Allgemeine Zeitung, Nr. 94, 4. April 1849.[Spaltenumbruch]
mee Bems erfolgreich die Spitze bieten zu können? Werden die Russen * [] Rasa an der walachischen Gränze, 18 März. Dieß- Die Paris-Straßburger Eisenbahn. * Paris, 28 März.Die Bauten an der Paris-Straßburger Eisen- Der Staatsproceß vom 15 Mai. § Bourges, 28 März.(Die Sitzungen vom 26, 27 und 28 März.) *) Die Angaben wechseln zwischen 2000 und 8000 Mann!
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mee Bems erfolgreich die Spitze bieten zu können? Werden die Ruſſen * [⛝] Raſa an der walachiſchen Gränze, 18 März. Dieß- Die Paris-Straßburger Eiſenbahn. * Paris, 28 März.Die Bauten an der Paris-Straßburger Eiſen- Der Staatsproceß vom 15 Mai. § Bourges, 28 März.(Die Sitzungen vom 26, 27 und 28 März.) *) Die Angaben wechſeln zwiſchen 2000 und 8000 Mann!
<TEI> <text> <body> <div type="jSupplement" n="1"> <floatingText> <body> <div type="jPoliticalNews" n="2"> <div n="3"> <div type="jArticle" n="4"> <p><pb facs="#f0013" n="1445"/><cb/> mee Bems erfolgreich die Spitze bieten zu können? Werden die Ruſſen<lb/> nun, der ausdrücklichen Erklärung der öſterreichiſchen Regierung entgegen,<lb/> einen activen Antheil an dieſem Kriege nehmen? Ladet die öſterreichiſche<lb/> Regierung ſich durch Annahme noch bedeutenderer ruſſiſcher Hülfe nicht<lb/> noch größere Verpflichtungen gegen Rußland auf? Dieſes iſt es was uns<lb/> bange genug macht, denn es iſt wohl leicht zu errathen um welchen Preis<lb/> Rußland ſo freundnachbarlich ſeine Hülfe anbietet. Oeſterreich ſoll ihm<lb/> freie Hand laſſen in den Donaufürſtenthümern, wo die Ereigniſſe jeden-<lb/> falls einer Entſcheidung entgegengehen; es ſoll die Augen zudrücken und<lb/> Rußland in der Ausführung ſeiner gut angelegten Plane bezüglich jener<lb/> Länder ſeinerſeits nicht beirren. Uns aber ſcheint es daß für Oeſterreich<lb/> der Verluſt der Donaufürſtenthümer ſelbſt durch die Wiedereroberung<lb/> Siebenbürgens — an der übrigens auch ohne ruſſiſche Hülfe wohl kein<lb/> Vernünftiger zweifeln wird — nicht aufgewogen werden könnte. Und<lb/> was würde und müßte Deutſchland dazu ſagen, Deutſchland welches be-<lb/> rufen und berechtigt iſt die Donau zu befreien, und das, ohne einen<lb/> Selbſtmord zu begehen, nicht zugeben kann daß dieſe Pulsader ſeines<lb/> Handels an ihrer Mündung von ruſſiſchen Zöllnern zugeſchnürt werde!</p><lb/> <p> <hi rendition="#c">*</hi> </p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline><supplied>⛝</supplied><hi rendition="#b">Raſa an der walachiſchen Gränze,</hi> 18 März.</dateline><lb/> <p>Dieß-<lb/> mal erhalten Sie leider nur ſehr betrübende Nachrichten aus Siebenbürgen.<lb/> Wir erfahren ſo eben aus ſehr guter Quelle daß der nicht minder unter-<lb/> nehmende als kriegsgewandte Bem den ihn von Mediaſch in der Rich-<lb/> tung gegen Maros-Vaſarhely verfolgenden Puchner zu umgehen gewußt<lb/> und am 11 d. M. mit 12,000 Mann und 26 Kanonen plötzlich vor Her-<lb/> mannſtadt erſchienen. 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Der Kampf, der von 9 Uhr Morgens bis<lb/> 9 Uhr Abends wüthete, war ebenſo erbittert als mörderiſch, und endete<lb/> leider mit der gänzlichen Niederlage und Zerſprengung der Ruſſen und<lb/> mit der Einnahme der herrlichen Sachſenſtadt, der ſchönſten und gewerb-<lb/> reichſten des Landes, die von dem unbarmherzigen Sieger der Plünde-<lb/> rungsſucht ſeiner Truppen preisgegeben worden. Das ſächſiſche Natio-<lb/> nalhaus, ferner die vom Feldmarſchallieutenant Puchner und von dem Anfüh-<lb/> rer der ruſſiſchen Beſatzung bewohnten Gebäude wurden von den grimmigen<lb/> Siegern niedergeſchoſſen. Ein großer Theil der Einwohner war ſo glück-<lb/> lich während des außerhalb der Stadt wüthenden Kampfes, mit Zurück-<lb/> laſſung aller Habſeligkeiten, den Mißhandlungen der magyariſchen Frei-<lb/> beuter durch die Flucht nach der Walachei zu entkommen. Das ſieben-<lb/> bürgiſche Generalcommando ſuchte ebenfalls ſein Heil in eiligſter Flucht<lb/> nach dem Rothenthurmpaß. Die Zahl der Todten und Verwundeten ſoll<lb/> beiderſeits ſehr bedeutend geweſen ſeyn, da der Kampf mit großer Erbit-<lb/> terung geführt wurde. Die Ruſſen ſollen über 1000 Mann verloren ha-<lb/> ben, eine Angabe die uns übertrieben ſcheint. Thatſache iſt es aber<lb/> daß Bem Herrmannſtadt beſetzt hat und daß die ruſſiſche Garniſon un-<lb/> ſichtbar geworden. Die zerſtreuten Trümmer derſelben ſollen ſich an der<lb/> walachiſchen Gränze ſammeln. Dieſes Mißgeſchick iſt um ſo beklagens-<lb/> werther als die durch einen tiefen Graben, durch doppelte Mauern und<lb/> außerdem durch ſtarke Barricaden geſchützte Stadt bis zur Ankunft Puch-<lb/> ner’s ohne Zweifel hätte vertheidigt und gerettet werden können, wäh-<lb/> rend ihr Fall eine zweite, vielvermehrte Auflage der ſo unbeliebten In-<lb/> tervention nöthig macht. Das ſind die Früchte der <hi rendition="#g">verkehrten,</hi> der<lb/><hi rendition="#g">halben</hi> Maßregeln die man ergriffen. 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Ich<lb/> hatte wahrlich Recht Ihnen ſchon vor mehreren Monaten vorauszuſagen<lb/> daß dieſe übermäßige Anhäufung ruſſiſcher Truppen in dieſen Ländern<lb/> mit dem ungariſchen Kriege in engem Zuſammenhang ſtehe. Der Ein-<lb/> druck den <hi rendition="#g">dieſe</hi> Intervention macht, iſt ein ſehr ſchmerzlicher. Tief be-<lb/> dauert jeder Freund der Freiheit und Geſittung die traurige Nothwendig-<lb/> keit derſelben. Und mit Recht: denn dieſe willfährige Hülfsleiſtung<lb/> Rußlands verpflichtet Oeſterreich zu Gegendienſten, zu einer innigeren Al-<lb/> lianz, die ihre freiheitsgefährliche Rückwirkung auf die Neugeſtaltung<lb/> Oeſterreichs und Deutſchlands nicht verfehlen kann. <hi rendition="#g">Nachſchrift.</hi> So-<lb/> eben geht uns die ſichere Kunde zu daß General Hasfort die Gränze Sie-<lb/> benbürgens bereits überſchritten, während Puchner wieder gegen Her-<lb/> mannſtadt vorrückt.</p> </div> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jVarious" n="2"> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Die Paris-Straßburger Eiſenbahn.</hi> </hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">* Paris,</hi> 28 März.</dateline><lb/> <p>Die Bauten an der Paris-Straßburger Eiſen-<lb/> bahn nehmen einen erfreulichen Fortgang. 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Von dieſem Zeitpunkte an wird der Verkehr zwiſchen Paris<lb/> und Südweſtdeutſchland, der gegenwärtig meiſtentheils über Köln und<lb/> Brüſſel einen Umweg nimmt, ſo ziemlich in ſeine alte Straße zurückkehren.<lb/> Wie lange wird aber die öſterreichiſche Poſt noch über Berlin ihren Weg<lb/> nehmen müſſen? (Und wird man nicht bald an eine ernſtliche Ausführung<lb/> der Verbindung des deutſchen Südoſtens mit Frankreich denken? Während<lb/> wir drei Parallelbahnen in Süddeutſchland von Nord nach Süd baben<lb/> fehlt uns alle Verbindung des Oftens mit dem Weſten. Köln und Berlin<lb/> find genähert durch die Mindener Bahn, Breslau, Leipzig und Frankfurt<lb/> in größter Strecke — ſoll der Süden immer noch dem Süden fern liegen<lb/> bleiben? 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mee Bems erfolgreich die Spitze bieten zu können? Werden die Ruſſen
nun, der ausdrücklichen Erklärung der öſterreichiſchen Regierung entgegen,
einen activen Antheil an dieſem Kriege nehmen? Ladet die öſterreichiſche
Regierung ſich durch Annahme noch bedeutenderer ruſſiſcher Hülfe nicht
noch größere Verpflichtungen gegen Rußland auf? Dieſes iſt es was uns
bange genug macht, denn es iſt wohl leicht zu errathen um welchen Preis
Rußland ſo freundnachbarlich ſeine Hülfe anbietet. Oeſterreich ſoll ihm
freie Hand laſſen in den Donaufürſtenthümern, wo die Ereigniſſe jeden-
falls einer Entſcheidung entgegengehen; es ſoll die Augen zudrücken und
Rußland in der Ausführung ſeiner gut angelegten Plane bezüglich jener
Länder ſeinerſeits nicht beirren. Uns aber ſcheint es daß für Oeſterreich
der Verluſt der Donaufürſtenthümer ſelbſt durch die Wiedereroberung
Siebenbürgens — an der übrigens auch ohne ruſſiſche Hülfe wohl kein
Vernünftiger zweifeln wird — nicht aufgewogen werden könnte. Und
was würde und müßte Deutſchland dazu ſagen, Deutſchland welches be-
rufen und berechtigt iſt die Donau zu befreien, und das, ohne einen
Selbſtmord zu begehen, nicht zugeben kann daß dieſe Pulsader ſeines
Handels an ihrer Mündung von ruſſiſchen Zöllnern zugeſchnürt werde!
*
⛝ Raſa an der walachiſchen Gränze, 18 März.
Dieß-
mal erhalten Sie leider nur ſehr betrübende Nachrichten aus Siebenbürgen.
Wir erfahren ſo eben aus ſehr guter Quelle daß der nicht minder unter-
nehmende als kriegsgewandte Bem den ihn von Mediaſch in der Rich-
tung gegen Maros-Vaſarhely verfolgenden Puchner zu umgehen gewußt
und am 11 d. M. mit 12,000 Mann und 26 Kanonen plötzlich vor Her-
mannſtadt erſchienen. Die dortige 6000 — nach andern 8000 *) Mann
ſtarke ruſſiſche Garniſon beging die ungeheure Unvorſichtigkeit die
ihrer Obhut anvertraute Stadt zu verlaſſen und die von Bem auf offe-
nem Felde angebotene Schlacht anzunehmen. Was aber früher dem ſel-
tenen Heldenmuthe der öſterreichiſchen Truppen unter Puchner gelungen,
nämlich den dreimal ſtärkeren Feind zurückzuſchlagen und bis Stolzenburg
— zwei Stunden weit von Hermannſtadt — zu verfolgen, verſagte das
Kriegsglück der zahlreicheren ruſſiſchen Garniſon. Und doch ſoll dieſe größ-
theils aus kaukaſiſchen Siegern beſtehende Truppenabtheilung ſehr
wacker ſich geſchlagen haben. Der Kampf, der von 9 Uhr Morgens bis
9 Uhr Abends wüthete, war ebenſo erbittert als mörderiſch, und endete
leider mit der gänzlichen Niederlage und Zerſprengung der Ruſſen und
mit der Einnahme der herrlichen Sachſenſtadt, der ſchönſten und gewerb-
reichſten des Landes, die von dem unbarmherzigen Sieger der Plünde-
rungsſucht ſeiner Truppen preisgegeben worden. Das ſächſiſche Natio-
nalhaus, ferner die vom Feldmarſchallieutenant Puchner und von dem Anfüh-
rer der ruſſiſchen Beſatzung bewohnten Gebäude wurden von den grimmigen
Siegern niedergeſchoſſen. Ein großer Theil der Einwohner war ſo glück-
lich während des außerhalb der Stadt wüthenden Kampfes, mit Zurück-
laſſung aller Habſeligkeiten, den Mißhandlungen der magyariſchen Frei-
beuter durch die Flucht nach der Walachei zu entkommen. Das ſieben-
