[N. N.]: Unsere moderne Bildung im Bunde mit der Anarchie. Stuttgart, 1852.hinkt das Gleichniß freilich, denn sie entbehren auch noth- hinkt das Gleichniß freilich, denn ſie entbehren auch noth- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0044" n="38"/> hinkt das Gleichniß freilich, denn ſie entbehren auch noth-<lb/> wendig den Glauben an eine über ihnen waltende väterliche<lb/> Liebe, welcher ſie im Leben und im Tode getroſt vertrauen<lb/> können. Wer aber von dem Tode das Ende ſeines Daſeins<lb/> erwartet, ſein eigenes Leben nur als eine vorübergehende<lb/> Erſcheinung im Reiche der ewig wechſelnden Natur betrach-<lb/> tet, für den gibt es ſchon aus dieſem Grunde keinen reinen,<lb/> innigen Lebensgenuß. Wenn Alles was unſerem Leben Werth<lb/> verleiht, uns nur für die kurze Spanne unſerer Lebenszeit<lb/> bewilligt iſt und nach Ablauf derſelben die Vernichtung un-<lb/> ſerer wartet, iſt da nicht jeder tiefere Lebensgenuß für uns<lb/> vergiftet? Muß nicht bei jeder Freude, welcher wir uns<lb/> hingeben wollen, der Gedanke uns ſtören, daß das Leben<lb/> uns nur für ſo kurze Zeit geliehen iſt und daß mit ſeinem<lb/> Ende nicht blos <hi rendition="#g">dieſe</hi> Freude, ſondern überhaupt <hi rendition="#g">jedes</hi><lb/> Glück, jede Empfindung für uns aufhören werde? Jſt für<lb/> ein Herz, welches der Vernichtung geweiht iſt, nicht jede<lb/> Freude ein ſchneidender Hohn? Wer mag mit Jntereſſe Nah-<lb/> rung ſuchen für ſeinen Geiſt, wenn ſchon der nächſte Augen-<lb/> blick das Gefäß zertrümmern kann, in welches er ſammelt?<lb/> Wer mag Bündniſſe des Herzens mit voller Hingebung<lb/> ſchließen, wahre Liebe, wahre Freundſchaft hegen, wenn ihm<lb/> der Glaube an die Fortdauer der Perſönlichkeiten eine Thor-<lb/> heit iſt, wenn Freundſchaft, Liebe und wir ſelbſt mit dem<lb/> letzten Athemzuge erloſchen ſind? Und liegt nicht in dieſer<lb/> troſtloſen Verlaſſenheit eine gerechte Strafe für unſeren<lb/> Uebermuth? Erſt erklärt ſich der menſchliche Hochmuth für<lb/> ſouverän, für die höchſte Macht im Himmel und auf Erden,<lb/> und dann fühlt er ſich ſo bettelarm und hilflos, daß er mit<lb/> der Gier der Verzweiflung nach Allem greifen muß, was<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [38/0044]
hinkt das Gleichniß freilich, denn ſie entbehren auch noth-
wendig den Glauben an eine über ihnen waltende väterliche
Liebe, welcher ſie im Leben und im Tode getroſt vertrauen
können. Wer aber von dem Tode das Ende ſeines Daſeins
erwartet, ſein eigenes Leben nur als eine vorübergehende
Erſcheinung im Reiche der ewig wechſelnden Natur betrach-
tet, für den gibt es ſchon aus dieſem Grunde keinen reinen,
innigen Lebensgenuß. Wenn Alles was unſerem Leben Werth
verleiht, uns nur für die kurze Spanne unſerer Lebenszeit
bewilligt iſt und nach Ablauf derſelben die Vernichtung un-
ſerer wartet, iſt da nicht jeder tiefere Lebensgenuß für uns
vergiftet? Muß nicht bei jeder Freude, welcher wir uns
hingeben wollen, der Gedanke uns ſtören, daß das Leben
uns nur für ſo kurze Zeit geliehen iſt und daß mit ſeinem
Ende nicht blos dieſe Freude, ſondern überhaupt jedes
Glück, jede Empfindung für uns aufhören werde? Jſt für
ein Herz, welches der Vernichtung geweiht iſt, nicht jede
Freude ein ſchneidender Hohn? Wer mag mit Jntereſſe Nah-
rung ſuchen für ſeinen Geiſt, wenn ſchon der nächſte Augen-
blick das Gefäß zertrümmern kann, in welches er ſammelt?
Wer mag Bündniſſe des Herzens mit voller Hingebung
ſchließen, wahre Liebe, wahre Freundſchaft hegen, wenn ihm
der Glaube an die Fortdauer der Perſönlichkeiten eine Thor-
heit iſt, wenn Freundſchaft, Liebe und wir ſelbſt mit dem
letzten Athemzuge erloſchen ſind? Und liegt nicht in dieſer
troſtloſen Verlaſſenheit eine gerechte Strafe für unſeren
Uebermuth? Erſt erklärt ſich der menſchliche Hochmuth für
ſouverän, für die höchſte Macht im Himmel und auf Erden,
und dann fühlt er ſich ſo bettelarm und hilflos, daß er mit
der Gier der Verzweiflung nach Allem greifen muß, was
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