Allgemeine Zeitung. Nr. 68. Augsburg (Bayern), 9. März 1871.[Spaltenumbruch]
Mainz hat folgendes Resultat ergeben: Bamberger 7298, Moufang ^ Traunstein, 7 März. Daß im Wahlbezirke Traunstein der Berlin, 6 März. Der "Staatsanzeiger" veröffentlicht eine kaiser- ( -- ) Berlin, 6 März. Die von Wien aus verbreitete Nachricht # Berlin, 6 März. Die Conjecturalpolitiker konnten kaum einen [Spaltenumbruch]
Mainz hat folgendes Resultat ergeben: Bamberger 7298, Moufang △ Traunstein, 7 März. Daß im Wahlbezirke Traunstein der Berlin, 6 März. Der „Staatsanzeiger“ veröffentlicht eine kaiser- ( -- ) Berlin, 6 März. Die von Wien aus verbreitete Nachricht # Berlin, 6 März. Die Conjecturalpolitiker konnten kaum einen <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews"> <div type="jPoliticalNews"> <div type="jArticle"> <p><pb facs="#f0003" n="1139"/><cb/><hi rendition="#g">Mainz</hi> hat folgendes Resultat ergeben: Bamberger 7298, Moufang<lb/> 5623, Dumont ( Volkspartei ) 1485. Da die absolute Mehrheit 7254<lb/> Stimmen beträgt, so ist Bamberger gewählt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle"> <p>△ Traunstein, 7 März. Daß im Wahlbezirke Traunstein der<lb/> Graf Seinsheim=Grünbach gegen den liberalen Candidaten Salinenadmi-<lb/> nistrator Hocheder gewählt wurde, ist Jhnen bereits telegraphisch mitge-<lb/> theilt. Bezüglich der Stimmenzahl muß ich jedoch berichtigend nachtra-<lb/> gen daß, wie die officielle letzte Revision ergab, von den im ganzen abgege-<lb/> benen 15,588 Stimmen auf Hocheder nicht 3717, sondern 4696 und auf<lb/> Seinsheim 10,816 statt 10,025 gefallen sind, während die übrigen Stim-<lb/> men sich zersplitterten oder für ungültig erklärt wurden. Da Hocheder<lb/> bei der Zollparlamentswahl im Jahr 1868 bloß 2400 Stimmen, sohin<lb/> dießmal beinahe doppelt so viel erhalten hat, so läßt sich auch in unserer<lb/> Gegend ein ziemlich beträchtlicher Umschlag in der Gesinnung der ober-<lb/> bayerischen Gebirgsbevölkerung nicht in Abrede stellen. Hauptsächlich<lb/> erhellt dieß daraus daß Hocheder in mehreren Wahlbezirken, wo ihm 1868<lb/> nicht eine einzige Stimme zufiel, dießmal die Stimmenmehrheit über den<lb/> Gegencandidaten davontrug, und außerdem auch noch daraus daß ziem-<lb/> lich viele auf seinen Namen lautende Wahlzettel ( in Reichenhall allein<lb/> 41 ) wegen formeller Mängel für ungültig erklärt werden mußten. An-<lb/> drerseits kam dem Grafen Seinsheim auch zu gute daß der von der Frac-<lb/> tion Huttler aufgestellt gewesene Candidat Graf Törring=Jettenbach recht-<lb/> zeitig zurücktrat.</p> </div><lb/> <div type="jArticle"> <p>Berlin, 6 März. Der „Staatsanzeiger“ veröffentlicht eine kaiser-<lb/> liche Verordnung betreffend die Aufhebung der Ausfuhr= und Durchfuhr-<lb/> Verbote, vom 4 März 1871: Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher<lb/> Kaiser, König von Preußen <abbr>ec.</abbr>, verordnen im Namen des Deutschen Reichs<lb/> nach erfolgter Zustimmung des Bundesraths was folgt: <hi rendition="#g">Einziger<lb/> Artikel.