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Allgemeine Zeitung, Nr. 94, 4. April 1849.

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Beilage zu Nr. 94 der Allgemeinen Zeitung vom 4 April 1849.


[Spaltenumbruch]
Berlin und Deutschland.

Die Kaiserboten sind noch nicht eingetroffen;
wenigstens waren sie es vor einer Stunde noch nicht. Mit welcher Er-
wartung kommen sie? Wie wird man sie hier empfangen? Die Stadt hat
gestern Abend durch ihre Vertreter gesprochen, und nicht allein ihre eigene
Zufriedenheit daß es so gekommen, kund gegeben, sondern auch eine Adresse
an den König beschlossen, zum Glückwunsch und zur Bitte die dargebotene
Krone nicht abzulehnen. Außerdem hat man für Heinrich v. Gagern das
Ehrenbürgerrecht von Berlin decretirt und den feierlichen Empfang der
vierundzwanzig Deputirten aus Frankfurt als Ehrengäste unserer Stadt.
Diese Sitzung hat bis in die Nacht gedauert und die Anträge wurden mit
einem seltenen Feuer und allgemeiner Theilnahme debattirt. Das ist sehr
merkwürdig wenn man die fast apathische Stimmung sich zurückruft welche
anscheinend seit der ersten Anregung der desinitiven Kaiserwahlangelegen-
heit in Berlin herrschte. Erst von Frankfurt aus, von den dortigen Depu-
tirten die hier zu Hause, mußte der Funke angeblasen werden. Das wirkte
noch wenig, die alte Philisternatur fragte innerlich: was geht es uns an?
und die Agentien welche diese Natur im März und seitdem in einige Be-
wegung gebracht, gaben sich hiermit nicht viel zu thun. Die Radicalen fragten
hier umgekehrt: was geht es uns an! Wenigstens nicht so viel, um des
sehr ungewissen Abfalls willen der uns träfe, dafür zu wählen. Sie ver-
hielten sich passiv. Was indeß, wie in Frankfurt und in andern zweifel-
haften Theilen Deutschlands, den letzten Umschwung zu Wege gebracht,
that es auch hier, die Stellung, die letzten Lebensäußerungen der öster-
reichischen Regierung. Es ist durchaus keine Antipathie im Berliner, im
preußischen Bürger gegen Oesterreich; aber traditionell hat sich doch seit
den Friedericianischen Zeiten, und älter, seit der Regierung Schwarzen-
bergs in der Mark Brandenburg als kaiserlicher Bevollmächtigter und
Minister Georg Wilhelms eine gewisse Scheu vor der österreichischen
Regierung auch dem nicht denkenden Volke eingeimpft, und Metternichs
System hatte dieser Scheu einen solchen Stempel aufgedrückt daß es der
letzten Olmützer Experimente nicht bedurft hätte um vor der Möglichkeit
einer österreichischen Oberherrschaft aufzuschrecken. Diese Vorstellung hat
mehr gewirkt als das Verlangen im nächsten Verbande einem Staate an-
zugehören der bestimmt wäre ein Principat über die andern zu erhalten.
Das was in den kleineren deutschen Ländern begreiflich für das preußische
Kaiserthum operirt, das Gefühl der Nothwendigkeit sich eng zu einem
Ganzen zu verschlingen um Kraft nach außen zu gewinnen, hat keinen
Einfluß auf unsern Bürger; es übt auf die Gebildetern zur Zeit auch nur
durch die Reflexion Macht aus. Indeß ist es ganz unbestreitbar daß in
den letzten Wochen das erbkaiserliche Element in Berlin außerordentlich
gewachsen ist, und unsere sämmtlichen Zeitungen (mit Ausnahme der Neu-
preußischen Kreuzzeitung) nehmen mehr oder minder dafür Partei. So
kann man sagen daß die Stadtverordneten dießmal den Willen der Stadt
Berlin ausdrückten. Ich glaube auch daß der Magistrat sich ihnen an-
schließen wird, wenn nicht etwa Rücksichten und Winke von anderswoher
dazwischentreten. Aber wenn auch die Stadtverordneten dießmal die
Organe des bürgerlichen Willens sind, so ist damit doch wenig für den
Ausfall der Entscheidung, auf die es jetzt allein ankommt, gethan. Die
Stadtverordneten, und es sind dieselben noch, hatten zur Zeit des
Rumpfparlaments sich stark von der Sturmbewegung mit fortreißen
lassen, und wenn sie gleich vor der Steuerverweigerung die National-
