Allgemeine Zeitung, Nr. 96, 6. April 1849.
[Spaltenumbruch]
und ist demnach nicht bloß ehrenhalber, sondern sittlich zur Jütland und die Inseldänen. 🜘 Von der Eider.Die Dänen haben sich alle Mühe gegeben die Kopenhagen, die Hauptstadt Dänemarks, enthält 120,000 Einwohner. Das dänische revolutionäre Ministerium hat seit dem 21 März v.
[Spaltenumbruch]
und iſt demnach nicht bloß ehrenhalber, ſondern ſittlich zur Jütland und die Inſeldänen. 🜘 Von der Eider.Die Dänen haben ſich alle Mühe gegeben die Kopenhagen, die Hauptſtadt Dänemarks, enthält 120,000 Einwohner. Das däniſche revolutionäre Miniſterium hat ſeit dem 21 März v. <TEI> <text> <body> <div type="jSupplement" n="1"> <floatingText> <body> <div type="jPoliticalNews" n="2"> <div type="jComment" n="3"> <p><hi rendition="#g"><pb facs="#f0012" n="1476"/><cb/> und iſt demnach nicht bloß ehrenhalber, ſondern ſittlich zur<lb/> Erfüllung dieſer Zuſicherung verpflichtet</hi>. Solche dunkle, kaum<lb/> verſtändliche, umdeutungsfähige Sprache, deren es ſich ſelbſt vom Staaten-<lb/> hauſe ſprechend bedient, taugt freilich nichts. Man muß ſie alſo in deut-<lb/> liche Worte überſetzen. Der Sinn darf kein anderer ſeyn als: einem<lb/> Volkshauſe müßte ich meine Anerkennung verſagen deſſen Mitglieder aus<lb/> dem allgemeinen Stimmrecht, ſowie die Nationalverſammlung ſelbſt und<lb/> alle die conſtituirenden Parlamente von den kleinſten Fürſtenthümern an<lb/> bis hinauf zu dem preußiſchen und meinem eigenen, eine ungetheilte<lb/> Volksherrlichkeit in Anſpruch nahmen und die wir, Preußen und Oeſter-<lb/> reich, deßwegen auflöſen mußten. Und daran hat Oeſterreich ebenſo<lb/> Recht wie alle einſichtsvollen und von dem Gefühle der Pflicht gegen ihre<lb/> Völker durchdrungenen Regenten, welche wiſſen was bei der eingebilde-<lb/> ten <hi rendition="#g">alleinigen</hi> Volksſouveränetät für die Völker und Völkchen her-<lb/> auskommt. Mit dieſer Einſicht und dieſem Pflichtgefühl iſt aber das<lb/> gegebene Wort einer Volksvertretung auf breiteſter demokratiſcher Grundlage<lb/> nicht gelöst, und durch die Wahlmethoden welche in den öſterreichiſchen und<lb/> preußiſchen Verfaſſungsurkunden adoptirt ſind, iſt es ſogar gebrochen. Dieß<lb/> geſchah aber von dieſen beiden Regierungen ebenſowenig aus böſem Willen als<lb/> von dem Verfaſſungsausſchuß der deutſchen Nationalverſammlung ſelber,<lb/> welcher auch Beſchränkungen des Wahlrechts in Antrag brachte, und da-<lb/> mit auf dem Wege der Verbeſſerungsvorſchläge, die er aus der Mitte des<lb/> Hauſes erwartete, noch bedeutendere Beſchränkungen veranlaſſen wollte.<lb/> Dieſe Erwartung wäre getäuſcht worden, auch wenn die vernünſtige Ab-<lb/> ſicht des Verfaſſungsausſchuſſes nicht aus vermeintlich politiſchen, nicht<lb/> ſehr loyalen Rückſichten von ihm ſelber bis auf zwei Punkte ganz in den<lb/> Hintergrund geſchoben worden wäre, weil ſeine Vorſchläge jenes aner-<lb/> kannte Princip verletzen auf welches diejenigen welche das allgemeine<lb/> Stimmrecht als ein Mittel fortwährender Anarchie fordern müſſen, ſich<lb/> mit vollem Rechte ſtützen konnten und ſtützten. Nur der kann dieſes Pro-<lb/> blem löſen welcher davon ausgeht daß alles das was die deutſche Revolu-<lb/> tion zu einer nothwendigen machte, in und mit dem Parlament unter<lb/> thätiger Mitwirkung der Regierungen ſeine Beſeitigung müſſe finden<lb/> können, und daß für dieſen Zweck die allein dazu geeigneten Organe<lb/> vermöge einer