Allgemeine Zeitung, Nr. 91, 3. April 1900.München, Dienstag Allgemeine Zeitung 3. April 1900. Nr. 91. [Spaltenumbruch]
Kleine Nachrichten. * Im wissenschaftlichen Verein in M.-Gladbach hielt Sachsen: Korpsbefehl des Prinzen Georg. * Dresden, 31. März. Prinz Georg von Sachsen Sachsen: Unfall- und Krankenversicherung. -- Kohlenwucher. H. Dresden, 1. April. Der den Kammern zugegangene Baden: Bismarck-Feier. * Mannheim, 31. März. Heute fand unter großer Oesterreich-Ungarn. Die Verlobung des Prinzen Maximilian von Baden. .F. Wien, 1. April. Prinz Maximilian von Uebrigens nahmen die Erörterungen in der Presse Die liebenswürdige Prinzessin, die bestimmt sein dürfte, Parteibildungen. * An politischen Parteien ist in Oesterreich bekanntlich [Spaltenumbruch] nun wieder die Helden "unsres Gerhart" abstammen, Jene Willensunfähigkeit ist in der That charakteristisch Macbeth fand, um auf ihn zurückzukommen, im Unter diesem Fehler leidet bekanntlich auch die Einen hohen und ganz ungetrübten künstlerischen München, Dienſtag Allgemeine Zeitung 3. April 1900. Nr. 91. [Spaltenumbruch]
Kleine Nachrichten. * Im wiſſenſchaftlichen Verein in M.-Gladbach hielt Sachſen: Korpsbefehl des Prinzen Georg. * Dresden, 31. März. Prinz Georg von Sachſen Sachſen: Unfall- und Krankenverſicherung. — Kohlenwucher. H. Dresden, 1. April. Der den Kammern zugegangene Baden: Bismarck-Feier. * Mannheim, 31. März. Heute fand unter großer Oeſterreich-Ungarn. Die Verlobung des Prinzen Maximilian von Baden. .F. Wien, 1. April. Prinz Maximilian von Uebrigens nahmen die Erörterungen in der Preſſe Die liebenswürdige Prinzeſſin, die beſtimmt ſein dürfte, Parteibildungen. * An politiſchen Parteien iſt in Oeſterreich bekanntlich [Spaltenumbruch] nun wieder die Helden „unſres Gerhart“ abſtammen, Jene Willensunfähigkeit iſt in der That charakteriſtiſch Macbeth fand, um auf ihn zurückzukommen, im Unter dieſem Fehler leidet bekanntlich auch die Einen hohen und ganz ungetrübten künſtleriſchen <TEI> <text> <body> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div xml:id="a2a" next="#a2b" type="jComment" n="2"> <pb facs="#f0002" n="2"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">München, Dienſtag Allgemeine Zeitung</hi> 3. April 1900. Nr. 91.</fw><lb/> <cb/> </div> </div> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div xml:id="a1b" prev="#a1a" type="jArticle" n="3"> <cit> <quote> <p>ſeien, bei der Friſtanſetzung für die Beibringung der er-<lb/> forderlichen Ausweiſe oder eventuell bei der Vollziehung der<lb/> Ausweiſung von jeder ungerechtfertigten Härte Umgang zu<lb/> nehmen.</p><lb/> <p>Eine <hi rendition="#g">Verſtändigung</hi> kam denn auch auf dieſer Baſis<lb/> zuſtande und wir haben ſeither von in Preußen nieder-<lb/> gelaſſenen Schweizern keine Beſchwerden mehr erhalten.“</p> </quote> </cit> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head>Kleine Nachrichten.</head><lb/> <p>* Im wiſſenſchaftlichen Verein in M.-Gladbach hielt<lb/> Profeſſor <hi rendition="#g">Oncken</hi> aus Gießen einen Vortrag über Bismarck<lb/> und Lothar Bucher, wobei er beſtimmt erklärte, daß ein<lb/><hi rendition="#g">dritter Band der Bismarck’ſchen Gedanken und<lb/> Erinnerungen</hi> exiſtire und von Bismarcks Entlaſſung<lb/> handle. Die heutige Generation würde jedoch ſein Erſcheinen<lb/> nicht mehr erleben. — Die „Köln. Volkszeitung“ ſchreibt zur<lb/><hi rendition="#g">Flottendeckungsfrage,</hi> ſie zweifle nun nicht mehr, daß<lb/> dieſe Frage <hi rendition="#g">befriedigenderweiſe gelöst</hi> werden<lb/> würde, weil auch die Regierung von dem Ernſt der Lage<lb/> überzeugt ſei. Von den bisherigen Vorſchlägen ſeien die Ein-<lb/> führung eines Konnoſſementſtempels, die Verdoppelung des<lb/> Lotterieſtempels, die wirkſamere Ausgeſtaltung des Börſen-<lb/> ſtempels, die Steuer auf Saccharin, die Erhöhung der Zoll-<lb/> ſätze auf gewiſſe Luxusſachen ganz unbedenklich. — Im<lb/> preußiſchen <hi rendition="#g">Lehrerbeſoldungsgeſetz</hi> wird den Lehr-<lb/> kräften, die vor ihrem Eintritt in den öffentlichen Volksſchul-<lb/> dienſt an <hi rendition="#g">Privatſchulen</hi> thätig geweſen ſind, dieſe Zeit bei<lb/> Bemeſſung der <hi rendition="#g">Alterszulagen</hi> voll in Anrechnung gebracht,<lb/> wenn in den betreffenden Privatſchulen nach dem Lehrplan<lb/> einer öffentlichen Volksſchule unterrichtet wird. Bei der Durch-<lb/> führung dieſer Beſtimmung haben ſich nicht geringe Schwierig-<lb/> keiten herausgeſtellt, da ſehr viele Privatſchulen über die Auf-<lb/> gaben des <hi rendition="#g">Volksſchulunterrichts hinausgehende<lb/> Ziele</hi> verfolgen. In dieſem Falle ſind nur Ausnahmen ge-<lb/> macht worden, wo im konfeſſionellen Intereſſe in der<lb/> Diaſpora zum Erſatz konfeſſioneller Volksſchulen Privat-<lb/> ſchulen mit dem Lehrplan der öffentlichen Elementarſchulen<lb/> eingerichtet worden ſind, nicht aber, wo lediglich beſondere<lb/> Intereſſen einzelner Orte und Bevölkerungskreiſe vorlagen.<lb/> Im übrigen hat die Unterrichtsverwaltung, wie ſie ver-<lb/> ſichert, die einzelnen an ſie herangetretenen „Grenzfälle“ nach<lb/> jeder Richtung hin ſo <hi rendition="#g">wohlwollend</hi> geprüſt, als dies den<lb/> bindenden Vorſchriften des Geſetzes gegenüber <hi rendition="#g">zuläſſig</hi> iſt.