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Allgemeine Zeitung. Nr. 71. Augsburg (Bayern), 12. März 1871.

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[Spaltenumbruch] ihre Brut unterzubringen suchen" u. dgl. m., was doppelt böses Blut
machte. Die Wiener officiösen Organe wurden zwar angewiesen die Aeuße-
rungen der "Gr. Ztg." als nichtinspirirte hinzustellen, fanden aber für
ihre Mohrenwäsche eben nur so viel Beachtung als man officiösen Dementi's
überhaupt zu schenken pflegt. Zudem begieng dieselbe "Gr. Ztg." den
Fehler den in der ganzen Steiermark hochverehrten Hrn. v. Kaiserfeld,
der in Glaisdorf bei Gelegenheit einer öffentlichen Versammlung ein Miß-
trauensvotum gegen das Ministerium ausgesprochen hatte, heftig anzu-
greifen. Sie nannte ihn u. a. einen Cato, der seinem eigenen Vaterland
ein Grablied singe. So steigerte sich der Groll welcher seit geraumer Zeit
in den Gemüthern der insgemein frei= und deutschgesinnten Steiermärker
sich angesammelt und aus mancherlei Thatsachen -- wie die Ausweisung und
Mißhandlung des Schriftstellers R. Zimmermann, die Confiscation von Zei-
tungen, gesetzwidrige Preßprocesse, die Slavisirungsversuche an der Univer-
sität, die drakonische Handhabung des Vereins= und Versammlungsgesetzes ec.
-- reichliche Nahrung gezogen hatte, immer mehr, bis die letzte formell zwar
berechtigte, vom politischen Gesichtspunkt aber vielleicht überflüssige, jeden-
falls in der Praxis mit übertriebenem Eifer durchgeführte Regierungsmaßregel
dem Fasse den Boden ausschlug. Die Regierung muß viel Muth haben, weil
sie sich Tag für Tag neue Gegner heranzieht ohne sich andere vom Halse
schaffen zu können. Ob die Methode des Gesammtcabinets: gleich gewissen
Amphibien unter den Panzer der Gleichgültigkeit zurückgezogen alle Angriffe
der Presse und der Vertretungskörper über sich ergehen zu lassen, oder die Tak-
tik des Grafen Hohenwart: die Keulenschläge seiner Angreifer mit vergif-
teten Blasrohrbolzen zu erwiedern, auf die Dauer vorhalten werde, mag
die Zukunft lehren; die Lösung der Aufgaben des neuen Cabinets wird
durch solches Verhalten kaum erleichtert. Ueberschüssigen Liberalismus
haben wir -- beiläufig bemerkt -- dem neuen Cabinet nie zugetraut,
ohne es übrigens wegen dieses Mangels unbedingt zu verdammen,
weil wir die Umstände erwogen unter welchen es ins Amt trat.
Was es leisten werde, dachten wir, müsse man abwarten; man
müsse -- unbeirrt durch Kleinlichkeiten -- zusehen ob die neuen Männer
Energie genug entwickeln um auf die eine oder die andere Art den
durch bösen Willen, Unverstand, Schwäche oder Frivolität früherer Macht-
haber tief verfahrenen Staat zu "retten." Besonnene, scharfblickende, wohl-
meinende Beobachter österreichischer Zustände haben uns schon vor Jahres-
frist darauf vorbereitet: die einen daß der Staat Oesterreich hart am Rande
des finanziellen wie des politischen Bankerotts hinstreife, die andern daß
am Ende doch nichts anderes denn die zeitweilige Rückkehr zum " aufge-
klärten " Absolutismus übrig bleiben werde; sie haben auch nicht unter-
lassen die Anzeichen dieses Rückbildungsprocesses hervorzuheben. Bärge
aber auch wirklich das neue Ministerium den Absolutismus in den Falten
seiner Toga, sänne es wirklich auf eine neue Sistirungsaera, verabscheute
es wirklich nicht den Föderalismus a la Fischhof in Scene zu setzen, da es
doch einmal "so nicht fortgehen kann" -- wem fiele schließlich die Schuld
und die Verantwortung für den Verlust der "Freiheit" zu, als denjenigen
welche die ausgedehnteste "Freiheit" nur dazu mißbrauchten um sich selbst
zu fröhnen und die andern in Unfreiheit zu halten! Das österreichische
Volk ist in den Tagen des Vollbesitzes der Freiheit über liberale Orgien
nicht hinausgekommen; möge es, da es in Gefahr steht um seine Freiheit zu
kommen, zu ernster, gesinnungstüchtiger Arbeit sich ernüchtern, sonst
verdient es wahrlich die Ruthe polizeilicher Bevormundung, welche ihm
die HH. Graf Hohenwart, Habietinek und Jiretschek nebst dem "großen
Unbekannten" zu binden befleißigt sind. An warnenden Vorzeichen fehlt
es nicht. Das neue Ministerium ist der Journalistik, welche ihm freilich
über das erlaubte Maß hinaus zu Leibe und zum Theil an die persönliche
Ehre gegangen, nicht grün; Graf Hohenwart soll diese Stimmung den
Vertretern der Presse, die ihm nach seinem Amtsantritt ihre Aufwartung
machten, deutlich zu vermerken gegeben haben; das Ministerium ist sogar
des Federkriegs welchen es eine Zeitlang in seinen officiösen Organen führte
schon müde geworden, und hat an die Polizeibehörden und Staatsanwalt-
schaften Weisung erlassen den Zeitungen schärfer auf die Finger zu sehen,
und Polizei und Staatsanwaltschaft haben sich dieß nicht zweimal sagen
lassen, sondern dieser Tage erst die "N. Fr. Presse" und heute sogar die alte
"Presse" mit Beschlag belegt, letztere angeblich wegen eines Artikels über das
Verbot der Friedensfeier. Man müßte es auch im Deutschen Reich, das
zunächst dabei interessirt ist ein starkes und zugleich freundlich gesinntes
Oesterreich zur Seite zu haben, sehr beklagen, wenn die Wiedergeburt des
österreichischen Staates und die Freiheit im Jnnern vermöge der poli-
tischen Unreife des Volkes einander ausschließen sollten. Was die
Absichten des Ministeriums hinsichtlich der inneren Verwaltung betrifft,
so heißt es: es sollen dieser Tage die meisten Statthalter und Statt-
haltereileiter, in Folge einer Berufung von Seite des Ministeriums,
in Wien eintreffen, um an den Berathungen über die in Aussicht gestellten
Regierungsvorlagen theilzunehmen und ihr Votum über die beabsichtigte
"Transaction der Landtage mit dem Reichsrath" abzugeben.