auf breiteſter demokratiſcher Grundlage vorzunehmen-<lb/> den Wahl mit Sicherheit und Vollſtändigkeit in das Parlament müſ-<lb/> ſen gebracht werden können. Ich bin überzeugt, mit Hülfe des<lb/> Aſſociationsrechts und des Triebes ſein wahres oder vermeintliches<lb/> Recht perſönlich geltend zu machen, ein Wahlgeſetz gefunden zu haben<lb/> welches dieſer Forderung wenigſtens beſſer als jedes andere mir bekannte<lb/> entſpricht. Ich kann aber das Recept nicht ohne die dasſelbe als ein ratio-<lb/> nelles rechtfertigende Diagnoſe geben, für welche dieſe Blätter den Raum<lb/> nicht haben. 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Hätte aber auch die öſterreichiſche Regierung jenen tollen<lb/> Gedanken — den ſie nirgends ausgeſprochen oder auch nur zu errathen<lb/> gegeben hat — wirklich gehabt, ſo hätte der ſechste Artikel der Wiener<lb/> Schlußacte genügt um ihn zurückzuweiſen.</p><lb/> <byline>K. A. v. <hi rendition="#g">Wangenheim</hi>.</byline> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jComment" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Jütland und die Inſeldänen.</hi> </head><lb/> <dateline>&#x1F718; <hi rendition="#b">Von der Eider.</hi></dateline><lb/> <p>Die Dänen haben ſich alle Mühe gegeben die<lb/> Aufmerkſamkeit Europa’s auf ſich herabzuziehen. Hier ein kleiner Bei-<lb/> trag zur Kenntniß Dänemarks. Nichts befördert den moraliſchen und<lb/> politiſchen Egoismus mehr als die inſulariſche Lage. Jeder Inſelbewohner<lb/> denkt ſeine Inſel beſtändig im Gegenſatz der ganzen Welt. 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Die Kopenhagener haben einen Ueberfluß an natio-<lb/> naler Eitelkeit daß ſie alle Chineſen damit verſorgen könnten und doch<lb/> noch genug davon übrig behielten. Ein guter Kopenhagener glaubt im<lb/> Ernſt: gleich nach Paris kommt Kopenhagen als Sitz der Cultur, des<lb/> Geiſtes, des civiliſirten Lebens. Was eine Cokette ſich täglich ſagen läßt<lb/> von ihrem Spiegel: daß ſie die ſchönſte ſey, das bören die Kopenhagener<lb/> täglich von ihren drei oder vier Zeitungen: die Dänen ſtehen hoch über<lb/> den Deutſchen. Das iſt ſo oft wiederholt daß die Dänen wirklich daran<lb/> glauben. England muß auch die Segel ſtreichen vor Seeland. Ein<lb/> ächter Kopenhagener glaubt daß man in Kopenhagen beſſer verſteht Punſch<lb/> zu machen als in England. Sieht man weiter im Staatskalender, ſo<lb/> findet man: Inſel Seeland hat zwölf königliche Schlöſſer; Jütland keins.<lb/> In Kopenhagen iſt die ganze däniſche Marine aufgehäuft; in Jütland,<lb/> in Schleswig, in Holſtein, in den beſten Häfen der Oſtküſte iſt kein ein-<lb/> ziges Marine-Etabliſſement. Alles und alles auf dem däniſchen und deut-<lb/> ſchen Continent ſoll Kopenhagen tributär ſeyn, wie ehemals die Provinzen<lb/> und ſelbſt Paris dem königlichen Schooßkind Paris tributär ſeyn ſollten.<lb/> Solcher Zuſtand konnte in Frankreich nicht dauern, und gleichfalls kann<lb/> das Syſtem nicht mehr ertragen werden welches will daß Jütland und<lb/> Schleswig und Holſtein ſich genügen laſſen ſollen an der Ehre die Schemel zu<lb/> ſeyn für die Größe Kopenhagens. Die Herzogthümer haben ſich erhoben<lb/> zur Wahrung ihrer guten Rechte, und haben mit Hülfe der deutſchen<lb/> Brüder die Dänen vertrieben. Und jetzt ſollte durch diplomatiſche Künſte<lb/> das gute Herzogthum Schleswig gleich dem armen Jütland wieder unter<lb/> die Füße des eitlen Kopenhagens gegeben werden? Das wäre vielfache<lb/> Sünde, ja es wäre Einfalt von denen welche hier im Lande Frieden<lb/> wollen.