Allgemeine Zeitung. Nr. 61. Augsburg (Bayern), 2. März 1871.[Spaltenumbruch]
des Sieges=Denkmals und der Schiller=Statue. Die erbeutete Riesen- Oesterreichisch=ungarische Monarchie. sym13 Wien, 28 Febr. Alle Parteien rüsten. Dem deutschen Partei- sym10 Wien, 28 Febr. Die Ernennung des bisherigen Leiters der Schweiz. Bern, 27 Febr. Der erste diplomatische Vertreter welcher Frankreich. Der nichtamtliche Theil der "Amtszeitung" vom 25 gibt die Zusam- Der "Constitutionnel" schließt einen Artikel in dem er die Aussicht Die vorgestern mitgetheilte Botschaft des Präsidenten der Vereinigten [Spaltenumbruch]
des Sieges=Denkmals und der Schiller=Statue. Die erbeutete Riesen- Oesterreichisch=ungarische Monarchie. sym13 Wien, 28 Febr. Alle Parteien rüsten. Dem deutschen Partei- sym10 Wien, 28 Febr. Die Ernennung des bisherigen Leiters der Schweiz. ⨁ Bern, 27 Febr. Der erste diplomatische Vertreter welcher Frankreich. Der nichtamtliche Theil der „Amtszeitung“ vom 25 gibt die Zusam- Der „Constitutionnel“ schließt einen Artikel in dem er die Aussicht Die vorgestern mitgetheilte Botschaft des Präsidenten der Vereinigten <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews"> <div type="jPoliticalNews"> <div type="jArticle"> <p><pb facs="#f0005" n="1025"/><cb/> des Sieges=Denkmals und der Schiller=Statue. Die erbeutete Riesen-<lb/> kanone Val<hi rendition="#aq">é</hi>rie wird wohl gleichzeitig mit dem Kaiser hier eintreffen und<lb/> im Castanienwalde neben den drei in den Freiheitskämpfen erbeuteten<lb/> Geschützen gegenüber dem Zeughaus aufgestellt werden. -- Die von den<lb/> hiesigen Blättern schon gemeldete Berufung der Provinciallandtage gleich<lb/> nach dem Schlusse des Reichstages hat ihre ausschließliche Veranlassung<lb/> in der Nothwendigkeit der Einsetzung von Organen für die Handhabung,<lb/> resp. Ausführung des Bundesgesetzes, betreffend den Unterstützungs-<lb/> wohnsitz. -- Jn sämmtlichen hiesigen Wahlbezirken ist die Wiederwahl<lb/> der bisherigen Reichstagsabgeordneten gesichert. Von conservativer Seite<lb/> sind dießmal die im vorigen Jahr gescheiterten Versuche einen Compromiß<lb/> mit den Nationalliberalen herzustellen nicht wieder erneuert worden. Jm<lb/> fünften Wahlbezirke wollen die Conservativen dem Candidaten der Fort-<lb/> schrittspartei, Hrn. Franz Duncker, in erster Linie den General v. Werder,<lb/> in zweiter den vortragenden Rath im Cultusministerium Hrn. Linhoff<lb/> entgegenstellen, die weiter vorgeschrittenen Demokraten den <hi rendition="#aq">Dr</hi>. Johann<lb/> Jacoby. Linhoffs Candidatur scheint auf einem Compromiß zwischen den<lb/> Katholiken und den Conservativen zu beruhen, wird aber ebensowenig<lb/> gelingen wie die Candidatur Werders oder diejenige Jacoby's. Die Ka-<lb/> tholiken wollen sonst selbständig wählen und für den geistlichen Rath<lb/> Müller stimmen, für welchen mit mehr Aussicht auf Erfolg in einem schlesi-<lb/> schen Wahlbezirk gewirkt wird.</p> </div> </div><lb/> <div type="jPoliticalNews"> <head> <hi rendition="#b #c">Oesterreichisch=ungarische Monarchie.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle"> <p><abbr>sym13</abbr> Wien, 28 Febr. Alle Parteien rüsten. Dem deutschen Partei-<lb/> tage, dieser Versammlung <hi rendition="#aq">virorum obscurorum</hi> -- mit geringen Aus-<lb/> nahmen, die sich in dieser Umgebung sichtlich wenig behaglich fühlten -- ist<lb/> gestern ein Arbeitertag gefolgt, der freilich erst dann gestattet wurde als<lb/> derselbe sein „Programm der Socialdemokraten“ in ein harmloseres „ Pro-<lb/> gramm der Arbeiterpartei“ umgetauft. Das Ergebniß der Debatte war<lb/> abermals eine „Resolution,“ dießmal des Jnhalts daß die Partei ihre<lb/> Unterstützung des neuen Cabinets von der Gewährung directer Wahlen,<lb/> unbeschränkter Preßfreiheit und vollen Vereins= und Versammlungsrechts<lb/> abhängig mache. Neu und nicht ganz bedeutungslos war daß die ein-<lb/> zelnen Redner nicht mehr als „Arbeiter“ N. N., sondern als „Bürger“<lb/> N. N. zur Tribüne gerufen wurden. -- Der Gesandte in Berlin, Graf<lb/> Wimpffen, ist hier angekommen und sofort nach Graz weiter gegangen.<lb/> Familienangelegenheiten haben seine Anwesenheit veranlaßt, und er wird<lb/> nach Ordnung derselben in kürzester Frist auf seinen Posten zurückkehren.<lb/> -- Abermals droht der alten Garde des Burgtheaters ein schwerer Ver-<lb/> lust. Ludwig Löwe, schon seit längerer Zeit seiner Bühnenthätigkeit ent-<lb/> zogen, ist seiner Auflösung nahe.</p> </div><lb/> <div type="jArticle"> <p><abbr>sym10</abbr> Wien, 28 Febr. Die Ernennung des bisherigen Leiters der<lb/> Triester Statthalterei, Hofraths Fidler, zum Sectionschef im Unterrichts-<lb/> ministerium hat in allen Kreisen guten Eindruck gemacht. Durch diese<lb/> Ernennung ist auf den so hochwichtigen Posten nunmehr ein seiner Cha-<lb/> rakterreinheit und wissenschaftlichen Bildung halber hochgeachteter Mann<lb/> gestellt. Fidler ist in weitern Kreisen -- er war bekanntlich unter Schmer-<lb/> ling Preßleiter -- zu sehr als ein unparteilicher und besonders in religiösen<lb/> Angelegenheiten vorurtheilsfreier Mann bekannt, als daß nicht seine Be-<lb/> rufung beruhigend auf diejenigen wirken sollte welche eine rückschreitende<lb/> Bewegung in unsern Cultus = und Unterrichtsangelegenheiten besorgten.<lb/> Würde das Ministerium in dieser Weise fortfahren sich für die verschiede-<lb/> nen Ressorts nach den geeigneten Männern -- wirklichen Capacitäten --<lb/> umzusehen, so könnte es ihm am Ende wohl noch gelingen manche seiner<lb/> Gegner zu bekehren und das ihm -- mit Recht oder Unrecht -- entgegen-<lb/> getragene Mißtrauen zu beschwichtigen. -- Von unterrichteter Seite wird<lb/> mir versichert daß Graf Hohenwart mit dem Hinweis auf die even-<lb/> tuelle Abhängigmachung gewisser auf erweiterten Befugnissen beruhen-<lb/> der Landtagsbeschlüsse von der Entscheidung des Reichsraths nur den<lb/> Weg andeuten wollte auf welchem die Regierung die Herbeiführung eines<lb/> „Ausgleichs“ -- um uns des vielmißbrauchten Ausdrucks zu bedienen<lb/> -- für möglich hält. Auch hören wir daß die Regierung entschlossen ist<lb/> sich keineswegs auf einen weitern Schriftenwechsel mit den Landtagen im<lb/> Wege von Adreßantworten und Rescripten einzulassen, und daß sie die<lb/> Verhandlungen der Landtage mit dem Reichsrath für den geeignetsten<lb/><hi rendition="#aq">modus procedendi</hi> hält.</p> </div> </div><lb/> <div type="jPoliticalNews"> <head> <hi rendition="#b #c">Schweiz.