Allgemeine Zeitung. Nr. 68. Augsburg (Bayern), 9. März 1871.[Spaltenumbruch]
aus höhern Gewinn liefern. Besonders werthvoll wäre die Annexion, Bayern und die andern süddeutschen Staaten schlossen sich nicht so- Und warum denn Bayern allein belohnen? Haben nicht etwa Baden Da nicht die einzelnen Staaten, sondern Gesammtdeutschland Krieg Weiterhin würde Bayern dadurch die geistige Wiedergewinnung des Elsaß ist bekanntlich nur deßhalb so rasch gut französisch geworden, Hoffen wir daß zum Besten des Elsaßes von Bayern und von ganz Deutsches Reich. ^ München, 7 März. Se. Maj. der König hat den preußischen * Augsburg, 8 März. Heute lassen sich die bayerischen Wah- * ) Von einem Süddeutschen.
[Spaltenumbruch]
aus höhern Gewinn liefern. Besonders werthvoll wäre die Annexion, Bayern und die andern süddeutschen Staaten schlossen sich nicht so- Und warum denn Bayern allein belohnen? Haben nicht etwa Baden Da nicht die einzelnen Staaten, sondern Gesammtdeutschland Krieg Weiterhin würde Bayern dadurch die geistige Wiedergewinnung des Elsaß ist bekanntlich nur deßhalb so rasch gut französisch geworden, Hoffen wir daß zum Besten des Elsaßes von Bayern und von ganz Deutsches Reich. ◬ München, 7 März. Se. Maj. der König hat den preußischen * Augsburg, 8 März. Heute lassen sich die bayerischen Wah- * ) Von einem Süddeutschen.
<TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews"> <div type="jPoliticalNews"> <p><pb facs="#f0002" n="1138"/><cb/> aus höhern Gewinn liefern. Besonders werthvoll wäre die Annexion,<lb/> wenn sie sich bis Hagenau erstrecken und den dortigen großen Wald um-<lb/> fassen würde. Die Eisenbahn von Hagenau über Niederbronn, Bitsch nach<lb/> Saargemünd und Saarbrücken, welche für die gesammte elsäßische Jndu-<lb/> strie so hochwichtig ist, welche aber den pfälzischen Bahnen Concurrenz<lb/> macht, würde für letztere, welche sie doch wohl kauften, eine äußerst<lb/> willkommene Gabe sein, und es verlautet daß dem Einfluß dieser Bahnen<lb/> ein nicht geringer Theil der Annexionsgedanken zuzuschreiben sei. Solche<lb/> Erwerbung würde für Bayern kaum mehr als Rückersatz, sondern als reine<lb/> Vergrößerung und Bereicherung gelten, und könnte nur als Belohnung<lb/> für die in diesem Krieg treugeleistete Hülfe angesehen werden. 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aus höhern Gewinn liefern. Besonders werthvoll wäre die Annexion,
wenn sie sich bis Hagenau erstrecken und den dortigen großen Wald um-
fassen würde. Die Eisenbahn von Hagenau über Niederbronn, Bitsch nach
Saargemünd und Saarbrücken, welche für die gesammte elsäßische Jndu-
strie so hochwichtig ist, welche aber den pfälzischen Bahnen Concurrenz
macht, würde für letztere, welche sie doch wohl kauften, eine äußerst
willkommene Gabe sein, und es verlautet daß dem Einfluß dieser Bahnen
ein nicht geringer Theil der Annexionsgedanken zuzuschreiben sei. Solche
Erwerbung würde für Bayern kaum mehr als Rückersatz, sondern als reine
Vergrößerung und Bereicherung gelten, und könnte nur als Belohnung
für die in diesem Krieg treugeleistete Hülfe angesehen werden. Von einer
solchen Belohnung kann und darf aber nicht die Rede sein, und jeder Bayer
muß sie mit Entschiedenheit ablehnen.
