[N. N.]: Unsere moderne Bildung im Bunde mit der Anarchie. Stuttgart, 1852.gut. Allein wie kömmt es, daß trotz allem Religionsunter- gut. Allein wie kömmt es, daß trotz allem Religionsunter- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0031" n="25"/> gut. Allein wie kömmt es, daß trotz allem Religionsunter-<lb/> richt in Schulen und Kirchen, trotz der unendlichen Verbrei-<lb/> tung von Bibeln, Katechismen und religiöſen Schriften aller<lb/> Art, und trotz der durch die allgemeine Betheiligung am<lb/> Schulunterricht jetzt ſo weit verbreiteten Befähigung zum<lb/> Leſen und Verſtehen dieſer Schriften gerade jetzt die Religion<lb/> in ſo wenigen Gemüthern tiefere Wurzeln ſchlagen will?<lb/> Auf welcher Vorbedingung in uns ſelbſt beruht denn wohl<lb/> das gläubige Erfaſſen der religiöſen Wahrheiten und zu<lb/> allernächſt das Erfaſſen der Grundlage aller Religion, des<lb/> Glaubens an eine höhere über uns waltende ſittliche Macht,<lb/> welcher wir Ehrfurcht und Gehorſam ſchuldig ſind? Beruht<lb/> dieſer Glaube etwa auf unſerem Verſtande, auf der Ent-<lb/> wicklung unſeres <hi rendition="#g">Denkvermögens</hi>? Wenn das der Fall<lb/> wäre, ſo müßte gerade jetzt, wo ſo Vieles für Entwickelung<lb/> des Denkvermögens geſchieht, dieſer Glaube ſehr allgemein<lb/> ſein, oder er müßte ſich wenigſtens bei den Befähigteren,<lb/> bei den im Denken Geübteren leichter begründen laſſen.<lb/> Nun zeigt ſich aber, daß unter den ſchärfſten Denkern, un-<lb/> ter den Gebildetſten und Gelehrteſten Ungläubige ſich finden<lb/> neben den Gläubigen, und daß bei ſehr geringen Geiſtes-<lb/> gaben und bei einer äußerſt dürftigen Ausbildung des Gei-<lb/> ſtes nicht ſelten eine Feſtigkeit des Glaubens und ein Ver-<lb/> trauen auf Gott ſich findet, welches durch keine Drohung<lb/> eingeſchüchtert, durch keine Sophismen beirrt, durch keine<lb/> Lockungen verführt wird. Alſo ſetzt doch wohl der Glaube<lb/> noch etwas Anderes voraus, als Belehrung und Verſtändniß<lb/> derſelben, und es iſt daher die Klarheit des Denkens, welche<lb/> ohne Zweifel nöthig iſt zu einer richtigen und deutlichen<lb/> Auffaſſung der einzelnen Glaubenslehren, ohne Einfluß auf<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [25/0031]
gut. Allein wie kömmt es, daß trotz allem Religionsunter-
richt in Schulen und Kirchen, trotz der unendlichen Verbrei-
tung von Bibeln, Katechismen und religiöſen Schriften aller
Art, und trotz der durch die allgemeine Betheiligung am
Schulunterricht jetzt ſo weit verbreiteten Befähigung zum
Leſen und Verſtehen dieſer Schriften gerade jetzt die Religion
in ſo wenigen Gemüthern tiefere Wurzeln ſchlagen will?
Auf welcher Vorbedingung in uns ſelbſt beruht denn wohl
das gläubige Erfaſſen der religiöſen Wahrheiten und zu
allernächſt das Erfaſſen der Grundlage aller Religion, des
Glaubens an eine höhere über uns waltende ſittliche Macht,
welcher wir Ehrfurcht und Gehorſam ſchuldig ſind? Beruht
dieſer Glaube etwa auf unſerem Verſtande, auf der Ent-
wicklung unſeres Denkvermögens? Wenn das der Fall
wäre, ſo müßte gerade jetzt, wo ſo Vieles für Entwickelung
des Denkvermögens geſchieht, dieſer Glaube ſehr allgemein
ſein, oder er müßte ſich wenigſtens bei den Befähigteren,
bei den im Denken Geübteren leichter begründen laſſen.
Nun zeigt ſich aber, daß unter den ſchärfſten Denkern, un-
ter den Gebildetſten und Gelehrteſten Ungläubige ſich finden
neben den Gläubigen, und daß bei ſehr geringen Geiſtes-
gaben und bei einer äußerſt dürftigen Ausbildung des Gei-
ſtes nicht ſelten eine Feſtigkeit des Glaubens und ein Ver-
trauen auf Gott ſich findet, welches durch keine Drohung
eingeſchüchtert, durch keine Sophismen beirrt, durch keine
Lockungen verführt wird. Alſo ſetzt doch wohl der Glaube
noch etwas Anderes voraus, als Belehrung und Verſtändniß
derſelben, und es iſt daher die Klarheit des Denkens, welche
ohne Zweifel nöthig iſt zu einer richtigen und deutlichen
Auffaſſung der einzelnen Glaubenslehren, ohne Einfluß auf
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |