[N. N.]: Unsere moderne Bildung im Bunde mit der Anarchie. Stuttgart, 1852.sich gar mit übertünchten Gräbern vergleichen lassen? Hätte Christus seine Aufgabe in Herstellung einer neuen Man wird dagegen einwenden, eine gewisse Form des ſich gar mit übertünchten Gräbern vergleichen laſſen? Hätte Chriſtus ſeine Aufgabe in Herſtellung einer neuen Man wird dagegen einwenden, eine gewiſſe Form des <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0085" n="79"/> ſich gar mit <hi rendition="#g">übertünchten Gräbern</hi> vergleichen laſſen?<lb/> iſt das nicht himmelſchreiend? darf ſich eine Verſtandes-<lb/> bildung ſo das Meſſer an die Kehle ſetzen laſſen? „Kreu-<lb/> ziget ihn!“</p><lb/> <p>Hätte Chriſtus ſeine Aufgabe in Herſtellung einer neuen<lb/> Form des Bekenntniſſes geſucht und dieſe neue Form mit den<lb/> Waffen des Verſtandes und der Schriftgelehrſamkeit gegen<lb/> die herkömmlichen Anſichten vertheidigt, ſo würde er nim-<lb/> mermehr gekreuzigt worden ſein. Die chriſtliche „Sekte“ wäre<lb/> dann auf gleichem Boden mit allen anderen geſtanden, und<lb/> er hätte ohne Gefahr neben ſo viele andere Schulen und<lb/> Anſichten noch eine weitere ſtellen mögen. Man würde ihn<lb/> von der einen Seite angefeindet und verhöhnt, von der an-<lb/> deren geſchützt und geehrt haben, und die Welt wäre ge-<lb/> blieben, was ſie war: <hi rendition="#g">innerlich krank.</hi> Denn durch eine<lb/> Aenderung in der Form des Glaubensbekenntniſſes ändert<lb/> man den inneren Menſchen nicht.</p><lb/> <p>Man wird dagegen einwenden, eine <hi rendition="#g">gewiſſe Form</hi> des<lb/> Bekenntniſſes ſei doch offenbar <hi rendition="#g">unentbehrlich,</hi> und es könne<lb/> auch unmöglich gleichgültig ſein, welche Form des Bekennt-<lb/> niſſes wir wählen, da nur eine <hi rendition="#g">einzige</hi> unter den verſchie-<lb/> denen möglichen Formen die <hi rendition="#g">richtige</hi> ſein könne. Ganz<lb/> gewiß. Selbſt wenn wir es nicht wollten, würde unſer<lb/> denkender Geiſt die Thatſachen unſeres ſittlichen Bewußtſeins<lb/> in eine beſtimmte Vorſtellungsweiſe einkleiden und ſie für ſich<lb/> ſelbſt und für Andere in gewiſſe Sätze zuſammenfaſſen, es<lb/> iſt das eine in unſerer denkenden Natur begründete Noth-<lb/> wendigkeit. Nur ſollten wir, wenn wir von freier <hi rendition="#g">Wahl</hi><lb/> des Bekenntniſſes ſprechen, nicht vergeſſen, daß wir zwar<lb/> die Kirche und ihr Bekenntniß wählen können, daß aber die<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [79/0085]
ſich gar mit übertünchten Gräbern vergleichen laſſen?
iſt das nicht himmelſchreiend? darf ſich eine Verſtandes-
bildung ſo das Meſſer an die Kehle ſetzen laſſen? „Kreu-
ziget ihn!“
Hätte Chriſtus ſeine Aufgabe in Herſtellung einer neuen
Form des Bekenntniſſes geſucht und dieſe neue Form mit den
Waffen des Verſtandes und der Schriftgelehrſamkeit gegen
die herkömmlichen Anſichten vertheidigt, ſo würde er nim-
mermehr gekreuzigt worden ſein. Die chriſtliche „Sekte“ wäre
dann auf gleichem Boden mit allen anderen geſtanden, und
er hätte ohne Gefahr neben ſo viele andere Schulen und
Anſichten noch eine weitere ſtellen mögen. Man würde ihn
von der einen Seite angefeindet und verhöhnt, von der an-
deren geſchützt und geehrt haben, und die Welt wäre ge-
blieben, was ſie war: innerlich krank. Denn durch eine
Aenderung in der Form des Glaubensbekenntniſſes ändert
man den inneren Menſchen nicht.
Man wird dagegen einwenden, eine gewiſſe Form des
Bekenntniſſes ſei doch offenbar unentbehrlich, und es könne
auch unmöglich gleichgültig ſein, welche Form des Bekennt-
niſſes wir wählen, da nur eine einzige unter den verſchie-
denen möglichen Formen die richtige ſein könne. Ganz
gewiß. Selbſt wenn wir es nicht wollten, würde unſer
denkender Geiſt die Thatſachen unſeres ſittlichen Bewußtſeins
in eine beſtimmte Vorſtellungsweiſe einkleiden und ſie für ſich
ſelbſt und für Andere in gewiſſe Sätze zuſammenfaſſen, es
iſt das eine in unſerer denkenden Natur begründete Noth-
wendigkeit. Nur ſollten wir, wenn wir von freier Wahl
des Bekenntniſſes ſprechen, nicht vergeſſen, daß wir zwar
die Kirche und ihr Bekenntniß wählen können, daß aber die
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