Allgemeine Zeitung, Nr. 96, 6. April 1849.[Spaltenumbruch]
striren wollen, man hat ihm seine eigene Ständeversammlung entzogen. Der Krieg Dänemarks gegen die Herzogthümer, richtiger Dänemarks Savoyen. * Chambery, 27 März. Nichts gleicht der Bestürzung, dem Un- * Chambery, 29 März. Meine früher in diesen Blättern aus- * Chambery, 30 März. Reisende die heute von Turin hier an- Schweiz. + Genf, 30 März. Es ist in schweizerischen und deutschen Blättern Neuestes. * Nach Briefen aus Berlin vom 3 April war die Frank- [Spaltenumbruch]
ſtriren wollen, man hat ihm ſeine eigene Ständeverſammlung entzogen. Der Krieg Dänemarks gegen die Herzogthümer, richtiger Dänemarks Savoyen. * Chambery, 27 März. Nichts gleicht der Beſtürzung, dem Un- * Chambery, 29 März. Meine früher in dieſen Blättern aus- * Chambery, 30 März. Reiſende die heute von Turin hier an- Schweiz. ┼ Genf, 30 März. Es iſt in ſchweizeriſchen und deutſchen Blättern Neueſtes. * Nach Briefen aus Berlin vom 3 April war die Frank- <TEI> <text> <body> <div type="jSupplement" n="1"> <floatingText> <body> <div type="jPoliticalNews" n="2"> <div type="jComment" n="3"> <p><pb facs="#f0013" n="1477"/><cb/> ſtriren wollen, man hat ihm ſeine eigene Ständeverſammlung entzogen.<lb/> Der Tag der Erhebung Jütlands wird aber kommen.</p><lb/> <p>Der Krieg Dänemarks gegen die Herzogthümer, richtiger Dänemarks<lb/> gegen Deutſchland, iſt eine <hi rendition="#g">Abſurdität</hi>, und muß über kurz oder lang<lb/> gebüßt werden. Wie auch der nächſte Frieden oder Verſuch zum Frieden<lb/> ausfallen mag, die moraliſche Spaltung zwiſchen den Schleswig-Holſtei-<lb/> nern und den Inſeldänen iſt fertig und unheilbar. Es iſt möglich daß<lb/> die Polen verwandelt werden in Ruſſen, die Elſäſſer in Franzoſen, aber<lb/> unmöglich iſt’s daß die Schleswig-Holſteiner jemals Inſeldänen werden.<lb/> Zurück zu Jütland. Offenbar iſt jedem der die Karte anſieht daß für Jüt-<lb/> land wie für Schleswig das größte Bedürfniß iſt: eine Längenbahn<lb/> durch die Halbinſel, eine Verlängerung der Altona-Kieler Bahn, vorbei<lb/> Schleswig und Flensburg bis an den Limſiord. Solche Bahn kann in<lb/> nordamerikaniſcher Weiſe auf dem Haiderücken der Halbinſel ſehr wohl-<lb/> feil gebaut werden. Aber Kopenhagen haßt die Verbindung mit dem<lb/> deutſchen Süden, die Jüten ſollen nur nach Kopenhagen blicken. Jütland<lb/> ſetzt ſeine Producte nach dem Süden ab. Hilft nichts; die Bureaukratie<lb/> in Kopenhagen hat die jütiſche, die ſchleswig’ſche Eiſenbahn gehindert ſo<lb/> gut wie ehemals die Erfüllung des gerechten Wunſches: eine eigene Uni-<lb/> verſität im Königreich Norwegen zu haben. Vielleicht wird es zu ſpät<lb/> ſeyn wenn man ſich in Kopenhagen entſchließt den Jütländern eigene<lb/> Ständeverſammlung und Eiſenbahn nach Süden zu gewähren. Wie<lb/> Norwegen ſich entwickelt hat nach der Emancipation von Dänemark iſt<lb/> bekannt. Jütland hat noch mehr Fähigkeit ſeinen Zuſtand zu verbeſſern<lb/> als Norwegen, aber die unerläßliche Bedingung iſt Emancipation von der<lb/> Bureaukratie der Inſeldänen. Immer doch iſt für die Jüten ein Miß-<lb/> government in Kopenhagen ein nationales, aber für die Herzogthümer<lb/> iſt es unerträglich geworden im Detail von Kopenhagen aus regiert zu<lb/> werden.