Allgemeine Zeitung. Nr. 74. Augsburg (Bayern), 15. März 1871.[Spaltenumbruch]
in fränkischen Lorbeer sich verwandeln werde," einen goldenen Lorbeerkranz Oesterreichisch=ungarische Monarchie. sym13 Wien, 12 März. Die Schlußsitzung der Londoner Con- sym13 Wien, 13 März. Der ungarische Ministerpräsident ist in Wien sym15 Prag, 10 März. Von Tag zu Tag mehren sich die Anzeichen Schweiz. * Zürich, 12 März. Der Telegraph hat bereits gemeldet daß sich die [Spaltenumbruch]
in fränkischen Lorbeer sich verwandeln werde,“ einen goldenen Lorbeerkranz Oesterreichisch=ungarische Monarchie. sym13 Wien, 12 März. Die Schlußsitzung der Londoner Con- sym13 Wien, 13 März. Der ungarische Ministerpräsident ist in Wien sym15 Prag, 10 März. Von Tag zu Tag mehren sich die Anzeichen Schweiz. * Zürich, 12 März. Der Telegraph hat bereits gemeldet daß sich die <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews"> <div type="jPoliticalNews"> <div type="jArticle"> <p><pb facs="#f0004" n="1244"/><cb/> in fränkischen Lorbeer sich verwandeln werde,“ einen goldenen Lorbeerkranz<lb/> überreichen. Am Abend sollen auch die Gasdecorationen am Rathhause,<lb/> auf der Hauptstraße <abbr>ec.</abbr> <abbr>ec.</abbr> nochmals angezündet werden. -- Unser 6. Jnf. -<lb/> Regiment Nr. 105 ( nicht Nr. 106 ) ist schon am 9 März von Le=Vert=galant<lb/> nach dem Elsaß abgegangen. Der Regimentsstab, das 1. u. 2. Bataillon<lb/> kommen nach Schlettstadt, das 3. Bataillon nach Straßburg. -- Am 10 d.<lb/> Mts. hat der hiesige Advocat Fränzel zugleich im Namen und Auftrage<lb/> seiner politischen Freunde folgendes Beglückwünschungs = Telegramm an<lb/> den König von Bayern gerichtet: „Dem deutschen unter Deutschlands<lb/> Fürsten -- Jhm, der zuerst Sein Banner erhob um Sich der Sache<lb/> Seiner kriegsbedrohten deutschen Brüder wider französischen Uebermuth<lb/> anzuschließen und Seine hochtapfere Streitmacht in Deutschlands Wagschale<lb/> mit einzulegen -- Jhm, dem aufgeklärten Denker, der, Seinen Unmuth über<lb/> päpstliches Unfehlbarkeitsdogma offen bekundend, Vernunftlehre, Wissen-<lb/> schafts- und Gewissensfreiheit energisch in Schutz nahm und ihre Verfech-<lb/> ter ermuthigte -- Jhm, dem sinnigen, jugendlich begeisterten Freunde jeg-<lb/> licher Kunst und Dichtung -- Sr. Maj. dem König Ludwig <hi rendition="#aq">II</hi> von Bayern,<lb/> dem wesentlichen Förderer von Deutschlands Größe und Einheit, zum heu-<lb/> tigen 7. Jahrestage Seiner Thronbesteigung widmen wir aus aufrichtigem<lb/> Herzen und innigst gefühlter Bewunderung aller Seiner hervorragenden<lb/> Verdienste und Vorzüge ein dankbares Hoch!“ Darauf traf umgehend<lb/> nachstehende Antwort ein: „Hrn. Adv. Fränzel, Dresden. Freudig berührt<lb/> von dem beredten Jnhalt Jhres Telegramms, das Sie zum 7. Jahrestag<lb/> Meiner Thronbesteigung an Mich richteten, sende Jch Jhnen und Jhren<lb/> Freunden Meinen königlichen Gruß und freundlichen Dank. <hi rendition="#g">Ludwig.</hi> “</p> </div> </div><lb/> <div type="jPoliticalNews"> <head> <hi rendition="#b #c">Oesterreichisch=ungarische Monarchie.