</p><lb/> <p>Das däniſche revolutionäre Miniſterium hat ſeit dem 21 März v.<lb/> J. die engſte Allianz geſchloſſen mit der Lüge. Es hat Europa erfüllt<lb/> mit Klagen gegen die „aufrühreriſchen Schleswig-Holſteiner“. Aber unſer<lb/> Krieg iſt der gerechteſte Vertheidigungskrieg gegen das revolutionäre ul-<lb/> tradäniſche Miniſterium. Klar wie der Tag iſt es für jeden ehrlichen<lb/> Leſer der Geſchichte daß die Herzogthümer nimmermehr däniſche Provin-<lb/> zen ſind gleich dem armen Jütland. Zwiſchen Jütland und Schleswig<lb/> beſteht noch heute wie vor Alters eine Zollgränze. Das däniſche Geld,<lb/> das däniſche Papier hat weder in Schleswig noch in Holſtein Geltung.<lb/> Die Dänen haben nicht mehr Recht auf die Herzogthümer als England<lb/> auf Haunover hatte und hat. Höchſtens hat Dänemark ſo viel Recht auf<lb/> Schleswig wie auf Hampſhire, wo einſt ein däniſcher König ſtarb. In<lb/> Dänemark erbt Weib von Mann die Krone vor Mann von Weib; in den<lb/> Herzogthümern gilt deutſches Fürſtenrecht. Chriſtian <hi rendition="#aq">VIII</hi> wünſchte dieß<lb/> zu ändern zu Gunſten ſeines Schweſterſohnes. Seine Waffen waren<lb/> ſchöne Worte. Krieg gegen die Herzogthümer hätte er nie gemacht, dazu<lb/> war er zu gut und zu klug. Daß Dänemark Krieg gemacht hat gegen<lb/> die Herzogthümer iſt der größte politiſche Fehler. Die Strafe kann ſeyn<lb/> völliger Verluſt der Herzogthümer. Schuld daran iſt zunächſt die Eitel-<lb/> keit eines däniſchen Miniſters, von dem einer der beſten Schauſpieler<lb/> ſagte: er iſt mehr Komödiant als ich. Mitſchuldig als vorbereitend find<lb/> allerdings auch geweſen, durch Schwäche, einige hochſtehende Schleswig-<lb/> Holſteiner, welche theils die Freuden Kopenhagens ſich wohlſchmecken<lb/> ließen, theils der Liebenswürdigkeit Chriſtians <hi rendition="#aq">VIII</hi> nicht wiederſtehen<lb/> konnten, ſondern die Grundgeſetze ihres ſchleswig-holſteiniſchen Vater-<lb/> landes aufopferten um ſich zu blinden Werkzeugen für die Lieblingsplane<lb/> des Königs zu machen. Chriſtian <hi rendition="#aq">VIII</hi> war in ſeiner Art und Weiſe<lb/> der liebenswürdigſte König, aber eben dadurch der gefährlichſte, denn er<lb/> hatte keine Achtung vor dem Recht. Es iſt unnatürlich daß irgendein<lb/> Fußbreit continentalen Landes von einer Inſel aus regiert werde. Hat<lb/> Jütland auch kein ſormales urkundliches Recht ſich der Herrſchaft der<lb/> Inſel zu entziehen gleich den Herzogthümern, dennoch hat Jütland das<lb/> unverlierbare Recht eine billige Behandlung zu fordern von der Inſel,<lb/> die ganz allein Dänemark ſeyn will, aber nur die <hi rendition="#aq">commoda</hi> für ſich ein-<lb/> nimmt, die <hi rendition="#aq">incommoda</hi> nicht. Man hat aber jetzt Jütland politiſch ca-<lb/></p> </div> </div> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [1476/0012]
und iſt demnach nicht bloß ehrenhalber, ſondern ſittlich zur
Erfüllung dieſer Zuſicherung verpflichtet. Solche dunkle, kaum
verſtändliche, umdeutungsfähige Sprache, deren es ſich ſelbſt vom Staaten-
hauſe ſprechend bedient, taugt freilich nichts. Man muß ſie alſo in deut-
liche Worte überſetzen. Der Sinn darf kein anderer ſeyn als: einem
Volkshauſe müßte ich meine Anerkennung verſagen deſſen Mitglieder aus
dem allgemeinen Stimmrecht, ſowie die Nationalverſammlung ſelbſt und
