Allgemeine Zeitung, Nr. 93, 3. April 1849.[Spaltenumbruch]
mit eigenen Augen und Ohren wahrgenommen, um nicht zu der Ueberzeu- Bayern. München, 1 April. Mittels Erlasses des Staats- München, 1 April. Obgleich Ihnen wahrscheinlich schon [Spaltenumbruch]
mit eigenen Augen und Ohren wahrgenommen, um nicht zu der Ueberzeu- Bayern. ∆ München, 1 April. Mittels Erlaſſes des Staats- ⌙ München, 1 April. Obgleich Ihnen wahrſcheinlich ſchon <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div type="jComment" n="3"> <p><pb facs="#f0002" n="1418"/><cb/> mit eigenen Augen und Ohren wahrgenommen, um nicht zu der Ueberzeu-<lb/> gung zu gelangen daß ſie das Volk nur auf eine andere Art entſittlicht wie<lb/> die geheime Abſtimmung. Uebrigens kann dieſer Punkt den Widerſachern<lb/> der Einheit keine Hoffnung gewähren. Der König von Preußen kann<lb/> daraus keinen Grund hernehmen um die Reichsoberhauptswürde abzuleh-<lb/> nen. Denn dieſelbe Weiſe des Wahlrechts hat er ſelbſt in ſeinen Staa-<lb/> ten eingeführt. Sie iſt preußiſches Landesgeſetz. Alle Hoffnungen bauen<lb/> ſie dagegen auf die §§. 108 und 201. Durch dieſe iſt nicht bloß für die<lb/> gewöhnliche Geſetzgebung, ſondern auch für Aenderungen in der Verfaſ-<lb/> ſung das auſſchiebende Veto angenommen. Das ſcheint mit der Monar-<lb/> chie unverträglich. Auch wir beklagen die Annahme jener Paragraphen;<lb/> doch gehen wir nicht ſo weit zu befürchten daß Fälle wirklich eintreten könn-<lb/> ten, wo der Kaiſer in Folge jener Paragraphen zu Annahme eines Be-<lb/> ſchluſſs gedrängt werden könnte, welchem er ohnehin ſeine Genehmigung<lb/> verſagt haben würde. Denn wie lautet der §. 108? „Iſt vom Reichstage<lb/> in derſelben Sache in drei unmittelbar ſich folgenden ordentlichen Sitzungs-<lb/> perioden (alſo in der Regel nach drei Jahren) derſelbe Beſchluß unverän-<lb/> dert gefaßt worden, ſo wird er, auch wenn die Zuſtimmung der Reichs-<lb/> regierung nicht erfolgt, mit dem Schluß des dritten Reichstags Geſetz.“<lb/> Eine Quaterne in der Lotterie iſt eine große Wahrſcheinlichkeit gegen<lb/> einen ſolchen Fall. Vollends um einen Beſchluß zu faſſen durch welchen<lb/> die Verfaſſung geändert wird, treten ſogar noch folgende Bedingungen<lb/> hinzu: „Es bedarf in beiden Häuſern 1) der Anweſenheit von wenigſtens<lb/> zwei Dritteln der Mitglieder; 2) zweier Abſtimmungen, zwiſchen welchen<lb/> ein Zeitraum von wenigſtens acht Tagen liegen muß; 3) einer Stimmen-<lb/> mehrheit von wenigſtens zwei Dritteln der anweſenden Mitglieder bei je-<lb/> der der beiden Abſtimmungen.“ Aber dennoch beklagen wir die Annahme<lb/> jener Paragraphen; das entſcheidende Veto raubt der Monarchie ohne<lb/> Nutzen eine moraliſche Weihe. Sie hebt, wenn auch nur ſcheinbar, das<lb/> Gleichgewicht der Gewalten auf. Indeß iſt doch wohl zu beachten daß das<lb/> Oberhaupt eines Bundes etwas anderes iſt als das Oberhaupt eines<lb/> Staats. Wovor die deutſchen Fürſten am meiſten beſorgt find, iſt ja<lb/> dieß daß der Bundesſtaat in einen Einheitsſtaat umſchlage, daß die Rechte<lb/> des Oberhauptes zu weit ausgedehnt werden möchten. Nun iſt das Veto<lb/> ein Recht welches das Reichsoberhaupt auch dem Staatenhauſe gegenüber<lb/> ausübt, und das Staatenhaus vertritt ja die Staaten und Regierungen<lb/> welche die Hälfte aller