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Der Arbeitgeber. Nr. 668. Frankfurt a. M., 18. Februar 1870.

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* Koalitionsfreiheit. Das Gesetz, welches Koalitionsfreiheit
gestattet, wurde in der Sitzung des östreichischen Abgeordnetenhauses
vom 10. Februar angenommen.

* Baugenossenschaft. Jn Berlin hat sich eine Baugenossen-
schaft für Arbeiterwohnungen im Stralauer Viertel gebildet.

* Asyl für Obdachlose. Nach dem Vorgang von Berlin hat
sich jetzt auch in Dresden ein Verein gebildet, welcher ein Asyl
für Obdachlose gründen will. Der Berliner Verein ist eben damit
beschäftigt ein neues Haus für obdachlose Frauen zu bauen.

* Zur Klage über die Abnahme des Wohlstandes. Die
Fabrikation in lackirtem Kalbleder, sagt die Wormser Handelskammer,
hatte sich in den Jahren 1867 und 1868 eines weiteren Aufschwunges
zu erfreuen. War auch das Geschäft weniger lohnend, wie in früheren
Jahren, indem die Preise durch eine energische Konkurrenz herabge-
drückt wurden, so war der Absatz doch ein größerer. Lackirtes
Leder scheint aus einem Lurusartikel mehr ein Verbrauchs-
artikel geworden zu sein; der Verbrauch desselben ist in
Schichten der Bevölkerung gedrungen, in denen es früher
nicht zu finden war,
und es hat zu dieser Ausbreitung des Kon-
sums wohl hauptsächlich die größere Billigkeit der Waare beigetragen.

* Arbeiter=Angelegenheiten. Jn Wien droht ein Ausstand
der Zeitungssetzer auszubrechen. Die Jnhaber von Zeitungen haben
bereits eine Koalition gebildet, um eventuell dafür zu sorgen, daß
die Zeitungen forterscheinen können.

-- Die Herren Becker, Schulze=Delitzsch, Virchow und Genossen
erlassen einen wiederholten Aufruf zur Unterstützung der Walden-
burger
Arbeiter. Ueber 1500 Bergleute sind bereits ausgewandert;
viele mußten ihre Familien zurücklassen, und sind bis jetzt nicht im
Stand, dieselben nach so langen Entbehrungen zu unterhalten. Außer-
dem ist ein großer Theil ( 600 Bergleute ) nicht mehr eingestellt
worden. "Sollen diese Männer, welche in uneigennütziger Hingebung
nur die Beschlüsse ihrer Kameraden ausgeführt, deren Jnteresse und
Rechte verfochten haben, jetzt mit Weib und Kind zu Grunde gehen?"
Jm Ganzen sind auf den ersten Aufruf 25,000 Thaler eingegangen.
Diese Zahl gibt sehr zum Nachdenken Veranlassung, und ein geschickter
Sozial=Reformer könnte sie wohl zum Text einer Predigt machen
und füglich daraus deduciren: erstlich da diese Beträge meist aus
Arbeiterkreisen flossen, wie der Aufruf selbst zugesteht, ist die gewerk-
vereinliche Organisation noch im Anfang, sonst hätte wohl der zehn-
fache Betrag fließen müssen; zweitens hat der Aufruf bei der be-
sitzenden Klasse kein Gehör gefunden, sonst wäre der zwanzigfache
Betrag geflossen, und drittens predigen diese 25,000 Thaler eine
Gleichgültigkeit oder einen Antagonismus, welcher nichts Gutes er-
warten läßt -- denn wir sind entschieden aus der Zeit heraus, und
wenn es tausendmal nicht in die Köpfe und in die Taschen will, in
welchen auf dem Arbeitsmarkt von den Einen befohlen und von den
Andern gehorcht wird. Das Verkennen dieser Thatsache, und das
Stemmen gegen ihre stätig fortschreitende Geltendmachung kann nur
von Nachtheil sein, und kann bewußt oder unbewußt nur von denen
geübt werden, die für den stillen, unbarmherzig logischen Gang der
Zeit kein Ohr haben.

-- Die Differenzen der Bergleute in Thorncliffe mit den
Grubenbesitzern werden jetzt durch ein Schiedsgericht geschlichtet. Jm
gebildeten Deutschland hat man es leider noch nicht soweit gebracht.

* Arbeitslohn und Maschine. Die Wormser Handelskammer
sagt über die Lage der Kleiderfabrikation in den Jahren 1867 und
1868: Jn Folge der vermehrten Nachfrage haben die Arbeitslöhne,
trotzdem die Maschine allgemein im Gebrauch ist, sich um
mehr als 25 pCt. in den letzten zwei Jahren gehoben, und
dennoch fehlt es sehr an geeigneten Kräften.

* Arbeitermangel in der Landwirthschaft. Der Jahresbericht
der hessischen Handelskammer zu Worms a. Rh. sagt darüber: Die
Klage unserer Landwirthe über den Mangel an tüchtigen und zuver-
lässigen Arbeitern ist wiederum und namentlich seit der Erhöhung
des Präsensstandes unserer Truppen stärker geworden. Wenn die
Güterpreise gegen früher einen Rückschlag zeigen, so ist derselbe mit
dadurch begründet, daß die Arbeiternoth bei Vielen Unlust geweckt,
und sie zum Aufgeben der Landwirthschaft bestimmt hat. Anderseits
gewinnt hierdurch die Anwendung verbesserter Maschinen auch bei
denjenigen an Ansehen, welche bisher der Maschinenarbeit in der
Landwirthschaft abgeneigt waren.

* Arbeitmarkt. Jn Berlin werden noch 1500 Arbeiter für
die Straßenreinigung gesucht. Tagelohn 1 / 2 Thaler.

[Spaltenumbruch]

* Eines Arbeiters Widerlegung der national=ökonomischen Leh-
ren J. Stuart Mill's von J. George Eccarius. ( Verlag von
Alb. Eichhoff in Berlin. ) Selten noch ist uns ein so merkwürdiges
Gemisch von scheinbar wissenschaftlichen Deductionen mit der plumpsten
alltäglichen Anschauung wissenschaftlicher Probleme vor Augen gekom-
men, wie dieses Schriftchen, das Erzeugniß jenes in gewissen Kreisen
nicht selten sich zeigenden Halbwissens, das gefährlicher ist, wie die
größte Unwissenheit. Der Verfasser, ein Schneidergeselle, dem über-
triebene Lobsprüche von Marx und andern überspannten Leuten den
Kopf verwirrt zu haben scheinen, unternimmt es Stuart Mills, bzw.
der ganzen volkswirthschaftlichen Wissenschaft Lehren über Kapital,
Produktion und Konsumtion zu widerlegen, zeigt aber gleich auf den
ersten Blättern, daß er nicht den leisesten Begriff von dem Wesen des
Kapitales und der Produktion hat. Der ziemlich starke Dünkel,
welcher den Verfasser erfüllt, kennzeichnet sich gleich anfangs in der
hochgetragenen Redensart: wenn die Arbeiter ihre Gegner "sowohl
auf der Tribüne, als in der Presse durch intellektuelle Ueberlegenheit
schlagen können, so marschirten sie ungehindert zum großen Ziel." --
Wenn dieser Fall eintritt, so ist die Frage an sich schon gelöst, denn
solche Männer sind keine Arbeiter mehr im Sinne des Verfassers,
und dieser hat noch viel zu lernen, bis er soweit ist. -- Wie es
scheint hält er nur das für Kapital, was sich in den Händen der
s. g. Kapitalisten befindet, denn "Rohmaterial, selbst wenn es zu
produktiven Zwecken bestimmt ist
( ! ) , ist deshalb noch nicht Ka-
pital." Die Pyramiden, die Wasserleitungen Rom's waren nicht
möglich, "ohne beträchtlichen Vorrath von vorher aufgehäufter Ar-
beit. Aber jener Vorrath war kein Kapital." -- Der gute Kleider-
künstler lebt noch in der Anschauung, daß "Geld ebenso gut als das
Baumaterial selbst ist." Erst wenn "Geld im Gegensatze zu tech-
nischer Geschicklichkeit unerläßliche Bedingung des Geschäftsbetriebes, --
erst dann sind die Vorerfordernisse zur Produktion Kapital ( ! ) ."
Ebenso begreift er den wissenschaftl. Satz nicht, daß alles Kapital re-
produzirt werden muß, soll es nicht zu Grund gehen, sondern meint,
es würde nur das produzirt, was verlangt wird. Allerdings, das
schließt aber jenen Satz nicht aus, das Kapital sieht sich eben nach
dem Bedarf um. Schließlich werden auch die Maschinen verdammt,
welche die Arbeiter brodlos machten ( wo? ) , und aus einer Flugschrift
( stubborn facts ) , die bis jetzt nicht bekannte Thatsache zu entwickeln
gesucht, daß die Maschinen die Löhne drückten. Ein Weber habe im
J. 1825 für 24 Ellen 2 sh. 8 p. erhalten, im J. 1836 nur 1 sh. 3 p.
Sehr wahrscheinlich. Daß er aber vielleicht 3--4mal so viel mit
den neuen Webstühlen fertig bringt, das hat der Verfasser ganz
übersehen.