</hi> Die durch die Verordnungen vom 16 Juli 1870 ( Bundes=Ge-<lb/> setzblatt, Seite 483 ) , 8 August 1870 ( Bundes=Gesetzblatt Seite 509 ) und<lb/> 25 August 1870 ( Bundes=Gesetzblatt Seite 511 ) angeordneten Verbote der<lb/> Ausfuhr und Durchfuhr treten, soweit sie noch in Wirksamkeit sind, mit dem<lb/> Tage der Verkündung dieser Verordnung außer Kraft. Urkundlich unter<lb/> unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen<lb/> Jnsiegel. Gegeben Hauptquartier Versailles, den 4 März 1871. ( <hi rendition="#aq">L. S. ) </hi><lb/> Wilhelm. Graf v. Bismarck=Schönhausen. -- Der Kronprinz hat an das<lb/> Curatorium der Albertus=Universität in Königsberg folgendes Schreiben<lb/> gerichtet: „Die Mir gewordene Kunde von dem am 15 d. M. zu Dole als<lb/> ein Opfer edelster Pflichterfüllung erfolgten Ableben des Geheimen Medi-<lb/> cinal=Raths Prof. <hi rendition="#aq">Dr</hi>. Wagner -- für die Dauer des Krieges als General-<lb/> Arzt zur Armee des Generals v. Manteuffel berufen -- hat Mich mit<lb/> tiefem Schmerz erfüllt. Wie in den weitesten Kreisen der Verlust dieses<lb/> durch hervorragende Leistungen und segensreiches Wirken auf dem Gebiete<lb/> der operativen Chirurgie allgemein geschätzten Mannes schwer empfunden<lb/> werden wird, so ist insbesondere auch die Albertus=Universität durch den<lb/> Heimgang eines hochbegabten und verehrten Lehrers schmerzlich betroffen<lb/> worden. Es ist Mir deßhalb Bedürfniß der Universität hiermit Meine<lb/> aufrichtige Theilnahme an dem herben Verluste den sie erlitten auszuspre-<lb/> chen, dessen Größe Jch nur um so mehr zu ermessen vermag, als auch Jch<lb/> persönlich die ausgezeichneten Eigenschaften des Verstorbenen kennen und<lb/> schätzen gelernt hatte. Hauptquartier Versailles, den 24 Februar 1871.<lb/> Friedrich Wilhelm, Kronprinz.“</p> </div><lb/> <div type="jArticle"> <p>( -- ) Berlin, 6 März. Die von Wien aus verbreitete Nachricht<lb/> daß zwischen Deutschland und Rußland Grundzüge für eine neue Ab-<lb/> machung festgestellt seien, welche eine weitere Bürgschaft für die Erhaltung<lb/> unserer jüngsten Erwartungen gewähre, hält man hier nur für einen<lb/><hi rendition="#aq">ballon d'essai</hi>. Einen reellen Werth haben auch alle Gerüchte von einer<lb/> deutsch=russischen Allianz, trotz dem herzlichen Gedankenaustausch der erst<lb/> jüngst zwischen dem Czaren und seinem kaiserlichen Oheim ausgewechselt<lb/> wurde, schwerlich, da eine solche Bundesgenossenschaft doch eigentlich bloß<lb/> auf vier Augen beruhte, und außerdem nur auf Kosten der eben erst wieder-<lb/> hergestellten freundlichen Beziehungen zu Oesterreich geschaffen werden<lb/> könnte. -- Der Kaiser, welcher gegen den 11 d. hier zurückerwartet wird,<lb/> soll schon in Saarbrücken mit dem von der Rheinprovinz gespendeten gol-<lb/> denen Lorbeerkranz erfreut werden, da er seinen Rückweg voraussichtlich<lb/> nicht über Koblenz, sondern über Frankfurt und Kassel nehmen wird.<lb/> Sämmtliche Transporte von Truppen und Kriegsmaterial nach Frankreich<lb/> sind seit drei Tagen eingestellt. Unter den kürzlich freigelassenen Kriegs-<lb/> gefangenen befindet sich auch der bisherige Uebersetzer bei der früheren<lb/> hiesigen französischen Botschaft, Prof. van der Velde, der in Graudenz<lb/> internirt war. -- Die Wahlen zum Reichstag sind auch in den Provinzen<lb/> unter auffallend schwacher Betheiligung vor sich gegangen. Jn Königs-<lb/> berg siegte der Candidat der