Bayern und die andern süddeutschen Staaten schlossen sich nicht so-
wohl als souveräne Staaten dem Krieg gegen Frankreich an, sondern sie
waren einestheils durch die Bundesverträge gebunden, anderntheils --
und dieß war das Hauptmotiv -- durch ihre Stellung als Glieder des
ganzen, wenn auch nicht formell, so doch materiell einigen deutschen Volks
innerlich gezwungen an den Bestrebungen des großen Ganzen theilzu-
nehmen. Die nationale Pflichterfüllung gibt keinen Anspruch auf Beloh-
nung, sondern von ihr gilt der Spruch der Bibel: „Und wenn ihr dieß
alles gethan habt, so sprecht: wir sind unnütze Knechte gewesen.“
Und warum denn Bayern allein belohnen? Haben nicht etwa Baden
und Württemberg ebenso tapfer gekämpft? Hat nicht Baden ebenso gut
einen Anspruch auf einen Streifen Elsäßer Landes vielleicht von Lauter-
burg bis gegen Straßburg längs des Rheins? Oder warum sollte Reuß-
Greiz nicht die Veste Lützelstein beanspruchen können? Und Preußen --?
Hier stehen wir wieder an dem Abgrunde von 1815, den wir gerade durch
Hülfe Bayerns beseitigt glaubten. Mit welch' freudigem reinem Herzen
gieng man in Bayern trotz allem bevorstehenden Jammer in diesen Krieg!
Die Hochherzigkeit König Ludwigs II hatte demselben den eminent deutsch-
nationalen Charakter, den ihm ein Theil der süddeutschen Particularisten
rauben wollte, gegeben. Man gieng ohne Eroberungs = oder Vergröße-
rungsgedanken, seine Gränzen -- Deutschland zu vertheidigen. Nach den
erfochtenen Siegen brach sich wohl die Ansicht Bahn daß man das neu-
eingenommene, früher deutsche Land als Bollwerk gegen neue räuberische
Angriffe behalten müsse, aber diese Erwerbung wurde allgemein nicht als
Eroberung, Vergrößerung an sich, sondern nur als Mittel zum Zweck
des Schutzes von Deutschland angesehen. Die geschichtlichen Begründun-
gen bildeten nur die Colorirung des militärischen Standpunktes.
Da nicht die einzelnen Staaten, sondern Gesammtdeutschland Krieg
führte, so sollte auch die Wiedergewinnung des Elsaßes, welche uns Deut-
schen des Reiches Einheit brachte, und die Neuconstituirung der neuen
Provinzen nur auf diejenige Weise geschehen welche dem Ganzen am mei-
sten frommt. Elsaß sollte als Band der deutschen Einheit und als Hort
des deutschen Friedens ein gemeinsames Reichsland bleiben. Dieß der
Gedanke Deutschlands! Diesen gemeinsamen Gedanken, den ganzen
Jdealismus des großartigen Kriegs würde nun Bayern vernichten, würde
dem Krieg noch nachträglich den Stempel des Eigennutzes, der Vergröße-
rungssucht aufdrücken, würde die Achtung welche Deutschland jetzt vor sich
selbst gewonnen und der Welt auferlegt hat wieder zerstören, und würde
endlich, im geraden Gegensatz zu seinem Bestreben den deutschen Bund zu
erneuern und Deutschlands Kaisergröße wieder erstehen zu machen, uns
in die frühern Zustände deutscher Kleinstaaterei, Vergrößerungssucht und
Eifersüchtelei versetzen!
Weiterhin würde Bayern dadurch die geistige Wiedergewinnung des
Elsaßes aufs erheblichste erschweren. Bayern selbst würde durch solchen
Länderzuwachs auch eine Vermehrung von oppositionellen Kammermit-
gliedern erhalten, denn der Norden des Elsaßes würde theils Demokraten,
theils Ultramontane wählen, welche sämmtlich die Oppositionspartei der
bayerischen Kammer stärkten, und da Bayern bekanntlich nicht sehr glücklich
in Ueberwindung solcher Hindernisse sich gezeigt hat, so steht zu bezweifeln
ob es sein kleines annectirtes Gebiet bald werde pacificiren können.
Elsaß ist bekanntlich nur deßhalb so rasch gut französisch geworden,
weil es einem großen einheitlichen Staat einverleibt wurde, während es
jenseits des Rheins nur Kleinstaaterei und Schwäche erblickte. Nun, da
wir, in Einheit erstarkt, die Provinz wieder besitzen, wollen wir sie zur
Strafe noch in die Zustände voriger Jahrhunderte versetzen! Auf solche
Weise wird ihr die Sehnsucht nach Frankreich für mehrere Generationen
belassen!
