigschen, Egellschen,
Rüdigerschen und anderer großen Fabriken, die Arbeiter der großen Na-
tional-Maschinenbau-Anstalt und eine große Anzahl von unbewaffne-
ten Handwerkern machten den Schluß. Als der Zug am zweiten Schloß-
portal anlangte, erschien Se. Majestät der König auf dem Balkon, um-
geben von seinen Ministern, während man dort die Trauerfahnen senkte.
Der König nahm den Helm ab und blieb grüßend stehend, bis alle
Särge vorüber waren. Das gemeinsame Grab ist von Combattanten
selbst gegraben worden; keine bezahlte Hand hat daran gearbeitet. Es
bildet ein Quadrat, in welchem die Särge neben einander in doppel-
ter Reihe gestellt sind, und umschließt einen freien Raum der dazu
bestimmt ist das Denkmal der Geschiedenen aufzunehmen. Auf der
Höhe des Friedrichshaines war ein Altar errichtet. Nach erfolgter
Einsenkung der Särge hielt der Prediger Sydow an der Gruft die
Gedächtnißrede, worin er daran erinnerte was die Gefallenen erkämpft,
indem sie erreichten und mit ihrem Blute besiegelten was unsere Vä-
ter ruhmvoll im Jahre 1813 begannen. Aus dem Grabe herauf töne
der Ruf: "Friede, Eintracht, Liebe!" und darum müßten wir mit Rüh-
rung und Dank den auf beiden Seiten Gefallenen unser Andenken
weihen. Nach dieser Rede sprach der Bischof Neander den Segen,
worauf die Fahnen gesenkt und die Salven der Schützengilde abge-
feuert wurden. So erreichte diese Trauerfeierlichkeit ihren Schluß,
während viele noch an dem Grabe blieben und den letzten Abschied
nahmen. Mit der Ruhe, der Andacht, der Heiligkeit, wie sie einem
solchen Werke ziemt und wie die Feier begann, ist sie auch geschlossen
worden. Lautlos bewegten sich die Massen nach der Stadt zurück, in
der Tiefe des Herzens das Andenken an diese ergreifenden Stunden
bewahrend. So schmerzlich erregt auch die Gemüther im Innern seyn
mochten, es gab sich doch nach außen hin kein Zeichen der Aufregung
kund, und die moralische Kraft unseres Volkes, die im Kampfe erprobt
worden, hat sich hier von neuem durch Würde und Selbstbeherrschung
bewährt. So dürfen wir denn getrost der neuen Zeit entgegenblicken
die sich durch die großen königl. Entschlüsse der letzten Tage vor uns
eröffnet. (Allg. Pr. Z.)


Der Minister des Cultus hat heute im Ein-
verständniß mit dem Ministerpräsidenten den Professor Dahlmann er-
sucht hierher zu kommen um die Regierung mit seinem Rath bei der
Ausarbeitung des neuen Wahlgesetzes für die Volksvertretung, das auf
breiter Grundlage ruhen wird, sowie demnächst auch bei dem Entwurf
der mit den Vertretern des Volks zu vereinbarenden Verfassung zu un-
terstützen. (Allg. Pr. Z.)


Eine Deputation der städtischen Behörden
zu Breslau und Liegnitz hatte bei Sr. Maj. dem König, als Wunsch der
überwiegenden Mehrheit der Bewohner dieser Städte, eine constitutio-
nelle Verfassung beantragt, welche auf eine Vereinbarung zwischen der
Krone und den durch Urwahlen berufenen Vertretern des Volks gegrün-
det sey. Sie hatte dabei diejenigen Punkte bezeichnet welche sie als die
nothwendigen Grundlagen der neuen Verfassung betrachte. Se. Maj.
geruhten die Deputation zu empfangen, und ertheilten derselben nach
Anhörung ihrer Wünsche den nachstehenden Bescheid:

"Nachdem Ich
eine constitutionelle Verfassung auf den breitesten Grundlagen verheißen
habe, ist es Mein Wille ein volksthümliches Wahlgesetz zu erlassen,
welches eine auf Urwahlen gegründete, alle Interessen des Volks ohne
Unterschied der religiösen Glaubensbekenntnisse umfassende Vertretung
herbeizuführen geeignet ist, und dieses Gesetz vorher dem Vereinigten
Landtag zur Begutachtung vorzulegen, dessen schleunige Berufung Ich,
nach allen bisher Mir zugegangenen Anträgen, für den allgemeinen
Wunsch des Landes halten muß. Diesem bisher kundgegebenen Wunsch
des Landes würde Ich entschieden zuwiderhandeln wenn Ich, nach Ihrem
Antrage, das neue Wahlgesetz ohne ständischen Beirath erlassen wollte.
Sie werden daher, wie Ich zu Ihrer Loyalität vertraue, sich selbst über-
zeugen und Ihre Committenten davon zu überzeugen wissen daß Ich auf
ihren gedachten Antrag für jetzt, und solange nicht der allgemeine
Wunsch des Landes sich dem Ihrigen anschließt, nicht eingehen kann.
Der auf jene Weise zu bildenden neuen Vertretung Meines Volkes wer-
den dann auch, Meinen bereits kundgegebenen Entschließungen entspre-
[Spaltenumbruch] chend, Vorschläge über folgende Punkte vorgelegt werden: 1) über Si-
cherstellung der persönlichen Freiheit; 2) über freies Vereinigungs- und
Versammlungsrecht; 3) über eine allgemeine Bürgerwehrverfassung
mit freier Wahl der Führer; 4) über Verantwortlichkeit der Minister;
5) über die Einführung von Schwurgerichten für Strafsachen, nament-
lich für alle politischen und Preßvergehen; 6) über die Unabhängigkeit
des Richterstandes; 7) über Aufhebung des eximirten Gerichtsstandes,
der Patrimonialgerichtsbarkeit und der Dominial-Polizeigewalt. Au-
ßerdem werde Ich demnächst das stehende Heer auf die neue Verfassung
vereidigen lassen.

Friedrich Wilhelm.
Graf Arnim. v. Rohr. Graf Schwerin. Bornemann. v. Arnim.
L. Kühne."


Gestern haben auch wir
einen Straßenauflauf gehabt. In Folge des Ausbleibens der Berli-
ner Posten und allerlei ungünstiger Gerüchte versammelten sich plötz-
lich gegen 11 Uhr Vormittags Tausende von Polen und begaben sich
unter lautem Geschrei nach dem Bazar, der in eine Cokarden-Fabrik
umgewandelt zu seyn schien, denn nach einer Viertelstunde sah man
fast keinen Polen mehr ohne eine große (roth-weiße) Nationalcokarde
an Hut und Brust. Alsbald wurde Generalmarsch geschlagen, und
unsere sämmtlichen Truppen versammelten sich im Nu auf den Allarm-
plätzen. Starke Militärabtheilungen durchzogen von nun an die Stra-
ßen und wurden überall von den dichten Volkshaufen mit lautem Ge-
chrei empfangen, doch kam es, bei der Mäßigung der Anführer, nir-
gends zum Zusammenstoß. Im Bazar bildete sich alsbald ein polni-
sches Comite, das eine Deputation an den Oberprästdenten abschickte,
der die Genehmigung zu Berathungen und zur Absendung einer
Adresse an den König sofort ertheilte. Nun wurden Reden an das Volk
gehalten, dann die Adresse, die gegen die Einverleibung der Provinz
in Deutschland protestirt und Garantien verlangt, abgefaßt und voll-
zogen, auch, wie verlautet, sogleich durch eine Deputation nach Berlin
gesandt. Nachmittags versammelten sich Magistrat und Stadtverord-
nete, und es wurde sofort eine Schutzwache aus polnischen und deut-
schen Bürgern gebildet, welche gestern Abend und die Nacht hindurch
auf den Straßen postirt gewesen ist. Das Toben der Volksmenge
dauerte den ganzen Tag hindurch fort; auf den öffentlichen Plätzen
wurden Reden an das Volk, das sich zu Tausenden versammelte, ge-
halten, und polnische Proclamationen, vom Comite ausgegangen, an
die Ecken angeschlagen. Man war für die Nacht sehr besorgt, doch
ist dieselbe gefahrlos vorübergegangen; was der heutige Tag bringen
wird, weiß Gott.