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle"> <p><abbr>sym13</abbr> Wien, 12 März. Die Schlußsitzung der Londoner Con-<lb/> ferenz ist auf morgen anberaumt. Die Pontus=, sowohl als die<lb/> Donau=Frage werden darin ihre Erledigung finden. -- Die Monotonie<lb/> der Anklagen gegen das Ministerium wirkt nachgerade nicht bloß ermüdend,<lb/> sondern auch ernüchternd. Das Ministerium soll verfassungswidrige<lb/> Hintergedanken haben; bis jetzt ist die Thatsache unbestreitbar und unbe-<lb/> stritten daß seine Thätigkeit nicht bloß keinen verfassungswidrigen, sondern<lb/> daß sie umgekehrt mehr als einen verfassungsmäßigen Act aufweist, der<lb/> zu der directen Folgerung berechtigt: die ganze von ihm versuchte Lösung<lb/> werde denjenigen verfassungsmäßigen Weg innehalten der ihm ausdrück-<lb/> lich vorgezeichnet worden ist, und zu dem es sich ebenso ausdrücklich be-<lb/> kannt hat. Das Ministerium soll Oesterreich den Tschechen überantwor-<lb/> ten wollen; bis jetzt weiß man nur daß es, um die Tschechen zur Betheili-<lb/> gung an der Reichsvertretung heranzuziehen, Verhandlungen mit ihnen<lb/> angeknüpft hat, wie es das Ministerium Potozki, wie es sogar das Bürger-<lb/> ministerium auch gethan, und wenn es allerdings nicht bloß möglich, son-<lb/> dern wahrscheinlich ist daß die jetzt den Tschechen gebotenen Concessionen<lb/> reicher als früher bemessen sind, so wird man doch festhalten müssen einer-<lb/> seits daß die frühern Concessionen den Starrsinn der Tschechen nicht ge-<lb/> beugt, und andrerseits daß das Ministerium ihnen wohl Concessionen in<lb/> Aussicht stellen, aber nur der Reichsrath dieselben gewähren kann. Die<lb/> Verhandlung mit den Tschechen ist, mehr noch als durch irgendein Mini-<lb/> sterprogramm, durch die zwingende Natur der Verhältnisse nicht bloß an-<lb/> gezeigt, sondern direct geboten, und solange das Cabinet nicht beargwöhnt<lb/> werden kann das Resultat dieser Verhandlungen mit Umgehung des<lb/> Reichsraths lebendig zu machen, so lange ist sicher kein Grund der Beun-<lb/> ruhigung vorhanden. Wie gewissenhaft aber das Ministerium bis jetzt<lb/> die verfassungsmäßige Competenz des Reichsraths achtet, erhellt in unan-<lb/> fechtbarer Weise aus einem vom Finanzministerium an sämmtliche<lb/> Finanzlandesdirectionen erlassenen Schreiben, welches, obschon die Steuer-<lb/> gesetze eine andere Auslegung gestatten, dieselben anweist, nachdem der<lb/> Reichsrath die Forterhebung der Steuern nur bis Ende März bewilligt,<lb/> nur die bis Ende März fälligen Steuern auszuschreiben, resp. einzutreiben.</p> </div><lb/> <div type="jArticle"> <p><abbr>sym13</abbr> Wien, 13 März. Der ungarische Ministerpräsident ist in Wien<lb/> eingetroffen. Das ist schon öfter vorgekommen, und würde eben nicht<lb/> nothwendig eine ganz besondere Bedeutung haben müssen; aber dießmal<lb/> ist ihm ein Artikel des „Pester Lloyd,“ des Vertrauten der Deak=Partei,<lb/> unmittelbar vorausgegangen, der eine nahezu formelle Kriegserklärung an<lb/> das Ministerium Hohenwart enthält, und dem Grafen Andrassy die Absicht<lb/> unterstellt direct beim Kaiser auf die gefährlichen Verwicklungen aufmerk-<lb/> sam zu machen, welche sich ergeben könnten wenn etwa zu der Zeit wo<lb/> das gemeinsame Budget in Angriff zu nehmen eine Delegation des<lb/> Reichsraths in „untadelhaft correcter Form“ nicht vorhanden sein sollte.