[N. N.]: Unsere moderne Bildung im Bunde mit der Anarchie. Stuttgart, 1852.nach noch nicht abgenützten Mitteln des Genusses und nach Mit vollem Rechte mochte man damals diejenigen unter Worin besteht nun aber der oberste leitende Gedanke Man hat schon oft, und wohl nicht mit Unrecht, darauf nach noch nicht abgenützten Mitteln des Genuſſes und nach Mit vollem Rechte mochte man damals diejenigen unter Worin beſteht nun aber der oberſte leitende Gedanke Man hat ſchon oft, und wohl nicht mit Unrecht, darauf <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0052" n="46"/> nach noch nicht abgenützten Mitteln des Genuſſes und nach<lb/> ſtärkeren Aufregungen geſucht hat, ſo bemächtigt ſich ſeiner<lb/> zuletzt eine ſouveräne Gleichgültigkeit gegen Alles, was für<lb/> die gewöhnlichen Menſchen Reiz und Jntereſſe zu haben<lb/> pflegt. Das iſt der Zuſtand der Blaſirtheit, welcher bei<lb/> verſchiedenen Perſonen einen ſehr verſchiedenen Ausgang<lb/> nehmen kann, deſſen Anfang und innerer Grund aber ſtets<lb/> in dem Erlöſchen des Bewußtſeins unſerer ſittlichen und<lb/> unſterblichen Natur zu ſuchen iſt.</p><lb/> <p>Mit vollem Rechte mochte man damals diejenigen unter<lb/> dieſen Gebildeten, welche es in der Kunſt, ihr ſittliches<lb/> Selbſtbewußtſein zu ertödten, am weiteſten gebracht hatten,<lb/> „<hi rendition="#g">Löwen</hi>“ nennen, denn der Löwe iſt bekanntlich der König<lb/> der Thiere, und wenn eine Bildung, welche die ſittlichen<lb/> Bedürfniſſe nicht befriedigt, den Menſchen leicht bis in die<lb/> Nähe der Beſtialität herabſinken läßt, ſo verleiht ſie ihm<lb/> doch durch die Pflege der Jntelligenz einen äußeren Schliff<lb/> und einen Anſtand, welcher unter Thieren wohl für könig-<lb/> liche Würde gelten kann. Jn <hi rendition="#g">einem</hi> Punkte bewährten<lb/> ſich freilich jene <hi rendition="#g">Löwen</hi> ſchlecht. Denn als plötzlich die<lb/> Anarchie in allen Ecken und Enden losbrach und mit blut-<lb/> triefenden Händen Wohlſtand forderte, da verſchwanden<lb/> ſchnell jene lebensüberdrüſſigen, nach Nervenerſchütterung<lb/> dürſtenden Tageshelden von dem Schauplatze ihrer Thaten<lb/> und bargen in ſicherem Verſteck ihr werthes Daſein, des<lb/><hi rendition="#g">thieriſchen</hi> wie des <hi rendition="#g">ſittlichen</hi> Muthes entbehrend.</p><lb/> <p>Worin beſteht nun aber der oberſte leitende Gedanke<lb/> unſerer Bildung, durch welchen ſie unfähig wird, die ſitt-<lb/> lichen Bedürfniſſe des Menſchen zu befriedigen?</p><lb/> <p>Man hat ſchon oft, und wohl nicht mit Unrecht, darauf<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [46/0052]
nach noch nicht abgenützten Mitteln des Genuſſes und nach
ſtärkeren Aufregungen geſucht hat, ſo bemächtigt ſich ſeiner
zuletzt eine ſouveräne Gleichgültigkeit gegen Alles, was für
die gewöhnlichen Menſchen Reiz und Jntereſſe zu haben
pflegt. Das iſt der Zuſtand der Blaſirtheit, welcher bei
verſchiedenen Perſonen einen ſehr verſchiedenen Ausgang
nehmen kann, deſſen Anfang und innerer Grund aber ſtets
in dem Erlöſchen des Bewußtſeins unſerer ſittlichen und
unſterblichen Natur zu ſuchen iſt.
Mit vollem Rechte mochte man damals diejenigen unter
dieſen Gebildeten, welche es in der Kunſt, ihr ſittliches
Selbſtbewußtſein zu ertödten, am weiteſten gebracht hatten,
„Löwen“ nennen, denn der Löwe iſt bekanntlich der König
der Thiere, und wenn eine Bildung, welche die ſittlichen
Bedürfniſſe nicht befriedigt, den Menſchen leicht bis in die
Nähe der Beſtialität herabſinken läßt, ſo verleiht ſie ihm
doch durch die Pflege der Jntelligenz einen äußeren Schliff
und einen Anſtand, welcher unter Thieren wohl für könig-
liche Würde gelten kann. Jn einem Punkte bewährten
ſich freilich jene Löwen ſchlecht. Denn als plötzlich die
Anarchie in allen Ecken und Enden losbrach und mit blut-
triefenden Händen Wohlſtand forderte, da verſchwanden
ſchnell jene lebensüberdrüſſigen, nach Nervenerſchütterung
dürſtenden Tageshelden von dem Schauplatze ihrer Thaten
und bargen in ſicherem Verſteck ihr werthes Daſein, des
thieriſchen wie des ſittlichen Muthes entbehrend.
Worin beſteht nun aber der oberſte leitende Gedanke
unſerer Bildung, durch welchen ſie unfähig wird, die ſitt-
lichen Bedürfniſſe des Menſchen zu befriedigen?
Man hat ſchon oft, und wohl nicht mit Unrecht, darauf
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