<lb/> Denjenigen Lehrperſonen, welche in früherer Zeit eine Schul-<lb/> aufſichtsbehörde zum Dienſt an Privatſchulen, in denen nicht<lb/> nach dem Lehrplan einer öffentlichen Volksſchule unterrichtet<lb/> worden ſei, <hi rendition="#g">beurlaubt</hi> hat, iſt dieſe Dienſtzeit ſelbſt danu<lb/> gerechnet worden, wenn der Urlaub über diejenige Zeitdauer<lb/> hinaus ging, für welche nach der von dem Unterrichtsminiſter<lb/> ertheilten Ermächtigung die Provinzialbehörden Urlaub er-<lb/> theilen dürfen. Ferner iſt denjenigen Lehrperſonen, welche<lb/> von einer Schulaufſichtsbehörde mit der Wahrnehmung einer<lb/> Stelle an einer Privatſchule <hi rendition="#g">beauftragt</hi> waren und ſich<lb/> über den privaten Charakter der Schule im Irrthum befinden<lb/> konnten oder welchen von der vorgeſetzten Behörde, wenn<lb/> auch unzuläſſiger Weiſe, Verſprechungen über die Anrechnung<lb/> der privaten Dienſtzeit gemacht ſeien, durch Gewährung <hi rendition="#g">per-<lb/> ſönlicher Zulagen</hi> nach Maßgabe der vorhandenen Mittel<lb/> eine angemeſſene Enſchädigung für die nicht zuläſſige Anrech-<lb/> nung ſolcher Dienſtzeit gewährt. In gleicher Weiſe will auch<lb/> die Kultusverwaltung in ſolchen Fällen hinſichtlich der <hi rendition="#g">vor</hi><lb/> Inkraftreten des Geſetzes liegenden <hi rendition="#g">Dienſtzeit</hi> verfahren.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head>Sachſen: Korpsbefehl des Prinzen Georg.</head><lb/> <dateline>* <hi rendition="#b">Dresden,</hi> 31. März.</dateline> <p>Prinz <hi rendition="#g">Georg von Sachſen</hi><lb/> erließ anläßlich der Niederlegung des Oberbefehls über das<lb/><hi rendition="#aq">XII.</hi> Armeekorps folgenden <hi rendition="#g">Korpsbefehl:</hi><lb/><cit><quote>„Im Begriffe, das Kommando des <hi rendition="#aq">XII.</hi> Armeekorps ab-<lb/> zugeben, drängt es mich, dem Armeekorps ein herzliches<lb/> Wort des Abſchieds zuzurufen. Es ſind nun über 26 Jahre<lb/> her, daß ich das Kommando des Armeekorps führe, und<lb/> vorher hatte ich die Ehre, es während des größten Theiles<lb/> der ruhmreichen Kriegsjahre 1870/71 vor dem Feinde zu<lb/> führen. Immerhin haben ſich die Truppen des Armeekorps,<lb/> wie ſie tapfer und ausdauernd im Kriege waren, ſo auch im<lb/> Frieden durch Diſciplin, Pflichttreue und Eifer, es in der<lb/> Ausbildung allen dentſchen Armeekorps gleichzuthun, aus-<lb/> gezeichnet. Es war <hi rendition="#g">mein Stolz und meine Freude,</hi><lb/> mich Führer des <hi rendition="#aq">XII.</hi> Armeekorps nennen zu können. <hi rendition="#g">Mit<lb/><cb/> Schmerzen</hi> ſcheide ich aus dieſem ſchönen Verhältniß.<lb/> Möge, das iſt mein herzlichſter Wunſch beim Abſchied, der<lb/> bisherige ſchöne Geiſt im Armeekorps erhalten bleiben zur<lb/> Freude unſres Königs und Kriegsherrn und zum Wohl des<lb/> Vaterlandes. Das walte Gott!</quote><bibl>gez. Georg, H. z. S.,<lb/> Generalfeldmarſchall.“</bibl></cit></p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head>Sachſen: Unfall- und Krankenverſicherung. — Kohlenwucher.</head><lb/> <dateline><hi rendition="#aq">H.</hi><hi rendition="#b">Dresden,</hi> 1. April.</dateline> <p>Der den Kammern zugegangene<lb/> Entwurf eines Geſetzes betreffend die Regelung der <hi rendition="#g">Unfall-<lb/> und Krankenverſicherung</hi> der in <hi rendition="#g">land- und forſt-<lb/> wirthſchaftlichen Betrieben</hi> beſchäftigten Perſonen,<lb/> ſowie der Krankenverſicherungspflicht der <hi rendition="#g">häuslichen Dienſt-<lb/> boten</hi> iſt mit Rückſicht auf die in Ausſicht genommene reichs-<lb/> geſetzliche Regelung dieſer Frage zurückgezogen worden. —<lb/> Der <hi rendition="#g">Stadtrath von Zwickau</hi> hat folgenden Beſchluß ge-<lb/> faßt: <cit><quote>„Der Rath begrüßt das Ende des <hi rendition="#g">Kohlenarbeiter-<lb/> ſtrikes,</hi> konſtatirt aber mit Bedauern, daß derſelbe einen<lb/><hi rendition="#g">Kohlenwucher</hi> herbeiführte, indem nach den an die<lb/> Zwickauer Kohleuhändler von den Großhändlern des nord-<lb/> weſtböhmiſchen Kohlenreviers ergangenen neuen Preisliſten<lb/><hi rendition="#g">die Kohlenpreiſe per Waggon um 20 bis 28 Kronen</hi><lb/> gegen den Preis vor dem Strike erhöht wurden. Dadurch<lb/> findet eine <hi rendition="#g">Ausbeutung</hi> aller Klaſſen der Bevölkerung ſtatt.<lb/> Dieſe Preiserhöhung iſt auch dann, wenn die Arbeiter die in<lb/> Ausſicht geſtellte Lohnerhöhung erhalten ſollten, nicht gerecht-<lb/> fertigt. Im allgemeinen Intereſſe hält ſich der Stadtrath von<lb/> Zwickau für verpflichtet, gegen dieſen Kohlenwucher zu prote-<lb/> ſtiren, und erſucht die <hi rendition="#g">Regierung,</hi> in dieſer Frage zum<lb/> Schutze der Bevölkerung die erforderlichen Schritte einzu-<lb/> leiten.“</quote></cit></p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head>Baden: Bismarck-Feier.</head><lb/> <dateline>* <hi rendition="#b">Mannheim,</hi> 31. März.</dateline> <p>Heute fand unter großer<lb/> Betheiligung die Enthüllung des <hi rendition="#g">Bismarck-Denkmals</hi><lb/> ſtatt. Das vor dem Denkmal errichtete Fürſtenzelt blieb ge-<lb/> ſchloſſen, da ſowohl der Großherzog als auch Prinz Karl<lb/> von Baden wegen Unwohlſeins abgeſagt hatten. Die badiſche<lb/> Regierung war vertreten durch den Miniſter des Aeußern,<lb/> v. <hi rendition="#g">Brauer,</hi> die preußiſche durch den Attaché bei der Pariſer<lb/> Botſchaft, v. <hi rendition="#g">Miquel,</hi> der an Stelle des beurlaubten Ge-<lb/> ſandten in Karlsruhe, v. Eiſendecher, erſchienen war. An<lb/> dem Feſtzug betheiligten ſich zahlreiche Mannheimer Vereine;<lb/> der Feſtplatz und die Straßen waren reich geſchmückt. Die<lb/> Weiherede wurde von dem Vorſitzenden des Denkmals-<lb/> ausſchuſſes, <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Adolf <hi rendition="#g">Clemm,</hi> gehalten. Bürgermeiſter<lb/><hi rendition="#g">Martin</hi> übernahm in Vertretung des erkrankten Ober-<lb/> bürgermeiſters Beck das Denkmal in das Eigenthum der<lb/> Stadt. Geſchaffen iſt das Denkmal von Prof. <hi rendition="#g">Hundrieſer</hi><lb/> in Charlottenburg. Die Koloſſalſigur des Fürſten iſt 3.10 <hi rendition="#aq">m</hi><lb/> hoch; vor ihm liegt ein Germane, die deutſche Wehrkraft dar-<lb/> ſtellend.