sym13 Wien, 9 März. Ein neues Mittel gegen das Cabinet Hohen-
wart. Die "Neue Freie Presse" hetzt heute den Grafen Beust gegen dieses
Cabinet, sie erinnert daran daß gerade sie es gewesen welche ihn bis jetzt
gehalten -- eine Thatsache die für jetzt nicht bekannt gewesen, und die
vielleicht keinem neuer sein wird als dem Grafen Beust -- und sie erwartet
als Gegenleistung seine Bundesgenossenschaft gegen das Ministerium,
[Spaltenumbruch] welches mit dem Verbot der öffentlichen Siegesfeier auch die auswärtigen
Cirkel gestört. Daß Graf Beust auf diesen Leim gehen werde, glaube ich
nicht. Man kann verschiedener Meinung darüber sein ob es nöthig oder
auch nur opportun sei die Siegesfeier durch ein Verbot von oben herab
zum Rang eines hochpolitischen Ereignisses hinaufzuschrauben, und auch
außerhalb der nicht sehr ausgedehnten Kreise welche sich anfangs dafür er-
wärmten ihr Sympathien zuzuwenden; aber man kann schwerlich darüber
im Zweifel sein daß das neue Cabinet, dessen noch wenige Wochen alte
Erklärung: es sei mit der Richtung der auswärtigen Politik vollständig
einverstanden, noch ganz aufrecht steht, nur demonstrative Kundgebun-
gen, welche nach der einen Seite hin verletzen, gleichzeitig aber schwerlich
einem patriotisch österreichischen Gefühl entsprungen sein konnten, hat
hintanhalten, keineswegs aber nach der andern Seite hin selbst demonstra-
tiv hat auftreten wollen. -- Mit dem 1 März ist ein wesentlich erhöhter
Stand der Cavallerie eingetreten. Die Schwadron, bisher aus 99 be-
rittenen und 9 unberittenen Köpfen -- ausschließlich der Officiere ec. --
bestehend, zählt fortan 130 berittene und 13 unberittene Mann, im gan-
zen -- im Frieden und im Kriege gleich -- 175 Mann und 143 Pferde.

sym10 Wien, 10 März. Jn unterrichteten Kreisen wird die Ver-
muthung ausgesprochen daß die cisleithanischen Regierungsvorlagen die
man erwartet, soweit sie sich auf kirchliche und Verfassungsfragen be-
ziehen sollen, in nichts anderem als in bloßen Zusatzanträgen zu bestehen-
den Gesetzen und Amendirungen der Stremayr'schen Entwürfe bestehen
werden. Ausgesprochen wird diese Vermuthung zunächst deßhalb um
das Mißtrauen zu bekämpfen mit welchem man den Regierungsvorlagen
entgegensieht.

Großbritannien.

London 9 März.

Hr. Odo Russell ist von seiner Sendung in Versailles nach London
zurückgekehrt.

