Allgemeine Zeitung, Nr. 94, 4. April 1849.[Spaltenumbruch]
noch jetzt unter der demokratischen Republik. Throne stürzen, Systeme Ostindien. Wie die Indian News melden, hat die "archäologische Gesellschaft" [irrelevantes Material]
[Spaltenumbruch]
noch jetzt unter der demokratiſchen Republik. Throne ſtürzen, Syſteme Oſtindien. Wie die Indian News melden, hat die „archäologiſche Geſellſchaft“ [irrelevantes Material]
<TEI> <text> <body> <div type="jSupplement" n="1"> <floatingText> <body> <div type="jVarious" n="2"> <div type="jArticle" n="3"> <p><pb facs="#f0014" n="1446"/><cb/> noch jetzt unter der demokratiſchen Republik. Throne ſtürzen, Syſteme<lb/> wechſeln, aber die officielle Rhetorik bleibt ſich gleich. Wer wird uns<lb/> von dieſer Plage befreien? Ich will nur mit wenigen Worten auf den<lb/> Anfang der vorgeſtrigen Sitzung zurückkommen, weil noch eine Nachleſe<lb/> der proviſoriſchen Regierung, einige <hi rendition="#aq">dii minorum gentium</hi> zum Vor-<lb/> ſchein kamen. Der Präfident hatte dieſelben vermöge ſeiner discretionä-<lb/> ren Gewalt vorgeladen ihre Anſichten über Perſonen und Zuſtände der<lb/> damaligen Zeit mitzutheilen, ſie wurden daher vernommen ohne den Eid<lb/> zu leiſten. Zuerſt erſchien <hi rendition="#g">Marie,</hi> ein Mann in den beſten Jahren, von<lb/> anſehnlicher Geſtalt und feinem Weſen. Sein Wort iſt beſtimmt, ſicher<lb/> und kann ſcharf und abſtoßend werden; doch iſt ſeine Stimme ohne Klang.<lb/> Graue matte Augen, blaſſe Geſichtsfarbe und ſpärliches blondes Haar<lb/> geben ſeiner Erſcheinung etwas mildes. Er gerieth hart zuſammen mit<lb/> Blanqui, welcher die Widerſprüche zwiſchen verſchiedenen Aeußerungen<lb/> Lamartine’s und Marie’s aufzeigte, der Strauß wurde heftig als Marie<lb/> nach einer Mittheilung Ledru-Rollins äußerte daß Blanqui dieſem vor-<lb/> geſchlagen habe die gemäßigte Fraction der proviſoriſchen Regierung durch<lb/> eine entſchiedenere zu erſetzen, in der Blanqui eine Stelle haben würde.<lb/> Dieſer widerſprach aufs entſchiedenſte, und läugnete je weder direct noch<lb/> indirect Ledru-Rollin einen Vorſchlag der Art gemacht zu haben. Da<lb/> Marie eine ähnliche Anſicht vor der Unterſuchungscommiſſion gegeben<lb/> hatte, ſo nahm Blanqui hiervon Veranlaſſung ſich über die letztere auszu-<lb/> ſprechen, und bezeichnete die von derſelben herausgegebene Arbeit als <hi rendition="#aq">«le<lb/> monument le plus honteux de notre époque»,</hi> denn, ſagte er, hierin<lb/> haben die größten Perſonen des Staats (wohlverſtanden die „größten“ ſeit<lb/> der Revolution des Februar) gelogen wie gedruckt. Dieſe Aeußerung rief<lb/> einen allgemeinen Sturm hervor, und der Präſident verwies ihm ſolche<lb/> Sprache ziemlich hart. Indeß er ließ ſich nicht einſchrecken. Kurz die<lb/> Moral der Geſchichte iſt daß <hi rendition="#aq">extra muros</hi> und <hi rendition="#aq">intra muros</hi> tüchtig ge-<lb/> logen wurde. Nach einer kurzen Pauſe trat <hi rendition="#g">Garnier-Pagès</hi> auf, vor<lb/> dem 24 Februar Inhaber eines Commiſſionsgeſchäfts, in dem Seife einen<lb/> Hauptartikel bildete, ſeitdem ein hoher Würdenträger und Erfinder der<lb/> Steuer der 45 Centimes, traurigen Andenkens. Seine Züge haben etwas<lb/> rundes, bäueriſch gutmüthiges, er ſieht aus wie ein deutſcher Landſchul-<lb/> meiſter aus der Jahn’ſchen Schule, mit langem zurückgekämmten Haar,<lb/> das ſtark ergraut iſt und in Locken auf die Schultern