versammlung gewarnt, hatten sie in erster Zeit doch dieselbe sehr unter-
stützt. Ist zwar zwischen ihnen und der Krone ein leidliches Verhältniß
wieder eingetreten, so zweifle ich doch daß ihre Stimme ein entscheidendes
Gewicht jetzt in die Wagschale legen würde. Alle übrigen Corporationen,
wenn von solchen bei einem noch nicht erwachten Gemeindeleben die Rede
seyn kann, schweigen zur Zeit noch; oder vielmehr sie haben noch keine Zeit
gehabt sich zu erklären, und wie es in Potsdam auf dem Thron und auf
den Stufen desselben aussteht, weiß niemand. Aller Wahrscheinlichkeit
nach fluctuiren hier die Meinungen, und es ist vielleicht gut, wie ich in
diesem Augenblick höre, daß die Deputation aus Frankfurt erst Montag
Mittag hier eintreffen soll. Man meint daß in den Familien der könig-
lichen Prinzen sich der Wunsch ausspricht daß der König annehme, auch
unter den Bedingungen welche der Verfassung durch die letzte Uebermacht
der Linken aufgedrückt wurden. Der König selbst wird sich auch weniger
dagegen sträuben als vor dem Bruch mit den Dissentirenden. Es kommt
bis dahin alles auf die Stimmen an welche sich unwillkürlich im nördlichen
Deutschland Luft machen, und durch welche Vermittelung sie nach Pots-
dam getragen werden. Die Ministerkrists ist noch in der Schwebe; sehr
[Spaltenumbruch] natürlich, sie kann definitiv nur mit jener Entscheidung erfolgen. Daß
die altschwarz - weiße Partei ihre ganzen Kräfte anstrengt den Versucher
mit der Krone von sich zu stoßen, versteht sich von selbst. Merkwürdig ist
daß, obgleich heute eine Sitzung der ersten Kammer war, welche Graf
Dyrhns Rede so warm entgegennahm, daselbst kein Antrag vorkam wel-
cher dem der gestrigen Nacht in der Stadtverordnetenversammlung ent-
sprochen hätte.



Oesterreich und Deutschland.

Der ministerielle Wiener Lloyd bemerkt unterm 29 März über die
deutsche Bundesfrage: "Fürst Schwarzenberg sagt in seiner Depesche an
Hrn. v. Schmerling daß man sich leicht einen Bundesstaat denken könne
"mit einer mit ausgedehnten Attributen ausgerüsteten und stark organi-
sirten Centralgewalt, mit einer ihr zur Seite stehenden Vertretung der
Einzelstaaten und ihrer Stämme, mit einer solchen Organisation des Ver-
eines endlich welche dem Auslande gegenüber ein großes, starkes, einiges
und einheitliches Deutschland dargestellt, und im Innern den verschiedenen
deutschen Staaten und Stämmen eine vernünftige Gemeinsamkeit der ma-
teriellen Interessen und der nationalen Rechtsinstitutionen gewährt haben
würde." Er fügt hinzu daß Oesterreich in einen solchen Bundesstaat ein-
zutreten jeden Augenblick bereit wäre. Wir wissen daß in dieser Erklä-
rung das letzte Wort Oesterreichs enthalten ist, das nicht geändert werden
kann ohne die Constitution zu ändern, was natürlich nicht geschehen wird.
Bei der Abfassung der Constitution mußte sich den Urhebern derselben die
Frage aufdrängen, wie Oesterreichs Verhältniß zum künftigen deutschen
Bundesstaate geregelt werden konnte, und die Antwort, die einzig mög-
liche, ist in der eben angeführten Depesche deutlich genug enthalten. Es
ist ohne Zweifel ein Bedürfniß unserer Zeit -- und ein Bedürfniß welches
nicht allein in Deutschland eristirt -- Bundesstaaten zu bilden. Kleine
Staaten die nicht die Macht haben sich unabhängig zu erhalten, haben auch
nicht ein Recht unabhängig zu bestehen. Je größer die Staaten werden
desto ungehinderter wird die Circulation großer Lebenskräfte, desto leich-
ter verbreitet sich materieller Wohlstand wie geistige Cultur, desto spärli-
cher finden sich die Gelegenheiten den Weltfrieden zu stören. Das nächste
Jahrhundert wird wahrscheinlich solche Staaten wie Holland, Belgien,
Dänemark, Portugal in ihren jetzigen Verhältnissen zur Welt nicht mehr
kennen. Sie werden durch Föderation sich retten oder untergehen müssen.