</hi> </head><lb/> <p>⨁ Bern, 27 Febr. Der erste diplomatische Vertreter welcher<lb/> Hrn. Thiers, dem neuen Lenker der Geschicke Frankreichs, officiell seine<lb/> Aufwartung gemacht hat, war <hi rendition="#aq">Dr</hi>. Kern. Jules Favre, welcher, als der<lb/> Gesandte der Schweiz sein neues Beglaubigungsschreiben überreichte, ge-<lb/> genwärtig war, soll hierin ein gutes Omen für die Fortexistenz der fran-<lb/> zösischen Republik erblickt haben; Gedanken ganz anderer Art mögen in<lb/> Hrn. Thiers aufgestiegen sein. Jmmerhin soll auch er die dankbarsten<lb/> Worte für das schnelle Entgegenkommen der Schwesterrepublik gehabt<lb/><cb/> haben. J. Favre hatte dem Bundesrath durch Vermittlung der französi-<lb/> schen Gesandtschaft in Bern auf telegraphischem Weg für seine schnelle<lb/> Wiederaufnahme des amtlichen Verkehrs bereits wie folgt gedankt: „Die<lb/> Freundschaft des Schweizer Volkes ist uns theurer als je, und wenn Gott<lb/> es zugibt daß wir unsere jetzigen Schwierigkeiten überwinden, so werden<lb/> wir keine Gelegenheit versäumen um ihr die Aufrichtigkeit der unsrigen<lb/> zu beweisen.“ Auch der neue französische Kriegsminister sandte dem Bun-<lb/> desrath durch Hrn. <hi rendition="#aq">Dr</hi>. Kern ein Dankschreiben. Dasselbe lautet wört-<lb/> lich: „Das Kriegsministerium hat durch gefällige Vermittlung des Ober-<lb/> sten Favre die Listen der in Deutschland internirten französischen Militärs<lb/> erhalten, welche durch die Fürsorge des schweizerischen internationalen<lb/> Comit <hi rendition="#aq">é</hi>'s entworfen worden sind. Das Kriegsministerium hält es für<lb/> seine Pflicht der Gesandtschaft für ihre bei dieser Gelegenheit geleisteten<lb/> guten Dienste bestens zu danken. Bei diesem Anlaß sei auch ausgesprochen<lb/> wie tief sich die französische Regierung für die Sympathien verpflichtet fühlt<lb/> mit welchen die Schweiz inmitten einer so grausamen Prüfung unsere Ar-<lb/> mee bei sich aufgenommen hat. Diese Gefühle sind die des ganzen Lan-<lb/> des, das sich lebhaft gerührt fühlt durch die Bemühungen Jhrer Mitbür-<lb/> ger die Leiden unserer Soldaten zu lindern.“ Endlich hat Frankreich der<lb/> Schweiz einen thatsächlichen Dank für ihre Sympathien bereits dadurch<lb/> abgestattet daß die Zollverwaltungen in Bordeaux, Marseille, Besan<hi rendition="#aq">ç</hi>on,<lb/> Bourg und Chamb<hi rendition="#aq">é</hi>ry Weisung erhielten die Aus= und Einfuhr von Ge-<lb/> treide, Mehl, Futter und Meersalz nach der Schweiz zu gestatten. --<lb/> Hinsichtlich des Verkaufs der Pferde der Ostarmee, welcher seit einigen<lb/> Tagen begonnen, vernimmt man daß bis jetzt überraschende Erfolge er-<lb/> zielt worden sind. Für nur noch einigermaßen im guten Zustande be-<lb/> findliche Thiere wurde nicht unter 300 Fr. gezahlt, ja die Preise stiegen<lb/> sogar bis auf 600 Fr. und darüber. Die Mehrzahl der Käufer sind fran-<lb/> zösische Juden.</p> </div><lb/> <div type="jPoliticalNews"> <head> <hi rendition="#b #c">Frankreich.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle"> <p>Der nichtamtliche Theil der „Amtszeitung“ vom 25 gibt die Zusam-<lb/> mensetzung der 8 Commissionen welche, jede aus 45 Mitgliedern ( 3 von<lb/> jedem Bureau ) bestehend, den Zweck haben die Nationalversammlung<lb/> über 1 ) den Stand der Militärmacht, 2 ) den Zustand der Marine 3 ) den<lb/> Zustand der Finanzen, 4 ) den Zustand der Eisenbahnen, Straßen, Flüsse<lb/> und Canäle, 5 ) den Stand der Post= und Telegraphenverbindungen, 6 )<lb/> den Stand der inneren Administration, 7 ) den Zustand der besetzten De-<lb/> partemente, 8 ) den Zustand des allgemeinen Handels von Frankreich, auf-<lb/> zuklären.