fällt, ein brauner<lb/> Backenbart, buſchige Augenbrauen und eine Beule über dem linken Auge<lb/> vollenden das Bild dieſes nicht glücklichen Finanzminiſters. Seine Sprache<lb/> hat indeß einen angenehmen Klang und der Ton ſeiner Stimme läßt auf<lb/> eine angegriffene Bruſt ſchließen. Er ergeht ſich in langen allgemeinen<lb/> Betrachtungen und gibt nebenbei dem General Courtais ein gutes Zeug-<lb/> niß. Er würde noch heute ſprechen, hätte der Präſident ihm nicht Ein-<lb/> halt gethan um noch eine andere Ruine der proviſoriſchen Regierung zu<lb/> vernehmen, nämlich Pagnerre, einen derben Mann von mittlerer Statur<lb/> und langem braunen Haar, breitſchultrig und mit ſchwarzem Schnurrbart,<lb/> aber Inhaber eines Geſichts von dem die Grazien in ehrerbietiger Entfer-<lb/> nung|geblieben ſind. Er gibt ebenfalls dem General Courtais ein gutes<lb/> Prädicat und zieht ſich zurück. Doch ich bemerke daß ich <hi rendition="#g">Cremieux,</hi> den<lb/> einſtigen Miniſter der Gnaden und Gerechtigkeit, vergeſſen habe. Hier<lb/> bin ich aber wirklich in Verlegenheit. Wo ſoll man bei ihm anfangen<lb/> und wo enden? Der ganze Mann iſt nur 4 Schuh hoch. Bei ſeinem<lb/> Anblick iſt mir’s klar geworden warum die Gerechtigkeit eine Binde über<lb/> den Augen trägt, denn hätte ſie die Augen offen, ſo hätte ſie ihn nie zum<lb/> Miniſter gewählt. Seit Sokrates hat es wohl keinen unhübſcheren Mann<lb/> gegeben. Seine Stumpfnaſe iſt zum Verzweifeln und eine permanente<lb/> Proteſtation gegen alle Harmonie der Linien. Schade iſt es daß auch der<lb/> Klang ſeiner Stimme nichts verſöhnendes oder wohlthuendes hat. Seine<lb/> Ausſagen bezogen ſich nur auf untergeordnete Punkte. Nach ſeinem Ab-<lb/> gang gab der Präſident dem Generalprocurator das Wort, und nun be-<lb/> gann das Requiſitorium in welchem die ſämmtlichen Punkte der Anklage<lb/><cb/> nur in einer mehr logiſchen Anordnung wiederholt wurden. Trotzdem<lb/> daß das Zeugenverhör zur Genüge dargethan hat daß die dreizehn Ange-<lb/> klagten wie vom Zufall zuſammengewürfelt und daß mehrere der Haupt-<lb/> ſchuldigen gar nicht hier ſind, ſo wurden dennoch drei Kategorien ange-<lb/> nommen, nämlich Blanqui, Albert, Barbès, Sobrier und Raſpail als<lb/> Hauptagenten, Flotte, Quentin, Degré <hi rendition="#aq">(le pompier),</hi> Larger als Agen-<lb/> ten zweiten Ranges, und Thomas, Courtais, Villain und Borme als<lb/> Mitſchuldige. Der Schluß der geſtrigen Sitzung führte einen ſeltſamen<lb/> Zwiſchenfall herbei. Während nämlich der General-Advocat in ſeinem<lb/> Vortrage bei Gelegenheit Raſpails äußerte, dieſer habe nach dem Hotel<lb/> de Ville gehen wollen oder ſey wenigſtens ganz in der Nähe desſelben<lb/> geweſen, rief plötzlich eine Stimme auf einer der Tribünen des Publicums:<lb/><hi rendition="#aq">«Ça n’est pas vrai!»</hi> Dieſe Unterbrechung erregte einen heftigen Tu-<lb/> mult, und der Präſident ließ den Ruheſtörer durch Gendarmen herab-<lb/> bringen und ſogleich vor Gericht ſtellen. Der General-Advocat trug auf<lb/> die geſetzliche Strafe, d. h. auf 2 bis 5 Jahre Gefängniß an. Der junge<lb/> Mann, ein Freund von Raſpails Sohne, bat den Präſidenten um Entſchul-<lb/> digung, und erklärte er habe dieſen Schrei ſeines Herzens nicht unter-<lb/> drücken können, und es ſey keineswegs ſeine Abſicht geweſen das Gericht<lb/> zu beleidigen. Raſpail ſelber ſuchte ihn zu entſchuldigen, und da der<lb/> Generalprocurator erklärte