Allgemeine Zeitung, Nr. 87, 27. März 1848.[Spaltenumbruch]
die bewaffneten Studenten mit dem Reichsbanner, der bewaffnete Berlin, 23 März. Der Minister des Cultus hat heute im Ein- Berlin, 22 März. Eine Deputation der städtischen Behörden "Nachdem Ich Berlin, den 22 März 1848.Friedrich Wilhelm. Graf Arnim. v. Rohr. Graf Schwerin. Bornemann. v. Arnim. L. Kühne." * Posen, 21 März (früh um 6 Uhr). Gestern haben auch wir * Posen, 22 März. Früh 6 Uhr. Kaum war gestern der Tag angebro- [Spaltenumbruch]
die bewaffneten Studenten mit dem Reichsbanner, der bewaffnete Berlin, 23 März. Der Miniſter des Cultus hat heute im Ein- Berlin, 22 März. Eine Deputation der ſtädtiſchen Behörden „Nachdem Ich Berlin, den 22 März 1848.Friedrich Wilhelm. Graf Arnim. v. Rohr. Graf Schwerin. Bornemann. v. Arnim. L. Kühne.“ * Poſen, 21 März (früh um 6 Uhr). Geſtern haben auch wir * Poſen, 22 März. Früh 6 Uhr. Kaum war geſtern der Tag angebro- <TEI> <text> <body> <div type="jSupplement" n="1"> <floatingText> <body> <div type="jPoliticalNews" n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div type="jArticle" n="5"> <p><pb facs="#f0019" n="3"/><cb/> die bewaffneten Studenten mit dem Reichsbanner, der bewaffnete<lb/> Handwerkerverein, die Malmèneſchen Kuaben, die Abgeordneten aus-<lb/> wärtiger Städte, worunter nicht nur unſere näheren Landsleute,<lb/> Charlottenburg, Potsdam, Spandau, Magdeburg, Frankfurt, Breslau<lb/> u. ſ. w., ſondern auch die deutſchen Städte Hamburg und Braunſchweig<lb/> ihre Bertreter entſendet hatten. Die Arbeiter der Borſigſchen, Egellſchen,<lb/> Rüdigerſchen und anderer großen Fabriken, die Arbeiter der großen Na-<lb/> tional-Maſchinenbau-Anſtalt und eine große Anzahl von unbewaffne-<lb/> ten Handwerkern machten den Schluß. Als der Zug am zweiten Schloß-<lb/> portal anlangte, erſchien Se. Majeſtät der König auf dem Balkon, um-<lb/> geben von ſeinen Miniſtern, während man dort die Trauerfahnen ſenkte.<lb/> Der König nahm den Helm ab und blieb grüßend ſtehend, bis alle<lb/> Särge vorüber waren. Das gemeinſame Grab iſt von Combattanten<lb/> ſelbſt gegraben worden; keine bezahlte Hand hat daran gearbeitet. Es<lb/> bildet ein Quadrat, in welchem die Särge neben einander in doppel-<lb/> ter Reihe geſtellt ſind, und umſchließt einen freien Raum der dazu<lb/> beſtimmt iſt das Denkmal der Geſchiedenen aufzunehmen. Auf der<lb/> Höhe des Friedrichshaines war ein Altar errichtet. Nach erfolgter<lb/> Einſenkung der Särge hielt der Prediger Sydow an der Gruft die<lb/> Gedächtnißrede, worin er daran erinnerte was die Gefallenen erkämpft,<lb/> indem ſie erreichten und mit ihrem Blute beſiegelten was unſere Vä-<lb/> ter ruhmvoll im Jahre 1813 begannen. Aus dem Grabe herauf töne<lb/> der Ruf: „Friede, Eintracht, Liebe!“ und darum müßten wir mit Rüh-<lb/> rung und Dank den auf beiden Seiten Gefallenen unſer Andenken<lb/> weihen. Nach dieſer Rede ſprach der Biſchof Neander den Segen,<lb/> worauf die Fahnen geſenkt und die Salven der Schützengilde abge-<lb/> feuert wurden. So erreichte dieſe Trauerfeierlichkeit ihren Schluß,<lb/> während viele noch an dem Grabe blieben und den letzten Abſchied<lb/> nahmen. Mit der Ruhe, der Andacht, der Heiligkeit, wie ſie einem<lb/> ſolchen Werke ziemt und wie die Feier begann, iſt ſie auch geſchloſſen<lb/> worden. Lautlos bewegten ſich die Maſſen nach der Stadt zurück, in<lb/> der Tiefe des Herzens das Andenken an dieſe ergreifenden Stunden<lb/> bewahrend. So ſchmerzlich erregt auch die Gemüther im Innern ſeyn<lb/> mochten, es gab ſich doch nach außen hin kein Zeichen der Aufregung<lb/> kund, und die moraliſche Kraft unſeres Volkes, die im Kampfe erprobt<lb/> worden, hat ſich hier von neuem durch Würde und Selbſtbeherrſchung<lb/> bewährt. So dürfen wir denn getroſt der neuen Zeit entgegenblicken<lb/> die ſich durch die großen königl. Entſchlüſſe der letzten Tage vor uns<lb/> eröffnet. (Allg. Pr. Z.)