</p><lb/> <p>Der „Constitutionnel“ schließt einen Artikel in dem er die Aussicht<lb/> auf das Zustandekommen des Friedens bespricht mit den Worten: „Wir<lb/> sind besiegt, und derart besiegt daß der Sieger uns fast auf Gnade oder<lb/> Ungnade in seiner Hand hat. Das muß man begreifen, und warum, von<lb/> unserer Seite, solange der Widerstand uns möglich schien, wir ihn ener-<lb/> gisch und entschlossen verlangten, und daß wir uns jetzt gar nicht gede-<lb/> müthigt fühlen unser Land zur Resignation aufzufordern. Wir haben un-<lb/> sere Pflicht gethan; unsere Ehre ist unangetastet; aber der hartnäckigste<lb/> Wille verschwindet vor der Nothwendigkeit.“</p><lb/> <p>Die vorgestern mitgetheilte Botschaft des Präsidenten der Vereinigten<lb/> Staaten von Nordamerika ist einem Theile der französischen Presse sehr<lb/> verdrießlich, und selbst die am meisten gemäßigten Blätter, wie das „J.<lb/> des D<hi rendition="#aq">é</hi>bats “ und der „Temps,“ können nicht umhin ihrem Unwillen und,<lb/> wie sie angeben, ihrem Erstaunen über die Haltung des Generals Grant Luft<lb/> zu machen. Das „ Si<hi rendition="#aq">è</hi>cle “ sagt mit Entrüstung: „Kein Wort der Sym-<lb/> pathie für Frankreich; gerade im Gegentheil ein pomphaftes Lob Deutsch-<lb/> lands, welches der Präsident vom Gesichtspunkte der Jnstitutionen der<lb/> Vereinigten Staaten rühmt. Dieser sonderbare Vergleich wird gar viele<lb/> Leute in Erstaunen setzen, ohne selbst Hrn. v. Bismarck auszunehmen;<lb/> Graf Bismarck wird ganz besonders entzückt sein über das Vergessen Frank-<lb/> reichs seitens des Präsidenten der Vereinigten Staaten.“ -- Das „J. des<lb/> D<hi rendition="#aq">é</hi>bats “ meint: wenn auch General Grant große Aehnlichkeit zwischen<lb/> den Verfassungen des deutschen Reichs und der nordamerikanischen Repu-<lb/> blik finde, so übersehe er dabei daß noch viel größere Verschiedenheiten be-<lb/> stehen. Bemerkenswerth sei jedoch in der Präsidentenbotschaft die Stelle<lb/> welche von der durch die Stammesverwandtschaft erzeugten großen Jnti-<lb/> mität zwischen Deutschland und Amerika spricht, weil sie beweise daß in<lb/> Folge der beständigen Emigration der letztern Jahre und der Mischung<lb/> der Racen die Vereinigten Staaten heute weniger englisch als deutsch sind.<lb/> Man darf demnach nicht darüber erstaunen wenn die Botschaft des Gene-<lb/> rals Grant ohne irgendwelchen Vorbehalt so lebhafte Sympathien für<lb/> Deutschland ausspricht. Ohne irgendetwas zu übertreiben, kann man sagen<lb/> daß wir noch bei dieser Gelegenheit eine der Früchte unserer Expedition von<lb/> Mexico ernten -- eines Unternehmens, wie die bonapartistischen Organe<lb/> Sorge trugen es sehr laut zu schreien, welches ausgeführt wurde um<lb/> die Entwicklung der angelsächsischen Race zu Gunsten der lateinischen Race<lb/> zurückzuhalten. Nun aber ist die Unfähigkeit dieser unglückseligen bona-<lb/> partistischen Politik so groß, daß wir in dieser schrecklichen Krisis welche<lb/> wir durchmachen nicht einmal die Völker der lateinischen Race für uns<lb/> haben.“</p> </div><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1025/0005]
des Sieges=Denkmals und der Schiller=Statue. Die erbeutete Riesen-
kanone Valérie wird wohl gleichzeitig mit dem Kaiser hier eintreffen und