Es sind stets so bedeutende Schwierigkeiten welche sich der Einigung ver-
schiedener Staaten zu einem Bundesstaate entgegenstellen, daß diejenigen
welche mit der Vollendung eines so wichtigen Werkes beauftragt sind, sehr
wohl thun würden das nothwendige welches in der Bundesverfassung auf-
genommen werden muß, scharf von demjenigen zu scheiden was nur wün-
schenswerth ist und, je nach Umständen, aufgenommen oder ausgelassen
werden kann. Die Versammlung welche jetzt in der Paulskirche tagt, hat
dieses nicht beherzigt, und darin liegt die Ursache der Schwierigkeiten
welche jetzt das Werk der Einigung mit Oesterreich hemmen. Es ist
durchaus keine Nothwendigkeit vorhanden daß in einem Bundesstaate ganz
gleiche Gesetze in Bezug auf Criminal - und Civilrecht, in Bezug auf die
Presse, auf das Associationsrecht, auf die Gemeinde u. s. w. eingeführt
werden. Oesterreich kann recht wohl Grundrechte haben die denen
Deutschlands nicht gleichlautend sind, und dennoch seine Verpflichtungen
als ein Glied des deutschen Bundesstaats vollkommen erfüllen. Wir kön-
nen nicht zu oft auf Nordamerika hinweisen um aus jenem Lande uns das
Beispiel zu holen wie ein Bundesstaat gebildet werden kann. Dort wurde
nur Einheit in dem Nothwendigen gefordert, freilich auch in manchem
nicht Nothwendigen aus freien Stücken bewilligt, und in allen andern
Dingen die größtmögliche Verschiedenheit zugegeben. Der nächste Zweck
des deutschen Bundesstaates ist die Bildung eines einheitlichen Deutsch-
lands dem Auslande gegenüber, dann die Herstellung einer "vernünftigen
Gemeinsamkeit der materiellen Interessen" im Innern des Landes. Die
Erreichung dieses Zweckes darf nicht durch eigensinniges Beharren in der
Wahl der Mittel gefährdet werden. Und doch waltet jetzt der Streit
mehr ob der Mittel als ob des Zweckes, über den wir die Mehrheit der Na-
tion einverstanden glauben. Die Einheit Deutschlands unter einer star-
ken Centralregierung, mit "einer ihr zur Seite stehenden Vertretung der
Einzelstaaten und ihrer Stämme", ist unserem Ermessen nach viel wichti-
ger und wünschenswerther für das Wohl aller als ein uneiniges und un-
einheitliches Deutschland, mit einer schwachen Centralgewalt, der ein
Volkshaus zur Seite stände. Wer wird ein solcher Thor seyn um den
Zweck selbst einem bloßen Mittel zum Zweck aufopfern zu wollen?"



Beilage zu Nr. 94 der Allgemeinen Zeitung vom 4 April 1849.


[Spaltenumbruch]
Berlin und Deutſchland.

Die Kaiſerboten ſind noch nicht eingetroffen;
wenigſtens waren ſie es vor einer Stunde noch nicht. Mit welcher Er-
wartung kommen ſie? Wie wird man ſie hier empfangen? Die Stadt hat
geſtern Abend durch ihre Vertreter geſprochen, und nicht allein ihre eigene
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an den König beſchloſſen, zum Glückwunſch und zur Bitte die dargebotene
Krone nicht abzulehnen. Außerdem hat man für Heinrich v. Gagern das
Ehrenbürgerrecht von Berlin decretirt und den feierlichen Empfang der
vierundzwanzig Deputirten aus Frankfurt als Ehrengäſte unſerer Stadt.
Dieſe Sitzung hat bis in die Nacht gedauert und die Anträge wurden mit
einem ſeltenen Feuer und allgemeiner Theilnahme debattirt. Das iſt ſehr
merkwürdig wenn man die faſt apathiſche Stimmung ſich zurückruft welche
anſcheinend ſeit der erſten Anregung der deſinitiven Kaiſerwahlangelegen-
heit in Berlin herrſchte. Erſt von Frankfurt aus, von den dortigen Depu-
tirten die hier zu Hauſe, mußte der Funke angeblaſen werden. Das wirkte
noch wenig, die alte Philiſternatur fragte innerlich: was geht es uns an?