alle die conſtituirenden Parlamente von den kleinſten Fürſtenthümern an
bis hinauf zu dem preußiſchen und meinem eigenen, eine ungetheilte
Volksherrlichkeit in Anſpruch nahmen und die wir, Preußen und Oeſter-
reich, deßwegen auflöſen mußten. Und daran hat Oeſterreich ebenſo
Recht wie alle einſichtsvollen und von dem Gefühle der Pflicht gegen ihre
Völker durchdrungenen Regenten, welche wiſſen was bei der eingebilde-
ten alleinigen Volksſouveränetät für die Völker und Völkchen her-
auskommt. Mit dieſer Einſicht und dieſem Pflichtgefühl iſt aber das
gegebene Wort einer Volksvertretung auf breiteſter demokratiſcher Grundlage
nicht gelöst, und durch die Wahlmethoden welche in den öſterreichiſchen und
preußiſchen Verfaſſungsurkunden adoptirt ſind, iſt es ſogar gebrochen. Dieß
geſchah aber von dieſen beiden Regierungen ebenſowenig aus böſem Willen als
von dem Verfaſſungsausſchuß der deutſchen Nationalverſammlung ſelber,
welcher auch Beſchränkungen des Wahlrechts in Antrag brachte, und da-
mit auf dem Wege der Verbeſſerungsvorſchläge, die er aus der Mitte des
Hauſes erwartete, noch bedeutendere Beſchränkungen veranlaſſen wollte.
Dieſe Erwartung wäre getäuſcht worden, auch wenn die vernünſtige Ab-
ſicht des Verfaſſungsausſchuſſes nicht aus vermeintlich politiſchen, nicht
ſehr loyalen Rückſichten von ihm ſelber bis auf zwei Punkte ganz in den
Hintergrund geſchoben worden wäre, weil ſeine Vorſchläge jenes aner-
kannte Princip verletzen auf welches diejenigen welche das allgemeine
Stimmrecht als ein Mittel fortwährender Anarchie fordern müſſen, ſich
mit vollem Rechte ſtützen konnten und ſtützten. Nur der kann dieſes Pro-
blem löſen welcher davon ausgeht daß alles das was die deutſche Revolu-
tion zu einer nothwendigen machte, in und mit dem Parlament unter
thätiger Mitwirkung der Regierungen ſeine Beſeitigung müſſe finden
können, und daß für dieſen Zweck die allein dazu geeigneten Organe
vermöge einer auf breiteſter demokratiſcher Grundlage vorzunehmen-
den Wahl mit Sicherheit und Vollſtändigkeit in das Parlament müſ-
ſen gebracht werden können. Ich bin überzeugt, mit Hülfe des
Aſſociationsrechts und des Triebes ſein wahres oder vermeintliches
Recht perſönlich geltend zu machen, ein Wahlgeſetz gefunden zu haben
welches dieſer Forderung wenigſtens beſſer als jedes andere mir bekannte
entſpricht. Ich kann aber das Recept nicht ohne die dasſelbe als ein ratio-
nelles rechtfertigende Diagnoſe geben, für welche dieſe Blätter den Raum
nicht haben. Sie werden übrigens in wenig Wochen anderwärts umſtänd-
lich veröffentlicht werden. Ehe ich dieſen Artikel ſchließe und in einem
folgenden mich weiter über den Hauptgegenſtand desſelben — die deutſche
Bundesfrage — wenn es mir nämlich die geehrte Redaction erlaubt, ver-
breite, will ich nur noch einem weit verbreiteten Irrthum entgegentreten;
Es iſt der öſterreichiſchen Regierung nicht im Traum beigefallen mit ihrer
Geſammtmonarchie in den deutſchen Bund eintreten zu wollen, ſondern ſie
zeigt nur die Möglichkeit und ihre Bereitwilligkeit mit dieſer dem deutſchen
Bundesvereine beizutreten. Dieſes Anerbieten wäre mit beiden Händen
zu ergreifen ſobald Oeſterreich dem Bunde ſichere Zollgränzen wird nach-
weiſen können. Hätte aber auch die öſterreichiſche Regierung jenen tollen
Gedanken — den ſie nirgends ausgeſprochen oder auch nur zu errathen
gegeben hat — wirklich gehabt, ſo hätte der ſechste Artikel der Wiener
Schlußacte genügt um ihn zurückzuweiſen.