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#b">Savoyen.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline><hi rendition="#b">* Chambery,</hi> 27 März.</dateline><lb/> <p>Nichts gleicht der Beſtürzung, dem Un-<lb/> willen und der Trauer in unſerem Lande. Weil ſich die ſavoyiſche Legion<lb/> von der ganzen ſardiniſchen Armee am beſten ſchlug und ihren alten Ruf<lb/> bewährte, ſo wurde ſie ſchon im vorjährigen lombardiſchen Feldzug ſehr<lb/> ausgeſetzt und verlor faſt zwei Drittheile ihrer Mannſchaft. Darüber ent-<lb/> ſtand lautes Murren in dem überhaupt mit dem Krieg unzufriedenen<lb/> Land, ja es war darauf und daran keine neue ſavoyiſche Legion zu ſtellen.<lb/> Deßhalb wurde in Turin verſprochen, in dem jetzigen Feldzug ſolle die<lb/> ſavoyiſche Legion entſchieden geſchont werden. Statt deſſen ſtellte ſie der<lb/> General Chrzanowski in der Schlacht bei Novara am 23 d. ins Vorder-<lb/> treffen, wo ſie furchtbar durch die öſterreichiſche Artillerie und Cavallerie<lb/> litt. Sie können ſich denken welcher Jammer darüber überall herrſcht;<lb/> faſt jede Familie des ſchon vorher gering bevölkerten Gebirgslandes zählt<lb/> einen Todten oder Verwundeten. Sie werden bereits von Mailand aus<lb/> genaue Nachrichten über dieſe merkwürdige, dem öſterreichiſchen Heer<lb/> ehrenvolle Schlacht erhalten haben. Wir wiſſen nur daß die piemonte-<lb/> ſiſche Armee bedeutend ſtärker war als die öſterreichiſche, daß ſie ſich jedoch<lb/> ſchlecht hielt, unſere Legion im Stich ließ und daß viele ſich ſogar über<lb/> das Gebirg nach Wallis flüchteten. Die franzöſiſche Alpenarmee ſteht ruhig<lb/> und hat ihre bisherigen Standquartiere nicht verändert.</p> </div><lb/> <div type="jComment" n="4"> <dateline><hi rendition="#b">* Chambery,</hi> 29 März.</dateline><lb/> <p>Meine früher in dieſen Blättern aus-<lb/> geſprochene Vermuthung iſt eingetroffen: durch eine gegen Oeſterreich ver-<lb/> lorene Schlacht hat Karl Albert ſein Land vor der Republik und ſeine<lb/> Dynaſtie vor dem Verluſt des Throns bewahrt. Er hat das freilich bei<lb/> ſeiner Zerknirſchung und Beſchämung nicht für ſich benutzen wollen, ſon-<lb/> dern hat noch vor dem Frieden zu Biella ſeinem älteſten Sohn, dem Her-<lb/> zog Victor Emanuel, die Krone abgetreten. Er ließ ſich durch die rühren-<lb/> den Bitten ſeiner Söhne nicht von dieſem Entſchluß abbringen. Gleich<lb/> nach ſeiner officiellen Erklärung verließ er, nur von zwei Bedienten be-<lb/> gleitet, ſeinen ehemaligen Staat, niemand weiß noch wo er jetzt iſt, man<lb/> vermuthet in der Schweiz. In der Schlacht hat er mehrmals geäußert<lb/> und auch durch die That gezeigt daß er den Tod ſuche und ihn willkommen<lb/> heißen werde, mehrere Pferde wurden ihm unter dem Leib erſchoſſen, eben-<lb/> ſo einige Officiere und ein General ganz in ſeiner Nähe; ein anderer Ge-<lb/> neral riß ihn mit aller Gewalt von einer ſehr gefährlichen Stelle weg.