und die Agentien welche dieſe Natur im März und ſeitdem in einige Be-
wegung gebracht, gaben ſich hiermit nicht viel zu thun. Die Radicalen fragten
hier umgekehrt: was geht es uns an! Wenigſtens nicht ſo viel, um des
ſehr ungewiſſen Abfalls willen der uns träfe, dafür zu wählen. Sie ver-
hielten ſich paſſiv. Was indeß, wie in Frankfurt und in andern zweifel-
haften Theilen Deutſchlands, den letzten Umſchwung zu Wege gebracht,
that es auch hier, die Stellung, die letzten Lebensäußerungen der öſter-
reichiſchen Regierung. Es iſt durchaus keine Antipathie im Berliner, im
preußiſchen Bürger gegen Oeſterreich; aber traditionell hat ſich doch ſeit
den Friedericianiſchen Zeiten, und älter, ſeit der Regierung Schwarzen-
bergs in der Mark Brandenburg als kaiſerlicher Bevollmächtigter und
Miniſter Georg Wilhelms eine gewiſſe Scheu vor der öſterreichiſchen
Regierung auch dem nicht denkenden Volke eingeimpft, und Metternichs
Syſtem hatte dieſer Scheu einen ſolchen Stempel aufgedrückt daß es der
letzten Olmützer Experimente nicht bedurft hätte um vor der Möglichkeit
einer öſterreichiſchen Oberherrſchaft aufzuſchrecken. Dieſe Vorſtellung hat
mehr gewirkt als das Verlangen im nächſten Verbande einem Staate an-
zugehören der beſtimmt wäre ein Principat über die andern zu erhalten.
Das was in den kleineren deutſchen Ländern begreiflich für das preußiſche
Kaiſerthum operirt, das Gefühl der Nothwendigkeit ſich eng zu einem
Ganzen zu verſchlingen um Kraft nach außen zu gewinnen, hat keinen
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durch die Reflexion Macht aus. Indeß iſt es ganz unbeſtreitbar daß in
den letzten Wochen das erbkaiſerliche Element in Berlin außerordentlich
gewachſen iſt, und unſere ſämmtlichen Zeitungen (mit Ausnahme der Neu-
preußiſchen Kreuzzeitung) nehmen mehr oder minder dafür Partei. So
kann man ſagen daß die Stadtverordneten dießmal den Willen der Stadt
Berlin ausdrückten. Ich glaube auch daß der Magiſtrat ſich ihnen an-
ſchließen wird, wenn nicht etwa Rückſichten und Winke von anderswoher
dazwiſchentreten. Aber wenn auch die Stadtverordneten dießmal die
Organe des bürgerlichen Willens ſind, ſo iſt damit doch wenig für den
Ausfall der Entſcheidung, auf die es jetzt allein ankommt, gethan. Die
Stadtverordneten, und es ſind dieſelben noch, hatten zur Zeit des
Rumpfparlaments ſich ſtark von der Sturmbewegung mit fortreißen
laſſen, und wenn ſie gleich vor der Steuerverweigerung die National-
verſammlung gewarnt, hatten ſie in erſter Zeit doch dieſelbe ſehr unter-
ſtützt. Iſt zwar zwiſchen ihnen und der Krone ein leidliches Verhältniß
wieder eingetreten, ſo zweifle ich doch daß ihre Stimme ein entſcheidendes
Gewicht jetzt in die Wagſchale legen würde. Alle übrigen Corporationen,
wenn von ſolchen bei einem noch nicht erwachten Gemeindeleben die Rede
ſeyn kann, ſchweigen zur Zeit noch; oder vielmehr ſie haben noch keine Zeit
gehabt ſich zu erklären, und wie es in Potsdam auf dem Thron und auf
den Stufen desſelben ausſteht, weiß niemand. Aller Wahrſcheinlichkeit
nach fluctuiren hier die Meinungen, und es iſt vielleicht gut, wie ich in
dieſem Augenblick höre, daß die Deputation aus Frankfurt erſt Montag
Mittag hier eintreffen ſoll. Man meint daß in den Familien der könig-
lichen Prinzen ſich der Wunſch ausſpricht daß der König annehme, auch
unter den Bedingungen welche der Verfaſſung durch die letzte Uebermacht
der Linken aufgedrückt wurden. Der König ſelbſt wird ſich auch weniger
dagegen ſträuben als vor dem Bruch mit den Diſſentirenden. Es kommt
bis dahin alles auf die Stimmen an welche ſich unwillkürlich im nördlichen
Deutſchland Luft machen, und durch welche Vermittelung ſie nach Pots-
dam getragen werden. Die Miniſterkriſts iſt noch in der Schwebe; ſehr
[Spaltenumbruch] natürlich, ſie kann definitiv nur mit jener Entſcheidung erfolgen. Daß
die altſchwarz - weiße Partei ihre ganzen Kräfte anſtrengt den Verſucher
mit der Krone von ſich zu ſtoßen, verſteht ſich von ſelbſt. Merkwürdig iſt
daß, obgleich heute eine Sitzung der erſten Kammer war, welche Graf
Dyrhns Rede ſo warm entgegennahm, daſelbſt kein Antrag vorkam wel-
cher dem der geſtrigen Nacht in der Stadtverordnetenverſammlung ent-
ſprochen hätte.