Man sagt: die Stimmung in England hat sich zu Gunsten Frankreichs
gewendet. Zum großen Theil, bemerkt die "Engl. Corr.," ist dieß aller-
dings der Fall, und die Freunde der gallischen Republik versäumen es nie
ihre Sympathie mit Deutschland bei Beginn des Kriegs als schwerwiegen-
des Argument in die Schale zu werfen, wenn immer es sich darum handelt
die Tragweite der Ereignisse seit Sedan zu erörtern. An Ausnahmen
fehlt es freilich auch nicht, und viele intelligente Engländer halten trotz
aller Anfechtung an ihrer deutsch=freundlichen Gesinnung fest. Mit großem
Vergnügen sehen wir daß auch Sir John Coleridge, der als Solicitor-
General einen hervorragenden Posten in der Regierung einnimmt, zu
dieser letzteren Classe gehört. Jn einer Rede vor seinen Wählern in Exeter
behandelte er unter anderm das Kriegsthema, und sagte: von allen in der
Geschichte verzeichneten Kriegen sei keiner so ungerechtfertigt und so ohne
Anlaß gewesen wie der Angriff Frankreichs auf Deutschland. Jeder Mann
von Gemüth müsse allerdings für das Elend des großen französischen Volks
fühlen, aber es wäre unehrlich auf seiner Seite, wenn er verschweigen
würde daß er das Resultat des Kriegs keineswegs bedaure. Die Mehrheit
der Engländer -- so fuhr der Redner fort -- war bei Ausbruch des Kriegs
auf Seiten Deutschlands, aber die Stimmung von vielen hat sich seither
gedreht. Die meinige aber -- ich gestehe dieß ein -- hat sich nicht geän-
dert. Von den Zeiten Ludwigs XIV ab war Frankreich der große euro-
päische Störefried, ich kann daher nicht bedauern daß das Götzenbild der
französischen Gloire so erbarmungslos in Stücke geschlagen worden ist. Jm
Gegentheil freue ich mich darüber, denn es ist selbst zu Frankreichs Bestem.
Man kann allerdings behaupten daß nur der Gegenstand unserer Besorg-
niß gewechselt habe, daß Deutschland in Zukunft zu der schrecklichen Geißel
werde die Frankreich in der Vergangenheit war ( Nein! nein! und ja! ja! ) ,
aber ich glaube dieß nicht. Jch fürchte nichts derart, ich habe Vertrauen
zur deutschen Geschichte und zum deutschen Volkscharakter, und meiner An-
sicht nach wird die Welt sich binnen kurzem unsäglich erleichtert fühlen, in-
dem an der Spitze des europäischen Continents eine große, tapfere und
entschlossene, aber friedlich gesinnte Nation steht, anstatt einer Nation die
gleichfalls groß, tapfer und entschlossen, aber kriegerisch, rastlos und an-
griffssüchtig ist. ( Beifall. )

Frankreich.

* Eine Beilage der "Straßburger Zeitung" veröffentlicht eine erste
Liste derjenigen französischen Officiere welche nach Aussage von Kriegsge-
fangenen todt sein sollen, oder nach den bisher angestellten Nachforschungen
nicht haben ermittelt werden können. Die Liste ist erschreckend lang, und
wirft ein beklagenswerthes Licht auf die französischen Zustände; hatte man
ja in Frankreich nichts was nur entfernt an unsere vorzüglich eingerichte-
ten Verlustlisten erinnert. Die erste Kategorie ( todt ) enthielt verhältniß-
mäßig wenige Namen, grauenerregend zahlreich aber ist die zweite Kate-
gorie der Vermißten: wir können hier nur die höchsten Chargen erwähnen:
es sind darunter 8 Divisions=Generale, 17 Brigadegenerale, 77 Obersten,
54 Oberstlieutenants und 63 Bataillons = Commandanten. Todt sind die-
selben wohl alle, aber wo sie die tödtliche Kugel ereilte, wo sie die versöh-
nende Erde deckt, darüber werden ihre Angehörigen wohl schwerlich jemals
sichere Kunde erhalten. Wie sehr muß aber diese peinliche Ungewißheit
den Schmerz über den Verlust der Angehörigen vermehren!