<lb/> Vorderhand wird man freilich gut thun den Artikel nicht zu einer zu hohen<lb/> Bedeutung hinaufzuschrauben: der „Pester Lloyd“ treibt Deak=Politik<lb/> nicht selten auf seine eigene Manier; er hat sich namentlich in letzter Zeit<lb/> schon wiederholt auf Ab= und Jrrwegen ertappen lassen, und Graf Andrassy<lb/> ist zu sehr Staatsmann um den Krieg, wenn er ihn wollen sollte, sofort<lb/> mit einem Faustschlag zu beginnen. Aber unbeachtet darf die Auslassung<lb/><cb/> des einflußreichen ungarischen Blattes doch nicht bleiben, denn sie hat<lb/> jedenfalls den Werth eines Stimmungsausdruckes, und sie wäre sicher zu-<lb/> rückgehalten worden wenn man in Ungarn nicht bereits in eigentlich poli-<lb/> tischen Kreisen begonnen hätte die Lage der Dinge diesseits der Leitha und<lb/> ihre möglichen Folgen mit allem Ernst ins Auge zu fassen. -- Die<lb/> Verhandlungen zwischen Wien und Berlin über die Erhebung der bisheri-<lb/> gen Gesandtschaften zum Rang einer Botschaft dürften abgeschlossen sein.<lb/> Von deutscher Seite wird dazu die Jnitiative ergriffen und dem nahen<lb/> Reichstage die bezügliche Vorlage gemacht werden; Oesterreich, welches<lb/> seine Delegationen nicht so schnell zur Hand hat, wird mit Eifer auch die-<lb/> sen Anlaß benutzen, um zu bekunden welchen Werth es den Beziehungen<lb/> zu Deutschland beilegt. -- Durch Verordnung des Finanzministeriums ist,<lb/> nachdem die Umstände sich vollständig geändert, die seiner Zeit der National-<lb/> bank ertheilte Ermächtigung in die Metallbedeckung ihres Notenumlaufes<lb/> auch, und zwar bis zur Höhe von 33 Mill., die in ihrem Besitz befindlichen<lb/> Wechsel auf auswärtige Plätze einzurechnen, wieder aufgehoben worden. --<lb/> Die Kräfte der Erzherzogin Annunciata, der Gemahlin des Erzherzogs<lb/> Karl Ludwig, sind in den letzten Tagen bis zur völligen Erschöpfung<lb/> geschwunden, und zugleich macht ihr Lungenleiden bedenkliche Fortschritte.<lb/> Die Aerzte sollen das schlimmste in Aussicht stellen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle"> <p><abbr>sym15</abbr> Prag, 10 März. Von Tag zu Tag mehren sich die Anzeichen<lb/> daß Cisleithanien demnächst eine neue „Schwerpunkt=Verlegung“ erleben<lb/> dürfte, nämlich die von der „Provincialstadt an der Donau“ nach dem<lb/> „ <hi rendition="#aq">caput regni</hi> “ Prag. Es läßt sich unschwer voraussagen daß sich in den<lb/> nächsten Monaten nach Auflösung oder Vertagung des Reichsraths das<lb/> allgemeine Jnteresse dem Zusammentritt des böhmischen Landtags zuwen-<lb/> den wird, dem natürlich bei der in dem Programm der Regierung gelegenen<lb/> Action der Landtage die Hauptrolle zufällt. Eine andere als die bereits<lb/> im Vorjahre von ihm behauptete Haltung kann natürlich niemand erwarten;<lb/> die an ihn gerichtete Aufforderung die „speciellen Landesbedürfnisse“ zum<lb/> formellen Ausdruck zu bringen, schließt somit nur die Erhebung der be-<lb/> kannten tschechischen Declaration zum formellen Landtagsbeschluß ein.<lb/> Welche Wege die Regierung weiter zu wandeln gedenkt, und ob sie wirk-<lb/> lich einen Reichsrath zu Stande zu bringen hofft, dessen Mehrheit sich<lb/> willig zeigt die Verfassung zu Gunsten der „Landesbedürfnisse“ umzu-<lb/> äudern, muß vorläufig ebenso dahingestellt bleiben wie die Richtigkeit<lb/> der Details die man über die Unterhandlungen des Grafen Hohenwart<lb/> mit <hi rendition="#aq">Dr</hi>. Rieger meldet. Daß ein eventueller „Ausgleich“ mit dem Eintritt<lb/> Riegers -- wir wollen nicht sagen in dieses, sondern nur in ein Mini-<lb/> sterium besiegelt würde, steht außer