Oeſterreich und Deutſchland.

Der miniſterielle Wiener Lloyd bemerkt unterm 29 März über die
deutſche Bundesfrage: „Fürſt Schwarzenberg ſagt in ſeiner Depeſche an
Hrn. v. Schmerling daß man ſich leicht einen Bundesſtaat denken könne
„mit einer mit ausgedehnten Attributen ausgerüſteten und ſtark organi-
ſirten Centralgewalt, mit einer ihr zur Seite ſtehenden Vertretung der
Einzelſtaaten und ihrer Stämme, mit einer ſolchen Organiſation des Ver-
eines endlich welche dem Auslande gegenüber ein großes, ſtarkes, einiges
und einheitliches Deutſchland dargeſtellt, und im Innern den verſchiedenen
deutſchen Staaten und Stämmen eine vernünftige Gemeinſamkeit der ma-
teriellen Intereſſen und der nationalen Rechtsinſtitutionen gewährt haben
würde.“ Er fügt hinzu daß Oeſterreich in einen ſolchen Bundesſtaat ein-
zutreten jeden Augenblick bereit wäre. Wir wiſſen daß in dieſer Erklä-
rung das letzte Wort Oeſterreichs enthalten iſt, das nicht geändert werden
kann ohne die Conſtitution zu ändern, was natürlich nicht geſchehen wird.
Bei der Abfaſſung der Conſtitution mußte ſich den Urhebern derſelben die
Frage aufdrängen, wie Oeſterreichs Verhältniß zum künftigen deutſchen
Bundesſtaate geregelt werden konnte, und die Antwort, die einzig mög-
liche, iſt in der eben angeführten Depeſche deutlich genug enthalten. Es
iſt ohne Zweifel ein Bedürfniß unſerer Zeit — und ein Bedürfniß welches
nicht allein in Deutſchland eriſtirt — Bundesſtaaten zu bilden. Kleine
Staaten die nicht die Macht haben ſich unabhängig zu erhalten, haben auch
nicht ein Recht unabhängig zu beſtehen. Je größer die Staaten werden
deſto ungehinderter wird die Circulation großer Lebenskräfte, deſto leich-
ter verbreitet ſich materieller Wohlſtand wie geiſtige Cultur, deſto ſpärli-
cher finden ſich die Gelegenheiten den Weltfrieden zu ſtören. Das nächſte
Jahrhundert wird wahrſcheinlich ſolche Staaten wie Holland, Belgien,
Dänemark, Portugal in ihren jetzigen Verhältniſſen zur Welt nicht mehr
kennen. Sie werden durch Föderation ſich retten oder untergehen müſſen.
Es ſind ſtets ſo bedeutende Schwierigkeiten welche ſich der Einigung ver-
ſchiedener Staaten zu einem Bundesſtaate entgegenſtellen, daß diejenigen
welche mit der Vollendung eines ſo wichtigen Werkes beauftragt ſind, ſehr
wohl thun würden das nothwendige welches in der Bundesverfaſſung auf-
genommen werden muß, ſcharf von demjenigen zu ſcheiden was nur wün-
ſchenswerth iſt und, je nach Umſtänden, aufgenommen oder ausgelaſſen
werden kann. Die Verſammlung welche jetzt in der Paulskirche tagt, hat
dieſes nicht beherzigt, und darin liegt die Urſache der Schwierigkeiten
welche jetzt das Werk der Einigung mit Oeſterreich hemmen. Es iſt
durchaus keine Nothwendigkeit vorhanden daß in einem Bundesſtaate ganz
gleiche Geſetze in Bezug auf Criminal - und Civilrecht, in Bezug auf die
Preſſe, auf das Aſſociationsrecht, auf die Gemeinde u. ſ. w. eingeführt
werden. Oeſterreich kann recht wohl Grundrechte haben die denen
Deutſchlands nicht gleichlautend ſind, und dennoch ſeine Verpflichtungen
als ein Glied des deutſchen Bundesſtaats vollkommen erfüllen. Wir kön-
nen nicht zu oft auf Nordamerika hinweiſen um aus jenem Lande uns das
Beiſpiel zu holen wie ein Bundesſtaat gebildet werden kann. Dort wurde
nur Einheit in dem Nothwendigen gefordert, freilich auch in manchem
nicht Nothwendigen aus freien Stücken bewilligt, und in allen andern
Dingen die größtmögliche Verſchiedenheit zugegeben. Der nächſte Zweck
des deutſchen Bundesſtaates iſt die Bildung eines einheitlichen Deutſch-
lands dem Auslande gegenüber, dann die Herſtellung einer „vernünftigen