[Spaltenumbruch] ihre Brut unterzubringen suchen“ u. dgl. m., was doppelt böses Blut
machte. Die Wiener officiösen Organe wurden zwar angewiesen die Aeuße-
rungen der „Gr. Ztg.“ als nichtinspirirte hinzustellen, fanden aber für
ihre Mohrenwäsche eben nur so viel Beachtung als man officiösen Dementi's
überhaupt zu schenken pflegt. Zudem begieng dieselbe „Gr. Ztg.“ den
Fehler den in der ganzen Steiermark hochverehrten Hrn. v. Kaiserfeld,
der in Glaisdorf bei Gelegenheit einer öffentlichen Versammlung ein Miß-
trauensvotum gegen das Ministerium ausgesprochen hatte, heftig anzu-
greifen. Sie nannte ihn u. a. einen Cato, der seinem eigenen Vaterland
ein Grablied singe. So steigerte sich der Groll welcher seit geraumer Zeit
in den Gemüthern der insgemein frei= und deutschgesinnten Steiermärker
sich angesammelt und aus mancherlei Thatsachen -- wie die Ausweisung und
Mißhandlung des Schriftstellers R. Zimmermann, die Confiscation von Zei-
tungen, gesetzwidrige Preßprocesse, die Slavisirungsversuche an der Univer-
sität, die drakonische Handhabung des Vereins= und Versammlungsgesetzes ec.
-- reichliche Nahrung gezogen hatte, immer mehr, bis die letzte formell zwar
berechtigte, vom politischen Gesichtspunkt aber vielleicht überflüssige, jeden-
falls in der Praxis mit übertriebenem Eifer durchgeführte Regierungsmaßregel
dem Fasse den Boden ausschlug. Die Regierung muß viel Muth haben, weil
sie sich Tag für Tag neue Gegner heranzieht ohne sich andere vom Halse
schaffen zu können. Ob die Methode des Gesammtcabinets: gleich gewissen
Amphibien unter den Panzer der Gleichgültigkeit zurückgezogen alle Angriffe
der Presse und der Vertretungskörper über sich ergehen zu lassen, oder die Tak-
tik des Grafen Hohenwart: die Keulenschläge seiner Angreifer mit vergif-
teten Blasrohrbolzen zu erwiedern, auf die Dauer vorhalten werde, mag
die Zukunft lehren; die Lösung der Aufgaben des neuen Cabinets wird
durch solches Verhalten kaum erleichtert. Ueberschüssigen Liberalismus
haben wir -- beiläufig bemerkt -- dem neuen Cabinet nie zugetraut,
ohne es übrigens wegen dieses Mangels unbedingt zu verdammen,
weil wir die Umstände erwogen unter welchen es ins Amt trat.
Was es leisten werde, dachten wir, müsse man abwarten; man
müsse -- unbeirrt durch Kleinlichkeiten -- zusehen ob die neuen Männer
Energie genug entwickeln um auf die eine oder die andere Art den
durch bösen Willen, Unverstand, Schwäche oder Frivolität früherer Macht-
haber tief verfahrenen Staat zu „retten.“ Besonnene, scharfblickende, wohl-
meinende Beobachter österreichischer Zustände haben uns schon vor Jahres-
frist darauf vorbereitet: die einen daß der Staat Oesterreich hart am Rande
des finanziellen wie des politischen Bankerotts hinstreife, die andern daß
am Ende doch nichts anderes denn die zeitweilige Rückkehr zum „ aufge-
klärten “ Absolutismus übrig bleiben werde; sie haben auch nicht unter-
lassen die Anzeichen dieses Rückbildungsprocesses hervorzuheben. Bärge
aber auch wirklich das neue Ministerium den Absolutismus in den Falten
seiner Toga, sänne es wirklich auf eine neue Sistirungsaera, verabscheute
es wirklich nicht den Föderalismus à la Fischhof in Scene zu setzen, da es
doch einmal „so nicht fortgehen kann“ -- wem fiele schließlich die Schuld
und die Verantwortung für den Verlust der „Freiheit“ zu, als denjenigen
welche die ausgedehnteste „Freiheit“ nur dazu mißbrauchten um sich selbst
zu fröhnen und die andern in Unfreiheit zu halten! Das österreichische
Volk ist in den Tagen des Vollbesitzes der Freiheit über liberale Orgien
nicht hinausgekommen; möge es, da es in Gefahr steht um seine Freiheit zu
kommen, zu ernster, gesinnungstüchtiger Arbeit sich ernüchtern, sonst
verdient es wahrlich die Ruthe polizeilicher Bevormundung, welche ihm
die HH. Graf Hohenwart, Habietinek und Jiretschek nebst dem „großen
Unbekannten“ zu binden befleißigt sind. An warnenden Vorzeichen fehlt
es nicht. Das neue Ministerium ist der Journalistik, welche ihm freilich
über das erlaubte Maß hinaus zu Leibe und zum Theil an die persönliche
Ehre gegangen, nicht grün; Graf Hohenwart soll diese Stimmung den
Vertretern der Presse, die ihm nach seinem Amtsantritt ihre Aufwartung
machten, deutlich zu vermerken gegeben haben; das Ministerium ist sogar
des Federkriegs welchen es eine Zeitlang in seinen officiösen Organen führte
schon müde geworden, und hat an die Polizeibehörden und Staatsanwalt-
schaften Weisung erlassen den Zeitungen schärfer auf die Finger zu sehen,
und Polizei und Staatsanwaltschaft haben sich dieß nicht zweimal sagen
lassen, sondern dieser Tage erst die „N. Fr. Presse“ und heute sogar die alte
„Presse“ mit Beschlag belegt, letztere angeblich wegen eines Artikels über das
Verbot der Friedensfeier. Man müßte es auch im Deutschen Reich, das
zunächst dabei interessirt ist ein starkes und zugleich freundlich gesinntes
Oesterreich zur Seite zu haben, sehr beklagen, wenn die Wiedergeburt des
österreichischen Staates und die Freiheit im Jnnern vermöge der poli-
tischen Unreife des Volkes einander ausschließen sollten. Was die
Absichten des Ministeriums hinsichtlich der inneren Verwaltung betrifft,
so heißt es: es sollen dieser Tage die meisten Statthalter und Statt-
haltereileiter, in Folge einer Berufung von Seite des Ministeriums,
in Wien eintreffen, um an den Berathungen über die in Aussicht gestellten
Regierungsvorlagen theilzunehmen und ihr Votum über die beabsichtigte
„Transaction der Landtage mit dem Reichsrath“ abzugeben.

sym13 Wien, 9 März. Ein neues Mittel gegen das Cabinet Hohen-
wart. Die „Neue Freie Presse“ hetzt heute den Grafen Beust gegen dieses
Cabinet, sie erinnert daran daß gerade sie es gewesen welche ihn bis jetzt
gehalten -- eine Thatsache die für jetzt nicht bekannt gewesen, und die
vielleicht keinem neuer sein wird als dem Grafen Beust -- und sie erwartet
als Gegenleistung seine Bundesgenossenschaft gegen das Ministerium,
[Spaltenumbruch] welches mit dem Verbot der öffentlichen Siegesfeier auch die auswärtigen
Cirkel gestört. Daß Graf Beust auf diesen Leim gehen werde, glaube ich
nicht. Man kann verschiedener Meinung darüber sein ob es nöthig oder
auch nur opportun sei die Siegesfeier durch ein Verbot von oben herab
zum Rang eines hochpolitischen Ereignisses hinaufzuschrauben, und auch
außerhalb der nicht sehr ausgedehnten Kreise welche sich anfangs dafür er-
wärmten ihr Sympathien zuzuwenden; aber man kann schwerlich darüber
im Zweifel sein daß das neue Cabinet, dessen noch wenige Wochen alte
Erklärung: es sei mit der Richtung der auswärtigen Politik vollständig
einverstanden, noch ganz aufrecht steht, nur demonstrative Kundgebun-
gen, welche nach der einen Seite hin verletzen, gleichzeitig aber schwerlich
einem patriotisch österreichischen Gefühl entsprungen sein konnten, hat
hintanhalten, keineswegs aber nach der andern Seite hin selbst demonstra-
tiv hat auftreten wollen. -- Mit dem 1 März ist ein wesentlich erhöhter
Stand der Cavallerie eingetreten. Die Schwadron, bisher aus 99 be-
rittenen und 9 unberittenen Köpfen -- ausschließlich der Officiere ec. --
bestehend, zählt fortan 130 berittene und 13 unberittene Mann, im gan-
zen -- im Frieden und im Kriege gleich -- 175 Mann und 143 Pferde.

sym10 Wien, 10 März. Jn unterrichteten Kreisen wird die Ver-
muthung ausgesprochen daß die cisleithanischen Regierungsvorlagen die
man erwartet, soweit sie sich auf kirchliche und Verfassungsfragen be-
ziehen sollen, in nichts anderem als in bloßen Zusatzanträgen zu bestehen-
den Gesetzen und Amendirungen der Stremayr'schen Entwürfe bestehen
werden. Ausgesprochen wird diese Vermuthung zunächst deßhalb um
das Mißtrauen zu bekämpfen mit welchem man den Regierungsvorlagen
entgegensieht.

Großbritannien.

London 9 März.

Hr. Odo Russell ist von seiner Sendung in Versailles nach London
zurückgekehrt.

Man sagt: die Stimmung in England hat sich zu Gunsten Frankreichs
gewendet. Zum großen Theil, bemerkt die „Engl. Corr.,“ ist dieß aller-
dings der Fall, und die Freunde der gallischen Republik versäumen es nie
ihre Sympathie mit Deutschland bei Beginn des Kriegs als schwerwiegen-
des Argument in die Schale zu werfen, wenn immer es sich darum handelt
die Tragweite der Ereignisse seit Sedan zu erörtern. An Ausnahmen
fehlt es freilich auch nicht, und viele intelligente Engländer halten trotz
aller Anfechtung an ihrer deutsch=freundlichen Gesinnung fest. Mit großem
Vergnügen sehen wir daß auch Sir John Coleridge, der als Solicitor-
General einen hervorragenden Posten in der Regierung einnimmt, zu
dieser letzteren Classe gehört. Jn einer Rede vor seinen Wählern in Exeter
behandelte er unter anderm das Kriegsthema, und sagte: von allen in der
Geschichte verzeichneten Kriegen sei keiner so ungerechtfertigt und so ohne
Anlaß gewesen wie der Angriff Frankreichs auf Deutschland. Jeder Mann
von Gemüth müsse allerdings für das Elend des großen französischen Volks
fühlen, aber es wäre unehrlich auf seiner Seite, wenn er verschweigen
würde daß er das Resultat des Kriegs keineswegs bedaure. Die Mehrheit
der Engländer -- so fuhr der Redner fort -- war bei Ausbruch des Kriegs
auf Seiten Deutschlands, aber die Stimmung von vielen hat sich seither
gedreht. Die meinige aber -- ich gestehe dieß ein -- hat sich nicht geän-
dert. Von den Zeiten Ludwigs XIV ab war Frankreich der große euro-
päische Störefried, ich kann daher nicht bedauern daß das Götzenbild der
französischen Gloire so erbarmungslos in Stücke geschlagen worden ist. Jm
Gegentheil freue ich mich darüber, denn es ist selbst zu Frankreichs Bestem.
Man kann allerdings behaupten daß nur der Gegenstand unserer Besorg-
niß gewechselt habe, daß Deutschland in Zukunft zu der schrecklichen Geißel
werde die Frankreich in der Vergangenheit war ( Nein! nein! und ja! ja! ) ,
aber ich glaube dieß nicht. Jch fürchte nichts derart, ich habe Vertrauen
zur deutschen Geschichte und zum deutschen Volkscharakter, und meiner An-
sicht nach wird die Welt sich binnen kurzem unsäglich erleichtert fühlen, in-
dem an der Spitze des europäischen Continents eine große, tapfere und
entschlossene, aber friedlich gesinnte Nation steht, anstatt einer Nation die
gleichfalls groß, tapfer und entschlossen, aber kriegerisch, rastlos und an-
griffssüchtig ist. ( Beifall. )

Frankreich.