</p> </div> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Oeſterreich-Ungarn.</hi> </head><lb/> <div type="jComment" n="3"> <head>Die Verlobung des Prinzen Maximilian von Baden.</head><lb/> <dateline>.F. <hi rendition="#b">Wien,</hi> 1. April.</dateline> <p>Prinz <hi rendition="#g">Maximilian von<lb/> Baden,</hi> der künftige Thronfolger, iſt in ſeine Heimath<lb/> zurückgekehrt, nachdem ſeine Verlobung mit der Prin-<lb/> zeſſin <hi rendition="#g">Marie Louiſe von Cumberland</hi> in aller<lb/> Form gefeiert worden war. Die Feſtlichkeiten erhielten<lb/> ihren Abſchluß durch das Diner, zu welchem der deutſche<lb/> Botſchaſter Fürſt zu <hi rendition="#g">Eulenburg</hi> am letzten Tag der<lb/> Anweſenheit des Prinzen das Brautpaar und einige andere<lb/> Gäſte, unter ihnen ſelbſtverſtändlich auch die Eltern der<lb/> Braut, den Herzog und die Herzogin von <hi rendition="#g">Cumberland</hi>,<lb/> lud. Es iſt nicht das erſte Mal, daß die herzogliche<lb/> Familie von Cumberland in der deutſchen Votſchaft zu<lb/> Wien zu Gaſte war; ſeit längerer Zeit beſtehen die anfangs<lb/> vielbemerkten geſellſchaftlichen Beziehungen, denen von<lb/> vornherein auch eine gewiſſe politiſche Wichtigkeit beige-<lb/> meſſen wurde.</p><lb/> <p>Uebrigens nahmen die Erörterungen in der Preſſe<lb/> über die politiſche Bedeutung der Verbindung der Häuſer<lb/> Zähringen und Cumberland einen größeren Raum ein,<lb/> als den Umſtänden entſpricht. Man ſtellte tiefſinnige<lb/> Betrachtungen darüber an, ob die Verlobung in Wien<lb/> ein Anzeichen ſei für ſteigende <hi rendition="#g">Ausſichten des Welfen-<lb/> hauſes auf den Beſitz Braunſchweigs</hi> oder nicht.<lb/> Wer ſo zu urtheilen oder zu ſchließen verſucht, macht ſich,<lb/> wie wenigſtens berufene Kreiſe verſichern, einer Ver-<lb/><cb/> miſchung zweier ganz verſchiedener Verhältniſſe ſchuldig.<lb/> Es iſt ſelbſtverſtändlich, daß die Verlobung des künftigen<lb/> Thronfolgers von Baden mit der Prinzeſſin von Cumber-<lb/> land vor ihrem Vollzug auch an maßgebender Stelle zu<lb/> Berlin erwogen und beſprochen wurde; aber die Zuſtim-<lb/> mung zu der Verbindung war <hi rendition="#g">nicht</hi> abhängig von den<lb/> Entſchlüſſen bezüglich der Zukunft Braunſchweigs, Ueber<lb/> die Schickſale dieſes Landes wurde bei dieſem Anlaß nicht<lb/> entſchieden; die Familienangelegenheit und die politiſche Frage<lb/> wurden ſorgfältig auseinandergehalten. Man vergeſſe nicht,<lb/> daß es unbillig wäre, den Häuſern Cumberland und Naſſau<lb/> das Konnubium mit den deutſchen fürſtlichen Familien zu<lb/> verwehren; es wäre ſogar unklug, jene ehemals in Deutſch-<lb/> land ſouveränen Häuſer, die ihren deutſchen Charakter<lb/> doch nicht eingebüßt haben, ausſchließlich auf eheliche Ver-<lb/> bindungen mit dem Auslande zu verweiſen. Es beſteht<lb/> auch ein zu ſtarkes Gefühl der Zuſammengehörigkeit unter<lb/> den Familien des deutſchen höchſten Adels, als daß ſich<lb/> ſolche Ausſchließung auf die Dauer durchführen ließe.<lb/> Unter den ehemals regierenden Familien Europa’s ſind<lb/> nur die Bonapartes nach dem Sturze Napoleons <hi rendition="#aq">III.</hi> von<lb/> der Verbindung mit anderen fürſtlichen Häuſern aus-<lb/> geſchloſſen geblieben, und auch dies mehr wegen der per-<lb/> ſönlichen Eigenſchaften ihrer Mitglieder, denn aus prin-<lb/> zipiellen Gründen. Das Welfenhaus, das in einem ſeiner<lb/> Zweige in England regiert, befindet ſich doch in einer<lb/> ganz verſchiedenen Lage.</p><lb/> <p>Die liebenswürdige Prinzeſſin, die beſtimmt ſein dürfte,<lb/> dereinſt an Seite ihres Gemahls als Herrſcherin über dem<lb/> ſchönen badiſchen Lande zu walten, bietet durch alle ihre An-<lb/> lagen die Bürgſchaft für die volle Erfüllung der ihrer harren-<lb/> den Pflichten. Der zu Wien geſchloſſene Herzensbund hat<lb/> ſonach mit der Politik nur in <hi rendition="#g">negativer</hi> Hinſicht etwas<lb/> zu ſchaffen; die letztere trat ihm nicht ſtörend entgegen,<lb/> ſondern ließ das Brautpaar und die der Verbindung ge-<lb/> neigten Verwandten desſelben einfach gewähren. Die<lb/> Entſcheidung über die Zukunft Braunſchweigs wird ſich<lb/> ausſchließlich danach richten, was zum Wohl des Reichs<lb/> wie des Landes für erſprießlich gehalten werden wird;<lb/> dynaſtiſche Rückſichten werden darauf keinen Einfluß<lb/> nehmen dürfen.</p> </div><lb/> <div xml:id="a3a" next="#a3b" type="jComment" n="3"> <head>Parteibildungen.</head><lb/> <p>* An politiſchen Parteien iſt in Oeſterreich bekanntlich<lb/> kein Mangel, im Reichsrath gibt es deren etwa 18, in den<lb/> Landtagen fehlt natürlich jeweils ein großer Theil derſelben,<lb/> zumal der ſpeziſiſch nationalen Parteien, dafür tragen manche<lb/> Landtagsparteien eine etwas andere Farbe, als die ihnen ent-<lb/> ſprechenden Reichsrathsparteien, oder ſind wieder in beſondere<lb/> Gruppen geſpalten; überdies gibt es verſchiedene Parteien,<lb/> die keine oder wenigſtens keine nennenswerthe parlamentariſche<lb/> Vertretung haben. Am weiteſten iſt die Zerklüftung ſeit langen<lb/> Jahren unter den Deutſchen gediehen, neuerdings ſieht es<lb/> aber auch im tſchechiſchen Lager recht bunt aus. Man hat<lb/> da tſchechiſche Großgrundbeſitzer, Alttſchechen, Jungtſchechen<lb/> (Freiſinuige Nationalpartei), Radikal-Nationale, tſchechiſch-<lb/> nationale Arbeiterpartei, tſchechiſche Sozialdemokraten, Agrarier-<lb/> partei u. ſ. w. Jetzt eben hat ſich nun eine neue Partei<lb/> organiſirt, die ſich „<hi rendition="#g">tſchechiſche Volkspartei</hi>“ nennt und<lb/> aus den bisher ſogenannten Realiſten gebildet wird. Die<lb/> konſtituirende Verſammlung tagte die letzten zwei Tage in<lb/><hi rendition="#g">Prag</hi> und war von etwa 300 Theilnehmern aus<lb/> verſchiedenen Städten Böhmens und auch Mährens,<lb/> beſonders Brünn, beſucht. Hauptwortführer war der<lb/> bekannte Prager Profeſſor <hi rendition="#g">Maſaryk</hi>. Die leitenden<lb/> Grundſätze der neuen Partei klingen ganz vernünftig, rela-<lb/> tiv auch hinſichtlich des <hi rendition="#g">böhmiſchen Staatsrechts</hi>.