Zweifel; sehr unwahrscheinlich aber<lb/> klingt es daß man dem Tschechenführer bereits jetzt ein Portefeuille ange-<lb/> boten. Jmmerhin ist es ein interessantes Zeichen der Zeit daß der Ver-<lb/> fasser des an Napoleon gerichteten berüchtigten Memorandums der Held<lb/> der Lage ist in dem Augenblicke da man die deutschen Friedensfeste ver-<lb/> bietet, verfassungstreue Blätter confiscirt, liberale Bestimmungen der<lb/> Staatsgrundgesetze im Verordnungswege illusorisch macht, dabei mit den<lb/> Arbeitern cokettirt und durch die Erweiterung des Wahlrechts den Einfluß<lb/> des Klerus auf dem Lande stärken will. Hier in Prag brauchte die Be-<lb/> hörde die deutsche Friedensfeier nicht zu verbieten, da sie gestern im deut-<lb/> schen Casino ohnedieß nur im privaten Kreise begangen wurde. Man<lb/> schloß die Oeffentlichkeit aus, um die Excesse zu vermeiden welche von na-<lb/> tionaler Seite angedroht waren, und die leicht einen noch bösartigeren<lb/> Charakter hätten annehmen können als seiner Zeit die bekannten Herbst-<lb/> Scandale. Die Ungarn sind freilich auch warme Franzosenfreunde, und<lb/> die Pester Deutschen halten doch ruhig ihre öffentliche Siegesfeier ab;<lb/> dafür stehen aber auch die Magyaren in der Cultur weit hinter unseren<lb/> Nationalen zurück, und dafür sind auch die Deutschen in Böhmen als der<lb/> „herrschende und unterdrückungslustige“ Stamm bestens verlästert. Bei<lb/> uns begieng nur ein deutscher Universitätsprofessor, der Philologe <hi rendition="#aq">Dr.</hi><lb/> Linker, das Verbrechen in einer lateinischen Ode, die er im Freundes-<lb/> kreise vertheilte, den Sieg und die Einigung Deutschlands zu feiern, und<lb/> als dieß unter unserer tschechischen Universitätsjugend bekannt wurde, er-<lb/> hielt er dafür gestern in seinem Hörsaal eine solenne Katzenmusik, und<lb/> wurde unter Jnsulten an der Abhaltung seines Vortrags gehindert und<lb/> aus dem Collegium vertrieben. Und da sage man noch: die Universität<lb/> Prag habe keinen „nationalen Charakter.“ -- Gestatten Sie mir zum<lb/> Schlusse noch, gegenüber einer Anmerkung zu meinem Universitäts=Artikel<lb/> ( in Nr. 68, Beilage ) , ausdrücklich zu betonen daß Justizminister <hi rendition="#aq">Dr</hi>. Ha-<lb/> bietinek nicht ein Deutschböhme, sondern ein richtiger und wirklicher<lb/> Tscheche ( von Geburt ein Prager ) ist, sich auch stets als Tscheche gerirte<lb/> und nur von den extremen seiner Landsleute sich fern hielt.</p> </div> </div><lb/> <div type="jPoliticalNews"> <head> <hi rendition="#b #c">Schweiz.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle"> <p><hi rendition="#sup">*</hi> Zürich, 12 März. Der Telegraph hat bereits gemeldet daß sich die<lb/> abscheulichen Ruhestörungen in Zürich welche -- allen Anzeichen nach<lb/> von der „Jnternationalen Association,“ also den vorgeschrittensten und<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1244/0004]
in fränkischen Lorbeer sich verwandeln werde,“ einen goldenen Lorbeerkranz
überreichen. Am Abend sollen auch die Gasdecorationen am Rathhause,
auf der Hauptstraße ec. ec. nochmals angezündet werden. -- Unser 6. Jnf. -
Regiment Nr. 105 ( nicht Nr. 106 ) ist schon am 9 März von Le=Vert=galant
nach dem Elsaß abgegangen. Der Regimentsstab, das 1. u. 2. Bataillon
kommen nach Schlettstadt, das 3. Bataillon nach Straßburg. -- Am 10 d.