Kaum war gestern der Tag angebro-
chen, so füllten gedrängte Schaaren von Polen -- alle die Nationalcocarde
tragend -- die Straßen und Plätze unsrer Stadt; das Militär hatte die
ganze Nacht biwakirt und die Kanonen waren gerichtet. Noch am Abend
vorher hatte das polnische Comite vom Bazar aus eine Proclamation
in polnischer Sprache an alle Straßenecken anschlagen lassen, worin ge-
sagt war daß der Tag der Erlösung nun auch für Polen gekommen sey,
daß die polnischen Brüder sich ruhig verhalten und ihr Blut für den rech-
ten Augenblick, der kommen werde, aufsparen sollten etc.. Dagegen er-
schien alsbald eine Bekanntmachung unsers Oberprästdenten, worin die-
ser erklärte daß das Comite seine Befugniß überschritten, und daß er
die bestehenden Gesetze aufrechterhalten werde. Eine Bekanntmachung
des Commandanten brachte das Kriegsgesetz, unter welchem die Provinz
noch stehe, in Erinnerung. Dann verbreitete sich ein gedrucktes deutsches
Manifest der Polen an die Preußen, worin die Polen die Gerechtigkeit
ihrer Sache entwickeln und letztere zu Sympathien auffordern, um nicht
von der Macht zermalmt zu werden. Eine zweite und eine dritte Proclama-
tion an die Deutschen und Juden erklärten daß kein Pole beabfichtige letz-
tere an Leben und Eigenthum zu gefährden etc. So vergingen unter
einer furchtbaren Gährung die Stunden. Vormittags noch reiste der
Erzbischof nach Berlin, um im Namen des Comite gegen die Einverlei-
bung der Provinz in Deutschland zu protestiren und die Wünsche der Po-
len dem Könige darzubringen. Nachmittags wollten die übrigen Mit-
glieder der Deputation nachreisen. Mittags wurde das polnische Gym-
nastum bis zum 1 Mai d. J. geschlossen. Für den Nachmittag und Abend
war alles in der größten Besorgniß, weil die Volksmassen eine äußerst
drohende Haltung angenommen hatten und nicht von der Stelle wichen,
zumal der Befehl ergangen war den Bazar bis 4 Uhr zu räumen, weil
ein ganzes Bataillon Infanterie daselbst einquartiert werden sollte. Dem
polnischen Comite aber schien alles daran gelegen zu seyn einen Aus-

[Spaltenumbruch] die bewaffneten Studenten mit dem Reichsbanner, der bewaffnete
Handwerkerverein, die Malmèneſchen Kuaben, die Abgeordneten aus-
wärtiger Städte, worunter nicht nur unſere näheren Landsleute,
Charlottenburg, Potsdam, Spandau, Magdeburg, Frankfurt, Breslau
u. ſ. w., ſondern auch die deutſchen Städte Hamburg und Braunſchweig
ihre Bertreter entſendet hatten. Die Arbeiter der Borſigſchen, Egellſchen,
Rüdigerſchen und anderer großen Fabriken, die Arbeiter der großen Na-
tional-Maſchinenbau-Anſtalt und eine große Anzahl von unbewaffne-
ten Handwerkern machten den Schluß. Als der Zug am zweiten Schloß-
portal anlangte, erſchien Se. Majeſtät der König auf dem Balkon, um-
geben von ſeinen Miniſtern, während man dort die Trauerfahnen ſenkte.
Der König nahm den Helm ab und blieb grüßend ſtehend, bis alle
Särge vorüber waren. Das gemeinſame Grab iſt von Combattanten
ſelbſt gegraben worden; keine bezahlte Hand hat daran gearbeitet. Es
bildet ein Quadrat, in welchem die Särge neben einander in doppel-
ter Reihe geſtellt ſind, und umſchließt einen freien Raum der dazu
beſtimmt iſt das Denkmal der Geſchiedenen aufzunehmen. Auf der
Höhe des Friedrichshaines war ein Altar errichtet. Nach erfolgter
Einſenkung der Särge hielt der Prediger Sydow an der Gruft die
Gedächtnißrede, worin er daran erinnerte was die Gefallenen erkämpft,
indem ſie erreichten und mit ihrem Blute beſiegelten was unſere Vä-
ter ruhmvoll im Jahre 1813 begannen. Aus dem Grabe herauf töne
der Ruf: „Friede, Eintracht, Liebe!“ und darum müßten wir mit Rüh-
rung und Dank den auf beiden Seiten Gefallenen unſer Andenken
weihen. Nach dieſer Rede ſprach der Biſchof Neander den Segen,
worauf die Fahnen geſenkt und die Salven der Schützengilde abge-
feuert wurden. So erreichte dieſe Trauerfeierlichkeit ihren Schluß,
während viele noch an dem Grabe blieben und den letzten Abſchied
nahmen. Mit der Ruhe, der Andacht, der Heiligkeit, wie ſie einem
ſolchen Werke ziemt und wie die Feier begann, iſt ſie auch geſchloſſen
worden. Lautlos bewegten ſich die Maſſen nach der Stadt zurück, in
der Tiefe des Herzens das Andenken an dieſe ergreifenden Stunden
bewahrend. So ſchmerzlich erregt auch die Gemüther im Innern ſeyn
mochten, es gab ſich doch nach außen hin kein Zeichen der Aufregung
kund, und die moraliſche Kraft unſeres Volkes, die im Kampfe erprobt
worden, hat ſich hier von neuem durch Würde und Selbſtbeherrſchung
bewährt. So dürfen wir denn getroſt der neuen Zeit entgegenblicken
die ſich durch die großen königl. Entſchlüſſe der letzten Tage vor uns
eröffnet. (Allg. Pr. Z.)