Gemeinſamkeit der materiellen Intereſſen“ im Innern des Landes. Die
Erreichung dieſes Zweckes darf nicht durch eigenſinniges Beharren in der
Wahl der Mittel gefährdet werden. Und doch waltet jetzt der Streit
mehr ob der Mittel als ob des Zweckes, über den wir die Mehrheit der Na-
tion einverſtanden glauben. Die Einheit Deutſchlands unter einer ſtar-
ken Centralregierung, mit „einer ihr zur Seite ſtehenden Vertretung der
Einzelſtaaten und ihrer Stämme“, iſt unſerem Ermeſſen nach viel wichti-
ger und wünſchenswerther für das Wohl aller als ein uneiniges und un-
einheitliches Deutſchland, mit einer ſchwachen Centralgewalt, der ein
Volkshaus zur Seite ſtände. Wer wird ein ſolcher Thor ſeyn um den
Zweck ſelbſt einem bloßen Mittel zum Zweck aufopfern zu wollen?“



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[0009] Beilage zu Nr. 94 der Allgemeinen Zeitung vom 4 April 1849. Berlin und Deutſchland. ∸ Berlin, 30 März. Die Kaiſerboten ſind noch nicht eingetroffen; wenigſtens waren ſie es vor einer Stunde noch nicht. Mit welcher Er- wartung kommen ſie? Wie wird man ſie hier empfangen? Die Stadt hat geſtern Abend durch ihre Vertreter geſprochen, und nicht allein ihre eigene Zufriedenheit daß es ſo gekommen, kund gegeben, ſondern auch eine Adreſſe an den König beſchloſſen, zum Glückwunſch und zur Bitte die dargebotene Krone nicht abzulehnen. Außerdem hat man für Heinrich v. Gagern das Ehrenbürgerrecht von Berlin decretirt und den feierlichen Empfang der vierundzwanzig Deputirten aus Frankfurt als Ehrengäſte unſerer Stadt. Dieſe Sitzung hat bis in die Nacht gedauert und die Anträge wurden mit einem ſeltenen Feuer und allgemeiner Theilnahme debattirt. Das iſt ſehr merkwürdig wenn man die faſt apathiſche Stimmung ſich zurückruft welche anſcheinend ſeit der erſten Anregung der deſinitiven Kaiſerwahlangelegen- heit in Berlin herrſchte. Erſt von Frankfurt aus, von den dortigen Depu- tirten die hier zu Hauſe, mußte der Funke angeblaſen werden. Das wirkte noch wenig, die alte Philiſternatur fragte innerlich: was geht es uns an? und die Agentien welche dieſe Natur im März und ſeitdem in einige Be- wegung gebracht, gaben ſich hiermit nicht viel zu thun. Die Radicalen fragten hier umgekehrt: was geht es uns an! Wenigſtens nicht ſo viel, um des ſehr ungewiſſen Abfalls willen der uns träfe, dafür zu wählen. Sie ver- hielten ſich paſſiv. Was indeß, wie in Frankfurt und in andern zweifel- haften Theilen Deutſchlands, den letzten Umſchwung zu Wege gebracht, that es auch hier, die Stellung, die letzten Lebensäußerungen der öſter- reichiſchen Regierung. Es iſt durchaus keine Antipathie im Berliner, im preußiſchen Bürger gegen Oeſterreich; aber traditionell hat ſich doch ſeit den Friedericianiſchen Zeiten, und älter, ſeit der Regierung Schwarzen- bergs in der Mark Brandenburg als kaiſerlicher Bevollmächtigter und Miniſter Georg Wilhelms eine gewiſſe Scheu vor der öſterreichiſchen Regierung auch dem nicht denkenden Volke eingeimpft, und Metternichs Syſtem hatte dieſer Scheu einen ſolchen Stempel aufgedrückt daß es der letzten Olmützer Experimente nicht bedurft hätte um vor der Möglichkeit einer öſterreichiſchen Oberherrſchaft aufzuſchrecken. Dieſe Vorſtellung hat mehr gewirkt als das Verlangen im nächſten Verbande einem Staate an- zugehören der beſtimmt wäre ein Principat über die andern zu erhalten. Das was in den kleineren deutſchen Ländern begreiflich für das preußiſche Kaiſerthum operirt, das Gefühl der Nothwendigkeit ſich eng zu einem Ganzen zu verſchlingen um Kraft nach außen zu gewinnen, hat keinen Einfluß auf unſern Bürger; es übt auf die Gebildetern zur Zeit