* Lehrerbesoldung. Wie allerwärts haben auch die Lehrer in
Würtemberg den Wunsch nach Verbesserung ihrer Lage; wenn in
Folge der großen Bedürfnisse des Kriegsministers die Gehalte augen-
blicklich nicht erhöht werden können, so verlangen sie wenigstens, daß
die Verzögerungen in der Besetzung erledigter Stellen aufhören möch-
ten; denn was die salarirende Kasse durch lang dauernde Amtsver-
weserei spart, das geht eben dem Lehrerstand an seiner Besoldung ab.

* Hochschulen in Preußen und ihre Unterhaltungs-
kosten.
Der jährliche Gesammtaufwand für sämmtliche 10 Anstalten
beträgt 1,492,213 Thaler, wovon 862,911 Thlr. aus dem Staats-
fond, die übrigen 629,302 Thlr. aus den Vermögensquellen der
Anstalten selbst fließen. Unter sämmtlichen Anstalten nehmen die
Berliner und Göttinger die höchsten Summen in Anspruch, erstere
221,683 Thlr. und letztere 181,930 Thlr. Dann kommen Bonn
mit 151,372 Thlr., Halle mit 127,485 Thlr., Königsberg mit
117,432 Thlr., Breslau mit 117,402 Thlr., Marburg mit 96,480
Thlr., Kiel mit 95,221 Thlr. Greifswald, die einzige Universität,
welche gar keinen Staatszuschuß erhält, sondern ausschließlich vom
Einkommen aus eigenem Vermögen lebt, mit 94,100 Thlr. und
endlich die Akademie zu Münster mit 22,376 Thlr. Der Durch-
schnittsgehalt eines ordentlichen Professors beträgt 1246 Thlr.

Handel und Verkehr.

* Wie der Freihandel oder doch die Zollermäßigung regulirt.
Die Dresdener Handelskammer sagt: Seitdem der Weinhandel die
billigeren Sorten vom Rhein, der Mosel, aus Oberfranken und der
Pfalz und mit Eintritt der Weinzollermäßigung aus Oest-

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* Koalitionsfreiheit. Das Gesetz, welches Koalitionsfreiheit
gestattet, wurde in der Sitzung des östreichischen Abgeordnetenhauses
vom 10. Februar angenommen.

* Baugenossenschaft. Jn Berlin hat sich eine Baugenossen-
schaft für Arbeiterwohnungen im Stralauer Viertel gebildet.

* Asyl für Obdachlose. Nach dem Vorgang von Berlin hat
sich jetzt auch in Dresden ein Verein gebildet, welcher ein Asyl
für Obdachlose gründen will. Der Berliner Verein ist eben damit
beschäftigt ein neues Haus für obdachlose Frauen zu bauen.

* Zur Klage über die Abnahme des Wohlstandes. Die
Fabrikation in lackirtem Kalbleder, sagt die Wormser Handelskammer,
hatte sich in den Jahren 1867 und 1868 eines weiteren Aufschwunges
zu erfreuen. War auch das Geschäft weniger lohnend, wie in früheren
Jahren, indem die Preise durch eine energische Konkurrenz herabge-
drückt wurden, so war der Absatz doch ein größerer. Lackirtes
Leder scheint aus einem Lurusartikel mehr ein Verbrauchs-
artikel geworden zu sein; der Verbrauch desselben ist in
Schichten der Bevölkerung gedrungen, in denen es früher
nicht zu finden war,
und es hat zu dieser Ausbreitung des Kon-
sums wohl hauptsächlich die größere Billigkeit der Waare beigetragen.

* Arbeiter=Angelegenheiten. Jn Wien droht ein Ausstand
der Zeitungssetzer auszubrechen. Die Jnhaber von Zeitungen haben
bereits eine Koalition gebildet, um eventuell dafür zu sorgen, daß
die Zeitungen forterscheinen können.

-- Die Herren Becker, Schulze=Delitzsch, Virchow und Genossen
erlassen einen wiederholten Aufruf zur Unterstützung der Walden-
burger
Arbeiter. Ueber 1500 Bergleute sind bereits ausgewandert;
viele mußten ihre Familien zurücklassen, und sind bis jetzt nicht im
Stand, dieselben nach so langen Entbehrungen zu unterhalten. Außer-
dem ist ein großer Theil ( 600 Bergleute ) nicht mehr eingestellt
worden. „Sollen diese Männer, welche in uneigennütziger Hingebung
nur die Beschlüsse ihrer Kameraden ausgeführt, deren Jnteresse und
Rechte verfochten haben, jetzt mit Weib und Kind zu Grunde gehen?“
Jm Ganzen sind auf den ersten Aufruf 25,000 Thaler eingegangen.
Diese Zahl gibt sehr zum Nachdenken Veranlassung, und ein geschickter
Sozial=Reformer könnte sie wohl zum Text einer Predigt machen
und füglich daraus deduciren: erstlich da diese Beträge meist aus
Arbeiterkreisen flossen, wie der Aufruf selbst zugesteht, ist die gewerk-
vereinliche Organisation noch im Anfang, sonst hätte wohl der zehn-
fache Betrag fließen müssen; zweitens hat der Aufruf bei der be-
sitzenden Klasse kein Gehör gefunden, sonst wäre der zwanzigfache
Betrag geflossen, und drittens predigen diese 25,000 Thaler eine
Gleichgültigkeit oder einen Antagonismus, welcher nichts Gutes er-
warten läßt -- denn wir sind entschieden aus der Zeit heraus, und
wenn es tausendmal nicht in die Köpfe und in die Taschen will, in
welchen auf dem Arbeitsmarkt von den Einen befohlen und von den
Andern gehorcht wird. Das Verkennen dieser Thatsache, und das
Stemmen gegen ihre stätig fortschreitende Geltendmachung kann nur
von Nachtheil sein, und kann bewußt oder unbewußt nur von denen
geübt werden, die für den stillen, unbarmherzig logischen Gang der
Zeit kein Ohr haben.

-- Die Differenzen der Bergleute in Thorncliffe mit den
Grubenbesitzern werden jetzt durch ein Schiedsgericht geschlichtet. Jm
gebildeten Deutschland hat man es leider noch nicht soweit gebracht.

* Arbeitslohn und Maschine. Die Wormser Handelskammer
sagt über die Lage der Kleiderfabrikation in den Jahren 1867 und
1868: Jn Folge der vermehrten Nachfrage haben die Arbeitslöhne,
trotzdem die Maschine allgemein im Gebrauch ist, sich um
mehr als 25 pCt. in den letzten zwei Jahren gehoben, und
dennoch fehlt es sehr an geeigneten Kräften.

* Arbeitermangel in der Landwirthschaft. Der Jahresbericht
der hessischen Handelskammer zu Worms a. Rh. sagt darüber: Die
Klage unserer Landwirthe über den Mangel an tüchtigen und zuver-
lässigen Arbeitern ist wiederum und namentlich seit der Erhöhung
des Präsensstandes unserer Truppen stärker geworden. Wenn die
Güterpreise gegen früher einen Rückschlag zeigen, so ist derselbe mit
dadurch begründet, daß die Arbeiternoth bei Vielen Unlust geweckt,
und sie zum Aufgeben der Landwirthschaft bestimmt hat. Anderseits
gewinnt hierdurch die Anwendung verbesserter Maschinen auch bei
denjenigen an Ansehen, welche bisher der Maschinenarbeit in der
Landwirthschaft abgeneigt waren.

* Arbeitmarkt. Jn Berlin werden noch 1500 Arbeiter für
die Straßenreinigung gesucht. Tagelohn 1 / 2 Thaler.

[Spaltenumbruch]

* Eines Arbeiters Widerlegung der national=ökonomischen Leh-
ren J. Stuart Mill's von J. George Eccarius. ( Verlag von
Alb. Eichhoff in Berlin. ) Selten noch ist uns ein so merkwürdiges
Gemisch von scheinbar wissenschaftlichen Deductionen mit der plumpsten
alltäglichen Anschauung wissenschaftlicher Probleme vor Augen gekom-
men, wie dieses Schriftchen, das Erzeugniß jenes in gewissen Kreisen
nicht selten sich zeigenden Halbwissens, das gefährlicher ist, wie die
größte Unwissenheit. Der Verfasser, ein Schneidergeselle, dem über-
triebene Lobsprüche von Marx und andern überspannten Leuten den
Kopf verwirrt zu haben scheinen, unternimmt es Stuart Mills, bzw.
der ganzen volkswirthschaftlichen Wissenschaft Lehren über Kapital,
Produktion und Konsumtion zu widerlegen, zeigt aber gleich auf den
ersten Blättern, daß er nicht den leisesten Begriff von dem Wesen des
Kapitales und der Produktion hat. Der ziemlich starke Dünkel,
welcher den Verfasser erfüllt, kennzeichnet sich gleich anfangs in der
hochgetragenen Redensart: wenn die Arbeiter ihre Gegner „sowohl
auf der Tribüne, als in der Presse durch intellektuelle Ueberlegenheit
schlagen können, so marschirten sie ungehindert zum großen Ziel.“ --
Wenn dieser Fall eintritt, so ist die Frage an sich schon gelöst, denn
solche Männer sind keine Arbeiter mehr im Sinne des Verfassers,
und dieser hat noch viel zu lernen, bis er soweit ist. -- Wie es
scheint hält er nur das für Kapital, was sich in den Händen der
s. g. Kapitalisten befindet, denn „Rohmaterial, selbst wenn es zu
produktiven Zwecken bestimmt ist
( ! ) , ist deshalb noch nicht Ka-
pital.“ Die Pyramiden, die Wasserleitungen Rom's waren nicht
möglich, „ohne beträchtlichen Vorrath von vorher aufgehäufter Ar-
beit. Aber jener Vorrath war kein Kapital.“ -- Der gute Kleider-
künstler lebt noch in der Anschauung, daß „Geld ebenso gut als das
Baumaterial selbst ist.“ Erst wenn „Geld im Gegensatze zu tech-
nischer Geschicklichkeit unerläßliche Bedingung des Geschäftsbetriebes, --
erst dann sind die Vorerfordernisse zur Produktion Kapital ( ! ) .“
Ebenso begreift er den wissenschaftl. Satz nicht, daß alles Kapital re-
produzirt werden muß, soll es nicht zu Grund gehen, sondern meint,
es würde nur das produzirt, was verlangt wird. Allerdings, das
schließt aber jenen Satz nicht aus, das Kapital sieht sich eben nach
dem Bedarf um. Schließlich werden auch die Maschinen verdammt,
welche die Arbeiter brodlos machten ( wo? ) , und aus einer Flugschrift
( stubborn facts ) , die bis jetzt nicht bekannte Thatsache zu entwickeln
gesucht, daß die Maschinen die Löhne drückten. Ein Weber habe im
J. 1825 für 24 Ellen 2 sh. 8 p. erhalten, im J. 1836 nur 1 sh. 3 p.
Sehr wahrscheinlich. Daß er aber vielleicht 3--4mal so viel mit
den neuen Webstühlen fertig bringt, das hat der Verfasser ganz
übersehen.

* Lehrerbesoldung. Wie allerwärts haben auch die Lehrer in
Würtemberg den Wunsch nach Verbesserung ihrer Lage; wenn in
Folge der großen Bedürfnisse des Kriegsministers die Gehalte augen-
blicklich nicht erhöht werden können, so verlangen sie wenigstens, daß
die Verzögerungen in der Besetzung erledigter Stellen aufhören möch-
ten; denn was die salarirende Kasse durch lang dauernde Amtsver-
weserei spart, das geht eben dem Lehrerstand an seiner Besoldung ab.

* Hochschulen in Preußen und ihre Unterhaltungs-
kosten.
Der jährliche Gesammtaufwand für sämmtliche 10 Anstalten
beträgt 1,492,213 Thaler, wovon 862,911 Thlr. aus dem Staats-
fond, die übrigen 629,302 Thlr. aus den Vermögensquellen der
Anstalten selbst fließen. Unter sämmtlichen Anstalten nehmen die
Berliner und Göttinger die höchsten Summen in Anspruch, erstere
221,683 Thlr. und letztere 181,930 Thlr. Dann kommen Bonn
mit 151,372 Thlr., Halle mit 127,485 Thlr., Königsberg mit
117,432 Thlr., Breslau mit 117,402 Thlr., Marburg mit 96,480
Thlr., Kiel mit 95,221 Thlr. Greifswald, die einzige Universität,
welche gar keinen Staatszuschuß erhält, sondern ausschließlich vom
Einkommen aus eigenem Vermögen lebt, mit 94,100 Thlr. und
endlich die Akademie zu Münster mit 22,376 Thlr. Der Durch-
schnittsgehalt eines ordentlichen Professors beträgt 1246 Thlr.

Handel und Verkehr.

* Wie der Freihandel oder doch die Zollermäßigung regulirt.
Die Dresdener Handelskammer sagt: Seitdem der Weinhandel die
billigeren Sorten vom Rhein, der Mosel, aus Oberfranken und der
Pfalz und mit Eintritt der Weinzollermäßigung aus Oest-