Der Miniſter des Cultus hat heute im Ein-
verſtändniß mit dem Miniſterpräſidenten den Profeſſor Dahlmann er-
ſucht hierher zu kommen um die Regierung mit ſeinem Rath bei der
Ausarbeitung des neuen Wahlgeſetzes für die Volksvertretung, das auf
breiter Grundlage ruhen wird, ſowie demnächſt auch bei dem Entwurf
der mit den Vertretern des Volks zu vereinbarenden Verfaſſung zu un-
terſtützen. (Allg. Pr. Z.)


Eine Deputation der ſtädtiſchen Behörden
zu Breslau und Liegnitz hatte bei Sr. Maj. dem König, als Wunſch der
überwiegenden Mehrheit der Bewohner dieſer Städte, eine conſtitutio-
nelle Verfaſſung beantragt, welche auf eine Vereinbarung zwiſchen der
Krone und den durch Urwahlen berufenen Vertretern des Volks gegrün-
det ſey. Sie hatte dabei diejenigen Punkte bezeichnet welche ſie als die
nothwendigen Grundlagen der neuen Verfaſſung betrachte. Se. Maj.
geruhten die Deputation zu empfangen, und ertheilten derſelben nach
Anhörung ihrer Wünſche den nachſtehenden Beſcheid:

„Nachdem Ich
eine conſtitutionelle Verfaſſung auf den breiteſten Grundlagen verheißen
habe, iſt es Mein Wille ein volksthümliches Wahlgeſetz zu erlaſſen,
welches eine auf Urwahlen gegründete, alle Intereſſen des Volks ohne
Unterſchied der religiöſen Glaubensbekenntniſſe umfaſſende Vertretung
herbeizuführen geeignet iſt, und dieſes Geſetz vorher dem Vereinigten
Landtag zur Begutachtung vorzulegen, deſſen ſchleunige Berufung Ich,
nach allen bisher Mir zugegangenen Anträgen, für den allgemeinen
Wunſch des Landes halten muß. Dieſem bisher kundgegebenen Wunſch
des Landes würde Ich entſchieden zuwiderhandeln wenn Ich, nach Ihrem
Antrage, das neue Wahlgeſetz ohne ſtändiſchen Beirath erlaſſen wollte.
Sie werden daher, wie Ich zu Ihrer Loyalität vertraue, ſich ſelbſt über-
zeugen und Ihre Committenten davon zu überzeugen wiſſen daß Ich auf
ihren gedachten Antrag für jetzt, und ſolange nicht der allgemeine
Wunſch des Landes ſich dem Ihrigen anſchließt, nicht eingehen kann.
Der auf jene Weiſe zu bildenden neuen Vertretung Meines Volkes wer-
den dann auch, Meinen bereits kundgegebenen Entſchließungen entſpre-
[Spaltenumbruch] chend, Vorſchläge über folgende Punkte vorgelegt werden: 1) über Si-
cherſtellung der perſönlichen Freiheit; 2) über freies Vereinigungs- und
Verſammlungsrecht; 3) über eine allgemeine Bürgerwehrverfaſſung
mit freier Wahl der Führer; 4) über Verantwortlichkeit der Miniſter;
5) über die Einführung von Schwurgerichten für Strafſachen, nament-
lich für alle politiſchen und Preßvergehen; 6) über die Unabhängigkeit
des Richterſtandes; 7) über Aufhebung des eximirten Gerichtsſtandes,
der Patrimonialgerichtsbarkeit und der Dominial-Polizeigewalt. Au-
ßerdem werde Ich demnächſt das ſtehende Heer auf die neue Verfaſſung
vereidigen laſſen.