<lb/> Auch der junge Herzog von Genua zeigte große Tapferkeit und Todes-<lb/> verachtung. Der neue König Victor Emanuel, deſſen erſte Proclamation<lb/> ans Volk bereits hier erſchienen iſt, und den wir alle Tage erwarten, hat<lb/> ein ganz conſervatives Miniſterium ernannt. So iſt Sardinien, dem der<lb/> Sinn nach Eroberung und Beſitz einer mächtigen norditälieniſchen Königs-<lb/> krone mit Mailand und Venedig ſtand, nach kurzem Erfolg und nach un-<lb/> geheuern Opfern und Ausgaben in ſeine natürliche Stellung als Alpen-<lb/> hüter und Macht zweiten Rangs zwiſchen Frankreich und Oeſterreich zu-<lb/><cb/> rückgetreten. Der eben in fünf Tagen beendigte Feldzug ſteht einzig in<lb/> der Kriegsgeſchichte da, ein neuer Ruhm für die öſterreichiſchen Waffen,<lb/> dem bald die Wiedereinnahme Venedigs folgen dürfte.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline><hi rendition="#b">* Chambery,</hi> 30 März.</dateline><lb/> <p>Reiſende die heute von Turin hier an-<lb/> kamen, wiſſen nicht genug von der Aufregung und Verwirrung zu ſagen<lb/> die jetzt dort herrſchend ſeyn ſoll. Auf der einen Seite Huldigung dem<lb/> König Victor Emanuel und ſeiner Gemahlin von den Truppen und dem<lb/> Volk, dagegen ſtarke republicaniſche Gelüſte in den Kammern, ſtürmi-<lb/> ſche Sitzungen in denen heftig von Nichtanerkennung der Kronentſagung<lb/> Karl Alberts, des Waffenſtillſtands und des neuen conſervativen Mini-<lb/> ſteriums unter Delaunay’s Vorſitz die Rede iſt; jedoch wagt die Partei bei<lb/> der bekannten Stimmung der Armee nicht ernſtlich auf Wiederaufnahme<lb/> des Kriegs zu dringen. Die Leute in Turin ſind nicht ſelten welche wiſſen<lb/> Radetzky möchte ſo bald als möglich einrücken und der drohenden Republik<lb/> ein Ende machen. Andere wünſchen daß dieß von der piemonteſiſchen Armee<lb/> geſchehe mit ſofortiger Auflöſung der Kammern. Es iſt unmöglich zu<lb/> beſtimmen was aus dieſem Treiben und Gegentreiben hervorgehen wird;<lb/> gewiß nicht die Republik.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#b">Schweiz.</hi> </head><lb/> <div type="jComment" n="4"> <dateline><hi rendition="#b">┼ Genf,</hi> 30 März.</dateline><lb/> <p>Es iſt in ſchweizeriſchen und deutſchen Blättern<lb/> zu viel Bedeutung gelegt worden auf die revolutionären und demokrati-<lb/> ſchen Umtriebe und Verſchwörungen, die hier unter Anführung C. Hein-<lb/> zens gegen Ruhe, Frieden, geſellſchaftliche Ordnung und Fürſtenleben in<lb/> Deutſchland in Arbeit ſeyn ſollen. Darüber mag wohl mit Worten und<lb/> Phraſen viel verkehrt werden, wiewohl ſich nichts näheres oder gar be-<lb/> ſtimmtes darüber anführen läßt. Wie wäre es auch anders möglich als<lb/> daß die in bedeutender Anzahl vorhandenen Ausländer, die deutſchen, pol-<lb/> niſchen und italieniſchen politiſchen Ausgewanderten oder Verwieſenen<lb/> ſich vielfach hoffend, wünſchend, Plane machend über die Umgeſtaltung in<lb/> ihren Ländern