* Eine Beilage der „Straßburger Zeitung“ veröffentlicht eine erste
Liste derjenigen französischen Officiere welche nach Aussage von Kriegsge-
fangenen todt sein sollen, oder nach den bisher angestellten Nachforschungen
nicht haben ermittelt werden können. Die Liste ist erschreckend lang, und
wirft ein beklagenswerthes Licht auf die französischen Zustände; hatte man
ja in Frankreich nichts was nur entfernt an unsere vorzüglich eingerichte-
ten Verlustlisten erinnert. Die erste Kategorie ( todt ) enthielt verhältniß-
mäßig wenige Namen, grauenerregend zahlreich aber ist die zweite Kate-
gorie der Vermißten: wir können hier nur die höchsten Chargen erwähnen:
es sind darunter 8 Divisions=Generale, 17 Brigadegenerale, 77 Obersten,
54 Oberstlieutenants und 63 Bataillons = Commandanten. Todt sind die-
selben wohl alle, aber wo sie die tödtliche Kugel ereilte, wo sie die versöh-
nende Erde deckt, darüber werden ihre Angehörigen wohl schwerlich jemals
sichere Kunde erhalten. Wie sehr muß aber diese peinliche Ungewißheit
den Schmerz über den Verlust der Angehörigen vermehren!