Hoffen wir daß zum Besten des Elsaßes von Bayern und von ganz
Deutschland auf solche Zerstückelung verzichtet werde; und wenn sich die
Regierungen nicht auf den höhern Standpunkt der neuen deutschen Ein-
heit stellen können, so appelliren wir an den Patriotismus des deutschen
Reichstags, welcher nicht zugeben kann daß die Früchte der herrlichen
Siege und des Aufschwungs der deutschen Nation -- Kleinstaaterei und
eifersüchtige Vergrößerungspolitik seien.
Deutsches Reich.
◬ München, 7 März. Se. Maj. der König hat den preußischen
Gesandten am hiesigen königl. Hofe, Frhrn. v. Werthern, heut in längerer
Audienz empfangen. -- Se. Maj. der König hat den hülfsbedürftigen Be-
wohnern des Donau=Mooses ( Bezirksamt Neuburg ) 1000 fl. aus der königl.
Cabinetscasse und 1000 fl. aus dem Gewinn=Antheil der München=Aachener
Mobiliar=Feuerversicherungsgesellschaft anweisen lassen.
* Augsburg, 8 März. Heute lassen sich die bayerischen Wah-
len so weit überblicken, daß eine nach Regierungsbezirken geordnete Zu-
sammenstellung wenig Lücken aufweisen wird. Wir beginnen mit 1 ) Ober-
bayern: München I v. Stauffenberg ( lib. ) ; München II Stadtrichter
Kastner ( lib. ) ; Rosenheim Pfarrer Obermayer ( patr. ) ; Traunstein Graf
Seinsheim=Grünbach ( patr. ) ; Weilheim Brauer Kottmüller ( lib. ) ; Wasser-
burg Pfarrer Lugscheider ( patr. ) ; Aichach Domcapitular Dr. A. Schmidt
( patr. ) ; Jngolstadt Frhr. v. Aretin ( patr. ) ; 2 ) Niederbayern: Landshut
Frhr. v. Ow ( patr. ) ; Pfarrkirchen Oekonom Stadelberger ( lib. ) ; Passau
Prof. Greil ( patr. ) ; Straubing Graf Preysing=Lichtenegg ( patr. ) ; das Er-
gebniß von Deggendorf, wahrscheinlich patriotisch, fehlt noch; 3 ) Ober-
pfalz: Regensburg Graf Walderndorff ( patr. ) ; Amberg Advocat Freytag
( patr. ) ; Neumarkt Frhr. v. Reichlin=Meldegg ( patr. ) ; Neunburg v. W.
Bezirksgerichtsrath Schels ( patr. ) ; Neustadt a. W.=N. Frhr. v. Sazenhofen
( patr. ) ; 4 ) Oberfranken: Bayreuth Pfarrer Kraussold ( lib. ) ; Kronach
Gutsbesitzer v. Swaine ( liberal ) ; Hof Advocat v. Schauß ( lib. ) ;
Bamberg Advocat Dr. Schüttinger ( patr. ) ; Forchheim Fürst Hohenlohe
( lib. ) ; 5 ) Mittelfranken: Nürnberg Crämer von Doos ( lib. ) ; Ansbach
Advocat Dr. Völk ( lib. ) ; Dinkelsbühl Advocat Erhard ( lib. ) ; Eichstädt
Bezirksgerichtsrath Herz ( lib. ) ; Kelheim keine absolute Mehrheit zwischen
Graf Max Lerchenfeld, Frhrn. v. Gumppenberg=Peuerbach und Gutsbesitzer
Lottner. Engere Wahl am 16 März; Rothenburg und Erlangen-
Fürth -- voraussichtlich liberal -- stehen noch aus; 6 ) Unterfran-
ken: Würzburg Professor Gerstner ( liberal ) ; Aschaffenburg Bezirksamt-
mann Hauck ( patriotis ) ch; Schweinfurt Regierungspräsident v. Hörmann
( lib. ) ; Neustadt a. S. Regierungspräsident Graf Luxburg ( lib. ) ; Lohr und
Kitzingen stehen noch aus. 7 ) Schwaben: Augsburg Bürgermeister Fischer
( lib. ) ; Kempten Advocat Dr. Völk ( lib. ) ; Kaufbeuren Regierungspräsident
v. Hörmann ( lib. ) ; Jllertissen Appellrath Behringer ( lib. ) ; Donauwörth
Appellrath Mayer ( patr. ) ; Dillingen Regierungspräsident v. Hörmann ( lib. ) ;
8 ) Pfalz: Speyer Rentier Heydenreich ( lib. ) ; Landau Gutsbesitzer Jordan
( lib. ) ; Zweibrücken Appellrath Dr. K. Schmidt ( lib. ) ; Germersheim Ad-
vocat Louis ( lib. ) ; Kaiserslautern Gölsen ( lib. ) ; Homburg Dr. Armand
Buhl ( lib. ) . Ein Blick auf dieses Verzeichniß liefert folgende Sta-
tistik: Oberbayern hat 3 Liberale auf 5 Patrioten; Niederbayern 1 Libera-
len auf 3 Patrioten; Oberpfalz wählte 5 Patrioten; Mittelfranken
4 Liberale, 1 Patriot, zwei Bezirke stehen noch aus; Oberfranken 4 Li-
berale, 1 Patriot; Unterfranken, soviel bis jetzt bekannt, 3 Libe-
rale, 1 Patriot; Schwaben 5 Liberale auf 1 Patrioten; die Pfälzer
Wahlen sind ausschließlich liberal; im ganzen stehen bis zu diesem Augen-
blick 17 Patrioten gegen 26 ausgesprochene Liberale; 1 Wahl ist unentschieden.