beſprächen? Sie werden aber ſchwerlich zum Handeln kom-<lb/> men. Daß es anders bei ihnen werden müſſe, darüber ſind wohl alle ein-<lb/> verſtanden; ſie mögen auch in Paris und in ihren Ländern mit Gleichge-<lb/> ſinnten Verbindungen und Correſpondenzen unterhalten. Beſtimmte Plane<lb/> und Verabredungen zu Revolutionen, Inſurrectionen, zu Fürſten- und<lb/> Königsmord liegen aber ſchwerlich vor. Die Hoffnungen dieſer Mißver-<lb/> gnügten auf Piemonts Kriegserfolge in Italien, auf die magyariſche In-<lb/> ſurrection und die zwiſchen Oeſterreich und Preußen drohenden Feindſelig-<lb/> keiten ſind in dieſen Tagen durch Carl Alberts gänzliche Niederlage und<lb/> ähnliches in Deutſchland ſehr niedergeſchlagen worden. Das eifrige Be-<lb/> mühen ſolchen Umtrieben in Beziehung auf ſein Vaterland und ſeinen<lb/> König hier auf die Spur zu kommen, hat ſo eben die Ausweiſung des<lb/> Hauptmanns v. R., Gouverneurs des Prinzen Alexander von Preußen, zur<lb/> unangenehmen Folge gehabt, eine Irrung die jedoch bald von Bern aus<lb/> beigelegt werden dürfte, zumal es nicht in der Art hieſiger Regierung liegt<lb/> ausgezeichneten — Geld und Wohlthaten aller Art ſpendenden Fremden<lb/> den Aufenthalt in Genf unangenehm zu machen. Die oft wiederholte<lb/> Nachricht von jenen, beſonders in dieſem Augenblick der Schweiz gefähr-<lb/> lichen Umtrieben hat das unverbürgte Gerücht veranlaßt, die Bundes-<lb/> behörde werde nächſtens einige Bataillone Bundestruppen in Genf ein-<lb/> rücken laſſen.</p> </div> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jPoliticalNews" n="2"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Neueſtes</hi>.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"><lb/> <p>* Nach Briefen aus <hi rendition="#b">Berlin</hi> vom 3 April war die Frank-<lb/> furter Kaiſerdeputation am 2 Abends gegen 6 Uhr in der preußi-<lb/> ſchen Hauptſtadt angekommen mit einem Extrazug der Eiſenbahn.<lb/> Stürmiſche Hoch der Volksmaſſen empfingen ſie auf dem Potsda-<lb/> mer Bahnhof. Hr. Simſon, der Präſident der Nationalverſamm-<lb/> lung, dann der Vicepräſident der erſten preußiſchen Kammer und<lb/> der Vicepräſident der zweiten dortigen Kammer, v. Auerswald,<lb/> wechſelten Reden, dann wurden die Deputirten in 17 Gallawagen<lb/> nach den drei für ſie beſtimmten Hotels geführt, umbraust von<lb/> dem Jubel des Volkes. Der König wollte ſie am 3 April um 11<lb/> Uhr im Ritterſaal des königl. Schloſſes empfangen. Die Garde-<lb/> cuiraſſiere waren als Ehrenwache dazu befehligt. Man wollte<lb/> wiſſen daß Sachſen und Hannover bedingt zuſtimmende Erklärun-<lb/> gen eingeſandt hätten. Von Vayern ging dasſelbe, wohl falſche<lb/> Gerücht. Den Deputirten eine Serenade zu bringen, ihre Wohn-<lb/> häuſer mit Fahnen zu zieren, ſoll das Miniſterium erlaubt, Wrangel<lb/> verboten haben.</p> </div> </div><lb/> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [1477/0013]
ſtriren wollen, man hat ihm ſeine eigene Ständeverſammlung entzogen.
Der Tag der Erhebung Jütlands wird aber kommen.