Mts. hat der hiesige Advocat Fränzel zugleich im Namen und Auftrage
seiner politischen Freunde folgendes Beglückwünschungs = Telegramm an
den König von Bayern gerichtet: „Dem deutschen unter Deutschlands
Fürsten -- Jhm, der zuerst Sein Banner erhob um Sich der Sache
Seiner kriegsbedrohten deutschen Brüder wider französischen Uebermuth
anzuschließen und Seine hochtapfere Streitmacht in Deutschlands Wagschale
mit einzulegen -- Jhm, dem aufgeklärten Denker, der, Seinen Unmuth über
päpstliches Unfehlbarkeitsdogma offen bekundend, Vernunftlehre, Wissen-
schafts- und Gewissensfreiheit energisch in Schutz nahm und ihre Verfech-
ter ermuthigte -- Jhm, dem sinnigen, jugendlich begeisterten Freunde jeg-
licher Kunst und Dichtung -- Sr. Maj. dem König Ludwig II von Bayern,
dem wesentlichen Förderer von Deutschlands Größe und Einheit, zum heu-
tigen 7. Jahrestage Seiner Thronbesteigung widmen wir aus aufrichtigem
Herzen und innigst gefühlter Bewunderung aller Seiner hervorragenden
Verdienste und Vorzüge ein dankbares Hoch!“ Darauf traf umgehend
nachstehende Antwort ein: „Hrn. Adv. Fränzel, Dresden. Freudig berührt
von dem beredten Jnhalt Jhres Telegramms, das Sie zum 7. Jahrestag
Meiner Thronbesteigung an Mich richteten, sende Jch Jhnen und Jhren
Freunden Meinen königlichen Gruß und freundlichen Dank. Ludwig. “
Oesterreichisch=ungarische Monarchie.
sym13 Wien, 12 März. Die Schlußsitzung der Londoner Con-
ferenz ist auf morgen anberaumt. Die Pontus=, sowohl als die
Donau=Frage werden darin ihre Erledigung finden. -- Die Monotonie
der Anklagen gegen das Ministerium wirkt nachgerade nicht bloß ermüdend,
sondern auch ernüchternd. Das Ministerium soll verfassungswidrige
Hintergedanken haben; bis jetzt ist die Thatsache unbestreitbar und unbe-
stritten daß seine Thätigkeit nicht bloß keinen verfassungswidrigen, sondern
daß sie umgekehrt mehr als einen verfassungsmäßigen Act aufweist, der
zu der directen Folgerung berechtigt: die ganze von ihm versuchte Lösung
werde denjenigen verfassungsmäßigen Weg innehalten der ihm ausdrück-
lich vorgezeichnet worden ist, und zu dem es sich ebenso ausdrücklich be-
kannt hat. Das Ministerium soll Oesterreich den Tschechen überantwor-
ten wollen; bis jetzt weiß man nur daß es, um die Tschechen zur Betheili-
gung an der Reichsvertretung heranzuziehen, Verhandlungen mit ihnen
angeknüpft hat, wie es das Ministerium Potozki, wie es sogar das Bürger-
ministerium auch gethan, und wenn es allerdings nicht bloß möglich, son-
dern wahrscheinlich ist daß die jetzt den Tschechen gebotenen Concessionen
reicher als früher bemessen sind, so wird man doch festhalten müssen einer-
seits daß die frühern Concessionen den Starrsinn der Tschechen nicht ge-
beugt, und andrerseits daß das Ministerium ihnen wohl Concessionen in
Aussicht stellen, aber nur der Reichsrath dieselben gewähren kann. Die
Verhandlung mit den Tschechen ist, mehr noch als durch irgendein Mini-
sterprogramm, durch die zwingende Natur der Verhältnisse nicht bloß an-
gezeigt, sondern direct geboten, und solange das Cabinet nicht beargwöhnt
werden kann das Resultat dieser Verhandlungen mit Umgehung des
Reichsraths lebendig zu machen, so lange ist sicher kein Grund der Beun-
ruhigung vorhanden. Wie gewissenhaft aber das Ministerium bis jetzt
die verfassungsmäßige Competenz des Reichsraths achtet, erhellt in unan-
fechtbarer Weise aus einem vom Finanzministerium an sämmtliche
Finanzlandesdirectionen erlassenen Schreiben, welches, obschon die Steuer-
gesetze eine andere Auslegung gestatten, dieselben anweist, nachdem der
Reichsrath die Forterhebung der Steuern nur bis Ende März bewilligt,
nur die bis Ende März fälligen Steuern auszuschreiben, resp. einzutreiben.
sym13 Wien, 13 März. Der ungarische Ministerpräsident ist in Wien
eingetroffen. Das ist schon öfter vorgekommen, und würde eben nicht
nothwendig eine ganz besondere Bedeutung haben müssen; aber dießmal
ist ihm ein Artikel des „Pester Lloyd,“ des Vertrauten der Deak=Partei,
unmittelbar vorausgegangen, der eine nahezu formelle Kriegserklärung an
das Ministerium Hohenwart enthält, und dem Grafen Andrassy die Absicht
unterstellt direct beim Kaiser auf die gefährlichen Verwicklungen aufmerk-
sam zu machen, welche sich ergeben könnten wenn etwa zu der Zeit wo
das gemeinsame Budget in Angriff zu nehmen eine Delegation des
Reichsraths in „untadelhaft correcter Form“ nicht vorhanden sein sollte.