Mitglieder desſelben zu ernennen haben. Es gibt<lb/> kein Land das beſſer königlich wäre als Norwegen, und dort beſteht das<lb/> aufſchiebende Veto. Das abſolute Veto iſt ein Edelſtein in der Krone,<lb/> aber nicht die Krone ſelbſt. Wie man auch über dieſen Punkt denken mag,<lb/> ſo iſt er ein theoretiſcher, und wir haben uns die Niederlage unſrer Theorie<lb/> gefallen laſſen müſſen. Was wir der Linken am meiſten vorwarfen, war<lb/> ihr ſtarres Feſthalten an Theorien, die einmal für jetzt nicht ausführbar<lb/> ſind. Wir dürfen nicht in denſelben Fehler fallen. Wenn auch nicht ohne<lb/> Wunden, ſo haben wir in dem Kampfe doch geſtegt. Die Pläne den al-<lb/> ten Bundestag wieder aufzurichten find zu Schanden geworden, was 1815<lb/> ſcheiterte, iſt 1849 gelungen. Das deutſche Volk hat ſich eine Verfaſſung<lb/> gegeben, ein Reich geſtiftet und ein erbliches Reichsoberhaupt erwählt. Die<lb/> raſche Annahme der Verfaſſung iſt in der jetzigen Weltlage ebenſo ſehr<lb/> eine Frage der äußern wie der innern Politik. Namentlich wird ſich der<lb/> König von Preußen durch keine auswärtigen Drohungen zurückſchrecken<lb/> laſſen dem dringenden Bedürfniſſe Deutſchlands und den Wünſchen ſeines<lb/> eigenen Volkes zu entſprechen; denn gerade jetzt zur rechten Zeit werden<lb/> ſie ihm von beiden Kammern vorgetragen. Als conſtitutioneller Monarch<lb/> darf er ihre Stimme nicht überhören. Die Rückſichten welche er auf die<lb/> übrigen deutſchen Fürſten glaubt nehmen zu müſſen, kann kein langandauern-<lb/> des Hinderniß ſeyn daß er die dargebotene Würde eines Reichsoberhaupts<lb/> annimmt. Denn er handelt dadurch nur in ihrem gemeinſamen Intereſſe.<lb/> Wenn durch ſeine Weigerung die jetzt mühſam vollendete monarchiſche<lb/> Reichsverfaſſung wieder zuſammenſtürzt, ſo kann niemand dafür einſtehen<lb/> ob nicht die ganze monarchiſche Ordnung, wie ſie jetzt in Deutſchland be-<lb/> ſteht, unter ihren Trümmern begraben wird. Jetzt mehr wie je iſt es für<lb/> den preußiſchen König Zeit ſich an das Wort eines großen preußiſchen<lb/> Staatsmannes zu erinnern: die kühnſte Rolle iſt für Preußen die ſicherſte.</p> </div><lb/> <div n="3"> <head><hi rendition="#g">Bayern</hi>.</head><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline>∆ <hi rendition="#b">München,</hi> 1 April.</dateline><lb/> <p>Mittels Erlaſſes des Staats-<lb/> miniſteriums des Kriegs wurden dieſer Tage die Normen feſtgeſtellt für die<lb/> Reactivirung der aus der Dienſtesactivität getretenen Officiere und Mili-<lb/> tärbeamten. Demſelben zufolge können temporär und definitiv Penſionirte<lb/> nur in der Weiſe wieder in die active Armee eintreten, daß ſie die Rang-<lb/> ſtufen und Anciennitätsnummern erhalten die ſie zur Zeit ihrer Penſioni-<lb/> rung bekleideten; freiwillig aus dem activen Militärverband Ausgetretene<lb/> aber verzichten durch ihren gänzlichen Austritt auf alle militäriſchen Stan-<lb/> desverhältniſſe, und wird ihnen ſpäter ausnahmsweiſe der Wiedereintritt<lb/> geſtattet, ſo erſcheint derſelbe nur als neue Anſtellung. — Die in vielen<lb/> bayeriſchen Blättern wie auch in Ihrer Zeitung erwähnten Gerüchte über<lb/><cb/> die Auflöſung unſerer Volkskammer und die Octroyirung eines neuen<lb/> Wahlgeſetzes finden in den heutigen „Neueſten Nachrichten“ nachfolgende<lb/> officiöſe