nicht weiter auf Beſtrafung dringen zu wollen,<lb/> ſo kam er mit 24 Stunden Gefängniß davon. Dieſen Morgen begann<lb/> die Vertheidigung der Angeklagten. Für Blanqui traten zwei Advocaten<lb/> auf, indeſſen hatte ihr Vortrag nichts bedeutendes, und auf jeden Fall<lb/> wird Blanqui wohl ſelber ſpäter das Wort nehmen, denn niemand kann<lb/> ihm ſo dienen wie er ſelber. Albert und Barbès erklärten ſich nicht ver-<lb/> theidigen zu wollen. Für Sobrier ſprach mit Talent und Wärme ein<lb/> Pariſer Advocat Baud; ich werde morgen darauf zurückkommen. Jetzt<lb/> kam die Reihe an Raſpail. In einem dreiſtündigen meiſterhaften Vor-<lb/> trage, der das größte Intereſſe und die höchſte Aufmerkſamkeit des Gerichts<lb/> wie der Jury erregte, und der ernſte Folgen haben kann, durch die Art<lb/> wie er den <hi rendition="#g">Marquis</hi> de Marraſt angriff und zeigte daß dieſer eigentlich<lb/> auf der Bank der Angeklagten ſitzen müſſe. Wir ſahen dieſen hohen<lb/> Herrn neulich (fuhr er fort) hier von zwei Huiſſiers umgeben, zwei Gen-<lb/> darmen hätten es ſeyn ſollen! Er ſteckt auf dem Grund dieſer dunkeln<lb/> Geſchichte des 15 Mai. 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Prinſep entzifferte Pali-Inſchrift<lb/> auf einem Steinpfeiler — ſich vorfinden. Die Thatſache daß der Bud-<lb/> dhismus einſt Jahrhunderte lang in ganz Indien blühte, muß man ganz<lb/> aus Denkmälern, Gebäuden, Münzen, Inſchriften ꝛc. entnehmen; denn die<lb/> großen altindiſchen Epen und die Puranas ſind ſo ſchweigſam darüber<lb/> als hätte dieſe Religion niemals in Indien exiſtirt; alle noch vorhandenen<lb/> Ueberreſte der Architektur und Sculptur gehen raſch ihrem Untergang<lb/> entgegen, und umſomehr thut Vorſorge für dieſelben noth. Auch Tho-<lb/> mas Wyſe Eſq., der neue brittiſche Geſandte in Athen, hat vor ſeiner<lb/> Abreiſe dahin bei dem indiſchen Controlamt und dem Directorium der<lb/> oftindiſchen Compagnie Schritte für beſſere Erhaltung der indiſchen Al-<lb/> terthümer gethan.</p> </div> </div><lb/> <div type="jAnnouncements" n="2"> <gap reason="insignificant"/> </div> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [1446/0014]
noch jetzt unter der demokratiſchen Republik. Throne ſtürzen, Syſteme
wechſeln, aber die officielle Rhetorik bleibt ſich gleich. Wer wird uns
von dieſer Plage befreien? Ich will nur mit wenigen Worten auf den
Anfang der vorgeſtrigen Sitzung zurückkommen, weil noch eine Nachleſe
der proviſoriſchen Regierung, einige dii minorum gentium zum Vor-
ſchein kamen. Der Präfident hatte dieſelben vermöge ſeiner discretionä-
ren Gewalt vorgeladen ihre Anſichten über Perſonen und Zuſtände der
damaligen Zeit mitzutheilen, ſie wurden daher vernommen ohne den Eid
zu leiſten. Zuerſt erſchien Marie, ein Mann in den beſten Jahren, von
anſehnlicher Geſtalt und feinem Weſen. Sein Wort iſt beſtimmt, ſicher
und kann ſcharf und abſtoßend werden; doch iſt ſeine Stimme ohne Klang.
Graue matte Augen, blaſſe Geſichtsfarbe und ſpärliches blondes Haar
geben ſeiner Erſcheinung etwas mildes. Er gerieth hart zuſammen mit
Blanqui, welcher die Widerſprüche zwiſchen verſchiedenen Aeußerungen
Lamartine’s und Marie’s aufzeigte, der Strauß wurde heftig als Marie
nach einer Mittheilung Ledru-Rollins äußerte daß Blanqui dieſem vor-
geſchlagen habe die gemäßigte Fraction der proviſoriſchen Regierung durch
eine entſchiedenere zu erſetzen, in der Blanqui eine Stelle haben würde.