</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="5"> <dateline><hi rendition="#b">Berlin,</hi> 23 März.</dateline><lb/> <p>Der Miniſter des Cultus hat heute im Ein-<lb/> verſtändniß mit dem Miniſterpräſidenten den Profeſſor Dahlmann er-<lb/> ſucht hierher zu kommen um die Regierung mit ſeinem Rath bei der<lb/> Ausarbeitung des neuen Wahlgeſetzes für die Volksvertretung, das auf<lb/> breiter Grundlage ruhen wird, ſowie demnächſt auch bei dem Entwurf<lb/> der mit den Vertretern des Volks zu vereinbarenden Verfaſſung zu un-<lb/> terſtützen. (<hi rendition="#g">Allg. Pr. Z.</hi>)</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="5"> <dateline><hi rendition="#b">Berlin</hi>, 22 März.</dateline><lb/> <p>Eine Deputation der ſtädtiſchen Behörden<lb/> zu Breslau und Liegnitz hatte bei Sr. Maj. dem König, als Wunſch der<lb/> überwiegenden Mehrheit der Bewohner dieſer Städte, eine conſtitutio-<lb/> nelle Verfaſſung beantragt, welche auf eine Vereinbarung zwiſchen der<lb/> Krone und den durch Urwahlen berufenen Vertretern des Volks gegrün-<lb/> det ſey. Sie hatte dabei diejenigen Punkte bezeichnet welche ſie als die<lb/> nothwendigen Grundlagen der neuen Verfaſſung betrachte. Se. 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Dieſem bisher kundgegebenen Wunſch<lb/> des Landes würde Ich entſchieden zuwiderhandeln wenn Ich, nach Ihrem<lb/> Antrage, das neue Wahlgeſetz ohne ſtändiſchen Beirath erlaſſen wollte.<lb/> Sie werden daher, wie Ich zu Ihrer Loyalität vertraue, ſich ſelbſt über-<lb/> zeugen und Ihre Committenten davon zu überzeugen wiſſen daß Ich auf<lb/> ihren gedachten Antrag für jetzt, und ſolange nicht der allgemeine<lb/> Wunſch des Landes ſich dem Ihrigen anſchließt, nicht eingehen kann.<lb/> Der auf jene Weiſe zu bildenden neuen Vertretung Meines Volkes wer-<lb/> den dann auch, Meinen bereits kundgegebenen Entſchließungen entſpre-<lb/><cb/> chend, Vorſchläge über folgende Punkte vorgelegt werden: 1) über Si-<lb/> cherſtellung der perſönlichen Freiheit; 2) über freies Vereinigungs- und<lb/> Verſammlungsrecht; 3) über eine allgemeine Bürgerwehrverfaſſung<lb/> mit freier Wahl der Führer; 4) über Verantwortlichkeit der Miniſter;<lb/> 5) über die Einführung von Schwurgerichten für Strafſachen, nament-<lb/> lich für alle politiſchen und Preßvergehen; 6) über die Unabhängigkeit<lb/> des Richterſtandes; 7) über Aufhebung des eximirten Gerichtsſtandes,<lb/> der Patrimonialgerichtsbarkeit und der Dominial-Polizeigewalt. Au-<lb/> ßerdem werde Ich demnächſt das ſtehende Heer auf die neue Verfaſſung<lb/> vereidigen laſſen. </p><closer><dateline>Berlin, den 22 März 1848.</dateline><signed>Friedrich Wilhelm.<lb/> Graf Arnim. v. Rohr. Graf Schwerin. Bornemann. v. Arnim.<lb/> L. Kühne.“</signed></closer></div></body></floatingText></p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="5"> <dateline><hi rendition="#b">* Poſen,</hi> 21 März (früh um 6 Uhr).