bürgiſche Generalcommando ſuchte ebenfalls ſein Heil in eiligſter Flucht
nach dem Rothenthurmpaß. Die Zahl der Todten und Verwundeten ſoll
beiderſeits ſehr bedeutend geweſen ſeyn, da der Kampf mit großer Erbit-
terung geführt wurde. Die Ruſſen ſollen über 1000 Mann verloren ha-
ben, eine Angabe die uns übertrieben ſcheint. Thatſache iſt es aber
daß Bem Herrmannſtadt beſetzt hat und daß die ruſſiſche Garniſon un-
ſichtbar geworden. Die zerſtreuten Trümmer derſelben ſollen ſich an der
walachiſchen Gränze ſammeln. Dieſes Mißgeſchick iſt um ſo beklagens-
werther als die durch einen tiefen Graben, durch doppelte Mauern und
außerdem durch ſtarke Barricaden geſchützte Stadt bis zur Ankunft Puch-
ner’s ohne Zweifel hätte vertheidigt und gerettet werden können, wäh-
rend ihr Fall eine zweite, vielvermehrte Auflage der ſo unbeliebten In-
tervention nöthig macht. Das ſind die Früchte der verkehrten, der
halben Maßregeln die man ergriffen. War die Intervention eine un-
ausweichliche Nothwendigkeit — und das ſcheint ſie geweſen zu ſeyn, da
leider immer noch keine öſterreichiſchen Truppen zur Ablöſung der ruſſi-
ſchen Beſatzungen ſich blicken laſſen; ſo hätte ihr Umfang mit dem zu errei-
chenden Zwecke gleich anfangs ſchon in richtigem Verhältniß ſtehen, für jede
Eventualität berechnet werden ſollen. Auf die Zahl der fremden Hülfstrup-
pen kommt es ja gar nicht an, ſobald einmal die unglückſeligſte aller Maß-
regeln, die Verletzung des Grundſatzes der Nichteinmiſchung, beſchloſſen
worden. Was aber bei Anrufung der Intervention verſäumt worden,
muß nach der Kataſtrophe von Hermannſtadt auch gegen den Willen Oeſter-
reichs geſchehen. Lüders kann unmöglich die Niederlage ſeiner Truppen
ungerächt laſſen. Und muß er nicht das Schickſal der zerſprengten Gar-
niſon ſicherſtellen? Muß er nicht den durch die Unvorſichtigkeit des
Oberſten Skariatin der Sache Oeſterreichs zugefügten unberechenbaren
Schaden um jeden Preis wieder gut zu machen ſuchen? Wir erfahren auch
ſchon daß die Intervention eine große Ausdehnung erhalten ſoll, und daß
namentlich General Hasfort den Auftrag erhalten mit 20,000 Mann und
50 Kanonen aus der Walachei ſofort in Siebenbürgen einzurücken, um
gleichzeitig mit Puchner die unglückliche Sachſenſtadt zu befreien. Bem
dürfte demnach zwiſchen zwei Feuer gerathen und ſeine Rolle bald ausge-
ſpielt haben. In Folge dieſer traurigen Wendung des verhängnißreichen
Bürgerkrieges überſchwemmen abermals friſche Truppen, die faſt täglich
bei Leowa, Skuleni und Lipkani den Pruth in großer Anzahl überſchrei-
ten, die beiſpiellos heimgeſuchten, unglücklichen Donaufürſtenthümer. Ich
hatte wahrlich Recht Ihnen ſchon vor mehreren Monaten vorauszuſagen
daß dieſe übermäßige Anhäufung ruſſiſcher Truppen in dieſen Ländern
mit dem ungariſchen Kriege in engem Zuſammenhang ſtehe. Der Ein-
druck den dieſe Intervention macht, iſt ein ſehr ſchmerzlicher. Tief be-
dauert jeder Freund der Freiheit und Geſittung die traurige Nothwendig-
keit derſelben. Und mit Recht: denn dieſe willfährige Hülfsleiſtung
Rußlands verpflichtet Oeſterreich zu Gegendienſten, zu einer innigeren Al-
lianz, die ihre freiheitsgefährliche Rückwirkung auf die Neugeſtaltung
Oeſterreichs und Deutſchlands nicht verfehlen kann. Nachſchrift. So-
eben geht uns die ſichere Kunde zu daß General Hasfort die Gränze Sie-
benbürgens bereits überſchritten, während Puchner wieder gegen Her-
mannſtadt vorrückt.
Die Paris-Straßburger Eiſenbahn.