<lb/><cit><quote>„Wir legen das Hauptgewicht — ſagte <hi rendition="#g">Maſaryk</hi> als Refereut —<lb/> auf das natürliche Recht, mit welchem wir das hiſtoriſche<lb/> Recht beleben. Wir verwerfen nicht das hiſtoriſche Recht,<lb/> ſondern wir <hi rendition="#g">verwerfen die ſtaatsrechtlichen Utopien</hi>.<lb/> Dieſe werden in zweifacher Beziehung gehegt, und zwar von<lb/> den tſchechiſchen Radikalen in Bezug auf die Zukunft, indem ſie<lb/> dem Volke einen Palaſt des Wohlſtandes verſprechen, und von<lb/> den Jung- und Alttſchechen in Bezug auf die Vergangenheit,<lb/> indem ſie dem Volke einreden, daß die Kontinuität des Staats-<lb/> rechts nicht geſtört worden ſei, was jedoch ſeitens der tſchechi-<lb/> ſchen Führer wiederholt geſchehen iſt, indem dieſe als legitime<lb/> Repräſentanten die Kontinuität nicht vertreten haben.“</quote></cit> Ein</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> </div> </div> </div> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div xml:id="a2b" prev="#a2a" type="jComment" n="2"> <p>nun wieder die Helden „unſres Gerhart“ abſtammen,<lb/> deſſen „Weber“ beſonders unſittlich ſind, weil ſie nach<lb/> Agitatorenmanier nur zur Empörung aufreizen, ſtatt den<lb/> Klaſſengegenſatz im Licht einer höheren Weltanſchauung<lb/> dichteriſch auszugleichen.</p><lb/> <p>Jene Willensunfähigkeit iſt in der That charakteriſtiſch<lb/> für die neue Richtung in der Literatur, welche in den<lb/> breiteren Schichten des Volkes glücklicherweiſe nur wenig<lb/> Anklang findet, obwohl die unerhörte Reklame der Herren<lb/> darüber leicht täuſchen kann. Ich wurde an dieſe That-<lb/> ſache neulich recht lebhaft bei der Aufführung des neu-<lb/> einſtudirten Sudermann’ſchen „Johannes“ im Deutſchen<lb/> Theater erinnert, wo Frl. Hedwig Lange aus München<lb/> in der Rolle der Salome übrigens vielen Beifall erntete.<lb/> Genau ſo wie der Schmied in Max Halbe’s ſchon ver-<lb/> geſſenem „Tauſendjährigem Reich“ iſt Johannes ein gleich<lb/> bei ſeinem erſten Auftreten ſertiger Charakter, ein paſſiver<lb/> Uebermenſch, durch und durch ungermaniſch, denn das<lb/> germaniſche Drama unterſcheidet ſich von der franzöſiſchen<lb/> und altgriechiſchen Tragödie zu ſeinem Vortheil gerade<lb/> durch die Ungebundenheit, Willens- und Thatkraft ſeines<lb/> Helden. Aber um ſolche Charaktere ſchaffen zu können,<lb/> muß der Dichter ungewöhnliche Geſtaltungskraft beſitzen,<lb/> wie er, um ſeinem Volk Ideale geben zu können, erſt<lb/> ſelbſt darüber verfügen muß. Es iſt recht bezeichnend für<lb/> die Verzärtelung, um nicht zu ſagen Entartung dieſes<lb/> Geſchmacks, daß ein hieſiger angeſehener Theaterkritiker<lb/> anläßlich einer Neueinſtudirung des „Macbeth“ im Schiller-<lb/> Theater allen Ernſtes behaupten konnte, dieſer „allgemach<lb/> im Blut watende Gewaltmenſch Macbeth“ ſei „außerhalb<lb/> unſres Verſtändniſſes geblieben.“ Warum —? weil dieſe<lb/> herrlichſte Figur Shakeſpeare’s viel Blut vergießt —?<lb/> ſchwerlich, denn an ſolchen Blutmenſchen fehlt’s doch noch<lb/> heute nicht und der Blutſtrom, in dem ein Chamberlain<lb/> watet, iſt ungleich tiefer. Nein, weil dieſe Figur im<lb/> Gegenſatz zu unſern modernen waſchlappigen Bühnen-<lb/> helden einen ſtarken Willen beſitzt. Und das können unſre<lb/> kranken Nerven nicht mehr ertragen. Und doch fehlt es<lb/> auch in unſrer Zeit nicht an Thatkraft und Ausdauer,<lb/> auf dem Gebiet der Wiſſenſchaft beiſpielsweiſe. Aber<lb/> freilich, mit der haben viele unſrer Modernen, im Gegen-<lb/> ſatz zu einem Goethe, ſo wenig Fühlung wie mit dem<lb/><cb/> Leben. Die blicken nur in ſich hinein, um ihre kleinen<lb/> Leidenſchaften in lächerlichſter Selbſtüberſchätzung nach<lb/> Art des Froſches in der Fabel aufzublähen und ihnen<lb/> eine welterſchütternde Bedeutung beizumeſſen. Das thut<lb/> übrigens auch Ibſen, der nun, nach den Helden ſeiner<lb/> Stücke in „Wenn wir Todten erwachen“, das im „Deut-<lb/> ſchen Theater“ einen ſo geringen Erfolg hatte, ſelbſt eine<lb/> Generalbeichte abgelegt hat.</p><lb/> <p>Macbeth fand, um auf ihn zurückzukommen, im<lb/> „Schillertheater“ in der That nur eine kühle Aufnahme.<lb/> Aber warum —? weil die Leute von Liliput, welche heute<lb/> das Schickſal unſrer meiſten Bühnen leiten, an den eng-<lb/> liſchen Gulliver ihren Däumlingsmaßſtab anlegen wollen.<lb/> Wie ein geſchwollener Gebirgsbach über Felſen, ſo ſtürmt<lb/> bei Shakeſpeare die Handlung vorwärts, ohne ſich um<lb/> die Hinderniſſe von Ort und Zeit zu kümmern. Die<lb/> Bühneneinrichtung war damals ſo primitiv, daß ein Orts-<lb/> wechſel nicht die geringſten ſceniſchen Schwierigkeiten<lb/> machte, nicht den geringſten Zeitverluſt erforderte. Heute<lb/> iſt das anders geworden, und ſtatt nun das Unwichtige,<lb/> die Scenerie, dem Wichtigen, der Handlung, zu opfern,<lb/> verfährt man juſt umgekehrt, indem man, weit ſhake-<lb/> ſpeariſcher als Shakeſpeare ſelbſt, der Orts- und Zeitfarbe<lb/> eine übertriebene Bedeutung beilegt. Jede der zahlreichen<lb/> Verwandlungen erfordert endloſe Pauſen, die jede Span-<lb/> nung, jede Illuſion zerſtören müſſen. Und dann wundern<lb/> ſich unſre Däumlinge, daß ein ſo verhunzter Shakeſpeare<lb/> keinen mächtigeren Eindruck macht als die Detailmalerei<lb/> ihrer Sächelchen. Ein Meiſter in dieſer Detailmalerei iſt<lb/> übrigens der italieniſche Darſteller Novelli, der im Leſſing-<lb/> Theater mit ſeiner ungewöhnlich gut eingeſpielten Truppe<lb/> in einer ganzen Reihe von Stücken auftrat, mit denen er<lb/> ſchon in Paris ſtarken Beifall erntete. Wie die dramati-<lb/> ſchen Dichter, ſo ihre Darſteller! Man kann dieſen keinen<lb/> Vorwurf daraus machen, daß ſie ſich derart in die Einzel-<lb/> heiten verlieren, daß darunter nur zu oft die Klarheit<lb/> der Umtrißlinien verloren geht.