Der Krieg Dänemarks gegen die Herzogthümer, richtiger Dänemarks
gegen Deutſchland, iſt eine Abſurdität, und muß über kurz oder lang
gebüßt werden. Wie auch der nächſte Frieden oder Verſuch zum Frieden
ausfallen mag, die moraliſche Spaltung zwiſchen den Schleswig-Holſtei-
nern und den Inſeldänen iſt fertig und unheilbar. Es iſt möglich daß
die Polen verwandelt werden in Ruſſen, die Elſäſſer in Franzoſen, aber
unmöglich iſt’s daß die Schleswig-Holſteiner jemals Inſeldänen werden.
Zurück zu Jütland. Offenbar iſt jedem der die Karte anſieht daß für Jüt-
land wie für Schleswig das größte Bedürfniß iſt: eine Längenbahn
durch die Halbinſel, eine Verlängerung der Altona-Kieler Bahn, vorbei
Schleswig und Flensburg bis an den Limſiord. Solche Bahn kann in
nordamerikaniſcher Weiſe auf dem Haiderücken der Halbinſel ſehr wohl-
feil gebaut werden. Aber Kopenhagen haßt die Verbindung mit dem
deutſchen Süden, die Jüten ſollen nur nach Kopenhagen blicken. Jütland
ſetzt ſeine Producte nach dem Süden ab. Hilft nichts; die Bureaukratie
in Kopenhagen hat die jütiſche, die ſchleswig’ſche Eiſenbahn gehindert ſo
gut wie ehemals die Erfüllung des gerechten Wunſches: eine eigene Uni-
verſität im Königreich Norwegen zu haben. Vielleicht wird es zu ſpät
ſeyn wenn man ſich in Kopenhagen entſchließt den Jütländern eigene
Ständeverſammlung und Eiſenbahn nach Süden zu gewähren. Wie
Norwegen ſich entwickelt hat nach der Emancipation von Dänemark iſt
bekannt. Jütland hat noch mehr Fähigkeit ſeinen Zuſtand zu verbeſſern
als Norwegen, aber die unerläßliche Bedingung iſt Emancipation von der
Bureaukratie der Inſeldänen. Immer doch iſt für die Jüten ein Miß-
government in Kopenhagen ein nationales, aber für die Herzogthümer
iſt es unerträglich geworden im Detail von Kopenhagen aus regiert zu
werden.
Savoyen.
* Chambery, 27 März.
Nichts gleicht der Beſtürzung, dem Un-
willen und der Trauer in unſerem Lande. Weil ſich die ſavoyiſche Legion
von der ganzen ſardiniſchen Armee am beſten ſchlug und ihren alten Ruf
bewährte, ſo wurde ſie ſchon im vorjährigen lombardiſchen Feldzug ſehr
ausgeſetzt und verlor faſt zwei Drittheile ihrer Mannſchaft. Darüber ent-
ſtand lautes Murren in dem überhaupt mit dem Krieg unzufriedenen
Land, ja es war darauf und daran keine neue ſavoyiſche Legion zu ſtellen.
Deßhalb wurde in Turin verſprochen, in dem jetzigen Feldzug ſolle die
ſavoyiſche Legion entſchieden geſchont werden. Statt deſſen ſtellte ſie der
General Chrzanowski in der Schlacht bei Novara am 23 d. ins Vorder-
treffen, wo ſie furchtbar durch die öſterreichiſche Artillerie und Cavallerie
litt. Sie können ſich denken welcher Jammer darüber überall herrſcht;
faſt jede Familie des ſchon vorher gering bevölkerten Gebirgslandes zählt
einen Todten oder Verwundeten. Sie werden bereits von Mailand aus
genaue Nachrichten über dieſe merkwürdige, dem öſterreichiſchen Heer
ehrenvolle Schlacht erhalten haben. Wir wiſſen nur daß die piemonte-
ſiſche Armee bedeutend ſtärker war als die öſterreichiſche, daß ſie ſich jedoch
ſchlecht hielt, unſere Legion im Stich ließ und daß viele ſich ſogar über
das Gebirg nach Wallis flüchteten. Die franzöſiſche Alpenarmee ſteht ruhig
und hat ihre bisherigen Standquartiere nicht verändert.