</dateline><lb/> <p>Geſtern haben auch wir<lb/> einen Straßenauflauf gehabt. In Folge des Ausbleibens der Berli-<lb/> ner Poſten und allerlei ungünſtiger Gerüchte verſammelten ſich plötz-<lb/> lich gegen 11 Uhr Vormittags Tauſende von Polen und begaben ſich<lb/> unter lautem Geſchrei nach dem Bazar, der in eine Cokarden-Fabrik<lb/> umgewandelt zu ſeyn ſchien, denn nach einer Viertelſtunde ſah man<lb/> faſt keinen Polen mehr ohne eine große (roth-weiße) Nationalcokarde<lb/> an Hut und Bruſt. Alsbald wurde Generalmarſch geſchlagen, und<lb/> unſere ſämmtlichen Truppen verſammelten ſich im Nu auf den Allarm-<lb/> plätzen. Starke Militärabtheilungen durchzogen von nun an die Stra-<lb/> ßen und wurden überall von den dichten Volkshaufen mit lautem Ge-<lb/> chrei empfangen, doch kam es, bei der Mäßigung der Anführer, nir-<lb/> gends zum Zuſammenſtoß. Im Bazar bildete ſich alsbald ein polni-<lb/> ſches Comité, das eine Deputation an den Oberpräſtdenten abſchickte,<lb/> der die Genehmigung zu Berathungen und zur Abſendung einer<lb/> Adreſſe an den König ſofort ertheilte. Nun wurden Reden an das Volk<lb/> gehalten, dann die Adreſſe, die gegen die Einverleibung der Provinz<lb/> in Deutſchland proteſtirt und Garantien verlangt, abgefaßt und voll-<lb/> zogen, auch, wie verlautet, ſogleich durch eine Deputation nach Berlin<lb/> geſandt. Nachmittags verſammelten ſich Magiſtrat und Stadtverord-<lb/> nete, und es wurde ſofort eine Schutzwache aus polniſchen und deut-<lb/> ſchen Bürgern gebildet, welche geſtern Abend und die Nacht hindurch<lb/> auf den Straßen poſtirt geweſen iſt. Das Toben der Volksmenge<lb/> dauerte den ganzen Tag hindurch fort; auf den öffentlichen Plätzen<lb/> wurden Reden an das Volk, das ſich zu Tauſenden verſammelte, ge-<lb/> halten, und polniſche Proclamationen, vom Comit<hi rendition="#aq">é</hi> ausgegangen, an<lb/> die Ecken angeſchlagen. Man war für die Nacht ſehr beſorgt, doch<lb/> iſt dieſelbe gefahrlos vorübergegangen; was der heutige Tag bringen<lb/> wird, weiß Gott.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="5"> <dateline><hi rendition="#b">* Poſen,</hi> 22 März. Früh 6 Uhr.</dateline><lb/> <p>Kaum war geſtern der Tag angebro-<lb/> chen, ſo füllten gedrängte Schaaren von Polen — alle die Nationalcocarde<lb/> tragend — die Straßen und Plätze unſrer Stadt; das Militär hatte die<lb/> ganze Nacht biwakirt und die Kanonen waren gerichtet. Noch am Abend<lb/> vorher hatte das polniſche Comité vom Bazar aus eine Proclamation<lb/> in polniſcher Sprache an alle Straßenecken anſchlagen laſſen, worin ge-<lb/> ſagt war daß der Tag der Erlöſung nun auch für Polen gekommen ſey,<lb/> daß die polniſchen Brüder ſich ruhig verhalten und ihr Blut für den rech-<lb/> ten Augenblick, der kommen werde, aufſparen ſollten ꝛc.. Dagegen er-<lb/> ſchien alsbald eine Bekanntmachung unſers Oberpräſtdenten, worin die-<lb/> ſer erklärte daß das Comité ſeine Befugniß überſchritten, und daß er<lb/> die beſtehenden Geſetze aufrechterhalten werde. Eine Bekanntmachung<lb/> des Commandanten brachte das Kriegsgeſetz, unter welchem die Provinz<lb/> noch ſtehe, in Erinnerung. Dann verbreitete ſich ein gedrucktes deutſches<lb/> Manifeſt der Polen an die Preußen, worin die Polen die Gerechtigkeit<lb/> ihrer Sache entwickeln und letztere zu Sympathien auffordern, um nicht<lb/> von der Macht zermalmt zu werden. Eine zweite und eine dritte Proclama-<lb/> tion an die Deutſchen und Juden erklärten daß kein Pole beabfichtige letz-<lb/> tere an Leben und Eigenthum zu gefährden ꝛc. So vergingen unter<lb/> einer furchtbaren Gährung die Stunden. Vormittags noch reiste der<lb/> Erzbiſchof nach Berlin, um im Namen des Comité gegen die Einverlei-<lb/> bung der Provinz in Deutſchland zu proteſtiren und die Wünſche der Po-<lb/> len dem Könige darzubringen. Nachmittags wollten die übrigen Mit-<lb/> glieder der Deputation nachreiſen. Mittags wurde das polniſche Gym-<lb/> naſtum bis zum 1 Mai d. J. geſchloſſen. Für den Nachmittag und Abend<lb/> war alles in der größten Beſorgniß, weil die Volksmaſſen eine äußerſt<lb/> drohende Haltung angenommen hatten und nicht von der Stelle wichen,<lb/> zumal der Befehl ergangen war den Bazar bis 4 Uhr zu räumen, weil<lb/> ein ganzes Bataillon Infanterie daſelbſt einquartiert werden ſollte. Dem<lb/> polniſchen Comit<hi rendition="#aq">é</hi> aber ſchien alles daran gelegen zu ſeyn einen Aus-<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [3/0019]
die bewaffneten Studenten mit dem Reichsbanner, der bewaffnete
Handwerkerverein, die Malmèneſchen Kuaben, die Abgeordneten aus-
wärtiger Städte, worunter nicht nur unſere näheren Landsleute,
Charlottenburg, Potsdam, Spandau, Magdeburg, Frankfurt, Breslau
u. ſ. w., ſondern auch die deutſchen Städte Hamburg und Braunſchweig
ihre Bertreter entſendet hatten. Die Arbeiter der Borſigſchen, Egellſchen,
Rüdigerſchen und anderer großen Fabriken, die Arbeiter der großen Na-
tional-Maſchinenbau-Anſtalt und eine große Anzahl von unbewaffne-
ten Handwerkern machten den Schluß. Als der Zug am zweiten Schloß-
portal anlangte, erſchien Se. Majeſtät der König auf dem Balkon, um-
geben von ſeinen Miniſtern, während man dort die Trauerfahnen ſenkte.
Der König nahm den Helm ab und blieb grüßend ſtehend, bis alle
Särge vorüber waren. Das gemeinſame Grab iſt von Combattanten
ſelbſt gegraben worden; keine bezahlte Hand hat daran gearbeitet. Es
bildet ein Quadrat, in welchem die Särge neben einander in doppel-
ter Reihe geſtellt ſind, und umſchließt einen freien Raum der dazu
beſtimmt iſt das Denkmal der Geſchiedenen aufzunehmen. Auf der
Höhe des Friedrichshaines war ein Altar errichtet. Nach erfolgter
Einſenkung der Särge hielt der Prediger Sydow an der Gruft die
Gedächtnißrede, worin er daran erinnerte was die Gefallenen erkämpft,
indem ſie erreichten und mit ihrem Blute beſiegelten was unſere Vä-
ter ruhmvoll im Jahre 1813 begannen. Aus dem Grabe herauf töne
der Ruf: „Friede, Eintracht, Liebe!“ und darum müßten wir mit Rüh-
rung und Dank den auf beiden Seiten Gefallenen unſer Andenken
weihen. Nach dieſer Rede ſprach der Biſchof Neander den Segen,
worauf die Fahnen geſenkt und die Salven der Schützengilde abge-
feuert wurden. So erreichte dieſe Trauerfeierlichkeit ihren Schluß,
während viele noch an dem Grabe blieben und den letzten Abſchied
nahmen. Mit der Ruhe, der Andacht, der Heiligkeit, wie ſie einem
ſolchen Werke ziemt und wie die Feier begann, iſt ſie auch geſchloſſen
worden. Lautlos bewegten ſich die Maſſen nach der Stadt zurück, in
der Tiefe des Herzens das Andenken an dieſe ergreifenden Stunden
bewahrend. So ſchmerzlich erregt auch die Gemüther im Innern ſeyn
mochten, es gab ſich doch nach außen hin kein Zeichen der Aufregung
kund, und die moraliſche Kraft unſeres Volkes, die im Kampfe erprobt
worden, hat ſich hier von neuem durch Würde und Selbſtbeherrſchung
bewährt. So dürfen wir denn getroſt der neuen Zeit entgegenblicken
die ſich durch die großen königl. Entſchlüſſe der letzten Tage vor uns
eröffnet. (Allg. Pr. Z.)