Widerlegung: „Einſender hat aus ganz ficherer Quelle erfahren daß<lb/> Se. Maj. den entſchiedenſten Unwillen über die Lüge ausgeſprochen haben,<lb/> als beabſichtige die bayeriſche Regierung eine ungeſetzliche Aufhebung des<lb/> beſtehenden Wahlgeſetzes durch Octroyirung eines neuen auf andern Grund-<lb/> lagen beruhenden. Bei dieſer Gelegenheit hat Se. Maj. geäußert, er wün-<lb/> ſche nur daß die Volksrepräſentanten und das Volk ebenſo feſt an der<lb/> Grundlage der Verfaſſung und den conſtitutionellen Grundſätzen feſthalten<lb/> möchten wie dieß die Regierung thun werde, dann wäre die ſichere Hoff-<lb/> nung vorhanden daß die nothwendigen Reformen ſowohl innerhalb der<lb/> bayeriſchen als der deutſchen Verfaſſung bald zur Zufriedenheit des Volkes<lb/> gelöst werden könnten. — Der Appellationsgerichtsrath A. Frhr. v. Hacke<lb/> in Paſſau wurde auf ſein Anſuchen in den definitiven Ruheſtand verſetzt<lb/> und auf die hiedurch erledigte Rathsſtelle der Appellationsgerichtsaſſeſſor<lb/> K. Frhr. v. Münſter in Aſchaffenburg befördert.</p> </div><lb/> <div type="jComment" n="4"> <dateline>⌙ <hi rendition="#b">München,</hi> 1 April.</dateline><lb/> <p>Obgleich Ihnen wahrſcheinlich ſchon<lb/> Berichte über die hieſige Aufnahme der Wahl eines preußiſchen Erb-<lb/> kaiſers für Deutſchland zugekommen ſind, ſo gewähren Sie doch vielleicht<lb/> auch noch dieſen Mittheilungen einen Raum. Vorausſchicken muß ich daß<lb/> bereits ſeit der Abwerfung des Welcker ſchen Antrags, befonders in den-<lb/> jenigen Bevölkerungsſchichten welche nicht die eigentliche höhere politiſche<lb/> Bildung, aber dafür in ihren Stimmungen deſto klarer Wunſch und Be-<lb/> dürfniß des Volkes vertreten, die Mißſtimmung gegen Preußen und ſeine<lb/> deutſche Hegemonie weſentlich an bitterer Schärfe verloren hatte. Die<lb/> Möglichkeit irgendeines Compromiſſes ſchien nach jener Ablehnung nicht<lb/> mehr vorhanden; in der Parteileidenſchaft, in der Unnatürlichkeit der Coa-<lb/> litionen, um den Preis gegenſeitiger Conceſſionen gerade in den ertremſten<lb/> Fragen, erſchien die ehrliche Sorge um Deutſchlands Wohl untergegangen;<lb/> und nur zwei Wege, wiederum den außerſten Extremen angehörend, ſchie-<lb/> nen ſich jenſeits dieſes Knäuels der Verwirrung aufzuthun. Der eine war<lb/> Erſtarkung der Republik bis zu der Höhe daß ſie die Revolution von neuem<lb/> beginne und, unbegränzt von der Achtung vor den Thronen, durch die Anar-<lb/> chie hindurch zur Errichtung eines Einheitsſtaats nach jahrelangem Bür-<lb/> gerkrieg gelange. Der andere war eine volle Desavouirung der deutſchen<lb/> Reichsverſammlung durch die Fürſten, Octroyirung einer deutſchen Reichs-<lb/> verfaſſung, und zwar einer Reichsverfaſſung welche, eben weil nur von dy-<lb/> naſtiſcher Seite ausgehend, auch nur dieſes Intereſſe berückſichtigen, daher<lb/> auf den öſterreichiſchen Vorſchlägen zu einer Staatenvertretung ohne Volks-<lb/> vertretung fußen würde. Was man nach dieſen Vorausſetzungen, bei dem<lb/> Mangel eines Vertrauens auf den ächten Conſtitutionalismus unſerer<lb/> Staatsmächte, ſpeciell für das bayeriſche Staatsleben fürchtete (oder auch,<lb/> obgleich nur in ſehr eng n Kreiſen, erwartete), brauche ich wohl nicht bei-<lb/> zufügen. Bei dieſen trüben Alternativen ſtand aber