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[N. N.]: Unsere moderne Bildung im Bunde mit der Anarchie. Stuttgart, 1852.

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unserer Philosophen, bald in dieser, bald in jener Form,
so schroff entgegen, daß es unmöglich ist, sich über ihn zu
täuschen. So lesen wir z. B. in einem der Neuzeit ange-
hörigen sehr dicken wissenschaftlichen Buche Folgendes:

"Wir suchen fortan eine völlig neue Grundlage für
unsere staatlichen, gesellschaftlichen und Glaubenszu-
stände zu erringen, und zwar durch die Kraft des
Begriffes
, in bewußt vernünftiger Entwickelung,
frei von jeglichem Autoritätsglauben und von unge-
rechtfertigter Herkömmlichkeit. Dies sind die neuen
Lebensbedingungen, und wer fortzuleben begehrt, wird
sich ihnen unterwerfen müssen."

Dieser Satz, welcher gewiß von keinem unserer jung-
deutschen Philosophen desavouirt werden wird, verbindet
das bei unserer heutigen Philosophie sehr seltene Verdienst
der Deutlichkeit mit dem bei ihr sehr gewöhnlichen Verdienste
gesetzgeberischer Zuversicht. Wie der Löwe im Salon durch
die Sicherheit seiner Bewegungen jeden Zweifel an seiner
königlichen Würde niederschlägt, so beurkundet der Philosoph
seinen gesetzgeberischen Beruf durch den gemessenen Bescheid:
"Wer fortzuleben begehrt, der wird sich Unseren Aussprüchen
unterwerfen müssen. Wonach sich zu achten."

Etwas bedenklicher lautet der Ausdruck wir suchen,
oder gar das volltönende wir suchen fortan. Das klingt
ja fast, als könnte es noch eine gute Weile währen, bis
ihr Fortansuchenden die neue Grundlage glücklich ausfindig
gemacht haben werdet. Was wird wohl bis dahin aus uns
übrigen armen Menschenkindern werden, die wir gerne fort-
zuleben begehren würden, wenn wir wüßten, ob sich ein so
kühner Wunsch mit eurer noch ungeborenen neuen Grund-

unſerer Philoſophen, bald in dieſer, bald in jener Form,
ſo ſchroff entgegen, daß es unmöglich iſt, ſich über ihn zu
täuſchen. So leſen wir z. B. in einem der Neuzeit ange-
hörigen ſehr dicken wiſſenſchaftlichen Buche Folgendes:

„Wir ſuchen fortan eine völlig neue Grundlage für
unſere ſtaatlichen, geſellſchaftlichen und Glaubenszu-
ſtände zu erringen, und zwar durch die Kraft des
Begriffes
, in bewußt vernünftiger Entwickelung,
frei von jeglichem Autoritätsglauben und von unge-
rechtfertigter Herkömmlichkeit. Dies ſind die neuen
Lebensbedingungen, und wer fortzuleben begehrt, wird
ſich ihnen unterwerfen müſſen.“

Dieſer Satz, welcher gewiß von keinem unſerer jung-
deutſchen Philoſophen desavouirt werden wird, verbindet
das bei unſerer heutigen Philoſophie ſehr ſeltene Verdienſt
der Deutlichkeit mit dem bei ihr ſehr gewöhnlichen Verdienſte
geſetzgeberiſcher Zuverſicht. Wie der Löwe im Salon durch
die Sicherheit ſeiner Bewegungen jeden Zweifel an ſeiner
königlichen Würde niederſchlägt, ſo beurkundet der Philoſoph
ſeinen geſetzgeberiſchen Beruf durch den gemeſſenen Beſcheid:
„Wer fortzuleben begehrt, der wird ſich Unſeren Ausſprüchen
unterwerfen müſſen. Wonach ſich zu achten.“

Etwas bedenklicher lautet der Ausdruck wir ſuchen,
oder gar das volltönende wir ſuchen fortan. Das klingt
ja faſt, als könnte es noch eine gute Weile währen, bis
ihr Fortanſuchenden die neue Grundlage glücklich ausfindig
gemacht haben werdet. Was wird wohl bis dahin aus uns
übrigen armen Menſchenkindern werden, die wir gerne fort-
zuleben begehren würden, wenn wir wüßten, ob ſich ein ſo
kühner Wunſch mit eurer noch ungeborenen neuen Grund-

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[48/0054] unſerer Philoſophen, bald in dieſer, bald in jener Form, ſo ſchroff entgegen, daß es unmöglich iſt, ſich über ihn zu täuſchen. So leſen wir z. B. in einem der Neuzeit ange- hörigen ſehr dicken wiſſenſchaftlichen Buche Folgendes: „Wir ſuchen fortan eine völlig neue Grundlage für unſere ſtaatlichen, geſellſchaftlichen und Glaubenszu- ſtände zu erringen, und zwar durch die Kraft des Begriffes, in bewußt vernünftiger Entwickelung, frei von jeglichem Autoritätsglauben und von unge- rechtfertigter Herkömmlichkeit. Dies ſind die neuen Lebensbedingungen, und wer fortzuleben begehrt, wird ſich ihnen unterwerfen müſſen.“ Dieſer Satz, welcher gewiß von keinem unſerer jung- deutſchen Philoſophen desavouirt werden wird, verbindet das bei unſerer heutigen Philoſophie ſehr ſeltene Verdienſt der Deutlichkeit mit dem bei ihr ſehr gewöhnlichen Verdienſte geſetzgeberiſcher Zuverſicht. Wie der Löwe im Salon durch die Sicherheit ſeiner Bewegungen jeden Zweifel an ſeiner königlichen Würde niederſchlägt, ſo beurkundet der Philoſoph ſeinen geſetzgeberiſchen Beruf durch den gemeſſenen Beſcheid: „Wer fortzuleben begehrt, der wird ſich Unſeren Ausſprüchen unterwerfen müſſen. Wonach ſich zu achten.“ Etwas bedenklicher lautet der Ausdruck wir ſuchen, oder gar das volltönende wir ſuchen fortan. Das klingt ja faſt, als könnte es noch eine gute Weile währen, bis ihr Fortanſuchenden die neue Grundlage glücklich ausfindig gemacht haben werdet. Was wird wohl bis dahin aus uns übrigen armen Menſchenkindern werden, die wir gerne fort- zuleben begehren würden, wenn wir wüßten, ob ſich ein ſo kühner Wunſch mit eurer noch ungeborenen neuen Grund-

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Zitationshilfe: [N. N.]: Unsere moderne Bildung im Bunde mit der Anarchie. Stuttgart, 1852, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_anarchie_1852/54>, abgerufen am 21.11.2024.