Berlin, 23 März.
Der Miniſter des Cultus hat heute im Ein-
verſtändniß mit dem Miniſterpräſidenten den Profeſſor Dahlmann er-
ſucht hierher zu kommen um die Regierung mit ſeinem Rath bei der
Ausarbeitung des neuen Wahlgeſetzes für die Volksvertretung, das auf
breiter Grundlage ruhen wird, ſowie demnächſt auch bei dem Entwurf
der mit den Vertretern des Volks zu vereinbarenden Verfaſſung zu un-
terſtützen. (Allg. Pr. Z.)
Berlin, 22 März.
Eine Deputation der ſtädtiſchen Behörden
zu Breslau und Liegnitz hatte bei Sr. Maj. dem König, als Wunſch der
überwiegenden Mehrheit der Bewohner dieſer Städte, eine conſtitutio-
nelle Verfaſſung beantragt, welche auf eine Vereinbarung zwiſchen der
Krone und den durch Urwahlen berufenen Vertretern des Volks gegrün-
det ſey. Sie hatte dabei diejenigen Punkte bezeichnet welche ſie als die
nothwendigen Grundlagen der neuen Verfaſſung betrachte. Se. Maj.
geruhten die Deputation zu empfangen, und ertheilten derſelben nach
Anhörung ihrer Wünſche den nachſtehenden Beſcheid: „Nachdem Ich
eine conſtitutionelle Verfaſſung auf den breiteſten Grundlagen verheißen
habe, iſt es Mein Wille ein volksthümliches Wahlgeſetz zu erlaſſen,
welches eine auf Urwahlen gegründete, alle Intereſſen des Volks ohne
Unterſchied der religiöſen Glaubensbekenntniſſe umfaſſende Vertretung
herbeizuführen geeignet iſt, und dieſes Geſetz vorher dem Vereinigten
Landtag zur Begutachtung vorzulegen, deſſen ſchleunige Berufung Ich,
nach allen bisher Mir zugegangenen Anträgen, für den allgemeinen
Wunſch des Landes halten muß. Dieſem bisher kundgegebenen Wunſch
des Landes würde Ich entſchieden zuwiderhandeln wenn Ich, nach Ihrem
Antrage, das neue Wahlgeſetz ohne ſtändiſchen Beirath erlaſſen wollte.
Sie werden daher, wie Ich zu Ihrer Loyalität vertraue, ſich ſelbſt über-
zeugen und Ihre Committenten davon zu überzeugen wiſſen daß Ich auf
ihren gedachten Antrag für jetzt, und ſolange nicht der allgemeine
Wunſch des Landes ſich dem Ihrigen anſchließt, nicht eingehen kann.
Der auf jene Weiſe zu bildenden neuen Vertretung Meines Volkes wer-
den dann auch, Meinen bereits kundgegebenen Entſchließungen entſpre-
chend, Vorſchläge über folgende Punkte vorgelegt werden: 1) über Si-
cherſtellung der perſönlichen Freiheit; 2) über freies Vereinigungs- und
Verſammlungsrecht; 3) über eine allgemeine Bürgerwehrverfaſſung
mit freier Wahl der Führer; 4) über Verantwortlichkeit der Miniſter;
5) über die Einführung von Schwurgerichten für Strafſachen, nament-
lich für alle politiſchen und Preßvergehen; 6) über die Unabhängigkeit
des Richterſtandes; 7) über Aufhebung des eximirten Gerichtsſtandes,
der Patrimonialgerichtsbarkeit und der Dominial-Polizeigewalt. Au-
ßerdem werde Ich demnächſt das ſtehende Heer auf die neue Verfaſſung
vereidigen laſſen.
Berlin, den 22 März 1848.Friedrich Wilhelm.
Graf Arnim. v. Rohr. Graf Schwerin. Bornemann. v. Arnim.
L. Kühne.“
* Poſen, 21 März (früh um 6 Uhr).