Fortschrittspartei, Stadtverordneten=Vorsteher<lb/> Dickert, über die Candidaten der Conservativen und der Radicalen. Sehr<lb/> heiß war der Kampf in Waldenburg, wo Braun ( Berlin ) , Eugen Richter<lb/> und Landgraf, die Candidaten der National=Liberalen, der Fortschritts-<lb/> partei und der Socialdemokraten, dem Fürsten Pleß, Candidaten der Frei-<lb/> conservativen, erlagen. Jn Dortmund siegte <hi rendition="#aq">Dr</hi>. Becker ( Fortschritt ) über<lb/><cb/> die katholischen Gegencandidaten, und in Duisburg der von den National-<lb/> Liberalen aufgestellte Prof. Dove über die beiden ihm von den Katholiken<lb/> und den Socialdemokraten entgegengestellten Candidaten Kreisrichter<lb/> Grütering und Gerber Hasenclever. Letzterer, welcher den Wahlkreis in<lb/> der letzten Reichstagssession vertrat, brachte es dießmal nur auf 2000 Stim-<lb/> men. Auch in Elberfeld war der Wahlkampf ein sehr heißer: dort hatten<lb/> sich die Conservativen zur Bekämpfung der Socialdemokraten, der Katho-<lb/> liken und der Fortschrittspartei mit den National=Liberalen verbunden.<lb/> Dennoch erhielt der Candidat der letzteren, der unserer Botschaft in Lon-<lb/> don attachirte Legationssecretär v. Kusserow, nicht die absolute Mehrheit.<lb/> Derselbe wird vielmehr mit dem Candidaten der Socialdemokraten, <hi rendition="#aq">Dr.</hi><lb/> Schweitzer, zur engeren Wahl kommen. Die katholische Partei hat gesiegt<lb/> in der Stadt Köln, im Landkreise Köln und in Bonn, wo früher die Na-<lb/> tional=Liberalen dominirten; in Crefeld, wo die National=Liberalen und<lb/> Socialdemokraten ein starkes Gegengewicht bildeten; in Düsseldorf, das<lb/> bisher meist im fortschrittlichen Sinn wählte; in Düren=Jülich, wo der<lb/> vom Kanonikus <hi rendition="#aq">Dr</hi>. Künzer warm empfohlene Ober=Tribunalrath Weyers<lb/> ( nationalliberal ) dem Pfarrer Decker erlag; in Neuß=Grevenbroich=Aachen,<lb/> das den Kanonikus Grafen Spee dem Dompropst Holzer vorzog; Essen,<lb/> Koblenz ( gewählt Hr. v. Savigny ) , Münster und Meschede. Jn Meppen-<lb/> Lingen siegte der Candidat der katholischen Partei Windthorst über den<lb/> von den National=Liberalen aufgestellten Katholiken Obergerichtsrath<lb/> Kerckhoff. Außerdem wurde Hr. v. Mallinckrodt in seinem bisherigen Wahl-<lb/> kreise wieder gewählt. Die beiden HH. Reichensperger, die eigentlichen<lb/> Führer der katholischen Partei, sind mit großer Mehrheit wieder gewählt.<lb/> Man scheint in den Regierungskreisen mit einiger Besorgniß dem Ergebniß<lb/> entgegen zu sehen. Wahrscheinlich wird die conservative Partei eine ziem-<lb/> lich starke Einbuße erlitten haben.</p> </div><lb/> <div type="jArticle"> <p># Berlin, 6 März. Die Conjecturalpolitiker konnten kaum einen<lb/> fettern Bissen erhalten als die Depeschen welche der deutsche Kaiser und<lb/> der Kaiser von Rußland anläßlich der Unterzeichnung der Friedenspräli-<lb/> minarien unter einander ausgetauscht haben. Kaiser Wilhelm spricht von<lb/> der Dankbarkeit welche Preußen dem Kaiser Alexander dafür schulde daß<lb/> der Krieg durch seine Bemühungen nicht die äußersten Dimensionen ange-<lb/> nommen habe, und in Wien und London wird es bald keinen Politikaster<lb/> mehr geben der hinter dieser Versicherung nicht