</p><lb/> <p>Unter dieſem Fehler leidet bekanntlich auch die<lb/> moderne Malerei. Um ſo erfreulicher ſind künſtleriſche<lb/> Individualitäten, die ihre eigenen Wege gehen und, der<lb/> Suggeſtion der Mode widerſtehend, durch eine organiſche<lb/> Fortentwicklung zur Freilichtmalerei gelangten, welche,<lb/><cb/> bei anderen minder eigenartigen Künſtlernaturen nur das<lb/> Ergebniß der Nachahnung, der Anempfindung einer ſich<lb/> nicht aus innerer Nothwendigkeit vollziehenden Wandlung<lb/> iſt. Ich denke da in erſter Linie an die Ausſtellungen<lb/> des Karlsruher Meiſters Guſtav Schönleber und Hubert<lb/> v. Herkomers im Salon Schulte. Schönleber, deſſen „Eng-<lb/> wehr“ von den ausgeſtellten Bildern das Weſen ſeiner<lb/> Kunſt wohl am reinſten ſpiegelt, bildet ſich nicht ein, über<lb/> der Tradition zu ſtehen. Er hat ſie fortentwickelt und<lb/> ihre Empfindung für Luft und Licht gewiſſermaßen von<lb/> Bild zu Bild verklärt, dadurch die Mängel, die Gewaltſam-<lb/> keiten der franzöſiſchen Impreſſioniſten vermeidend.</p><lb/> <p>Einen hohen und ganz ungetrübten künſtleriſchen<lb/> Genuß bot die Ausſtellung des großen engliſchen Meiſters,<lb/> die für Berlin geradezu ein künſtleriſches Ereigniß be-<lb/> deutet. In ſeiner Vielſeitigkeit erinnert Herkomer, der im<lb/> Oelbild, ein Aquarell, in der Radirung, ſogar im Email<lb/> eine gleiche Meiſterſchaft bekundet, an die großen Vor-<lb/> bilder der Renaiſſance. Vor der „Dame in Weiß“ weilen<lb/> wohl die meiſten Beſucher lange Zeit in ſtiller Bewunde-<lb/> rung. Das iſt klaſſiſch und modern zu gleicher Zeit. Die<lb/> ſchwierige Aufgabe eines Gemäldes ganz in Weiß iſt mit<lb/> einer derartigen Beherrſchung der Technik gelöst, daß<lb/> man keinen Augenblick, wie es bei Virtuoſenkunſtſtücken<lb/> der Fall iſt, von dem geiſtigen Inhalt des Kunſtwerks<lb/> abgelenkt wird. Klaſſiſch wirkt die vornehme Natürlich-<lb/> keit der Frauenerſcheinung, ihre ſchlichte Haltung, die Be-<lb/> tonung des Weſentlichen und Charakteriſtiſchen, modern<lb/> die Ausführung des Bildes in allen Theilen. In „Ein<lb/> Hurrah der Königin“ hat Herkomer die Entdecker (?) der<lb/> Freilichtmalerei ſchon vor einem Vierteljahrhundert vor-<lb/> geahnt. Und wie wunderbar ſchön iſt das „Unſer Dorf“<lb/> betitelte Gemälde, das einen traulichen Dorfplatz mit<lb/> majeſtätiſchen Bäumen darſtellt. Die darüberliegende Abend-<lb/> ſtimmung verleiht der aus dem Bilde deutlich ſprechenden<lb/> Liebe des Meiſters für ſeine Heimath einen noch innigeren<lb/> und weihevolleren Ausdruck. Wie einfach iſt die Haltung<lb/> und das Geberdenſpiel der Menſchengruppen und wie<lb/> kunſtvoll doch die Kompoſition!</p><lb/> <byline><hi rendition="#g">Eugen v. Jagow</hi>.</byline><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [2/0002]
München, Dienſtag Allgemeine Zeitung 3. April 1900. Nr. 91.
ſeien, bei der Friſtanſetzung für die Beibringung der er-
forderlichen Ausweiſe oder eventuell bei der Vollziehung der
Ausweiſung von jeder ungerechtfertigten Härte Umgang zu
nehmen.
Eine Verſtändigung kam denn auch auf dieſer Baſis
zuſtande und wir haben ſeither von in Preußen nieder-
gelaſſenen Schweizern keine Beſchwerden mehr erhalten.“
Kleine Nachrichten.
* Im wiſſenſchaftlichen Verein in M.-Gladbach hielt
Profeſſor Oncken aus Gießen einen Vortrag über Bismarck
und Lothar Bucher, wobei er beſtimmt erklärte, daß ein
dritter Band der Bismarck’ſchen Gedanken und
Erinnerungen exiſtire und von Bismarcks Entlaſſung
handle. Die heutige Generation würde jedoch ſein Erſcheinen
nicht mehr erleben. — Die „Köln. Volkszeitung“ ſchreibt zur
Flottendeckungsfrage, ſie zweifle nun nicht mehr, daß
dieſe Frage befriedigenderweiſe gelöst werden
würde, weil auch die Regierung von dem Ernſt der Lage
überzeugt ſei. Von den bisherigen Vorſchlägen ſeien die Ein-
führung eines Konnoſſementſtempels, die Verdoppelung des
Lotterieſtempels, die wirkſamere Ausgeſtaltung des Börſen-
ſtempels, die Steuer auf Saccharin, die Erhöhung der Zoll-
ſätze auf gewiſſe Luxusſachen ganz unbedenklich. — Im
preußiſchen Lehrerbeſoldungsgeſetz wird den Lehr-
kräften, die vor ihrem Eintritt in den öffentlichen Volksſchul-
dienſt an Privatſchulen thätig geweſen ſind, dieſe Zeit bei
Bemeſſung der Alterszulagen voll in Anrechnung gebracht,
wenn in den betreffenden Privatſchulen nach dem Lehrplan
einer öffentlichen Volksſchule unterrichtet wird. Bei der Durch-
führung dieſer Beſtimmung haben ſich nicht geringe Schwierig-
keiten herausgeſtellt, da ſehr viele Privatſchulen über die Auf-
gaben des Volksſchulunterrichts hinausgehende
Ziele verfolgen. In dieſem Falle ſind nur Ausnahmen ge-
macht worden, wo im konfeſſionellen Intereſſe in der
Diaſpora zum Erſatz konfeſſioneller Volksſchulen Privat-
ſchulen mit dem Lehrplan der öffentlichen Elementarſchulen
eingerichtet worden ſind, nicht aber, wo lediglich beſondere
Intereſſen einzelner Orte und Bevölkerungskreiſe vorlagen.