im Castanienwalde neben den drei in den Freiheitskämpfen erbeuteten
Geschützen gegenüber dem Zeughaus aufgestellt werden. -- Die von den
hiesigen Blättern schon gemeldete Berufung der Provinciallandtage gleich
nach dem Schlusse des Reichstages hat ihre ausschließliche Veranlassung
in der Nothwendigkeit der Einsetzung von Organen für die Handhabung,
resp. Ausführung des Bundesgesetzes, betreffend den Unterstützungs-
wohnsitz. -- Jn sämmtlichen hiesigen Wahlbezirken ist die Wiederwahl
der bisherigen Reichstagsabgeordneten gesichert. Von conservativer Seite
sind dießmal die im vorigen Jahr gescheiterten Versuche einen Compromiß
mit den Nationalliberalen herzustellen nicht wieder erneuert worden. Jm
fünften Wahlbezirke wollen die Conservativen dem Candidaten der Fort-
schrittspartei, Hrn. Franz Duncker, in erster Linie den General v. Werder,
in zweiter den vortragenden Rath im Cultusministerium Hrn. Linhoff
entgegenstellen, die weiter vorgeschrittenen Demokraten den Dr. Johann
Jacoby. Linhoffs Candidatur scheint auf einem Compromiß zwischen den
Katholiken und den Conservativen zu beruhen, wird aber ebensowenig
gelingen wie die Candidatur Werders oder diejenige Jacoby's. Die Ka-
tholiken wollen sonst selbständig wählen und für den geistlichen Rath
Müller stimmen, für welchen mit mehr Aussicht auf Erfolg in einem schlesi-
schen Wahlbezirk gewirkt wird.
Oesterreichisch=ungarische Monarchie.
sym13 Wien, 28 Febr. Alle Parteien rüsten. Dem deutschen Partei-
tage, dieser Versammlung virorum obscurorum -- mit geringen Aus-
nahmen, die sich in dieser Umgebung sichtlich wenig behaglich fühlten -- ist
gestern ein Arbeitertag gefolgt, der freilich erst dann gestattet wurde als
derselbe sein „Programm der Socialdemokraten“ in ein harmloseres „ Pro-
gramm der Arbeiterpartei“ umgetauft. Das Ergebniß der Debatte war
abermals eine „Resolution,“ dießmal des Jnhalts daß die Partei ihre
Unterstützung des neuen Cabinets von der Gewährung directer Wahlen,
unbeschränkter Preßfreiheit und vollen Vereins= und Versammlungsrechts
abhängig mache. Neu und nicht ganz bedeutungslos war daß die ein-
zelnen Redner nicht mehr als „Arbeiter“ N. N., sondern als „Bürger“
N. N. zur Tribüne gerufen wurden. -- Der Gesandte in Berlin, Graf
Wimpffen, ist hier angekommen und sofort nach Graz weiter gegangen.
Familienangelegenheiten haben seine Anwesenheit veranlaßt, und er wird
nach Ordnung derselben in kürzester Frist auf seinen Posten zurückkehren.
-- Abermals droht der alten Garde des Burgtheaters ein schwerer Ver-
lust. Ludwig Löwe, schon seit längerer Zeit seiner Bühnenthätigkeit ent-
zogen, ist seiner Auflösung nahe.
sym10 Wien, 28 Febr. Die Ernennung des bisherigen Leiters der
Triester Statthalterei, Hofraths Fidler, zum Sectionschef im Unterrichts-
ministerium hat in allen Kreisen guten Eindruck gemacht. Durch diese
Ernennung ist auf den so hochwichtigen Posten nunmehr ein seiner Cha-
rakterreinheit und wissenschaftlichen Bildung halber hochgeachteter Mann
gestellt. Fidler ist in weitern Kreisen -- er war bekanntlich unter Schmer-
ling Preßleiter -- zu sehr als ein unparteilicher und besonders in religiösen
Angelegenheiten vorurtheilsfreier Mann bekannt, als daß nicht seine Be-
rufung beruhigend auf diejenigen wirken sollte welche eine rückschreitende
Bewegung in unsern Cultus = und Unterrichtsangelegenheiten besorgten.