den Popanz der preußisch-<lb/> russischen Allianz leibhaftig hätte hervorgucken sehen. Einzelne Blätter<lb/> erinnern auch schon an die vorjährige Zusammenkunft in Ems, wo Wil-<lb/> helm und Alexander, Bismarck und Gortschakoff -- der im vergangenen<lb/> Sommer gar nie in Ems gewesen -- alles ins reine gebracht, Rußland<lb/> zum Wächter der preußischen Rücken= und Flankenstellung während des<lb/> Kriegs bestellt, und dafür dem russischen Cabinet in seiner Orientpolitik<lb/> die unbedingte Unterstützung Deutschlands zugesagt hätten. Nun sollte<lb/> allerdings schon ein Blick auf die neue deutsche Bundesacte daran erin-<lb/> nern daß die Einschränkungen die dem Oberhaupte des deutschen Reichs<lb/> hinsichtlich der auswärtigen Politik in jener Acte auferlegt werden, eine<lb/> willkürliche Cabinets = oder eine persönliche Politik in Deutschland unmög-<lb/> lich machen; ferner sollte die besondere Fassung der Depesche des Kaisers<lb/> Wilhelm, in welcher nur von der Person des Kaisers Alexander und nur<lb/> von Preußen, nicht von Deutschland die Rede ist, zu der Vermuthung<lb/> führen daß man es hier bloß mit einer persönlichen Kundgebung zu thun<lb/> habe; aber solche Argumente verfangen nicht überall, und darum soll noch<lb/> besonders darauf aufmerksam gemacht werden daß gegenüber den in neue-<lb/> rer Zeit immer häufiger auftauchenden Behauptungen: Rußland werde<lb/> demnächst vereint mit Frankreich das deutsche Volk um den Preis seiner<lb/> Siege zu bringen suchen, eine schlagendere Erwiederung kaum ertheilt wer-<lb/> den konnte als die von so hoher Stelle ausgegangene Versicherung daß na-<lb/> mentlich Rußland es gewesen sei welchem Deutschland, und in weiterer Folge<lb/> Europa, die Localisirung des gegenwärtig glücklich beendeten Kriegs zu<lb/> danken habe. Das Geschwätz von der durch Thiers angebahnten russisch-<lb/> französischen Entente wird nunmehr verstummen müssen, wozu sich das<lb/> nach allgemeinem Frieden sich sehnende Europa nur glückwünschen kann. Hier<lb/> hat denn auch die Veröffentlichung des Depeschenwechsels zwischen den<lb/> Kaisern Wilhelm und Alexander nicht die geringste Beunruhigung oder<lb/> Besorgniß vor zukünftigen Verwicklungen, in welche Preußen aus Dank-<lb/> barkeit für Rußland hineingerathen könnte, hervorgerufen. Man denkt<lb/> hier im allgemeinen über das Verhältniß zwischen Deutschland und Ruß-<lb/> land bei weitem nüchterner als man sich dieß anderswo einbilden mag,<lb/> und hat sich deßhalb nicht einmal veranlaßt gesehen genauer zu erforschen von<lb/> welcher Seite wohl die „äußersten Dimensionen“ gedroht haben mögen die<lb/> durch Rußlands freundschaftliche Bemühungen hintangehalten wurden. Vor<lb/> vier Monaten hätte man dieß freilich noch ganz unbedenklich auf Oesterreich<lb/> gedeutet; seitdem hat man aber auch von dem Uebelwollen Englands und<lb/> Jtaliens so schlagende Beweise erhalten, daß man der Meinung ist: ein<lb/> bißchen Einschüchterung sei bei diesen mindestens ebenso nothwendig ge-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1139/0003]
Mainz hat folgendes Resultat ergeben: Bamberger 7298, Moufang
5623, Dumont ( Volkspartei ) 1485. Da die absolute Mehrheit 7254
Stimmen beträgt, so ist Bamberger gewählt.