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[1200/0004] ihre Brut unterzubringen suchen“ u. dgl. m., was doppelt böses Blut machte. Die Wiener officiösen Organe wurden zwar angewiesen die Aeuße- rungen der „Gr. Ztg.“ als nichtinspirirte hinzustellen, fanden aber für ihre Mohrenwäsche eben nur so viel Beachtung als man officiösen Dementi's überhaupt zu schenken pflegt. Zudem begieng dieselbe „Gr. Ztg.“ den Fehler den in der ganzen Steiermark hochverehrten Hrn. v. Kaiserfeld, der in Glaisdorf bei Gelegenheit einer öffentlichen Versammlung ein Miß- trauensvotum gegen das Ministerium ausgesprochen hatte, heftig anzu- greifen. Sie nannte ihn u. a. einen Cato, der seinem eigenen Vaterland ein Grablied singe. So steigerte sich der Groll welcher seit geraumer Zeit in den Gemüthern der insgemein frei= und deutschgesinnten Steiermärker sich angesammelt und aus mancherlei Thatsachen -- wie die Ausweisung und Mißhandlung des Schriftstellers R. Zimmermann, die Confiscation von Zei- tungen, gesetzwidrige Preßprocesse, die Slavisirungsversuche an der Univer- sität, die drakonische Handhabung des Vereins= und Versammlungsgesetzes ec. -- reichliche Nahrung gezogen hatte, immer mehr, bis die letzte formell zwar berechtigte, vom politischen Gesichtspunkt aber vielleicht überflüssige, jeden- falls in der Praxis mit übertriebenem Eifer durchgeführte Regierungsmaßregel dem Fasse den Boden ausschlug. Die Regierung muß viel Muth haben, weil sie sich Tag für Tag neue Gegner heranzieht ohne sich andere vom Halse schaffen zu können. Ob die Methode des Gesammtcabinets: gleich gewissen Amphibien unter den Panzer der Gleichgültigkeit zurückgezogen alle Angriffe der Presse und der Vertretungskörper über sich ergehen zu lassen, oder die Tak- tik des Grafen Hohenwart: die Keulenschläge seiner Angreifer mit vergif- teten Blasrohrbolzen zu erwiedern, auf die Dauer vorhalten werde, mag die Zukunft lehren; die Lösung der Aufgaben des neuen Cabinets wird durch solches Verhalten kaum erleichtert. Ueberschüssigen Liberalismus haben wir -- beiläufig bemerkt -- dem neuen Cabinet nie zugetraut, ohne es übrigens wegen dieses Mangels unbedingt zu verdammen, weil wir die Umstände erwogen unter welchen es ins Amt trat. Was es leisten werde, dachten wir, müsse man abwarten; man müsse -- unbeirrt durch Kleinlichkeiten -- zusehen ob die neuen Männer Energie genug entwickeln um auf die eine oder die andere Art den durch bösen Willen, Unverstand, Schwäche oder Frivolität früherer Macht- haber tief verfahrenen Staat zu „retten.“ Besonnene, scharfblickende, wohl- meinende Beobachter österreichischer Zustände haben uns schon vor Jahres- frist darauf vorbereitet: die einen daß der Staat Oesterreich hart am Rande des finanziellen wie des politischen Bankerotts hinstreife, die andern daß am Ende doch nichts anderes denn die zeitweilige Rückkehr zum „ aufge- klärten “ Absolutismus übrig bleiben werde; sie haben auch nicht unter- lassen die Anzeichen dieses Rückbildungsprocesses hervorzuheben. Bärge aber auch wirklich das neue Ministerium den Absolutismus in den Falten seiner Toga, sänne es wirklich auf eine neue Sistirungsaera, verabscheute es wirklich nicht den Föderalismus à la Fischhof in Scene zu setzen, da es doch einmal „so nicht fortgehen kann“ -- wem fiele schließlich die Schuld und die Verantwortung für den Verlust der „Freiheit“ zu, als denjenigen welche die ausgedehnteste „Freiheit“ nur dazu mißbrauchten um sich selbst zu fröhnen und die andern in Unfreiheit zu halten! Das österreichische Volk ist in den Tagen des Vollbesitzes der Freiheit über liberale Orgien nicht hinausgekommen; möge es, da es in Gefahr steht um seine Freiheit zu kommen, zu ernster, gesinnungstüchtiger Arbeit sich ernüchtern, sonst verdient es wahrlich die Ruthe polizeilicher Bevormundung, welche ihm die HH. Graf Hohenwart, Habietinek und Jiretschek nebst dem „großen Unbekannten“ zu binden befleißigt sind. An warnenden Vorzeichen fehlt es nicht. Das neue Ministerium ist der Journalistik, welche ihm freilich über das erlaubte Maß hinaus zu Leibe und zum Theil an die persönliche Ehre gegangen, nicht grün; Graf Hohenwart soll diese Stimmung den Vertretern der Presse, die ihm nach seinem Amtsantritt ihre Aufwartung machten, deutlich zu vermerken gegeben haben; das Ministerium ist sogar des Federkriegs welchen es eine Zeitlang in seinen officiösen Organen führte schon müde geworden, und hat an die Polizeibehörden und Staatsanwalt- schaften Weisung erlassen den Zeitungen schärfer auf die Finger zu sehen, und Polizei und Staatsanwaltschaft haben sich dieß nicht zweimal sagen lassen, sondern dieser Tage erst die „N. Fr. Presse“ und heute sogar die alte „Presse“ mit Beschlag belegt, letztere angeblich wegen eines Artikels über das Verbot der Friedensfeier. Man müßte es auch im Deutschen Reich, das zunächst dabei interessirt ist ein starkes und zugleich freundlich gesinntes Oesterreich zur Seite zu haben, sehr beklagen, wenn die Wiedergeburt des österreichischen Staates und die Freiheit im Jnnern vermöge der poli- tischen Unreife des Volkes einander ausschließen sollten. Was die Absichten des Ministeriums hinsichtlich der inneren Verwaltung betrifft, so heißt es: es sollen dieser Tage die meisten Statthalter und Statt- haltereileiter, in Folge einer Berufung von Seite des Ministeriums, in Wien eintreffen, um an den Berathungen über die in Aussicht gestellten Regierungsvorlagen theilzunehmen und ihr Votum über die beabsichtigte „Transaction der Landtage mit dem Reichsrath“ abzugeben. sym13 Wien, 9 März. Ein neues Mittel gegen das Cabinet Hohen- wart. Die „Neue Freie Presse“ hetzt heute den Grafen Beust gegen dieses Cabinet, sie erinnert daran daß gerade sie es gewesen welche ihn bis jetzt gehalten -- eine Thatsache die für jetzt nicht