und ſteht der däniſche,<lb/> wohl auch der ruſſiſche Krieg vor der Thür, drohen die ſich entwickelnden<lb/> freundſchaftlichen Beziehungen zwiſchen der franzöſiſchen Republik und dem<lb/> Czaren. Ein Halt, eine Feſtigkeit in dieſem Wirrniß! das war der all-<lb/> gemeine Ruf. Jene Kriegsgefahren verſchwanden allerdings für den<lb/> Augenblick wenn Preußen nicht an die Spitze, wenn überhaupt kein Kai-<lb/> ſer auf den Thron geſetzt wurde. Preußen würde raſch einen däniſchen<lb/> Frieden in ſeinem, nicht in Deutſchlands Intereſſe geſchloſſen haben. Da-<lb/> von war man überzeugt. Ich ſpreche hier, wie geſagt, von der Politik der<lb/> großen Menge, nicht derer welche gewohnt ſind alle einzelnen und feinern<lb/> Combinationen in bedingende Betrachtung zu ziehen. Daß aber dieſe Po-<lb/> litik geneigt wurde auch um den Preis ihrer ſtammlichen Abneigungen<lb/> eine preußiſche Hegemonie weit günſtiger anzunehmen als noch vor weni-<lb/> gen Wochen, unterſtützte beſonders der Umſtand daß die reactionären Par-<lb/> teien Bayerns an Hoffnung und Siegesſicherheit mit der Abwerfung des<lb/> Welcker ſchen Antrags gewonnen zu haben ſchienen was Deutſchland an<lb/> Zuverſicht auf irgendeine Feſtigung ſeiner Verhältniſſe im Geiſt der Zeit<lb/> damit verloren hatte. Der laut ausbrechende Jubel ihrer Organe über<lb/> den Bankerott der deutſchen Reichsverfammlung, das Siegesgeſchrei ob<lb/> des glorreichen Widerſtandes des Katholicismus gegen die unterdrückenden<lb/> Tendenzen des Lutherthums (denn dieſe Blätter hatten bekanntlich fort-<lb/> während die politiſche Frage auf den confeſſionellen Boden verlegt), die<lb/> Haſt und Gewaltſamkeit womit dieſe Partei ſich neuer Organe bemächtigte<lb/> (ein Beiſpiel iſt die weitverbreitete „Landbötin“, deren früherer Redacteur<lb/> wenige Tage nach Ankunft der Nachricht vom Schickſal des Welcker’ſchen<lb/> Antrags zum Rücktritt gezwungen wurde, worauf das Blatt urplötzlich<lb/> ultramontanen Zwecken dient, während ein gleicher Sturm auf den „Baye-<lb/> riſchen Eilboten“ an der Geſinnungsfeſtigkeit des Beſitzers ſcheiterte), die<lb/> bekannte Adreſſe an das Miniſterium um ein Preßgeſetz deſſen Grundzüge<lb/> dem berufenen öſterreichiſchen entnommen ſind — dieß alles kam zu raſch,<lb/> zu laut, zu ſchreiend hinter der Niederlage des Welcker’ſchen Antrags, als<lb/> daß die weiten Schichten des keinem Extrem huldigenden, vielleicht ſelbſt<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1418/0002]
mit eigenen Augen und Ohren wahrgenommen, um nicht zu der Ueberzeu-
gung zu gelangen daß ſie das Volk nur auf eine andere Art entſittlicht wie
die geheime Abſtimmung. Uebrigens kann dieſer Punkt den Widerſachern
der Einheit keine Hoffnung gewähren. Der König von Preußen kann
daraus keinen Grund hernehmen um die Reichsoberhauptswürde abzuleh-
nen. Denn dieſelbe Weiſe des Wahlrechts hat er ſelbſt in ſeinen Staa-
ten eingeführt. Sie iſt preußiſches Landesgeſetz. Alle Hoffnungen bauen
ſie dagegen auf die §§. 108 und 201. Durch dieſe iſt nicht bloß für die
gewöhnliche Geſetzgebung, ſondern auch für Aenderungen in der Verfaſ-
ſung das auſſchiebende Veto angenommen. Das ſcheint mit der Monar-
chie unverträglich. Auch wir beklagen die Annahme jener Paragraphen;
doch gehen wir nicht ſo weit zu befürchten daß Fälle wirklich eintreten könn-