Friedrich Wilhelm.
Graf Arnim. v. Rohr. Graf Schwerin. Bornemann. v. Arnim.
L. Kühne.“


Geſtern haben auch wir
einen Straßenauflauf gehabt. In Folge des Ausbleibens der Berli-
ner Poſten und allerlei ungünſtiger Gerüchte verſammelten ſich plötz-
lich gegen 11 Uhr Vormittags Tauſende von Polen und begaben ſich
unter lautem Geſchrei nach dem Bazar, der in eine Cokarden-Fabrik
umgewandelt zu ſeyn ſchien, denn nach einer Viertelſtunde ſah man
faſt keinen Polen mehr ohne eine große (roth-weiße) Nationalcokarde
an Hut und Bruſt. Alsbald wurde Generalmarſch geſchlagen, und
unſere ſämmtlichen Truppen verſammelten ſich im Nu auf den Allarm-
plätzen. Starke Militärabtheilungen durchzogen von nun an die Stra-
ßen und wurden überall von den dichten Volkshaufen mit lautem Ge-
chrei empfangen, doch kam es, bei der Mäßigung der Anführer, nir-
gends zum Zuſammenſtoß. Im Bazar bildete ſich alsbald ein polni-
ſches Comité, das eine Deputation an den Oberpräſtdenten abſchickte,
der die Genehmigung zu Berathungen und zur Abſendung einer
Adreſſe an den König ſofort ertheilte. Nun wurden Reden an das Volk
gehalten, dann die Adreſſe, die gegen die Einverleibung der Provinz
in Deutſchland proteſtirt und Garantien verlangt, abgefaßt und voll-
zogen, auch, wie verlautet, ſogleich durch eine Deputation nach Berlin
geſandt. Nachmittags verſammelten ſich Magiſtrat und Stadtverord-
nete, und es wurde ſofort eine Schutzwache aus polniſchen und deut-
ſchen Bürgern gebildet, welche geſtern Abend und die Nacht hindurch
auf den Straßen poſtirt geweſen iſt. Das Toben der Volksmenge
dauerte den ganzen Tag hindurch fort; auf den öffentlichen Plätzen
wurden Reden an das Volk, das ſich zu Tauſenden verſammelte, ge-
halten, und polniſche Proclamationen, vom Comité ausgegangen, an
die Ecken angeſchlagen. Man war für die Nacht ſehr beſorgt, doch
iſt dieſelbe gefahrlos vorübergegangen; was der heutige Tag bringen
wird, weiß Gott.


Kaum war geſtern der Tag angebro-
chen, ſo füllten gedrängte Schaaren von Polen — alle die Nationalcocarde
tragend — die Straßen und Plätze unſrer Stadt; das Militär hatte die
ganze Nacht biwakirt und die Kanonen waren gerichtet. Noch am Abend
vorher hatte das polniſche Comité vom Bazar aus eine Proclamation
in polniſcher Sprache an alle Straßenecken anſchlagen laſſen, worin ge-
ſagt war daß der Tag der Erlöſung nun auch für Polen gekommen ſey,
daß die polniſchen Brüder ſich ruhig verhalten und ihr Blut für den rech-
ten Augenblick, der kommen werde, aufſparen ſollten ꝛc.. Dagegen er-
ſchien alsbald eine Bekanntmachung unſers Oberpräſtdenten, worin die-
ſer erklärte daß das Comité ſeine Befugniß überſchritten, und daß er
die beſtehenden Geſetze aufrechterhalten werde. Eine Bekanntmachung
des Commandanten brachte das Kriegsgeſetz, unter welchem die Provinz
noch ſtehe, in Erinnerung. Dann verbreitete ſich ein gedrucktes deutſches
Manifeſt der Polen an die Preußen, worin die Polen die Gerechtigkeit
ihrer Sache entwickeln und letztere zu Sympathien auffordern, um nicht
von der Macht zermalmt zu werden. Eine zweite und eine dritte Proclama-
tion an die Deutſchen und Juden erklärten daß kein Pole beabfichtige letz-
tere an Leben und Eigenthum zu gefährden ꝛc. So vergingen unter
einer furchtbaren Gährung die Stunden. Vormittags noch reiste der
Erzbiſchof nach Berlin, um im Namen des Comité gegen die Einverlei-
bung der Provinz in Deutſchland zu proteſtiren und die Wünſche der Po-
len dem Könige darzubringen. Nachmittags wollten die übrigen Mit-
glieder der Deputation nachreiſen. Mittags wurde das polniſche Gym-
naſtum bis zum 1 Mai d. J. geſchloſſen. Für den Nachmittag und Abend
war alles in der größten Beſorgniß, weil die Volksmaſſen eine äußerſt
drohende Haltung angenommen hatten und nicht von der Stelle wichen,
zumal der Befehl ergangen war den Bazar bis 4 Uhr zu räumen, weil
ein ganzes Bataillon Infanterie daſelbſt einquartiert werden ſollte. Dem
polniſchen Comité aber ſchien alles daran gelegen zu ſeyn einen Aus-