△ Traunstein, 7 März. Daß im Wahlbezirke Traunstein der
Graf Seinsheim=Grünbach gegen den liberalen Candidaten Salinenadmi-
nistrator Hocheder gewählt wurde, ist Jhnen bereits telegraphisch mitge-
theilt. Bezüglich der Stimmenzahl muß ich jedoch berichtigend nachtra-
gen daß, wie die officielle letzte Revision ergab, von den im ganzen abgege-
benen 15,588 Stimmen auf Hocheder nicht 3717, sondern 4696 und auf
Seinsheim 10,816 statt 10,025 gefallen sind, während die übrigen Stim-
men sich zersplitterten oder für ungültig erklärt wurden. Da Hocheder
bei der Zollparlamentswahl im Jahr 1868 bloß 2400 Stimmen, sohin
dießmal beinahe doppelt so viel erhalten hat, so läßt sich auch in unserer
Gegend ein ziemlich beträchtlicher Umschlag in der Gesinnung der ober-
bayerischen Gebirgsbevölkerung nicht in Abrede stellen. Hauptsächlich
erhellt dieß daraus daß Hocheder in mehreren Wahlbezirken, wo ihm 1868
nicht eine einzige Stimme zufiel, dießmal die Stimmenmehrheit über den
Gegencandidaten davontrug, und außerdem auch noch daraus daß ziem-
lich viele auf seinen Namen lautende Wahlzettel ( in Reichenhall allein
41 ) wegen formeller Mängel für ungültig erklärt werden mußten. An-
drerseits kam dem Grafen Seinsheim auch zu gute daß der von der Frac-
tion Huttler aufgestellt gewesene Candidat Graf Törring=Jettenbach recht-
zeitig zurücktrat.
Berlin, 6 März. Der „Staatsanzeiger“ veröffentlicht eine kaiser-
liche Verordnung betreffend die Aufhebung der Ausfuhr= und Durchfuhr-
Verbote, vom 4 März 1871: Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher
Kaiser, König von Preußen ec., verordnen im Namen des Deutschen Reichs
nach erfolgter Zustimmung des Bundesraths was folgt: Einziger
Artikel. Die durch die Verordnungen vom 16 Juli 1870 ( Bundes=Ge-
setzblatt, Seite 483 ) , 8 August 1870 ( Bundes=Gesetzblatt Seite 509 ) und
25 August 1870 ( Bundes=Gesetzblatt Seite 511 ) angeordneten Verbote der
Ausfuhr und Durchfuhr treten, soweit sie noch in Wirksamkeit sind, mit dem
Tage der Verkündung dieser Verordnung außer Kraft. Urkundlich unter
unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen
Jnsiegel. Gegeben Hauptquartier Versailles, den 4 März 1871. ( L. S. )
Wilhelm. Graf v. Bismarck=Schönhausen. -- Der Kronprinz hat an das
Curatorium der Albertus=Universität in Königsberg folgendes Schreiben
gerichtet: „Die Mir gewordene Kunde von dem am 15 d. M. zu Dole als
ein Opfer edelster Pflichterfüllung erfolgten Ableben des Geheimen Medi-
cinal=Raths Prof. Dr. Wagner -- für die Dauer des Krieges als General-
Arzt zur Armee des Generals v. Manteuffel berufen -- hat Mich mit
tiefem Schmerz erfüllt. Wie in den weitesten Kreisen der Verlust dieses
durch hervorragende Leistungen und segensreiches Wirken auf dem Gebiete
der operativen Chirurgie allgemein geschätzten Mannes schwer empfunden
werden wird, so ist insbesondere auch die Albertus=Universität durch den
Heimgang eines hochbegabten und verehrten Lehrers schmerzlich betroffen
worden. Es ist Mir deßhalb Bedürfniß der Universität hiermit Meine
aufrichtige Theilnahme an dem herben Verluste den sie erlitten auszuspre-
chen, dessen Größe Jch nur um so mehr zu ermessen vermag, als auch Jch
persönlich die ausgezeichneten Eigenschaften des Verstorbenen kennen und
schätzen gelernt hatte. Hauptquartier Versailles, den 24 Februar 1871.