ten, wo der Kaiſer in Folge jener Paragraphen zu Annahme eines Be-
ſchluſſs gedrängt werden könnte, welchem er ohnehin ſeine Genehmigung
verſagt haben würde. Denn wie lautet der §. 108? „Iſt vom Reichstage
in derſelben Sache in drei unmittelbar ſich folgenden ordentlichen Sitzungs-
perioden (alſo in der Regel nach drei Jahren) derſelbe Beſchluß unverän-
dert gefaßt worden, ſo wird er, auch wenn die Zuſtimmung der Reichs-
regierung nicht erfolgt, mit dem Schluß des dritten Reichstags Geſetz.“
Eine Quaterne in der Lotterie iſt eine große Wahrſcheinlichkeit gegen
einen ſolchen Fall. Vollends um einen Beſchluß zu faſſen durch welchen
die Verfaſſung geändert wird, treten ſogar noch folgende Bedingungen
hinzu: „Es bedarf in beiden Häuſern 1) der Anweſenheit von wenigſtens
zwei Dritteln der Mitglieder; 2) zweier Abſtimmungen, zwiſchen welchen
ein Zeitraum von wenigſtens acht Tagen liegen muß; 3) einer Stimmen-
mehrheit von wenigſtens zwei Dritteln der anweſenden Mitglieder bei je-
der der beiden Abſtimmungen.“ Aber dennoch beklagen wir die Annahme
jener Paragraphen; das entſcheidende Veto raubt der Monarchie ohne
Nutzen eine moraliſche Weihe. Sie hebt, wenn auch nur ſcheinbar, das
Gleichgewicht der Gewalten auf. Indeß iſt doch wohl zu beachten daß das
Oberhaupt eines Bundes etwas anderes iſt als das Oberhaupt eines
Staats. Wovor die deutſchen Fürſten am meiſten beſorgt find, iſt ja
dieß daß der Bundesſtaat in einen Einheitsſtaat umſchlage, daß die Rechte
des Oberhauptes zu weit ausgedehnt werden möchten. Nun iſt das Veto
ein Recht welches das Reichsoberhaupt auch dem Staatenhauſe gegenüber
ausübt, und das Staatenhaus vertritt ja die Staaten und Regierungen
welche die Hälfte aller Mitglieder desſelben zu ernennen haben. Es gibt
kein Land das beſſer königlich wäre als Norwegen, und dort beſteht das
aufſchiebende Veto. Das abſolute Veto iſt ein Edelſtein in der Krone,
aber nicht die Krone ſelbſt. Wie man auch über dieſen Punkt denken mag,
ſo iſt er ein theoretiſcher, und wir haben uns die Niederlage unſrer Theorie
gefallen laſſen müſſen. Was wir der Linken am meiſten vorwarfen, war
ihr ſtarres Feſthalten an Theorien, die einmal für jetzt nicht ausführbar
ſind. Wir dürfen nicht in denſelben Fehler fallen. Wenn auch nicht ohne
Wunden, ſo haben wir in dem Kampfe doch geſtegt. Die Pläne den al-
ten Bundestag wieder aufzurichten find zu Schanden geworden, was 1815
ſcheiterte, iſt 1849 gelungen. Das deutſche Volk hat ſich eine Verfaſſung
gegeben, ein Reich geſtiftet und ein erbliches Reichsoberhaupt erwählt. Die
raſche Annahme der Verfaſſung iſt in der jetzigen Weltlage ebenſo ſehr
eine Frage der äußern wie der innern Politik. Namentlich wird ſich der
König von Preußen durch keine auswärtigen Drohungen zurückſchrecken
laſſen dem dringenden Bedürfniſſe Deutſchlands und den Wünſchen ſeines
eigenen Volkes zu entſprechen; denn gerade jetzt zur rechten Zeit werden
ſie ihm von beiden Kammern vorgetragen. Als conſtitutioneller Monarch
darf er ihre Stimme nicht überhören. Die Rückſichten welche er auf die
übrigen deutſchen Fürſten glaubt nehmen zu müſſen, kann kein langandauern-
des Hinderniß ſeyn daß er die dargebotene Würde eines Reichsoberhaupts
annimmt. Denn er handelt dadurch nur in ihrem gemeinſamen Intereſſe.