* Chambery, 29 März.
Meine früher in dieſen Blättern aus-
geſprochene Vermuthung iſt eingetroffen: durch eine gegen Oeſterreich ver-
lorene Schlacht hat Karl Albert ſein Land vor der Republik und ſeine
Dynaſtie vor dem Verluſt des Throns bewahrt. Er hat das freilich bei
ſeiner Zerknirſchung und Beſchämung nicht für ſich benutzen wollen, ſon-
dern hat noch vor dem Frieden zu Biella ſeinem älteſten Sohn, dem Her-
zog Victor Emanuel, die Krone abgetreten. Er ließ ſich durch die rühren-
den Bitten ſeiner Söhne nicht von dieſem Entſchluß abbringen. Gleich
nach ſeiner officiellen Erklärung verließ er, nur von zwei Bedienten be-
gleitet, ſeinen ehemaligen Staat, niemand weiß noch wo er jetzt iſt, man
vermuthet in der Schweiz. In der Schlacht hat er mehrmals geäußert
und auch durch die That gezeigt daß er den Tod ſuche und ihn willkommen
heißen werde, mehrere Pferde wurden ihm unter dem Leib erſchoſſen, eben-
ſo einige Officiere und ein General ganz in ſeiner Nähe; ein anderer Ge-
neral riß ihn mit aller Gewalt von einer ſehr gefährlichen Stelle weg.
Auch der junge Herzog von Genua zeigte große Tapferkeit und Todes-
verachtung. Der neue König Victor Emanuel, deſſen erſte Proclamation
ans Volk bereits hier erſchienen iſt, und den wir alle Tage erwarten, hat
ein ganz conſervatives Miniſterium ernannt. So iſt Sardinien, dem der
Sinn nach Eroberung und Beſitz einer mächtigen norditälieniſchen Königs-
krone mit Mailand und Venedig ſtand, nach kurzem Erfolg und nach un-
geheuern Opfern und Ausgaben in ſeine natürliche Stellung als Alpen-
hüter und Macht zweiten Rangs zwiſchen Frankreich und Oeſterreich zu-
rückgetreten. Der eben in fünf Tagen beendigte Feldzug ſteht einzig in
der Kriegsgeſchichte da, ein neuer Ruhm für die öſterreichiſchen Waffen,
dem bald die Wiedereinnahme Venedigs folgen dürfte.
* Chambery, 30 März.
Reiſende die heute von Turin hier an-
kamen, wiſſen nicht genug von der Aufregung und Verwirrung zu ſagen
die jetzt dort herrſchend ſeyn ſoll. Auf der einen Seite Huldigung dem
König Victor Emanuel und ſeiner Gemahlin von den Truppen und dem
Volk, dagegen ſtarke republicaniſche Gelüſte in den Kammern, ſtürmi-
ſche Sitzungen in denen heftig von Nichtanerkennung der Kronentſagung
Karl Alberts, des Waffenſtillſtands und des neuen conſervativen Mini-
ſteriums unter Delaunay’s Vorſitz die Rede iſt; jedoch wagt die Partei bei
der bekannten Stimmung der Armee nicht ernſtlich auf Wiederaufnahme
des Kriegs zu dringen. Die Leute in Turin ſind nicht ſelten welche wiſſen
Radetzky möchte ſo bald als möglich einrücken und der drohenden Republik
ein Ende machen. Andere wünſchen daß dieß von der piemonteſiſchen Armee
geſchehe mit ſofortiger Auflöſung der Kammern. Es iſt unmöglich zu
beſtimmen was aus dieſem Treiben und Gegentreiben hervorgehen wird;
gewiß nicht die Republik.
Schweiz.
┼ Genf, 30 März.