K. A. v. Wangenheim.
Jütland und die Inſeldänen.
🜘 Von der Eider.
Die Dänen haben ſich alle Mühe gegeben die
Aufmerkſamkeit Europa’s auf ſich herabzuziehen. Hier ein kleiner Bei-
trag zur Kenntniß Dänemarks. Nichts befördert den moraliſchen und
politiſchen Egoismus mehr als die inſulariſche Lage. Jeder Inſelbewohner
denkt ſeine Inſel beſtändig im Gegenſatz der ganzen Welt. Daher gibt
es kein übler Regiment als das welches von einer Inſel aus geführt
wird über einen Theil des Continents. Dänemark beſteht aus der Halb-
inſel Jütland mit 548,698 Einwohnern und den Inſeln wovon Seeland
die größte iſt, aber doch nur 451,180 Einwohner hat. Das ganze Dä-
nemark hatte 1803 noch keine Million Einwohner; jetzt wird die Zahl
derſelben officiell auf 1,283,027 angegeben. Um den bürgerlichen Zu-
ſtand eines Landes zu beurtheilen gilt wohl kein Maßſtab ſicherer als der
Zuſtand der Gerichte. Wir ſchlagen den Staatskalender auf und finden:
In Jütland (Viborg) ein Landesobergericht, dieſes begreift einen Juſtitia-
rius, vier Aſſeſſoren (wovon zwei ſupernumerär), einen Juſtizſecretär und
ſieben Procuratoren. In Kopenhagen ein Landesobergericht, welches be-
greift einen Juſtitiarius, 13 Aſſeſſoren, außerdem 45 Beamte und 26
Procuratoren.
Kopenhagen, die Hauptſtadt Dänemarks, enthält 120,000 Einwohner.
Das iſt die Frucht des centraliſirten Regierungsſyſtems, welches in Dä-
nemark viel weiter getrieben iſt als jemals in Frankreich. Nach jener
Proportion müßte Paris mehr als drei Millionen Einwohner haben.
Kopenhagen iſt eine künſtliche Größe auf Unkoſten der Provinzen. Ko-
penhagen hat alle Geſchäfte, allen Verkehr der Halbinſel Jütland abſor-
birt, wie obiger Vergleich des Gerichtsperſonals beweist. Die Kopen-
hagener kitzeln ihre Eitelkeit oft mit ſogenannten Nationalliedern. Da
heißt es aber allemal „die grünen Inſeln im blauen Meer“. Dieſe ſind
„Dänemark“. Des continentalen Jütlands wird nie erwähnt, geſchweige
der Herzogthümer. Die Kopenhagener haben einen Ueberfluß an natio-
naler Eitelkeit daß ſie alle Chineſen damit verſorgen könnten und doch
noch genug davon übrig behielten. Ein guter Kopenhagener glaubt im
Ernſt: gleich nach Paris kommt Kopenhagen als Sitz der Cultur, des
Geiſtes, des civiliſirten Lebens. Was eine Cokette ſich täglich ſagen läßt
von ihrem Spiegel: daß ſie die ſchönſte ſey, das bören die Kopenhagener
täglich von ihren drei oder vier Zeitungen: die Dänen ſtehen hoch über
den Deutſchen. Das iſt ſo oft wiederholt daß die Dänen wirklich daran
glauben. England muß auch die Segel ſtreichen vor Seeland. Ein
ächter Kopenhagener glaubt daß man in Kopenhagen beſſer verſteht Punſch
zu machen als in England. Sieht man weiter im Staatskalender, ſo
findet man: Inſel Seeland hat zwölf königliche Schlöſſer; Jütland keins.