Dieſer widerſprach aufs entſchiedenſte, und läugnete je weder direct noch
indirect Ledru-Rollin einen Vorſchlag der Art gemacht zu haben. Da
Marie eine ähnliche Anſicht vor der Unterſuchungscommiſſion gegeben
hatte, ſo nahm Blanqui hiervon Veranlaſſung ſich über die letztere auszu-
ſprechen, und bezeichnete die von derſelben herausgegebene Arbeit als «le
monument le plus honteux de notre époque», denn, ſagte er, hierin
haben die größten Perſonen des Staats (wohlverſtanden die „größten“ ſeit
der Revolution des Februar) gelogen wie gedruckt. Dieſe Aeußerung rief
einen allgemeinen Sturm hervor, und der Präſident verwies ihm ſolche
Sprache ziemlich hart. Indeß er ließ ſich nicht einſchrecken. Kurz die
Moral der Geſchichte iſt daß extra muros und intra muros tüchtig ge-
logen wurde. Nach einer kurzen Pauſe trat Garnier-Pagès auf, vor
dem 24 Februar Inhaber eines Commiſſionsgeſchäfts, in dem Seife einen
Hauptartikel bildete, ſeitdem ein hoher Würdenträger und Erfinder der
Steuer der 45 Centimes, traurigen Andenkens. Seine Züge haben etwas
rundes, bäueriſch gutmüthiges, er ſieht aus wie ein deutſcher Landſchul-
meiſter aus der Jahn’ſchen Schule, mit langem zurückgekämmten Haar,
das ſtark ergraut iſt und in Locken auf die Schultern fällt, ein brauner
Backenbart, buſchige Augenbrauen und eine Beule über dem linken Auge
vollenden das Bild dieſes nicht glücklichen Finanzminiſters. Seine Sprache
hat indeß einen angenehmen Klang und der Ton ſeiner Stimme läßt auf
eine angegriffene Bruſt ſchließen. Er ergeht ſich in langen allgemeinen
Betrachtungen und gibt nebenbei dem General Courtais ein gutes Zeug-
niß. Er würde noch heute ſprechen, hätte der Präſident ihm nicht Ein-
halt gethan um noch eine andere Ruine der proviſoriſchen Regierung zu
vernehmen, nämlich Pagnerre, einen derben Mann von mittlerer Statur
und langem braunen Haar, breitſchultrig und mit ſchwarzem Schnurrbart,
aber Inhaber eines Geſichts von dem die Grazien in ehrerbietiger Entfer-
nung|geblieben ſind. Er gibt ebenfalls dem General Courtais ein gutes
Prädicat und zieht ſich zurück. Doch ich bemerke daß ich Cremieux, den
einſtigen Miniſter der Gnaden und Gerechtigkeit, vergeſſen habe. Hier
bin ich aber wirklich in Verlegenheit. Wo ſoll man bei ihm anfangen
und wo enden? Der ganze Mann iſt nur 4 Schuh hoch. Bei ſeinem
Anblick iſt mir’s klar geworden warum die Gerechtigkeit eine Binde über
den Augen trägt, denn hätte ſie die Augen offen, ſo hätte ſie ihn nie zum
Miniſter gewählt. Seit Sokrates hat es wohl keinen unhübſcheren Mann
gegeben. Seine Stumpfnaſe iſt zum Verzweifeln und eine permanente
Proteſtation gegen alle Harmonie der Linien. Schade iſt es daß auch der
Klang ſeiner Stimme nichts verſöhnendes oder wohlthuendes hat. Seine
Ausſagen bezogen ſich nur auf untergeordnete Punkte. Nach ſeinem Ab-
gang gab der Präſident dem Generalprocurator das Wort, und nun be-
gann das Requiſitorium in welchem die ſämmtlichen Punkte der Anklage
nur in einer mehr logiſchen Anordnung wiederholt wurden. Trotzdem
daß das Zeugenverhör zur Genüge dargethan hat daß die dreizehn Ange-
klagten wie vom Zufall zuſammengewürfelt und daß mehrere der Haupt-
ſchuldigen gar nicht hier ſind, ſo wurden dennoch drei Kategorien ange-
nommen, nämlich Blanqui, Albert, Barbès, Sobrier und Raſpail als
Hauptagenten, Flotte, Quentin, Degré (le pompier), Larger als Agen-
ten zweiten Ranges, und Thomas, Courtais, Villain und Borme als
Mitſchuldige. Der Schluß der geſtrigen Sitzung führte einen ſeltſamen