Würde das Ministerium in dieser Weise fortfahren sich für die verschiede-
nen Ressorts nach den geeigneten Männern -- wirklichen Capacitäten --
umzusehen, so könnte es ihm am Ende wohl noch gelingen manche seiner
Gegner zu bekehren und das ihm -- mit Recht oder Unrecht -- entgegen-
getragene Mißtrauen zu beschwichtigen. -- Von unterrichteter Seite wird
mir versichert daß Graf Hohenwart mit dem Hinweis auf die even-
tuelle Abhängigmachung gewisser auf erweiterten Befugnissen beruhen-
der Landtagsbeschlüsse von der Entscheidung des Reichsraths nur den
Weg andeuten wollte auf welchem die Regierung die Herbeiführung eines
„Ausgleichs“ -- um uns des vielmißbrauchten Ausdrucks zu bedienen
-- für möglich hält. Auch hören wir daß die Regierung entschlossen ist
sich keineswegs auf einen weitern Schriftenwechsel mit den Landtagen im
Wege von Adreßantworten und Rescripten einzulassen, und daß sie die
Verhandlungen der Landtage mit dem Reichsrath für den geeignetsten
modus procedendi hält.
Schweiz.
⨁ Bern, 27 Febr. Der erste diplomatische Vertreter welcher
Hrn. Thiers, dem neuen Lenker der Geschicke Frankreichs, officiell seine
Aufwartung gemacht hat, war Dr. Kern. Jules Favre, welcher, als der
Gesandte der Schweiz sein neues Beglaubigungsschreiben überreichte, ge-
genwärtig war, soll hierin ein gutes Omen für die Fortexistenz der fran-
zösischen Republik erblickt haben; Gedanken ganz anderer Art mögen in
Hrn. Thiers aufgestiegen sein. Jmmerhin soll auch er die dankbarsten
Worte für das schnelle Entgegenkommen der Schwesterrepublik gehabt
haben. J. Favre hatte dem Bundesrath durch Vermittlung der französi-
schen Gesandtschaft in Bern auf telegraphischem Weg für seine schnelle
Wiederaufnahme des amtlichen Verkehrs bereits wie folgt gedankt: „Die
Freundschaft des Schweizer Volkes ist uns theurer als je, und wenn Gott
es zugibt daß wir unsere jetzigen Schwierigkeiten überwinden, so werden
wir keine Gelegenheit versäumen um ihr die Aufrichtigkeit der unsrigen
zu beweisen.“ Auch der neue französische Kriegsminister sandte dem Bun-
desrath durch Hrn. Dr. Kern ein Dankschreiben. Dasselbe lautet wört-
lich: „Das Kriegsministerium hat durch gefällige Vermittlung des Ober-
sten Favre die Listen der in Deutschland internirten französischen Militärs
erhalten, welche durch die Fürsorge des schweizerischen internationalen
Comit é's entworfen worden sind. Das Kriegsministerium hält es für
seine Pflicht der Gesandtschaft für ihre bei dieser Gelegenheit geleisteten
guten Dienste bestens zu danken. Bei diesem Anlaß sei auch ausgesprochen
wie tief sich die französische Regierung für die Sympathien verpflichtet fühlt
mit welchen die Schweiz inmitten einer so grausamen Prüfung unsere Ar-
mee bei sich aufgenommen hat. Diese Gefühle sind die des ganzen Lan-
des, das sich lebhaft gerührt fühlt durch die Bemühungen Jhrer Mitbür-
ger die Leiden unserer Soldaten zu lindern.“ Endlich hat Frankreich der
Schweiz einen thatsächlichen Dank für ihre Sympathien bereits dadurch
abgestattet daß die Zollverwaltungen in Bordeaux, Marseille, Besançon,
Bourg und Chambéry Weisung erhielten die Aus= und Einfuhr von Ge-
treide, Mehl, Futter und Meersalz nach der Schweiz zu gestatten. --
Hinsichtlich des Verkaufs der Pferde der Ostarmee, welcher seit einigen
Tagen begonnen, vernimmt man daß bis jetzt überraschende Erfolge er-
zielt worden sind. Für nur noch einigermaßen im guten Zustande be-
findliche Thiere wurde nicht unter 300 Fr. gezahlt, ja die Preise stiegen
sogar bis auf 600 Fr. und darüber. Die Mehrzahl der Käufer sind fran-
zösische Juden.