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[0004] * Koalitionsfreiheit. Das Gesetz, welches Koalitionsfreiheit gestattet, wurde in der Sitzung des östreichischen Abgeordnetenhauses vom 10. Februar angenommen. * Baugenossenschaft. Jn Berlin hat sich eine Baugenossen- schaft für Arbeiterwohnungen im Stralauer Viertel gebildet. * Asyl für Obdachlose. Nach dem Vorgang von Berlin hat sich jetzt auch in Dresden ein Verein gebildet, welcher ein Asyl für Obdachlose gründen will. Der Berliner Verein ist eben damit beschäftigt ein neues Haus für obdachlose Frauen zu bauen. * Zur Klage über die Abnahme des Wohlstandes. Die Fabrikation in lackirtem Kalbleder, sagt die Wormser Handelskammer, hatte sich in den Jahren 1867 und 1868 eines weiteren Aufschwunges zu erfreuen. War auch das Geschäft weniger lohnend, wie in früheren Jahren, indem die Preise durch eine energische Konkurrenz herabge- drückt wurden, so war der Absatz doch ein größerer. Lackirtes Leder scheint aus einem Lurusartikel mehr ein Verbrauchs- artikel geworden zu sein; der Verbrauch desselben ist in Schichten der Bevölkerung gedrungen, in denen es früher nicht zu finden war, und es hat zu dieser Ausbreitung des Kon- sums wohl hauptsächlich die größere Billigkeit der Waare beigetragen. * Arbeiter=Angelegenheiten. Jn Wien droht ein Ausstand der Zeitungssetzer auszubrechen. Die Jnhaber von Zeitungen haben bereits eine Koalition gebildet, um eventuell dafür zu sorgen, daß die Zeitungen forterscheinen können. -- Die Herren Becker, Schulze=Delitzsch, Virchow und Genossen erlassen einen wiederholten Aufruf zur Unterstützung der Walden- burger Arbeiter. Ueber 1500 Bergleute sind bereits ausgewandert; viele mußten ihre Familien zurücklassen, und sind bis jetzt nicht im Stand, dieselben nach so langen Entbehrungen zu unterhalten. Außer- dem ist ein großer Theil ( 600 Bergleute ) nicht mehr eingestellt worden. „Sollen diese Männer, welche in uneigennütziger Hingebung nur die Beschlüsse ihrer Kameraden ausgeführt, deren Jnteresse und Rechte verfochten haben, jetzt mit Weib und Kind zu Grunde gehen?“ Jm Ganzen sind auf den ersten Aufruf 25,000 Thaler eingegangen. Diese Zahl gibt sehr zum Nachdenken Veranlassung, und ein geschickter Sozial=Reformer könnte sie wohl zum Text einer Predigt machen und füglich daraus deduciren: erstlich da diese Beträge meist aus Arbeiterkreisen flossen, wie der Aufruf selbst zugesteht, ist die gewerk- vereinliche Organisation noch im Anfang, sonst hätte wohl der zehn- fache Betrag fließen müssen; zweitens hat der Aufruf bei der be- sitzenden Klasse kein Gehör gefunden, sonst wäre der zwanzigfache Betrag geflossen, und drittens predigen diese 25,000 Thaler eine Gleichgültigkeit oder einen Antagonismus, welcher nichts Gutes er- warten läßt -- denn wir sind entschieden aus der Zeit heraus, und wenn es tausendmal nicht in die Köpfe und in die Taschen will, in welchen auf dem Arbeitsmarkt von den Einen befohlen und von den Andern gehorcht wird. Das Verkennen dieser Thatsache, und das Stemmen gegen ihre stätig fortschreitende Geltendmachung kann nur von Nachtheil sein, und kann bewußt oder unbewußt nur von denen geübt werden, die für den stillen, unbarmherzig logischen Gang der Zeit kein Ohr haben. -- Die Differenzen der Bergleute in Thorncliffe mit den Grubenbesitzern werden jetzt durch ein Schiedsgericht geschlichtet. Jm gebildeten Deutschland hat man es leider noch nicht soweit gebracht. * Arbeitslohn und Maschine. Die Wormser Handelskammer sagt über die Lage der Kleiderfabrikation in den Jahren 1867 und 1868: Jn Folge der vermehrten Nachfrage haben die Arbeitslöhne, trotzdem die Maschine allgemein im Gebrauch ist, sich um mehr als 25 pCt. in den letzten zwei Jahren gehoben, und dennoch fehlt es sehr an geeigneten Kräften. * Arbeitermangel in der Landwirthschaft. Der Jahresbericht der hessischen Handelskammer zu Worms a. Rh. sagt darüber: Die Klage unserer Landwirthe über den Mangel an tüchtigen und zuver- lässigen Arbeitern ist wiederum und namentlich seit der Erhöhung des Präsensstandes unserer Truppen stärker geworden. Wenn die Güterpreise gegen früher einen Rückschlag zeigen, so ist derselbe mit dadurch begründet, daß die Arbeiternoth bei Vielen Unlust geweckt, und sie zum Aufgeben der Landwirthschaft bestimmt hat. Anderseits gewinnt hierdurch die Anwendung verbesserter Maschinen auch bei denjenigen an Ansehen, welche bisher der Maschinenarbeit in der Landwirthschaft abgeneigt waren. * Arbeitmarkt. Jn Berlin werden noch 1500 Arbeiter für die Straßenreinigung gesucht. Tagelohn 1 / 2 Thaler. * Eines Arbeiters Widerlegung der