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[3/0019] die bewaffneten Studenten mit dem Reichsbanner, der bewaffnete Handwerkerverein, die Malmèneſchen Kuaben, die Abgeordneten aus- wärtiger Städte, worunter nicht nur unſere näheren Landsleute, Charlottenburg, Potsdam, Spandau, Magdeburg, Frankfurt, Breslau u. ſ. w., ſondern auch die deutſchen Städte Hamburg und Braunſchweig ihre Bertreter entſendet hatten. Die Arbeiter der Borſigſchen, Egellſchen, Rüdigerſchen und anderer großen Fabriken, die Arbeiter der großen Na- tional-Maſchinenbau-Anſtalt und eine große Anzahl von unbewaffne- ten Handwerkern machten den Schluß. Als der Zug am zweiten Schloß- portal anlangte, erſchien Se. Majeſtät der König auf dem Balkon, um- geben von ſeinen Miniſtern, während man dort die Trauerfahnen ſenkte. Der König nahm den Helm ab und blieb grüßend ſtehend, bis alle Särge vorüber waren. Das gemeinſame Grab iſt von Combattanten ſelbſt gegraben worden; keine bezahlte Hand hat daran gearbeitet. Es bildet ein Quadrat, in welchem die Särge neben einander in doppel- ter Reihe geſtellt ſind, und umſchließt einen freien Raum der dazu beſtimmt iſt das Denkmal der Geſchiedenen aufzunehmen. Auf der Höhe des Friedrichshaines war ein Altar errichtet. Nach erfolgter Einſenkung der Särge hielt der Prediger Sydow an der Gruft die Gedächtnißrede, worin er daran erinnerte was die Gefallenen erkämpft, indem ſie erreichten und mit ihrem Blute beſiegelten was unſere Vä- ter ruhmvoll im Jahre 1813 begannen. Aus dem Grabe herauf töne der Ruf: „Friede, Eintracht, Liebe!“ und darum müßten wir mit Rüh- rung und Dank den auf beiden Seiten Gefallenen unſer Andenken weihen. Nach dieſer Rede ſprach der Biſchof Neander den Segen, worauf die Fahnen geſenkt und die Salven der Schützengilde abge- feuert wurden. So erreichte dieſe Trauerfeierlichkeit ihren Schluß, während viele noch an dem Grabe blieben und den letzten Abſchied nahmen. Mit der Ruhe, der Andacht, der Heiligkeit, wie ſie einem ſolchen Werke ziemt und wie die Feier begann, iſt ſie auch geſchloſſen worden. Lautlos bewegten ſich die Maſſen nach der Stadt zurück, in der Tiefe des Herzens das Andenken an dieſe ergreifenden Stunden bewahrend. So ſchmerzlich erregt auch die Gemüther im Innern ſeyn mochten, es gab ſich doch nach außen hin kein Zeichen der Aufregung kund, und die moraliſche Kraft unſeres Volkes, die im Kampfe erprobt worden, hat ſich hier von neuem durch Würde und Selbſtbeherrſchung bewährt. So dürfen wir denn getroſt der neuen Zeit entgegenblicken die ſich durch die großen königl. Entſchlüſſe der letzten Tage vor uns eröffnet. (Allg. Pr. Z.) Berlin, 23 März. Der Miniſter des Cultus hat heute im Ein- verſtändniß mit dem Miniſterpräſidenten den Profeſſor Dahlmann er- ſucht hierher zu kommen um die Regierung mit ſeinem Rath bei der Ausarbeitung des neuen Wahlgeſetzes für die Volksvertretung, das auf breiter Grundlage ruhen wird, ſowie demnächſt auch bei dem Entwurf der mit den Vertretern des Volks zu vereinbarenden Verfaſſung zu un- terſtützen. (Allg. Pr. Z.) Berlin, 22 März. Eine Deputation der ſtädtiſchen Behörden zu Breslau und Liegnitz hatte bei Sr. Maj. dem König, als Wunſch der überwiegenden Mehrheit der Bewohner