Friedrich Wilhelm, Kronprinz.“
( -- ) Berlin, 6 März. Die von Wien aus verbreitete Nachricht
daß zwischen Deutschland und Rußland Grundzüge für eine neue Ab-
machung festgestellt seien, welche eine weitere Bürgschaft für die Erhaltung
unserer jüngsten Erwartungen gewähre, hält man hier nur für einen
ballon d'essai. Einen reellen Werth haben auch alle Gerüchte von einer
deutsch=russischen Allianz, trotz dem herzlichen Gedankenaustausch der erst
jüngst zwischen dem Czaren und seinem kaiserlichen Oheim ausgewechselt
wurde, schwerlich, da eine solche Bundesgenossenschaft doch eigentlich bloß
auf vier Augen beruhte, und außerdem nur auf Kosten der eben erst wieder-
hergestellten freundlichen Beziehungen zu Oesterreich geschaffen werden
könnte. -- Der Kaiser, welcher gegen den 11 d. hier zurückerwartet wird,
soll schon in Saarbrücken mit dem von der Rheinprovinz gespendeten gol-
denen Lorbeerkranz erfreut werden, da er seinen Rückweg voraussichtlich
nicht über Koblenz, sondern über Frankfurt und Kassel nehmen wird.
Sämmtliche Transporte von Truppen und Kriegsmaterial nach Frankreich
sind seit drei Tagen eingestellt. Unter den kürzlich freigelassenen Kriegs-
gefangenen befindet sich auch der bisherige Uebersetzer bei der früheren
hiesigen französischen Botschaft, Prof. van der Velde, der in Graudenz
internirt war. -- Die Wahlen zum Reichstag sind auch in den Provinzen
unter auffallend schwacher Betheiligung vor sich gegangen. Jn Königs-
berg siegte der Candidat der Fortschrittspartei, Stadtverordneten=Vorsteher
Dickert, über die Candidaten der Conservativen und der Radicalen. Sehr
heiß war der Kampf in Waldenburg, wo Braun ( Berlin ) , Eugen Richter
und Landgraf, die Candidaten der National=Liberalen, der Fortschritts-
partei und der Socialdemokraten, dem Fürsten Pleß, Candidaten der Frei-
conservativen, erlagen. Jn Dortmund siegte Dr. Becker ( Fortschritt ) über
die katholischen Gegencandidaten, und in Duisburg der von den National-
Liberalen aufgestellte Prof. Dove über die beiden ihm von den Katholiken
und den Socialdemokraten entgegengestellten Candidaten Kreisrichter
Grütering und Gerber Hasenclever. Letzterer, welcher den Wahlkreis in
der letzten Reichstagssession vertrat, brachte es dießmal nur auf 2000 Stim-
men. Auch in Elberfeld war der Wahlkampf ein sehr heißer: dort hatten
sich die Conservativen zur Bekämpfung der Socialdemokraten, der Katho-
liken und der Fortschrittspartei mit den National=Liberalen verbunden.
Dennoch erhielt der Candidat der letzteren, der unserer Botschaft in Lon-
don attachirte Legationssecretär v. Kusserow, nicht die absolute Mehrheit.
Derselbe wird vielmehr mit dem Candidaten der Socialdemokraten, Dr.
Schweitzer, zur engeren Wahl kommen. Die katholische Partei hat gesiegt
in der Stadt Köln, im Landkreise Köln und in Bonn, wo früher die Na-
tional=Liberalen dominirten; in Crefeld, wo die National=Liberalen und
Socialdemokraten ein starkes Gegengewicht bildeten; in Düsseldorf, das
bisher meist im fortschrittlichen Sinn wählte; in Düren=Jülich, wo der
vom Kanonikus Dr. Künzer warm empfohlene Ober=Tribunalrath Weyers
( nationalliberal ) dem Pfarrer Decker erlag; in Neuß=Grevenbroich=Aachen,
das den Kanonikus Grafen Spee dem Dompropst Holzer vorzog; Essen,
Koblenz ( gewählt Hr. v. Savigny ) , Münster und Meschede. Jn Meppen-
Lingen siegte der Candidat der katholischen Partei Windthorst über den
von den National=Liberalen aufgestellten Katholiken Obergerichtsrath
Kerckhoff. Außerdem wurde Hr. v. Mallinckrodt in seinem bisherigen Wahl-
kreise wieder gewählt. Die beiden HH. Reichensperger, die eigentlichen
Führer der katholischen Partei, sind mit großer Mehrheit wieder gewählt.