auch nur durch die Reflexion Macht aus. Indeß iſt es ganz unbeſtreitbar daß in den letzten Wochen das erbkaiſerliche Element in Berlin außerordentlich gewachſen iſt, und unſere ſämmtlichen Zeitungen (mit Ausnahme der Neu- preußiſchen Kreuzzeitung) nehmen mehr oder minder dafür Partei. So kann man ſagen daß die Stadtverordneten dießmal den Willen der Stadt Berlin ausdrückten. Ich glaube auch daß der Magiſtrat ſich ihnen an- ſchließen wird, wenn nicht etwa Rückſichten und Winke von anderswoher dazwiſchentreten. Aber wenn auch die Stadtverordneten dießmal die Organe des bürgerlichen Willens ſind, ſo iſt damit doch wenig für den Ausfall der Entſcheidung, auf die es jetzt allein ankommt, gethan. Die Stadtverordneten, und es ſind dieſelben noch, hatten zur Zeit des Rumpfparlaments ſich ſtark von der Sturmbewegung mit fortreißen laſſen, und wenn ſie gleich vor der Steuerverweigerung die National- verſammlung gewarnt, hatten ſie in erſter Zeit doch dieſelbe ſehr unter- ſtützt. Iſt zwar zwiſchen ihnen und der Krone ein leidliches Verhältniß wieder eingetreten, ſo zweifle ich doch daß ihre Stimme ein entſcheidendes Gewicht jetzt in die Wagſchale legen würde. Alle übrigen Corporationen, wenn von ſolchen bei einem noch nicht erwachten Gemeindeleben die Rede ſeyn kann, ſchweigen zur Zeit noch; oder vielmehr ſie haben noch keine Zeit gehabt ſich zu erklären, und wie es in Potsdam auf dem Thron und auf den Stufen desſelben ausſteht, weiß niemand. Aller Wahrſcheinlichkeit nach fluctuiren hier die Meinungen, und es iſt vielleicht gut, wie ich in dieſem Augenblick höre, daß die Deputation aus Frankfurt erſt Montag Mittag hier eintreffen ſoll. Man meint daß in den Familien der könig- lichen Prinzen ſich der Wunſch ausſpricht daß der König annehme, auch unter den Bedingungen welche der Verfaſſung durch die letzte Uebermacht der Linken aufgedrückt wurden. Der König ſelbſt wird ſich auch weniger dagegen ſträuben als vor dem Bruch mit den Diſſentirenden. Es kommt bis dahin alles auf die Stimmen an welche ſich unwillkürlich im nördlichen Deutſchland Luft machen, und durch welche Vermittelung ſie nach Pots- dam getragen werden. Die Miniſterkriſts iſt noch in der Schwebe; ſehr natürlich, ſie kann definitiv nur mit jener Entſcheidung erfolgen. Daß die altſchwarz - weiße Partei ihre ganzen Kräfte anſtrengt den Verſucher mit der Krone von ſich zu ſtoßen, verſteht ſich von ſelbſt. Merkwürdig iſt daß, obgleich heute eine Sitzung der erſten Kammer war, welche Graf Dyrhns Rede ſo warm entgegennahm, daſelbſt kein Antrag vorkam wel- cher dem der geſtrigen Nacht in der Stadtverordnetenverſammlung ent- ſprochen hätte. Oeſterreich und Deutſchland. Der miniſterielle Wiener Lloyd bemerkt unterm 29 März über die deutſche Bundesfrage: „Fürſt Schwarzenberg ſagt in ſeiner Depeſche an Hrn. v. Schmerling daß man ſich leicht einen Bundesſtaat denken könne „mit einer mit ausgedehnten Attributen ausgerüſteten und ſtark organi- ſirten Centralgewalt, mit einer ihr zur Seite ſtehenden Vertretung der Einzelſtaaten und ihrer Stämme, mit einer ſolchen Organiſation des Ver- eines endlich welche dem Auslande gegenüber ein großes, ſtarkes, einiges und einheitliches Deutſchland dargeſtellt, und im Innern den verſchiedenen deutſchen Staaten und Stämmen eine vernünftige Gemeinſamkeit der ma- teriellen Intereſſen und der nationalen Rechtsinſtitutionen gewährt haben würde.