dieſer Städte, eine conſtitutio- nelle Verfaſſung beantragt, welche auf eine Vereinbarung zwiſchen der Krone und den durch Urwahlen berufenen Vertretern des Volks gegrün- det ſey. Sie hatte dabei diejenigen Punkte bezeichnet welche ſie als die nothwendigen Grundlagen der neuen Verfaſſung betrachte. Se. Maj. geruhten die Deputation zu empfangen, und ertheilten derſelben nach Anhörung ihrer Wünſche den nachſtehenden Beſcheid: „Nachdem Ich eine conſtitutionelle Verfaſſung auf den breiteſten Grundlagen verheißen habe, iſt es Mein Wille ein volksthümliches Wahlgeſetz zu erlaſſen, welches eine auf Urwahlen gegründete, alle Intereſſen des Volks ohne Unterſchied der religiöſen Glaubensbekenntniſſe umfaſſende Vertretung herbeizuführen geeignet iſt, und dieſes Geſetz vorher dem Vereinigten Landtag zur Begutachtung vorzulegen, deſſen ſchleunige Berufung Ich, nach allen bisher Mir zugegangenen Anträgen, für den allgemeinen Wunſch des Landes halten muß. Dieſem bisher kundgegebenen Wunſch des Landes würde Ich entſchieden zuwiderhandeln wenn Ich, nach Ihrem Antrage, das neue Wahlgeſetz ohne ſtändiſchen Beirath erlaſſen wollte. Sie werden daher, wie Ich zu Ihrer Loyalität vertraue, ſich ſelbſt über- zeugen und Ihre Committenten davon zu überzeugen wiſſen daß Ich auf ihren gedachten Antrag für jetzt, und ſolange nicht der allgemeine Wunſch des Landes ſich dem Ihrigen anſchließt, nicht eingehen kann. Der auf jene Weiſe zu bildenden neuen Vertretung Meines Volkes wer- den dann auch, Meinen bereits kundgegebenen Entſchließungen entſpre- chend, Vorſchläge über folgende Punkte vorgelegt werden: 1) über Si- cherſtellung der perſönlichen Freiheit; 2) über freies Vereinigungs- und Verſammlungsrecht; 3) über eine allgemeine Bürgerwehrverfaſſung mit freier Wahl der Führer; 4) über Verantwortlichkeit der Miniſter; 5) über die Einführung von Schwurgerichten für Strafſachen, nament- lich für alle politiſchen und Preßvergehen; 6) über die Unabhängigkeit des Richterſtandes; 7) über Aufhebung des eximirten Gerichtsſtandes, der Patrimonialgerichtsbarkeit und der Dominial-Polizeigewalt. Au- ßerdem werde Ich demnächſt das ſtehende Heer auf die neue Verfaſſung vereidigen laſſen. Berlin, den 22 März 1848.Friedrich Wilhelm. Graf Arnim. v. Rohr. Graf Schwerin. Bornemann. v. Arnim. L. Kühne.“ * Poſen, 21 März (früh um 6 Uhr). Geſtern haben auch wir einen Straßenauflauf gehabt. In Folge des Ausbleibens der Berli- ner Poſten und allerlei ungünſtiger Gerüchte verſammelten ſich plötz- lich gegen 11 Uhr Vormittags Tauſende von Polen und begaben ſich unter lautem Geſchrei nach dem Bazar, der in eine Cokarden-Fabrik umgewandelt zu ſeyn ſchien, denn nach einer Viertelſtunde ſah man faſt keinen Polen mehr ohne eine große (roth-weiße) Nationalcokarde an Hut und Bruſt. Alsbald wurde Generalmarſch geſchlagen, und unſere ſämmtlichen Truppen verſammelten ſich im Nu auf den Allarm- plätzen. Starke Militärabtheilungen durchzogen von nun an die Stra- ßen und wurden überall von den dichten Volkshaufen mit lautem Ge- chrei empfangen, doch kam es, bei der Mäßigung der Anführer, nir- gends zum Zuſammenſtoß. Im Bazar bildete ſich alsbald ein polni- ſches Comité, das eine Deputation an den Oberpräſtdenten