Im übrigen hat die Unterrichtsverwaltung, wie ſie ver-
ſichert, die einzelnen an ſie herangetretenen „Grenzfälle“ nach
jeder Richtung hin ſo wohlwollend geprüſt, als dies den
bindenden Vorſchriften des Geſetzes gegenüber zuläſſig iſt.
Denjenigen Lehrperſonen, welche in früherer Zeit eine Schul-
aufſichtsbehörde zum Dienſt an Privatſchulen, in denen nicht
nach dem Lehrplan einer öffentlichen Volksſchule unterrichtet
worden ſei, beurlaubt hat, iſt dieſe Dienſtzeit ſelbſt danu
gerechnet worden, wenn der Urlaub über diejenige Zeitdauer
hinaus ging, für welche nach der von dem Unterrichtsminiſter
ertheilten Ermächtigung die Provinzialbehörden Urlaub er-
theilen dürfen. Ferner iſt denjenigen Lehrperſonen, welche
von einer Schulaufſichtsbehörde mit der Wahrnehmung einer
Stelle an einer Privatſchule beauftragt waren und ſich
über den privaten Charakter der Schule im Irrthum befinden
konnten oder welchen von der vorgeſetzten Behörde, wenn
auch unzuläſſiger Weiſe, Verſprechungen über die Anrechnung
der privaten Dienſtzeit gemacht ſeien, durch Gewährung per-
ſönlicher Zulagen nach Maßgabe der vorhandenen Mittel
eine angemeſſene Enſchädigung für die nicht zuläſſige Anrech-
nung ſolcher Dienſtzeit gewährt. In gleicher Weiſe will auch
die Kultusverwaltung in ſolchen Fällen hinſichtlich der vor
Inkraftreten des Geſetzes liegenden Dienſtzeit verfahren.
Sachſen: Korpsbefehl des Prinzen Georg.
* Dresden, 31. März. Prinz Georg von Sachſen
erließ anläßlich der Niederlegung des Oberbefehls über das
XII. Armeekorps folgenden Korpsbefehl:
„Im Begriffe, das Kommando des XII. Armeekorps ab-
zugeben, drängt es mich, dem Armeekorps ein herzliches
Wort des Abſchieds zuzurufen. Es ſind nun über 26 Jahre
her, daß ich das Kommando des Armeekorps führe, und
vorher hatte ich die Ehre, es während des größten Theiles
der ruhmreichen Kriegsjahre 1870/71 vor dem Feinde zu
führen. Immerhin haben ſich die Truppen des Armeekorps,
wie ſie tapfer und ausdauernd im Kriege waren, ſo auch im
Frieden durch Diſciplin, Pflichttreue und Eifer, es in der
Ausbildung allen dentſchen Armeekorps gleichzuthun, aus-
gezeichnet. Es war mein Stolz und meine Freude,
mich Führer des XII. Armeekorps nennen zu können. Mit
Schmerzen ſcheide ich aus dieſem ſchönen Verhältniß.
Möge, das iſt mein herzlichſter Wunſch beim Abſchied, der
bisherige ſchöne Geiſt im Armeekorps erhalten bleiben zur
Freude unſres Königs und Kriegsherrn und zum Wohl des
Vaterlandes. Das walte Gott! gez. Georg, H. z. S.,
Generalfeldmarſchall.“
Sachſen: Unfall- und Krankenverſicherung. — Kohlenwucher.
H. Dresden, 1. April. Der den Kammern zugegangene
Entwurf eines Geſetzes betreffend die Regelung der Unfall-
und Krankenverſicherung der in land- und forſt-
wirthſchaftlichen Betrieben beſchäftigten Perſonen,
ſowie der Krankenverſicherungspflicht der häuslichen Dienſt-
boten iſt mit Rückſicht auf die in Ausſicht genommene reichs-
geſetzliche Regelung dieſer Frage zurückgezogen worden. —
Der Stadtrath von Zwickau hat folgenden Beſchluß ge-
faßt: „Der Rath begrüßt das Ende des Kohlenarbeiter-
ſtrikes, konſtatirt aber mit Bedauern, daß derſelbe einen
Kohlenwucher herbeiführte, indem nach den an die
Zwickauer Kohleuhändler von den Großhändlern des nord-
weſtböhmiſchen Kohlenreviers ergangenen neuen Preisliſten
die Kohlenpreiſe per Waggon um 20 bis 28 Kronen
gegen den Preis vor dem Strike erhöht wurden. Dadurch
findet eine Ausbeutung aller Klaſſen der Bevölkerung ſtatt.
Dieſe Preiserhöhung iſt auch dann, wenn die Arbeiter die in
Ausſicht geſtellte Lohnerhöhung erhalten ſollten, nicht gerecht-
fertigt. Im allgemeinen Intereſſe hält ſich der Stadtrath von
Zwickau für verpflichtet, gegen dieſen Kohlenwucher zu prote-
ſtiren, und erſucht die Regierung, in dieſer Frage zum
Schutze der Bevölkerung die erforderlichen Schritte einzu-
leiten.“
Baden: Bismarck-Feier.
* Mannheim, 31. März. Heute fand unter großer
Betheiligung die Enthüllung des Bismarck-Denkmals
ſtatt. Das vor dem Denkmal errichtete Fürſtenzelt blieb ge-
ſchloſſen, da ſowohl der Großherzog als auch Prinz Karl
von Baden wegen Unwohlſeins abgeſagt hatten. Die badiſche
Regierung war vertreten durch den Miniſter des Aeußern,
v. Brauer, die preußiſche durch den Attaché bei der Pariſer
Botſchaft, v. Miquel, der an Stelle des beurlaubten Ge-
ſandten in Karlsruhe, v. Eiſendecher, erſchienen war. An
dem Feſtzug betheiligten ſich zahlreiche Mannheimer Vereine;
der Feſtplatz und die Straßen waren reich geſchmückt. Die
Weiherede wurde von dem Vorſitzenden des Denkmals-
ausſchuſſes, Dr. Adolf Clemm, gehalten. Bürgermeiſter
Martin übernahm in Vertretung des erkrankten Ober-
bürgermeiſters Beck das Denkmal in das Eigenthum der
Stadt. Geſchaffen iſt das Denkmal von Prof. Hundrieſer
in Charlottenburg. Die Koloſſalſigur des Fürſten iſt 3.10 m
hoch; vor ihm liegt ein Germane, die deutſche Wehrkraft dar-
ſtellend.
Oeſterreich-Ungarn.
Die Verlobung des Prinzen Maximilian von Baden.
.F. Wien, 1. April. Prinz Maximilian von
Baden, der künftige Thronfolger, iſt in ſeine Heimath
zurückgekehrt, nachdem ſeine Verlobung mit der Prin-
zeſſin Marie Louiſe von Cumberland in aller
Form gefeiert worden war. Die Feſtlichkeiten erhielten
ihren Abſchluß durch das Diner, zu welchem der deutſche
Botſchaſter Fürſt zu Eulenburg am letzten Tag der
Anweſenheit des Prinzen das Brautpaar und einige andere
Gäſte, unter ihnen ſelbſtverſtändlich auch die Eltern der
Braut, den Herzog und die Herzogin von Cumberland,
lud. Es iſt nicht das erſte Mal, daß die herzogliche
Familie von Cumberland in der deutſchen Votſchaft zu
Wien zu Gaſte war; ſeit längerer Zeit beſtehen die anfangs
vielbemerkten geſellſchaftlichen Beziehungen, denen von
vornherein auch eine gewiſſe politiſche Wichtigkeit beige-
meſſen wurde.