In Kopenhagen iſt die ganze däniſche Marine aufgehäuft; in Jütland,
in Schleswig, in Holſtein, in den beſten Häfen der Oſtküſte iſt kein ein-
ziges Marine-Etabliſſement. Alles und alles auf dem däniſchen und deut-
ſchen Continent ſoll Kopenhagen tributär ſeyn, wie ehemals die Provinzen
und ſelbſt Paris dem königlichen Schooßkind Paris tributär ſeyn ſollten.
Solcher Zuſtand konnte in Frankreich nicht dauern, und gleichfalls kann
das Syſtem nicht mehr ertragen werden welches will daß Jütland und
Schleswig und Holſtein ſich genügen laſſen ſollen an der Ehre die Schemel zu
ſeyn für die Größe Kopenhagens. Die Herzogthümer haben ſich erhoben
zur Wahrung ihrer guten Rechte, und haben mit Hülfe der deutſchen
Brüder die Dänen vertrieben. Und jetzt ſollte durch diplomatiſche Künſte
das gute Herzogthum Schleswig gleich dem armen Jütland wieder unter
die Füße des eitlen Kopenhagens gegeben werden? Das wäre vielfache
Sünde, ja es wäre Einfalt von denen welche hier im Lande Frieden
wollen.
Das däniſche revolutionäre Miniſterium hat ſeit dem 21 März v.
J. die engſte Allianz geſchloſſen mit der Lüge. Es hat Europa erfüllt
mit Klagen gegen die „aufrühreriſchen Schleswig-Holſteiner“. Aber unſer
Krieg iſt der gerechteſte Vertheidigungskrieg gegen das revolutionäre ul-
tradäniſche Miniſterium. Klar wie der Tag iſt es für jeden ehrlichen
Leſer der Geſchichte daß die Herzogthümer nimmermehr däniſche Provin-
zen ſind gleich dem armen Jütland. Zwiſchen Jütland und Schleswig
beſteht noch heute wie vor Alters eine Zollgränze. Das däniſche Geld,
das däniſche Papier hat weder in Schleswig noch in Holſtein Geltung.
Die Dänen haben nicht mehr Recht auf die Herzogthümer als England
auf Haunover hatte und hat. Höchſtens hat Dänemark ſo viel Recht auf
Schleswig wie auf Hampſhire, wo einſt ein däniſcher König ſtarb. In
Dänemark erbt Weib von Mann die Krone vor Mann von Weib; in den
Herzogthümern gilt deutſches Fürſtenrecht. Chriſtian VIII wünſchte dieß
zu ändern zu Gunſten ſeines Schweſterſohnes. Seine Waffen waren
ſchöne Worte. Krieg gegen die Herzogthümer hätte er nie gemacht, dazu
war er zu gut und zu klug. Daß Dänemark Krieg gemacht hat gegen
die Herzogthümer iſt der größte politiſche Fehler. Die Strafe kann ſeyn
völliger Verluſt der Herzogthümer. Schuld daran iſt zunächſt die Eitel-
keit eines däniſchen Miniſters, von dem einer der beſten Schauſpieler
ſagte: er iſt mehr Komödiant als ich. Mitſchuldig als vorbereitend find
allerdings auch geweſen, durch Schwäche, einige hochſtehende Schleswig-
Holſteiner, welche theils die Freuden Kopenhagens ſich wohlſchmecken
ließen, theils der Liebenswürdigkeit Chriſtians VIII nicht wiederſtehen
konnten, ſondern die Grundgeſetze ihres ſchleswig-holſteiniſchen Vater-
landes aufopferten um ſich zu blinden Werkzeugen für die Lieblingsplane
des Königs zu machen. Chriſtian VIII war in ſeiner Art und Weiſe
der liebenswürdigſte König, aber eben dadurch der gefährlichſte, denn er
hatte keine Achtung vor dem Recht. Es iſt unnatürlich daß irgendein
Fußbreit continentalen Landes von einer Inſel aus regiert werde. Hat
Jütland auch kein ſormales urkundliches Recht ſich der Herrſchaft der
Inſel zu entziehen gleich den Herzogthümern, dennoch hat Jütland das
unverlierbare Recht eine billige Behandlung zu fordern von der Inſel,
die ganz allein Dänemark ſeyn will, aber nur die commoda für ſich ein-
nimmt, die incommoda nicht. Man hat aber jetzt Jütland politiſch ca-
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(2022-09-09T12:00:00Z)
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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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