Das vollständige Ergebniß wird allem Anschein nach jeder der beiden Parteien
noch 2 Mandate gewähren, so daß alsdann 19 Patrioten gegen 29 Li-
berale stünden. Es sind ferner eine dreifache Wahl ( Schweinfurt, Dillingen
und Kaufbeuren ) und 1 Doppelwahl ( Kempten u. Ansbach ) zu verzeichnen. --
Die „Karlsr. Ztg.“ bringt folgende vorläufige badische Wahlergebnisse,
worunter zwei klerikale ( Baden und Tauberbischofsheim ) , die andern natio-
nal: Wahlkreis Konstanz: Eckhard 12,254. v. Bodmann 6410. W.=Kr.
Donaueschingen: Kirsner 9187. Fürst v. Fürstenberg 3151. ( Donau-
eschingen fehlt noch. ) W.=Kr. Waldshut: Hebting 10,229. v. Stotzingen
6635. W.=Kr. Lörrach: v. Roggenbach 10,417. v. Gagern 3404. W.=Kr.
Offenburg: Eckhard 8913. Lender 6344. W.=Kr. Baden: Renk 4494.
Lindau 8890. W.=Kr. Pforzheim: Dennig 8080. Metz 1653. Faas
3937. Vogel 312. W.=Kr. Mannheim: Lamey 7956. v. Feder 4092.
W.=Kr. Heidelberg: Kiefer 9008. Fischer 3716. W.=Kr. Tauberbischofsheim:
Herth 8010. v. Ketteler 12,228. -- Die „Main=Ztg.“ schreibt über die
hessischen Wahlen: Jm 1. Wahlkreis Darmstadt=Großgerau siegte
Hoffmann ( Fortschrittsp. ) mit 6182 Stimmen gegen Hallwachs ( conserv. )
mit 2833, und Klotsch ( Lassalleaner ) mit 255 Stimmen. Jm 2. Wahlb.
Alzey=Bingen siegte Metz ( Fortschrittsp. ) mit 7391 St. gegen v. Gagern
( ultram. ) 1219 St. Jm 3. Wahlb. Odenwald erhielt Martin ( Fortschrittsp. )
4100, v. Gagern 2700 St. Die Wahl Martins ist wahrscheinlich. Jm
4. Wahlkreis Offenbach = Dieburg erhielt Dernburg ( Fortschrittsp. ) 5700,
v. Stark ( conserv. ) 620, Küchler ( ultram. ) 700, Wolff ( Lassalleaner ) 1200
St. Das Wahlergebniß aus vielen Ortschaften fehlt noch, und ist wahr-
scheinlich eine Nachwahl zwischen Dernburg und Wolff nothwendig. Jm
5. Wahlkreis Friedberg=Büdingen ist der Sieg des Candidaten der Fort-
schrittspartei v. Wedekind gesichert. Jm 6. Wahlkreis Worms=Heppen-
heim ist Regierungsrath Pfannebecker durchgekommen. Jm 7. Wahlkreis
Alsfeld=Schotten ist es bis jetzt noch unentschieden ob Professor Oncken
( liberal ) oder Graf Solms ( freiconservativ ) siegen wird. Die Wahl in
* ) Von einem Süddeutschen.
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