Geſtern haben auch wir
einen Straßenauflauf gehabt. In Folge des Ausbleibens der Berli-
ner Poſten und allerlei ungünſtiger Gerüchte verſammelten ſich plötz-
lich gegen 11 Uhr Vormittags Tauſende von Polen und begaben ſich
unter lautem Geſchrei nach dem Bazar, der in eine Cokarden-Fabrik
umgewandelt zu ſeyn ſchien, denn nach einer Viertelſtunde ſah man
faſt keinen Polen mehr ohne eine große (roth-weiße) Nationalcokarde
an Hut und Bruſt. Alsbald wurde Generalmarſch geſchlagen, und
unſere ſämmtlichen Truppen verſammelten ſich im Nu auf den Allarm-
plätzen. Starke Militärabtheilungen durchzogen von nun an die Stra-
ßen und wurden überall von den dichten Volkshaufen mit lautem Ge-
chrei empfangen, doch kam es, bei der Mäßigung der Anführer, nir-
gends zum Zuſammenſtoß. Im Bazar bildete ſich alsbald ein polni-
ſches Comité, das eine Deputation an den Oberpräſtdenten abſchickte,
der die Genehmigung zu Berathungen und zur Abſendung einer
Adreſſe an den König ſofort ertheilte. Nun wurden Reden an das Volk
gehalten, dann die Adreſſe, die gegen die Einverleibung der Provinz
in Deutſchland proteſtirt und Garantien verlangt, abgefaßt und voll-
zogen, auch, wie verlautet, ſogleich durch eine Deputation nach Berlin
geſandt. Nachmittags verſammelten ſich Magiſtrat und Stadtverord-
nete, und es wurde ſofort eine Schutzwache aus polniſchen und deut-
ſchen Bürgern gebildet, welche geſtern Abend und die Nacht hindurch
auf den Straßen poſtirt geweſen iſt. Das Toben der Volksmenge
dauerte den ganzen Tag hindurch fort; auf den öffentlichen Plätzen
wurden Reden an das Volk, das ſich zu Tauſenden verſammelte, ge-
halten, und polniſche Proclamationen, vom Comité ausgegangen, an
die Ecken angeſchlagen. Man war für die Nacht ſehr beſorgt, doch
iſt dieſelbe gefahrlos vorübergegangen; was der heutige Tag bringen
wird, weiß Gott.
* Poſen, 22 März. Früh 6 Uhr.
Kaum war geſtern der Tag angebro-
chen, ſo füllten gedrängte Schaaren von Polen — alle die Nationalcocarde
tragend — die Straßen und Plätze unſrer Stadt; das Militär hatte die
ganze Nacht biwakirt und die Kanonen waren gerichtet. Noch am Abend
vorher hatte das polniſche Comité vom Bazar aus eine Proclamation
in polniſcher Sprache an alle Straßenecken anſchlagen laſſen, worin ge-
ſagt war daß der Tag der Erlöſung nun auch für Polen gekommen ſey,
daß die polniſchen Brüder ſich ruhig verhalten und ihr Blut für den rech-
ten Augenblick, der kommen werde, aufſparen ſollten ꝛc.. Dagegen er-
ſchien alsbald eine Bekanntmachung unſers Oberpräſtdenten, worin die-
ſer erklärte daß das Comité ſeine Befugniß überſchritten, und daß er
die beſtehenden Geſetze aufrechterhalten werde. Eine Bekanntmachung
des Commandanten brachte das Kriegsgeſetz, unter welchem die Provinz
noch ſtehe, in Erinnerung. Dann verbreitete ſich ein gedrucktes deutſches
Manifeſt der Polen an die Preußen, worin die Polen die Gerechtigkeit
ihrer Sache entwickeln und letztere zu Sympathien auffordern, um nicht
von der Macht zermalmt zu werden. Eine zweite und eine dritte Proclama-
tion an die Deutſchen und Juden erklärten daß kein Pole beabfichtige letz-
tere an Leben und Eigenthum zu gefährden ꝛc. So vergingen unter
einer furchtbaren Gährung die Stunden. Vormittags noch reiste der
Erzbiſchof nach Berlin, um im Namen des Comité gegen die Einverlei-
bung der Provinz in Deutſchland zu proteſtiren und die Wünſche der Po-
len dem Könige darzubringen. Nachmittags wollten die übrigen Mit-
glieder der Deputation nachreiſen. Mittags wurde das polniſche Gym-
naſtum bis zum 1 Mai d. J. geſchloſſen. Für den Nachmittag und Abend
war alles in der größten Beſorgniß, weil die Volksmaſſen eine äußerſt
drohende Haltung angenommen hatten und nicht von der Stelle wichen,
zumal der Befehl ergangen war den Bazar bis 4 Uhr zu räumen, weil
ein ganzes Bataillon Infanterie daſelbſt einquartiert werden ſollte. Dem
polniſchen Comité aber ſchien alles daran gelegen zu ſeyn einen Aus-
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(2022-04-08T12:00:00Z)
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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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