Man scheint in den Regierungskreisen mit einiger Besorgniß dem Ergebniß
entgegen zu sehen. Wahrscheinlich wird die conservative Partei eine ziem-
lich starke Einbuße erlitten haben.
# Berlin, 6 März. Die Conjecturalpolitiker konnten kaum einen
fettern Bissen erhalten als die Depeschen welche der deutsche Kaiser und
der Kaiser von Rußland anläßlich der Unterzeichnung der Friedenspräli-
minarien unter einander ausgetauscht haben. Kaiser Wilhelm spricht von
der Dankbarkeit welche Preußen dem Kaiser Alexander dafür schulde daß
der Krieg durch seine Bemühungen nicht die äußersten Dimensionen ange-
nommen habe, und in Wien und London wird es bald keinen Politikaster
mehr geben der hinter dieser Versicherung nicht den Popanz der preußisch-
russischen Allianz leibhaftig hätte hervorgucken sehen. Einzelne Blätter
erinnern auch schon an die vorjährige Zusammenkunft in Ems, wo Wil-
helm und Alexander, Bismarck und Gortschakoff -- der im vergangenen
Sommer gar nie in Ems gewesen -- alles ins reine gebracht, Rußland
zum Wächter der preußischen Rücken= und Flankenstellung während des
Kriegs bestellt, und dafür dem russischen Cabinet in seiner Orientpolitik
die unbedingte Unterstützung Deutschlands zugesagt hätten. Nun sollte
allerdings schon ein Blick auf die neue deutsche Bundesacte daran erin-
nern daß die Einschränkungen die dem Oberhaupte des deutschen Reichs
hinsichtlich der auswärtigen Politik in jener Acte auferlegt werden, eine
willkürliche Cabinets = oder eine persönliche Politik in Deutschland unmög-
lich machen; ferner sollte die besondere Fassung der Depesche des Kaisers
Wilhelm, in welcher nur von der Person des Kaisers Alexander und nur
von Preußen, nicht von Deutschland die Rede ist, zu der Vermuthung
führen daß man es hier bloß mit einer persönlichen Kundgebung zu thun
habe; aber solche Argumente verfangen nicht überall, und darum soll noch
besonders darauf aufmerksam gemacht werden daß gegenüber den in neue-
rer Zeit immer häufiger auftauchenden Behauptungen: Rußland werde
demnächst vereint mit Frankreich das deutsche Volk um den Preis seiner
Siege zu bringen suchen, eine schlagendere Erwiederung kaum ertheilt wer-
den konnte als die von so hoher Stelle ausgegangene Versicherung daß na-
mentlich Rußland es gewesen sei welchem Deutschland, und in weiterer Folge
Europa, die Localisirung des gegenwärtig glücklich beendeten Kriegs zu
danken habe. Das Geschwätz von der durch Thiers angebahnten russisch-
französischen Entente wird nunmehr verstummen müssen, wozu sich das
nach allgemeinem Frieden sich sehnende Europa nur glückwünschen kann. Hier
hat denn auch die Veröffentlichung des Depeschenwechsels zwischen den
Kaisern Wilhelm und Alexander nicht die geringste Beunruhigung oder
Besorgniß vor zukünftigen Verwicklungen, in welche Preußen aus Dank-
barkeit für Rußland hineingerathen könnte, hervorgerufen. Man denkt
hier im allgemeinen über das Verhältniß zwischen Deutschland und Ruß-
land bei weitem nüchterner als man sich dieß anderswo einbilden mag,
und hat sich deßhalb nicht einmal veranlaßt gesehen genauer zu erforschen von
welcher Seite wohl die „äußersten Dimensionen“ gedroht haben mögen die
durch Rußlands freundschaftliche Bemühungen hintangehalten wurden. Vor
vier Monaten hätte man dieß freilich noch ganz unbedenklich auf Oesterreich
gedeutet; seitdem hat man aber auch von dem Uebelwollen Englands und
Jtaliens so schlagende Beweise erhalten, daß man der Meinung ist: ein
bißchen Einschüchterung sei bei diesen mindestens ebenso nothwendig ge-
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