“ Er fügt hinzu daß Oeſterreich in einen ſolchen Bundesſtaat ein- zutreten jeden Augenblick bereit wäre. Wir wiſſen daß in dieſer Erklä- rung das letzte Wort Oeſterreichs enthalten iſt, das nicht geändert werden kann ohne die Conſtitution zu ändern, was natürlich nicht geſchehen wird. Bei der Abfaſſung der Conſtitution mußte ſich den Urhebern derſelben die Frage aufdrängen, wie Oeſterreichs Verhältniß zum künftigen deutſchen Bundesſtaate geregelt werden konnte, und die Antwort, die einzig mög- liche, iſt in der eben angeführten Depeſche deutlich genug enthalten. Es iſt ohne Zweifel ein Bedürfniß unſerer Zeit — und ein Bedürfniß welches nicht allein in Deutſchland eriſtirt — Bundesſtaaten zu bilden. Kleine Staaten die nicht die Macht haben ſich unabhängig zu erhalten, haben auch nicht ein Recht unabhängig zu beſtehen. Je größer die Staaten werden deſto ungehinderter wird die Circulation großer Lebenskräfte, deſto leich- ter verbreitet ſich materieller Wohlſtand wie geiſtige Cultur, deſto ſpärli- cher finden ſich die Gelegenheiten den Weltfrieden zu ſtören. Das nächſte Jahrhundert wird wahrſcheinlich ſolche Staaten wie Holland, Belgien, Dänemark, Portugal in ihren jetzigen Verhältniſſen zur Welt nicht mehr kennen. Sie werden durch Föderation ſich retten oder untergehen müſſen. Es ſind ſtets ſo bedeutende Schwierigkeiten welche ſich der Einigung ver- ſchiedener Staaten zu einem Bundesſtaate entgegenſtellen, daß diejenigen welche mit der Vollendung eines ſo wichtigen Werkes beauftragt ſind, ſehr wohl thun würden das nothwendige welches in der Bundesverfaſſung auf- genommen werden muß, ſcharf von demjenigen zu ſcheiden was nur wün- ſchenswerth iſt und, je nach Umſtänden, aufgenommen oder ausgelaſſen werden kann. Die Verſammlung welche jetzt in der Paulskirche tagt, hat dieſes nicht beherzigt, und darin liegt die Urſache der Schwierigkeiten welche jetzt das Werk der Einigung mit Oeſterreich hemmen. Es iſt durchaus keine Nothwendigkeit vorhanden daß in einem Bundesſtaate ganz gleiche Geſetze in Bezug auf Criminal - und Civilrecht, in Bezug auf die Preſſe, auf das Aſſociationsrecht, auf die Gemeinde u. ſ. w. eingeführt werden. Oeſterreich kann recht wohl Grundrechte haben die denen Deutſchlands nicht gleichlautend ſind, und dennoch ſeine Verpflichtungen als ein Glied des deutſchen Bundesſtaats vollkommen erfüllen. Wir kön- nen nicht zu oft auf Nordamerika hinweiſen um aus jenem Lande uns das Beiſpiel zu holen wie ein Bundesſtaat gebildet werden kann. Dort wurde nur Einheit in dem Nothwendigen gefordert, freilich auch in manchem nicht Nothwendigen aus freien Stücken bewilligt, und in allen andern Dingen die größtmögliche Verſchiedenheit zugegeben. Der nächſte Zweck des deutſchen Bundesſtaates iſt die Bildung eines einheitlichen Deutſch- lands dem Auslande gegenüber, dann die Herſtellung einer „vernünftigen Gemeinſamkeit der materiellen Intereſſen“ im Innern des Landes. Die Erreichung dieſes Zweckes darf nicht durch eigenſinniges Beharren in der Wahl der Mittel gefährdet werden. Und doch waltet jetzt der Streit mehr ob der Mittel als ob des Zweckes, über den wir die Mehrheit der Na- tion einverſtanden glauben. Die Einheit Deutſchlands unter einer ſtar- ken Centralregierung, mit „einer ihr zur Seite ſtehenden Vertretung der Einzelſtaaten und ihrer Stämme“, iſt unſerem Ermeſſen nach viel wichti- ger und wünſchenswerther für das Wohl aller als ein uneiniges und un- einheitliches Deutſchland, mit einer ſchwachen Centralgewalt, der ein Volkshaus zur Seite ſtände. Wer wird ein ſolcher Thor ſeyn um den Zweck ſelbſt einem bloßen Mittel zum Zweck aufopfern zu wollen?“

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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 94, 4. April 1849, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine94_1849/9>, abgerufen am 21.11.2024.