Wenn durch ſeine Weigerung die jetzt mühſam vollendete monarchiſche
Reichsverfaſſung wieder zuſammenſtürzt, ſo kann niemand dafür einſtehen
ob nicht die ganze monarchiſche Ordnung, wie ſie jetzt in Deutſchland be-
ſteht, unter ihren Trümmern begraben wird. Jetzt mehr wie je iſt es für
den preußiſchen König Zeit ſich an das Wort eines großen preußiſchen
Staatsmannes zu erinnern: die kühnſte Rolle iſt für Preußen die ſicherſte.
Bayern.
∆ München, 1 April.
Mittels Erlaſſes des Staats-
miniſteriums des Kriegs wurden dieſer Tage die Normen feſtgeſtellt für die
Reactivirung der aus der Dienſtesactivität getretenen Officiere und Mili-
tärbeamten. Demſelben zufolge können temporär und definitiv Penſionirte
nur in der Weiſe wieder in die active Armee eintreten, daß ſie die Rang-
ſtufen und Anciennitätsnummern erhalten die ſie zur Zeit ihrer Penſioni-
rung bekleideten; freiwillig aus dem activen Militärverband Ausgetretene
aber verzichten durch ihren gänzlichen Austritt auf alle militäriſchen Stan-
desverhältniſſe, und wird ihnen ſpäter ausnahmsweiſe der Wiedereintritt
geſtattet, ſo erſcheint derſelbe nur als neue Anſtellung. — Die in vielen
bayeriſchen Blättern wie auch in Ihrer Zeitung erwähnten Gerüchte über
die Auflöſung unſerer Volkskammer und die Octroyirung eines neuen
Wahlgeſetzes finden in den heutigen „Neueſten Nachrichten“ nachfolgende
officiöſe Widerlegung: „Einſender hat aus ganz ficherer Quelle erfahren daß
Se. Maj. den entſchiedenſten Unwillen über die Lüge ausgeſprochen haben,
als beabſichtige die bayeriſche Regierung eine ungeſetzliche Aufhebung des
beſtehenden Wahlgeſetzes durch Octroyirung eines neuen auf andern Grund-
lagen beruhenden. Bei dieſer Gelegenheit hat Se. Maj. geäußert, er wün-
ſche nur daß die Volksrepräſentanten und das Volk ebenſo feſt an der
Grundlage der Verfaſſung und den conſtitutionellen Grundſätzen feſthalten
möchten wie dieß die Regierung thun werde, dann wäre die ſichere Hoff-
nung vorhanden daß die nothwendigen Reformen ſowohl innerhalb der
bayeriſchen als der deutſchen Verfaſſung bald zur Zufriedenheit des Volkes
gelöst werden könnten. — Der Appellationsgerichtsrath A. Frhr. v. Hacke
in Paſſau wurde auf ſein Anſuchen in den definitiven Ruheſtand verſetzt
und auf die hiedurch erledigte Rathsſtelle der Appellationsgerichtsaſſeſſor
K. Frhr. v. Münſter in Aſchaffenburg befördert.
⌙ München, 1 April.