bekannt gewesen, und die vielleicht keinem neuer sein wird als dem Grafen Beust -- und sie erwartet als Gegenleistung seine Bundesgenossenschaft gegen das Ministerium, welches mit dem Verbot der öffentlichen Siegesfeier auch die auswärtigen Cirkel gestört. Daß Graf Beust auf diesen Leim gehen werde, glaube ich nicht. Man kann verschiedener Meinung darüber sein ob es nöthig oder auch nur opportun sei die Siegesfeier durch ein Verbot von oben herab zum Rang eines hochpolitischen Ereignisses hinaufzuschrauben, und auch außerhalb der nicht sehr ausgedehnten Kreise welche sich anfangs dafür er- wärmten ihr Sympathien zuzuwenden; aber man kann schwerlich darüber im Zweifel sein daß das neue Cabinet, dessen noch wenige Wochen alte Erklärung: es sei mit der Richtung der auswärtigen Politik vollständig einverstanden, noch ganz aufrecht steht, nur demonstrative Kundgebun- gen, welche nach der einen Seite hin verletzen, gleichzeitig aber schwerlich einem patriotisch österreichischen Gefühl entsprungen sein konnten, hat hintanhalten, keineswegs aber nach der andern Seite hin selbst demonstra- tiv hat auftreten wollen. -- Mit dem 1 März ist ein wesentlich erhöhter Stand der Cavallerie eingetreten. Die Schwadron, bisher aus 99 be- rittenen und 9 unberittenen Köpfen -- ausschließlich der Officiere ec. -- bestehend, zählt fortan 130 berittene und 13 unberittene Mann, im gan- zen -- im Frieden und im Kriege gleich -- 175 Mann und 143 Pferde. sym10 Wien, 10 März. Jn unterrichteten Kreisen wird die Ver- muthung ausgesprochen daß die cisleithanischen Regierungsvorlagen die man erwartet, soweit sie sich auf kirchliche und Verfassungsfragen be- ziehen sollen, in nichts anderem als in bloßen Zusatzanträgen zu bestehen- den Gesetzen und Amendirungen der Stremayr'schen Entwürfe bestehen werden. Ausgesprochen wird diese Vermuthung zunächst deßhalb um das Mißtrauen zu bekämpfen mit welchem man den Regierungsvorlagen entgegensieht. Großbritannien. London 9 März. Hr. Odo Russell ist von seiner Sendung in Versailles nach London zurückgekehrt. Man sagt: die Stimmung in England hat sich zu Gunsten Frankreichs gewendet. Zum großen Theil, bemerkt die „Engl. Corr.,“ ist dieß aller- dings der Fall, und die Freunde der gallischen Republik versäumen es nie ihre Sympathie mit Deutschland bei Beginn des Kriegs als schwerwiegen- des Argument in die Schale zu werfen, wenn immer es sich darum handelt die Tragweite der Ereignisse seit Sedan zu erörtern. An Ausnahmen fehlt es freilich auch nicht, und viele intelligente Engländer halten trotz aller Anfechtung an ihrer deutsch=freundlichen Gesinnung fest. Mit großem Vergnügen sehen wir daß auch Sir John Coleridge, der als Solicitor- General einen hervorragenden Posten in der Regierung einnimmt, zu dieser letzteren Classe gehört. Jn einer Rede vor seinen Wählern in Exeter behandelte er unter anderm das Kriegsthema, und sagte: von allen in der Geschichte verzeichneten Kriegen sei keiner so ungerechtfertigt und so ohne Anlaß gewesen wie der Angriff Frankreichs auf Deutschland. Jeder Mann von Gemüth müsse allerdings für das Elend des großen französischen Volks fühlen, aber es wäre unehrlich auf seiner Seite, wenn er verschweigen würde daß er das Resultat des Kriegs keineswegs bedaure. Die Mehrheit der Engländer -- so fuhr der Redner fort -- war bei Ausbruch des Kriegs auf Seiten Deutschlands, aber die Stimmung von vielen hat sich seither gedreht. Die meinige aber -- ich gestehe dieß ein -- hat sich nicht geän- dert. Von den Zeiten Ludwigs XIV ab war Frankreich der große euro- päische Störefried, ich kann daher nicht bedauern daß das Götzenbild der französischen Gloire so erbarmungslos in Stücke geschlagen worden ist. Jm Gegentheil freue ich mich darüber, denn es ist selbst zu Frankreichs Bestem. Man kann allerdings behaupten daß nur der Gegenstand unserer Besorg- niß gewechselt habe, daß Deutschland in Zukunft zu der schrecklichen Geißel werde die Frankreich in der Vergangenheit war ( Nein! nein! und ja! ja! ) , aber ich glaube dieß nicht. Jch fürchte nichts derart, ich habe Vertrauen zur deutschen Geschichte und zum deutschen Volkscharakter, und meiner An- sicht nach wird die Welt sich binnen kurzem unsäglich erleichtert fühlen, in- dem an der Spitze des europäischen Continents eine große, tapfere und entschlossene, aber friedlich gesinnte Nation steht, anstatt einer Nation die gleichfalls groß, tapfer und entschlossen, aber kriegerisch, rastlos und an- griffssüchtig ist. ( Beifall. ) Frankreich. * Eine Beilage der „Straßburger Zeitung“ veröffentlicht eine erste Liste derjenigen französischen Officiere welche nach Aussage von Kriegsge- fangenen todt sein sollen, oder nach den bisher angestellten Nachforschungen nicht haben ermittelt werden können. Die Liste ist erschreckend lang, und wirft ein beklagenswerthes Licht auf die französischen Zustände; hatte man ja in Frankreich nichts was nur entfernt an unsere vorzüglich eingerichte- ten Verlustlisten erinnert. Die erste Kategorie ( todt ) enthielt verhältniß- mäßig wenige Namen, grauenerregend zahlreich aber ist die zweite Kate- gorie der Vermißten: wir können hier nur die höchsten Chargen erwähnen: es sind darunter 8 Divisions=Generale, 17 Brigadegenerale, 77 Obersten, 54 Oberstlieutenants und 63 Bataillons = Commandanten. Todt sind die- selben wohl alle, aber wo sie die tödtliche Kugel ereilte, wo sie die versöh- nende Erde deckt, darüber werden ihre Angehörigen wohl schwerlich jemals sichere Kunde erhalten. Wie sehr muß aber diese peinliche Ungewißheit den Schmerz über den Verlust der Angehörigen vermehren!

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 71. Augsburg (Bayern), 12. März 1871, S. 1200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_augsburg71_1871/4>, abgerufen am 21.11.2024.