Uebrigens nahmen die Erörterungen in der Preſſe
über die politiſche Bedeutung der Verbindung der Häuſer
Zähringen und Cumberland einen größeren Raum ein,
als den Umſtänden entſpricht. Man ſtellte tiefſinnige
Betrachtungen darüber an, ob die Verlobung in Wien
ein Anzeichen ſei für ſteigende Ausſichten des Welfen-
hauſes auf den Beſitz Braunſchweigs oder nicht.
Wer ſo zu urtheilen oder zu ſchließen verſucht, macht ſich,
wie wenigſtens berufene Kreiſe verſichern, einer Ver-
miſchung zweier ganz verſchiedener Verhältniſſe ſchuldig.
Es iſt ſelbſtverſtändlich, daß die Verlobung des künftigen
Thronfolgers von Baden mit der Prinzeſſin von Cumber-
land vor ihrem Vollzug auch an maßgebender Stelle zu
Berlin erwogen und beſprochen wurde; aber die Zuſtim-
mung zu der Verbindung war nicht abhängig von den
Entſchlüſſen bezüglich der Zukunft Braunſchweigs, Ueber
die Schickſale dieſes Landes wurde bei dieſem Anlaß nicht
entſchieden; die Familienangelegenheit und die politiſche Frage
wurden ſorgfältig auseinandergehalten. Man vergeſſe nicht,
daß es unbillig wäre, den Häuſern Cumberland und Naſſau
das Konnubium mit den deutſchen fürſtlichen Familien zu
verwehren; es wäre ſogar unklug, jene ehemals in Deutſch-
land ſouveränen Häuſer, die ihren deutſchen Charakter
doch nicht eingebüßt haben, ausſchließlich auf eheliche Ver-
bindungen mit dem Auslande zu verweiſen. Es beſteht
auch ein zu ſtarkes Gefühl der Zuſammengehörigkeit unter
den Familien des deutſchen höchſten Adels, als daß ſich
ſolche Ausſchließung auf die Dauer durchführen ließe.
Unter den ehemals regierenden Familien Europa’s ſind
nur die Bonapartes nach dem Sturze Napoleons III. von
der Verbindung mit anderen fürſtlichen Häuſern aus-
geſchloſſen geblieben, und auch dies mehr wegen der per-
ſönlichen Eigenſchaften ihrer Mitglieder, denn aus prin-
zipiellen Gründen. Das Welfenhaus, das in einem ſeiner
Zweige in England regiert, befindet ſich doch in einer
ganz verſchiedenen Lage.
Die liebenswürdige Prinzeſſin, die beſtimmt ſein dürfte,
dereinſt an Seite ihres Gemahls als Herrſcherin über dem
ſchönen badiſchen Lande zu walten, bietet durch alle ihre An-
lagen die Bürgſchaft für die volle Erfüllung der ihrer harren-
den Pflichten. Der zu Wien geſchloſſene Herzensbund hat
ſonach mit der Politik nur in negativer Hinſicht etwas
zu ſchaffen; die letztere trat ihm nicht ſtörend entgegen,
ſondern ließ das Brautpaar und die der Verbindung ge-
neigten Verwandten desſelben einfach gewähren. Die
Entſcheidung über die Zukunft Braunſchweigs wird ſich
ausſchließlich danach richten, was zum Wohl des Reichs
wie des Landes für erſprießlich gehalten werden wird;
dynaſtiſche Rückſichten werden darauf keinen Einfluß
nehmen dürfen.
Parteibildungen.
* An politiſchen Parteien iſt in Oeſterreich bekanntlich
kein Mangel, im Reichsrath gibt es deren etwa 18, in den
Landtagen fehlt natürlich jeweils ein großer Theil derſelben,
zumal der ſpeziſiſch nationalen Parteien, dafür tragen manche
Landtagsparteien eine etwas andere Farbe, als die ihnen ent-
ſprechenden Reichsrathsparteien, oder ſind wieder in beſondere
Gruppen geſpalten; überdies gibt es verſchiedene Parteien,
die keine oder wenigſtens keine nennenswerthe parlamentariſche
Vertretung haben. Am weiteſten iſt die Zerklüftung ſeit langen
Jahren unter den Deutſchen gediehen, neuerdings ſieht es
aber auch im tſchechiſchen Lager recht bunt aus. Man hat
da tſchechiſche Großgrundbeſitzer, Alttſchechen, Jungtſchechen
(Freiſinuige Nationalpartei), Radikal-Nationale, tſchechiſch-
nationale Arbeiterpartei, tſchechiſche Sozialdemokraten, Agrarier-
partei u. ſ. w. Jetzt eben hat ſich nun eine neue Partei
organiſirt, die ſich „tſchechiſche Volkspartei“ nennt und
aus den bisher ſogenannten Realiſten gebildet wird. Die
konſtituirende Verſammlung tagte die letzten zwei Tage in
Prag und war von etwa 300 Theilnehmern aus
verſchiedenen Städten Böhmens und auch Mährens,
beſonders Brünn, beſucht. Hauptwortführer war der
bekannte Prager Profeſſor Maſaryk. Die leitenden
Grundſätze der neuen Partei klingen ganz vernünftig, rela-
tiv auch hinſichtlich des böhmiſchen Staatsrechts.
„Wir legen das Hauptgewicht — ſagte Maſaryk als Refereut —
auf das natürliche Recht, mit welchem wir das hiſtoriſche
Recht beleben. Wir verwerfen nicht das hiſtoriſche Recht,
ſondern wir verwerfen die ſtaatsrechtlichen Utopien.
Dieſe werden in zweifacher Beziehung gehegt, und zwar von
den tſchechiſchen Radikalen in Bezug auf die Zukunft, indem ſie
dem Volke einen Palaſt des Wohlſtandes verſprechen, und von
den Jung- und Alttſchechen in Bezug auf die Vergangenheit,
indem ſie dem Volke einreden, daß die Kontinuität des Staats-
rechts nicht geſtört worden ſei, was jedoch ſeitens der tſchechi-
ſchen Führer wiederholt geſchehen iſt, indem dieſe als legitime
Repräſentanten die Kontinuität nicht vertreten haben.“ Ein
nun wieder die Helden „unſres Gerhart“ abſtammen,
deſſen „Weber“ beſonders unſittlich ſind, weil ſie nach
Agitatorenmanier nur zur Empörung aufreizen, ſtatt den
Klaſſengegenſatz im Licht einer höheren Weltanſchauung
dichteriſch auszugleichen.
Jene Willensunfähigkeit iſt in der That charakteriſtiſch
für die neue Richtung in der Literatur, welche in den
breiteren Schichten des Volkes glücklicherweiſe nur wenig
Anklang findet, obwohl die unerhörte Reklame der Herren
darüber leicht täuſchen kann. Ich wurde an dieſe That-
ſache neulich recht lebhaft bei der Aufführung des neu-
einſtudirten Sudermann’ſchen „Johannes“ im Deutſchen
Theater erinnert, wo Frl. Hedwig Lange aus München
in der Rolle der Salome übrigens vielen Beifall erntete.