Obgleich Ihnen wahrſcheinlich ſchon
Berichte über die hieſige Aufnahme der Wahl eines preußiſchen Erb-
kaiſers für Deutſchland zugekommen ſind, ſo gewähren Sie doch vielleicht
auch noch dieſen Mittheilungen einen Raum. Vorausſchicken muß ich daß
bereits ſeit der Abwerfung des Welcker ſchen Antrags, befonders in den-
jenigen Bevölkerungsſchichten welche nicht die eigentliche höhere politiſche
Bildung, aber dafür in ihren Stimmungen deſto klarer Wunſch und Be-
dürfniß des Volkes vertreten, die Mißſtimmung gegen Preußen und ſeine
deutſche Hegemonie weſentlich an bitterer Schärfe verloren hatte. Die
Möglichkeit irgendeines Compromiſſes ſchien nach jener Ablehnung nicht
mehr vorhanden; in der Parteileidenſchaft, in der Unnatürlichkeit der Coa-
litionen, um den Preis gegenſeitiger Conceſſionen gerade in den ertremſten
Fragen, erſchien die ehrliche Sorge um Deutſchlands Wohl untergegangen;
und nur zwei Wege, wiederum den außerſten Extremen angehörend, ſchie-
nen ſich jenſeits dieſes Knäuels der Verwirrung aufzuthun. Der eine war
Erſtarkung der Republik bis zu der Höhe daß ſie die Revolution von neuem
beginne und, unbegränzt von der Achtung vor den Thronen, durch die Anar-
chie hindurch zur Errichtung eines Einheitsſtaats nach jahrelangem Bür-
gerkrieg gelange. Der andere war eine volle Desavouirung der deutſchen
Reichsverſammlung durch die Fürſten, Octroyirung einer deutſchen Reichs-
verfaſſung, und zwar einer Reichsverfaſſung welche, eben weil nur von dy-
naſtiſcher Seite ausgehend, auch nur dieſes Intereſſe berückſichtigen, daher
auf den öſterreichiſchen Vorſchlägen zu einer Staatenvertretung ohne Volks-
vertretung fußen würde. Was man nach dieſen Vorausſetzungen, bei dem
Mangel eines Vertrauens auf den ächten Conſtitutionalismus unſerer
Staatsmächte, ſpeciell für das bayeriſche Staatsleben fürchtete (oder auch,
obgleich nur in ſehr eng n Kreiſen, erwartete), brauche ich wohl nicht bei-
zufügen. Bei dieſen trüben Alternativen ſtand aber und ſteht der däniſche,
wohl auch der ruſſiſche Krieg vor der Thür, drohen die ſich entwickelnden
freundſchaftlichen Beziehungen zwiſchen der franzöſiſchen Republik und dem
Czaren. Ein Halt, eine Feſtigkeit in dieſem Wirrniß! das war der all-
gemeine Ruf. Jene Kriegsgefahren verſchwanden allerdings für den
Augenblick wenn Preußen nicht an die Spitze, wenn überhaupt kein Kai-
ſer auf den Thron geſetzt wurde. Preußen würde raſch einen däniſchen
Frieden in ſeinem, nicht in Deutſchlands Intereſſe geſchloſſen haben. Da-
von war man überzeugt. Ich ſpreche hier, wie geſagt, von der Politik der
großen Menge, nicht derer welche gewohnt ſind alle einzelnen und feinern
Combinationen in bedingende Betrachtung zu ziehen. Daß aber dieſe Po-
litik geneigt wurde auch um den Preis ihrer ſtammlichen Abneigungen
eine preußiſche Hegemonie weit günſtiger anzunehmen als noch vor weni-
gen Wochen, unterſtützte beſonders der Umſtand daß die reactionären Par-
teien Bayerns an Hoffnung und Siegesſicherheit mit der Abwerfung des
Welcker ſchen Antrags gewonnen zu haben ſchienen was Deutſchland an
Zuverſicht auf irgendeine Feſtigung ſeiner Verhältniſſe im Geiſt der Zeit
damit verloren hatte. Der laut ausbrechende Jubel ihrer Organe über
den Bankerott der deutſchen Reichsverfammlung, das Siegesgeſchrei ob
des glorreichen Widerſtandes des Katholicismus gegen die unterdrückenden
Tendenzen des Lutherthums (denn dieſe Blätter hatten bekanntlich fort-
während die politiſche Frage auf den confeſſionellen Boden verlegt), die
Haſt und Gewaltſamkeit womit dieſe Partei ſich neuer Organe bemächtigte
(ein Beiſpiel iſt die weitverbreitete „Landbötin“, deren früherer Redacteur
wenige Tage nach Ankunft der Nachricht vom Schickſal des Welcker’ſchen
Antrags zum Rücktritt gezwungen wurde, worauf das Blatt urplötzlich
ultramontanen Zwecken dient, während ein gleicher Sturm auf den „Baye-
riſchen Eilboten“ an der Geſinnungsfeſtigkeit des Beſitzers ſcheiterte), die
bekannte Adreſſe an das Miniſterium um ein Preßgeſetz deſſen Grundzüge
dem berufenen öſterreichiſchen entnommen ſind — dieß alles kam zu raſch,
zu laut, zu ſchreiend hinter der Niederlage des Welcker’ſchen Antrags, als
daß die weiten Schichten des keinem Extrem huldigenden, vielleicht ſelbſt
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(2021-08-16T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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