Es iſt in ſchweizeriſchen und deutſchen Blättern
zu viel Bedeutung gelegt worden auf die revolutionären und demokrati-
ſchen Umtriebe und Verſchwörungen, die hier unter Anführung C. Hein-
zens gegen Ruhe, Frieden, geſellſchaftliche Ordnung und Fürſtenleben in
Deutſchland in Arbeit ſeyn ſollen. Darüber mag wohl mit Worten und
Phraſen viel verkehrt werden, wiewohl ſich nichts näheres oder gar be-
ſtimmtes darüber anführen läßt. Wie wäre es auch anders möglich als
daß die in bedeutender Anzahl vorhandenen Ausländer, die deutſchen, pol-
niſchen und italieniſchen politiſchen Ausgewanderten oder Verwieſenen
ſich vielfach hoffend, wünſchend, Plane machend über die Umgeſtaltung in
ihren Ländern beſprächen? Sie werden aber ſchwerlich zum Handeln kom-
men. Daß es anders bei ihnen werden müſſe, darüber ſind wohl alle ein-
verſtanden; ſie mögen auch in Paris und in ihren Ländern mit Gleichge-
ſinnten Verbindungen und Correſpondenzen unterhalten. Beſtimmte Plane
und Verabredungen zu Revolutionen, Inſurrectionen, zu Fürſten- und
Königsmord liegen aber ſchwerlich vor. Die Hoffnungen dieſer Mißver-
gnügten auf Piemonts Kriegserfolge in Italien, auf die magyariſche In-
ſurrection und die zwiſchen Oeſterreich und Preußen drohenden Feindſelig-
keiten ſind in dieſen Tagen durch Carl Alberts gänzliche Niederlage und
ähnliches in Deutſchland ſehr niedergeſchlagen worden. Das eifrige Be-
mühen ſolchen Umtrieben in Beziehung auf ſein Vaterland und ſeinen
König hier auf die Spur zu kommen, hat ſo eben die Ausweiſung des
Hauptmanns v. R., Gouverneurs des Prinzen Alexander von Preußen, zur
unangenehmen Folge gehabt, eine Irrung die jedoch bald von Bern aus
beigelegt werden dürfte, zumal es nicht in der Art hieſiger Regierung liegt
ausgezeichneten — Geld und Wohlthaten aller Art ſpendenden Fremden
den Aufenthalt in Genf unangenehm zu machen. Die oft wiederholte
Nachricht von jenen, beſonders in dieſem Augenblick der Schweiz gefähr-
lichen Umtrieben hat das unverbürgte Gerücht veranlaßt, die Bundes-
behörde werde nächſtens einige Bataillone Bundestruppen in Genf ein-
rücken laſſen.
Neueſtes.
* Nach Briefen aus Berlin vom 3 April war die Frank-
furter Kaiſerdeputation am 2 Abends gegen 6 Uhr in der preußi-
ſchen Hauptſtadt angekommen mit einem Extrazug der Eiſenbahn.
Stürmiſche Hoch der Volksmaſſen empfingen ſie auf dem Potsda-
mer Bahnhof. Hr. Simſon, der Präſident der Nationalverſamm-
lung, dann der Vicepräſident der erſten preußiſchen Kammer und
der Vicepräſident der zweiten dortigen Kammer, v. Auerswald,
wechſelten Reden, dann wurden die Deputirten in 17 Gallawagen
nach den drei für ſie beſtimmten Hotels geführt, umbraust von
dem Jubel des Volkes. Der König wollte ſie am 3 April um 11
Uhr im Ritterſaal des königl. Schloſſes empfangen. Die Garde-
cuiraſſiere waren als Ehrenwache dazu befehligt. Man wollte
wiſſen daß Sachſen und Hannover bedingt zuſtimmende Erklärun-
gen eingeſandt hätten. Von Vayern ging dasſelbe, wohl falſche
Gerücht. Den Deputirten eine Serenade zu bringen, ihre Wohn-
häuſer mit Fahnen zu zieren, ſoll das Miniſterium erlaubt, Wrangel
verboten haben.
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Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription.
(2022-09-09T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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