Zwiſchenfall herbei. Während nämlich der General-Advocat in ſeinem
Vortrage bei Gelegenheit Raſpails äußerte, dieſer habe nach dem Hotel
de Ville gehen wollen oder ſey wenigſtens ganz in der Nähe desſelben
geweſen, rief plötzlich eine Stimme auf einer der Tribünen des Publicums:
«Ça n’est pas vrai!» Dieſe Unterbrechung erregte einen heftigen Tu-
mult, und der Präſident ließ den Ruheſtörer durch Gendarmen herab-
bringen und ſogleich vor Gericht ſtellen. Der General-Advocat trug auf
die geſetzliche Strafe, d. h. auf 2 bis 5 Jahre Gefängniß an. Der junge
Mann, ein Freund von Raſpails Sohne, bat den Präſidenten um Entſchul-
digung, und erklärte er habe dieſen Schrei ſeines Herzens nicht unter-
drücken können, und es ſey keineswegs ſeine Abſicht geweſen das Gericht
zu beleidigen. Raſpail ſelber ſuchte ihn zu entſchuldigen, und da der
Generalprocurator erklärte nicht weiter auf Beſtrafung dringen zu wollen,
ſo kam er mit 24 Stunden Gefängniß davon. Dieſen Morgen begann
die Vertheidigung der Angeklagten. Für Blanqui traten zwei Advocaten
auf, indeſſen hatte ihr Vortrag nichts bedeutendes, und auf jeden Fall
wird Blanqui wohl ſelber ſpäter das Wort nehmen, denn niemand kann
ihm ſo dienen wie er ſelber. Albert und Barbès erklärten ſich nicht ver-
theidigen zu wollen. Für Sobrier ſprach mit Talent und Wärme ein
Pariſer Advocat Baud; ich werde morgen darauf zurückkommen. Jetzt
kam die Reihe an Raſpail. In einem dreiſtündigen meiſterhaften Vor-
trage, der das größte Intereſſe und die höchſte Aufmerkſamkeit des Gerichts
wie der Jury erregte, und der ernſte Folgen haben kann, durch die Art
wie er den Marquis de Marraſt angriff und zeigte daß dieſer eigentlich
auf der Bank der Angeklagten ſitzen müſſe. Wir ſahen dieſen hohen
Herrn neulich (fuhr er fort) hier von zwei Huiſſiers umgeben, zwei Gen-
darmen hätten es ſeyn ſollen! Er ſteckt auf dem Grund dieſer dunkeln
Geſchichte des 15 Mai. Man glaubt daß das Verdict am 2 April ge-
ſprochen werden wird.
Oſtindien.
Wie die Indian News melden, hat die „archäologiſche Geſellſchaft“
zu Delhi beſchloſſen die Regierung zu bitten: daß ſie den Ingenieurs,
welche jetzt mit Aufnahme des Bezirks von Delhi beauftragt ſind, einen
erfahrenen Archäologen und einen Zeichner beigeben möge, um alle alten
Gebäude, Inſchriften u. ſ. w., die ſich noch im ſüdlichen Bezirk von Delhi
finden, zu unterſuchen, und wenn das Ergebniß ſich lohne, auch andere
Theile der oberen Provinzen in gleicher Weiſe zu erforſchen. Als Hauptgrund
wird angeführt daß nicht nur intereſſante mohammedaniſche ſondern auch äl-
tere indiſche Alterthümer — z. B. die von J. Prinſep entzifferte Pali-Inſchrift
auf einem Steinpfeiler — ſich vorfinden. Die Thatſache daß der Bud-
dhismus einſt Jahrhunderte lang in ganz Indien blühte, muß man ganz
aus Denkmälern, Gebäuden, Münzen, Inſchriften ꝛc. entnehmen; denn die
großen altindiſchen Epen und die Puranas ſind ſo ſchweigſam darüber
als hätte dieſe Religion niemals in Indien exiſtirt; alle noch vorhandenen
Ueberreſte der Architektur und Sculptur gehen raſch ihrem Untergang
entgegen, und umſomehr thut Vorſorge für dieſelben noth. Auch Tho-
mas Wyſe Eſq., der neue brittiſche Geſandte in Athen, hat vor ſeiner
Abreiſe dahin bei dem indiſchen Controlamt und dem Directorium der
oftindiſchen Compagnie Schritte für beſſere Erhaltung der indiſchen Al-
terthümer gethan.
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(2022-03-29T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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