abſchickte, der die Genehmigung zu Berathungen und zur Abſendung einer Adreſſe an den König ſofort ertheilte. Nun wurden Reden an das Volk gehalten, dann die Adreſſe, die gegen die Einverleibung der Provinz in Deutſchland proteſtirt und Garantien verlangt, abgefaßt und voll- zogen, auch, wie verlautet, ſogleich durch eine Deputation nach Berlin geſandt. Nachmittags verſammelten ſich Magiſtrat und Stadtverord- nete, und es wurde ſofort eine Schutzwache aus polniſchen und deut- ſchen Bürgern gebildet, welche geſtern Abend und die Nacht hindurch auf den Straßen poſtirt geweſen iſt. Das Toben der Volksmenge dauerte den ganzen Tag hindurch fort; auf den öffentlichen Plätzen wurden Reden an das Volk, das ſich zu Tauſenden verſammelte, ge- halten, und polniſche Proclamationen, vom Comité ausgegangen, an die Ecken angeſchlagen. Man war für die Nacht ſehr beſorgt, doch iſt dieſelbe gefahrlos vorübergegangen; was der heutige Tag bringen wird, weiß Gott. * Poſen, 22 März. Früh 6 Uhr. Kaum war geſtern der Tag angebro- chen, ſo füllten gedrängte Schaaren von Polen — alle die Nationalcocarde tragend — die Straßen und Plätze unſrer Stadt; das Militär hatte die ganze Nacht biwakirt und die Kanonen waren gerichtet. Noch am Abend vorher hatte das polniſche Comité vom Bazar aus eine Proclamation in polniſcher Sprache an alle Straßenecken anſchlagen laſſen, worin ge- ſagt war daß der Tag der Erlöſung nun auch für Polen gekommen ſey, daß die polniſchen Brüder ſich ruhig verhalten und ihr Blut für den rech- ten Augenblick, der kommen werde, aufſparen ſollten ꝛc.. Dagegen er- ſchien alsbald eine Bekanntmachung unſers Oberpräſtdenten, worin die- ſer erklärte daß das Comité ſeine Befugniß überſchritten, und daß er die beſtehenden Geſetze aufrechterhalten werde. Eine Bekanntmachung des Commandanten brachte das Kriegsgeſetz, unter welchem die Provinz noch ſtehe, in Erinnerung. Dann verbreitete ſich ein gedrucktes deutſches Manifeſt der Polen an die Preußen, worin die Polen die Gerechtigkeit ihrer Sache entwickeln und letztere zu Sympathien auffordern, um nicht von der Macht zermalmt zu werden. Eine zweite und eine dritte Proclama- tion an die Deutſchen und Juden erklärten daß kein Pole beabfichtige letz- tere an Leben und Eigenthum zu gefährden ꝛc. So vergingen unter einer furchtbaren Gährung die Stunden. Vormittags noch reiste der Erzbiſchof nach Berlin, um im Namen des Comité gegen die Einverlei- bung der Provinz in Deutſchland zu proteſtiren und die Wünſche der Po- len dem Könige darzubringen. Nachmittags wollten die übrigen Mit- glieder der Deputation nachreiſen. Mittags wurde das polniſche Gym- naſtum bis zum 1 Mai d. J. geſchloſſen. Für den Nachmittag und Abend war alles in der größten Beſorgniß, weil die Volksmaſſen eine äußerſt drohende Haltung angenommen hatten und nicht von der Stelle wichen, zumal der Befehl ergangen war den Bazar bis 4 Uhr zu räumen, weil ein ganzes Bataillon Infanterie daſelbſt einquartiert werden ſollte. Dem polniſchen Comité aber ſchien alles daran gelegen zu ſeyn einen Aus-

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 87, 27. März 1848, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine87_1848/19>, abgerufen am 01.06.2024.