Genau ſo wie der Schmied in Max Halbe’s ſchon ver-
geſſenem „Tauſendjährigem Reich“ iſt Johannes ein gleich
bei ſeinem erſten Auftreten ſertiger Charakter, ein paſſiver
Uebermenſch, durch und durch ungermaniſch, denn das
germaniſche Drama unterſcheidet ſich von der franzöſiſchen
und altgriechiſchen Tragödie zu ſeinem Vortheil gerade
durch die Ungebundenheit, Willens- und Thatkraft ſeines
Helden. Aber um ſolche Charaktere ſchaffen zu können,
muß der Dichter ungewöhnliche Geſtaltungskraft beſitzen,
wie er, um ſeinem Volk Ideale geben zu können, erſt
ſelbſt darüber verfügen muß. Es iſt recht bezeichnend für
die Verzärtelung, um nicht zu ſagen Entartung dieſes
Geſchmacks, daß ein hieſiger angeſehener Theaterkritiker
anläßlich einer Neueinſtudirung des „Macbeth“ im Schiller-
Theater allen Ernſtes behaupten konnte, dieſer „allgemach
im Blut watende Gewaltmenſch Macbeth“ ſei „außerhalb
unſres Verſtändniſſes geblieben.“ Warum —? weil dieſe
herrlichſte Figur Shakeſpeare’s viel Blut vergießt —?
ſchwerlich, denn an ſolchen Blutmenſchen fehlt’s doch noch
heute nicht und der Blutſtrom, in dem ein Chamberlain
watet, iſt ungleich tiefer. Nein, weil dieſe Figur im
Gegenſatz zu unſern modernen waſchlappigen Bühnen-
helden einen ſtarken Willen beſitzt. Und das können unſre
kranken Nerven nicht mehr ertragen. Und doch fehlt es
auch in unſrer Zeit nicht an Thatkraft und Ausdauer,
auf dem Gebiet der Wiſſenſchaft beiſpielsweiſe. Aber
freilich, mit der haben viele unſrer Modernen, im Gegen-
ſatz zu einem Goethe, ſo wenig Fühlung wie mit dem
Leben. Die blicken nur in ſich hinein, um ihre kleinen
Leidenſchaften in lächerlichſter Selbſtüberſchätzung nach
Art des Froſches in der Fabel aufzublähen und ihnen
eine welterſchütternde Bedeutung beizumeſſen. Das thut
übrigens auch Ibſen, der nun, nach den Helden ſeiner
Stücke in „Wenn wir Todten erwachen“, das im „Deut-
ſchen Theater“ einen ſo geringen Erfolg hatte, ſelbſt eine
Generalbeichte abgelegt hat.
Macbeth fand, um auf ihn zurückzukommen, im
„Schillertheater“ in der That nur eine kühle Aufnahme.
Aber warum —? weil die Leute von Liliput, welche heute
das Schickſal unſrer meiſten Bühnen leiten, an den eng-
liſchen Gulliver ihren Däumlingsmaßſtab anlegen wollen.
Wie ein geſchwollener Gebirgsbach über Felſen, ſo ſtürmt
bei Shakeſpeare die Handlung vorwärts, ohne ſich um
die Hinderniſſe von Ort und Zeit zu kümmern. Die
Bühneneinrichtung war damals ſo primitiv, daß ein Orts-
wechſel nicht die geringſten ſceniſchen Schwierigkeiten
machte, nicht den geringſten Zeitverluſt erforderte. Heute
iſt das anders geworden, und ſtatt nun das Unwichtige,
die Scenerie, dem Wichtigen, der Handlung, zu opfern,
verfährt man juſt umgekehrt, indem man, weit ſhake-
ſpeariſcher als Shakeſpeare ſelbſt, der Orts- und Zeitfarbe
eine übertriebene Bedeutung beilegt. Jede der zahlreichen
Verwandlungen erfordert endloſe Pauſen, die jede Span-
nung, jede Illuſion zerſtören müſſen. Und dann wundern
ſich unſre Däumlinge, daß ein ſo verhunzter Shakeſpeare
keinen mächtigeren Eindruck macht als die Detailmalerei
ihrer Sächelchen. Ein Meiſter in dieſer Detailmalerei iſt
übrigens der italieniſche Darſteller Novelli, der im Leſſing-
Theater mit ſeiner ungewöhnlich gut eingeſpielten Truppe
in einer ganzen Reihe von Stücken auftrat, mit denen er
ſchon in Paris ſtarken Beifall erntete. Wie die dramati-
ſchen Dichter, ſo ihre Darſteller! Man kann dieſen keinen
Vorwurf daraus machen, daß ſie ſich derart in die Einzel-
heiten verlieren, daß darunter nur zu oft die Klarheit
der Umtrißlinien verloren geht.
Unter dieſem Fehler leidet bekanntlich auch die
moderne Malerei. Um ſo erfreulicher ſind künſtleriſche
Individualitäten, die ihre eigenen Wege gehen und, der
Suggeſtion der Mode widerſtehend, durch eine organiſche
Fortentwicklung zur Freilichtmalerei gelangten, welche,
bei anderen minder eigenartigen Künſtlernaturen nur das
Ergebniß der Nachahnung, der Anempfindung einer ſich
nicht aus innerer Nothwendigkeit vollziehenden Wandlung
iſt. Ich denke da in erſter Linie an die Ausſtellungen
des Karlsruher Meiſters Guſtav Schönleber und Hubert
v. Herkomers im Salon Schulte. Schönleber, deſſen „Eng-
wehr“ von den ausgeſtellten Bildern das Weſen ſeiner
Kunſt wohl am reinſten ſpiegelt, bildet ſich nicht ein, über
der Tradition zu ſtehen. Er hat ſie fortentwickelt und
ihre Empfindung für Luft und Licht gewiſſermaßen von
Bild zu Bild verklärt, dadurch die Mängel, die Gewaltſam-
keiten der franzöſiſchen Impreſſioniſten vermeidend.
Einen hohen und ganz ungetrübten künſtleriſchen
Genuß bot die Ausſtellung des großen engliſchen Meiſters,
die für Berlin geradezu ein künſtleriſches Ereigniß be-
deutet. In ſeiner Vielſeitigkeit erinnert Herkomer, der im
Oelbild, ein Aquarell, in der Radirung, ſogar im Email
eine gleiche Meiſterſchaft bekundet, an die großen Vor-
bilder der Renaiſſance. Vor der „Dame in Weiß“ weilen
wohl die meiſten Beſucher lange Zeit in ſtiller Bewunde-
rung. Das iſt klaſſiſch und modern zu gleicher Zeit. Die
ſchwierige Aufgabe eines Gemäldes ganz in Weiß iſt mit
einer derartigen Beherrſchung der Technik gelöst, daß
man keinen Augenblick, wie es bei Virtuoſenkunſtſtücken
der Fall iſt, von dem geiſtigen Inhalt des Kunſtwerks
abgelenkt wird. Klaſſiſch wirkt die vornehme Natürlich-
keit der Frauenerſcheinung, ihre ſchlichte Haltung, die Be-
tonung des Weſentlichen und Charakteriſtiſchen, modern
die Ausführung des Bildes in allen Theilen. In „Ein
Hurrah der Königin“ hat Herkomer die Entdecker (?) der
Freilichtmalerei ſchon vor einem Vierteljahrhundert vor-
geahnt. Und wie wunderbar ſchön iſt das „Unſer Dorf“
betitelte Gemälde, das einen traulichen Dorfplatz mit
majeſtätiſchen Bäumen darſtellt. Die darüberliegende Abend-
ſtimmung verleiht der aus dem Bilde deutlich ſprechenden
Liebe des Meiſters für ſeine Heimath einen noch innigeren
und weihevolleren Ausdruck. Wie einfach iſt die Haltung
und das Geberdenſpiel der Menſchengruppen und wie
kunſtvoll doch die Kompoſition!
Eugen v. Jagow.
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(2022-04-08T12:00:00Z)
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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
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