* Paris, 28 März.
Die Bauten an der Paris-Straßburger Eiſen-
bahn nehmen einen erfreulichen Fortgang. Auf der Strecke zwiſchen Paris
und Epernay (etwa zwanzig geographiſche Meilen) iſt das doppelte Ge-
leiſe ſchon größtentheils gelegt und an den noch vorhandenen Lücken wird
mit Anſtrengung gearbeitet. Die Einſteighalle und die Güterſchoppen des
Pariſer Bahnhofs ſind unter Dach. Die Gebäude der Zwiſchenſtationen
find zwar noch nicht begonnen, ſie ſollen aber durch proviſoriſche Anlagen
erſetzt werden, deren Herſtellung die auf Mai oder Junius feſtgeſetzte Er-
öffnung der fraglichen Bahnſtrecke nicht verzögern wird. Auch an der
Zweigbahn von Nanzig (Frouard) nach Saarbrücken wird kommenden
Sommer mit erneuter Kraft gearbeitet werden. Die Strecke von Nanzig
nach Metz wird mit Beſtimmtheit übers Jahr (vorderhand mit einfacher
Spur) eröffnet werden. Zwiſchen Metz und der deutſchen Gränze wird
der Bahnbau mit dem der preußiſchen Saarbahn gleichen Schritt halten.
Größere Eile wäre zwecklos, da die Bahn von Metz durch Deutſchlothringen,
ohne den Saarübergang der ihr die Kohlengruben aufſchließt, ohne Aus-
gangspunkt wäre. Eine Verzögerung ſteht aber von franzöſiſcher Seite
nicht zu erwarten, da die erforderlichen Geldmittel vorhanden ſind und
Beſchleunigung im Intereſſe der conceſſionirten Geſellſchaft liegt. Da
nun die pfälziſche Ludwigsbahn von Ludwigshafen (Mannheim) bis Bexbach
noch in dieſem Jahre auf ihrer ganzen Länge in Betrieb kommt, ſo liegt der
Zeitpunkt wo eine nur durch den Rhein unterbrochene Eiſenbahnverbindung
zwiſchen Frankfurt und Nanzig (über Darmſtadt, Mannheim, Neuſtadt,
Saarbrücken, Metz) hergeſtellt ſeyn wird, ganz in Händen der preußiſchen
Regierung. Von dieſem Zeitpunkte an wird der Verkehr zwiſchen Paris
und Südweſtdeutſchland, der gegenwärtig meiſtentheils über Köln und
Brüſſel einen Umweg nimmt, ſo ziemlich in ſeine alte Straße zurückkehren.
Wie lange wird aber die öſterreichiſche Poſt noch über Berlin ihren Weg
nehmen müſſen? (Und wird man nicht bald an eine ernſtliche Ausführung
der Verbindung des deutſchen Südoſtens mit Frankreich denken? Während
wir drei Parallelbahnen in Süddeutſchland von Nord nach Süd baben
fehlt uns alle Verbindung des Oftens mit dem Weſten. Köln und Berlin
find genähert durch die Mindener Bahn, Breslau, Leipzig und Frankfurt
in größter Strecke — ſoll der Süden immer noch dem Süden fern liegen
bleiben? Während deſſen hat Württemberg noch keine Verbindung mit
Baden, Bayern noch keine mit Württemberg, Oeſterreich noch keine mit
Bayern!)
Der Staatsproceß vom 15 Mai.
§ Bourges, 28 März.
(Die Sitzungen vom 26, 27 und 28 März.)
Der Proceß nähert ſich ſeinem Schluß, noch einige Tage und die Tragi-
Komödie iſt zu Ende. Seit zwei Tagen, ehegeſtern und geſtern, hat der
Generalprocurator die Schleußen ſeines Requiſitoriums eröffnet und die
Worte ergoſſen ſich vom Morgen bis zum Abend. Es war eine zweite
Ausgabe der Anklageacte. Ich will Sie nicht mit dieſen wohlgeſetzten
etwas weitſchweifigen officiellen Declamationen unterhalten. So ſpricht
man immer am Tag nachher. Alle dieſe großen Worte verhindern nichts,
wirken nichts und bedeuten nichts. So ſprachen alle Generalprocuratoren
während der Reſtauration, unter Ludwig Philipp, und ſo ſprechen ſie
*) Die Angaben wechſeln zwiſchen 2000 und 8000 Mann!
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(2022-03-29T12:00:00Z)
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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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