Frankreich.
Der nichtamtliche Theil der „Amtszeitung“ vom 25 gibt die Zusam-
mensetzung der 8 Commissionen welche, jede aus 45 Mitgliedern ( 3 von
jedem Bureau ) bestehend, den Zweck haben die Nationalversammlung
über 1 ) den Stand der Militärmacht, 2 ) den Zustand der Marine 3 ) den
Zustand der Finanzen, 4 ) den Zustand der Eisenbahnen, Straßen, Flüsse
und Canäle, 5 ) den Stand der Post= und Telegraphenverbindungen, 6 )
den Stand der inneren Administration, 7 ) den Zustand der besetzten De-
partemente, 8 ) den Zustand des allgemeinen Handels von Frankreich, auf-
zuklären.
Der „Constitutionnel“ schließt einen Artikel in dem er die Aussicht
auf das Zustandekommen des Friedens bespricht mit den Worten: „Wir
sind besiegt, und derart besiegt daß der Sieger uns fast auf Gnade oder
Ungnade in seiner Hand hat. Das muß man begreifen, und warum, von
unserer Seite, solange der Widerstand uns möglich schien, wir ihn ener-
gisch und entschlossen verlangten, und daß wir uns jetzt gar nicht gede-
müthigt fühlen unser Land zur Resignation aufzufordern. Wir haben un-
sere Pflicht gethan; unsere Ehre ist unangetastet; aber der hartnäckigste
Wille verschwindet vor der Nothwendigkeit.“
Die vorgestern mitgetheilte Botschaft des Präsidenten der Vereinigten
Staaten von Nordamerika ist einem Theile der französischen Presse sehr
verdrießlich, und selbst die am meisten gemäßigten Blätter, wie das „J.
des Débats “ und der „Temps,“ können nicht umhin ihrem Unwillen und,
wie sie angeben, ihrem Erstaunen über die Haltung des Generals Grant Luft
zu machen. Das „ Siècle “ sagt mit Entrüstung: „Kein Wort der Sym-
pathie für Frankreich; gerade im Gegentheil ein pomphaftes Lob Deutsch-
lands, welches der Präsident vom Gesichtspunkte der Jnstitutionen der
Vereinigten Staaten rühmt. Dieser sonderbare Vergleich wird gar viele
Leute in Erstaunen setzen, ohne selbst Hrn. v. Bismarck auszunehmen;
Graf Bismarck wird ganz besonders entzückt sein über das Vergessen Frank-
reichs seitens des Präsidenten der Vereinigten Staaten.“ -- Das „J. des
Débats “ meint: wenn auch General Grant große Aehnlichkeit zwischen
den Verfassungen des deutschen Reichs und der nordamerikanischen Repu-
blik finde, so übersehe er dabei daß noch viel größere Verschiedenheiten be-
stehen. Bemerkenswerth sei jedoch in der Präsidentenbotschaft die Stelle
welche von der durch die Stammesverwandtschaft erzeugten großen Jnti-
mität zwischen Deutschland und Amerika spricht, weil sie beweise daß in
Folge der beständigen Emigration der letztern Jahre und der Mischung
der Racen die Vereinigten Staaten heute weniger englisch als deutsch sind.
Man darf demnach nicht darüber erstaunen wenn die Botschaft des Gene-
rals Grant ohne irgendwelchen Vorbehalt so lebhafte Sympathien für
Deutschland ausspricht. Ohne irgendetwas zu übertreiben, kann man sagen
daß wir noch bei dieser Gelegenheit eine der Früchte unserer Expedition von
Mexico ernten -- eines Unternehmens, wie die bonapartistischen Organe
Sorge trugen es sehr laut zu schreien, welches ausgeführt wurde um
die Entwicklung der angelsächsischen Race zu Gunsten der lateinischen Race
zurückzuhalten. Nun aber ist die Unfähigkeit dieser unglückseligen bona-
partistischen Politik so groß, daß wir in dieser schrecklichen Krisis welche
wir durchmachen nicht einmal die Völker der lateinischen Race für uns
haben.“
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