national=ökonomischen Leh- ren J. Stuart Mill's von J. George Eccarius. ( Verlag von Alb. Eichhoff in Berlin. ) Selten noch ist uns ein so merkwürdiges Gemisch von scheinbar wissenschaftlichen Deductionen mit der plumpsten alltäglichen Anschauung wissenschaftlicher Probleme vor Augen gekom- men, wie dieses Schriftchen, das Erzeugniß jenes in gewissen Kreisen nicht selten sich zeigenden Halbwissens, das gefährlicher ist, wie die größte Unwissenheit. Der Verfasser, ein Schneidergeselle, dem über- triebene Lobsprüche von Marx und andern überspannten Leuten den Kopf verwirrt zu haben scheinen, unternimmt es Stuart Mills, bzw. der ganzen volkswirthschaftlichen Wissenschaft Lehren über Kapital, Produktion und Konsumtion zu widerlegen, zeigt aber gleich auf den ersten Blättern, daß er nicht den leisesten Begriff von dem Wesen des Kapitales und der Produktion hat. Der ziemlich starke Dünkel, welcher den Verfasser erfüllt, kennzeichnet sich gleich anfangs in der hochgetragenen Redensart: wenn die Arbeiter ihre Gegner „sowohl auf der Tribüne, als in der Presse durch intellektuelle Ueberlegenheit schlagen können, so marschirten sie ungehindert zum großen Ziel.“ -- Wenn dieser Fall eintritt, so ist die Frage an sich schon gelöst, denn solche Männer sind keine Arbeiter mehr im Sinne des Verfassers, und dieser hat noch viel zu lernen, bis er soweit ist. -- Wie es scheint hält er nur das für Kapital, was sich in den Händen der s. g. Kapitalisten befindet, denn „Rohmaterial, selbst wenn es zu produktiven Zwecken bestimmt ist ( ! ) , ist deshalb noch nicht Ka- pital.“ Die Pyramiden, die Wasserleitungen Rom's waren nicht möglich, „ohne beträchtlichen Vorrath von vorher aufgehäufter Ar- beit. Aber jener Vorrath war kein Kapital.“ -- Der gute Kleider- künstler lebt noch in der Anschauung, daß „Geld ebenso gut als das Baumaterial selbst ist.“ Erst wenn „Geld im Gegensatze zu tech- nischer Geschicklichkeit unerläßliche Bedingung des Geschäftsbetriebes, -- erst dann sind die Vorerfordernisse zur Produktion Kapital ( ! ) .“ Ebenso begreift er den wissenschaftl. Satz nicht, daß alles Kapital re- produzirt werden muß, soll es nicht zu Grund gehen, sondern meint, es würde nur das produzirt, was verlangt wird. Allerdings, das schließt aber jenen Satz nicht aus, das Kapital sieht sich eben nach dem Bedarf um. Schließlich werden auch die Maschinen verdammt, welche die Arbeiter brodlos machten ( wo? ) , und aus einer Flugschrift ( stubborn facts ) , die bis jetzt nicht bekannte Thatsache zu entwickeln gesucht, daß die Maschinen die Löhne drückten. Ein Weber habe im J. 1825 für 24 Ellen 2 sh. 8 p. erhalten, im J. 1836 nur 1 sh. 3 p. Sehr wahrscheinlich. Daß er aber vielleicht 3--4mal so viel mit den neuen Webstühlen fertig bringt, das hat der Verfasser ganz übersehen. * Lehrerbesoldung. Wie allerwärts haben auch die Lehrer in Würtemberg den Wunsch nach Verbesserung ihrer Lage; wenn in Folge der großen Bedürfnisse des Kriegsministers die Gehalte augen- blicklich nicht erhöht werden können, so verlangen sie wenigstens, daß die Verzögerungen in der Besetzung erledigter Stellen aufhören möch- ten; denn was die salarirende Kasse durch lang dauernde Amtsver- weserei spart, das geht eben dem Lehrerstand an seiner Besoldung ab. * Hochschulen in Preußen und ihre Unterhaltungs- kosten. Der jährliche Gesammtaufwand für sämmtliche 10 Anstalten beträgt 1,492,213 Thaler, wovon 862,911 Thlr. aus dem Staats- fond, die übrigen 629,302 Thlr. aus den Vermögensquellen der Anstalten selbst fließen. Unter sämmtlichen Anstalten nehmen die Berliner und Göttinger die höchsten Summen in Anspruch, erstere 221,683 Thlr. und letztere 181,930 Thlr. Dann kommen Bonn mit 151,372 Thlr., Halle mit 127,485 Thlr., Königsberg mit 117,432 Thlr., Breslau mit 117,402 Thlr., Marburg mit 96,480 Thlr., Kiel mit 95,221 Thlr. Greifswald, die einzige Universität, welche gar keinen Staatszuschuß erhält, sondern ausschließlich vom Einkommen aus eigenem Vermögen lebt, mit 94,100 Thlr. und endlich die Akademie zu Münster mit 22,376 Thlr. Der Durch- schnittsgehalt eines ordentlichen Professors beträgt 1246 Thlr. Handel und Verkehr. * Wie der Freihandel oder doch die Zollermäßigung regulirt. Die Dresdener Handelskammer sagt: Seitdem der Weinhandel die billigeren Sorten vom Rhein, der Mosel, aus Oberfranken und der Pfalz und mit Eintritt der Weinzollermäßigung aus Oest-

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Zitationshilfe: Der Arbeitgeber. Nr. 668. Frankfurt a. M., 18. Februar 1870, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_arbeitgeber0668_1870/4>, abgerufen am 24.11.2024.