Vorderhand wird man freilich gut thun den Artikel nicht zu einer zu hohen
Bedeutung hinaufzuschrauben: der „Pester Lloyd“ treibt Deak=Politik
nicht selten auf seine eigene Manier; er hat sich namentlich in letzter Zeit
schon wiederholt auf Ab= und Jrrwegen ertappen lassen, und Graf Andrassy
ist zu sehr Staatsmann um den Krieg, wenn er ihn wollen sollte, sofort
mit einem Faustschlag zu beginnen. Aber unbeachtet darf die Auslassung
des einflußreichen ungarischen Blattes doch nicht bleiben, denn sie hat
jedenfalls den Werth eines Stimmungsausdruckes, und sie wäre sicher zu-
rückgehalten worden wenn man in Ungarn nicht bereits in eigentlich poli-
tischen Kreisen begonnen hätte die Lage der Dinge diesseits der Leitha und
ihre möglichen Folgen mit allem Ernst ins Auge zu fassen. -- Die
Verhandlungen zwischen Wien und Berlin über die Erhebung der bisheri-
gen Gesandtschaften zum Rang einer Botschaft dürften abgeschlossen sein.
Von deutscher Seite wird dazu die Jnitiative ergriffen und dem nahen
Reichstage die bezügliche Vorlage gemacht werden; Oesterreich, welches
seine Delegationen nicht so schnell zur Hand hat, wird mit Eifer auch die-
sen Anlaß benutzen, um zu bekunden welchen Werth es den Beziehungen
zu Deutschland beilegt. -- Durch Verordnung des Finanzministeriums ist,
nachdem die Umstände sich vollständig geändert, die seiner Zeit der National-
bank ertheilte Ermächtigung in die Metallbedeckung ihres Notenumlaufes
auch, und zwar bis zur Höhe von 33 Mill., die in ihrem Besitz befindlichen
Wechsel auf auswärtige Plätze einzurechnen, wieder aufgehoben worden. --
Die Kräfte der Erzherzogin Annunciata, der Gemahlin des Erzherzogs
Karl Ludwig, sind in den letzten Tagen bis zur völligen Erschöpfung
geschwunden, und zugleich macht ihr Lungenleiden bedenkliche Fortschritte.
Die Aerzte sollen das schlimmste in Aussicht stellen.
sym15 Prag, 10 März. Von Tag zu Tag mehren sich die Anzeichen
daß Cisleithanien demnächst eine neue „Schwerpunkt=Verlegung“ erleben
dürfte, nämlich die von der „Provincialstadt an der Donau“ nach dem
„ caput regni “ Prag. Es läßt sich unschwer voraussagen daß sich in den
nächsten Monaten nach Auflösung oder Vertagung des Reichsraths das
allgemeine Jnteresse dem Zusammentritt des böhmischen Landtags zuwen-
den wird, dem natürlich bei der in dem Programm der Regierung gelegenen
Action der Landtage die Hauptrolle zufällt. Eine andere als die bereits
im Vorjahre von ihm behauptete Haltung kann natürlich niemand erwarten;
die an ihn gerichtete Aufforderung die „speciellen Landesbedürfnisse“ zum
formellen Ausdruck zu bringen, schließt somit nur die Erhebung der be-
kannten tschechischen Declaration zum formellen Landtagsbeschluß ein.
Welche Wege die Regierung weiter zu wandeln gedenkt, und ob sie wirk-
lich einen Reichsrath zu Stande zu bringen hofft, dessen Mehrheit sich
willig zeigt die Verfassung zu Gunsten der „Landesbedürfnisse“ umzu-
äudern, muß vorläufig ebenso dahingestellt bleiben wie die Richtigkeit
der Details die man über die Unterhandlungen des Grafen Hohenwart
mit Dr. Rieger meldet. Daß ein eventueller „Ausgleich“ mit dem Eintritt
Riegers -- wir wollen nicht sagen in dieses, sondern nur in ein Mini-
sterium besiegelt würde, steht außer Zweifel; sehr unwahrscheinlich aber
klingt es daß man dem Tschechenführer bereits jetzt ein Portefeuille ange-
boten. Jmmerhin ist es ein interessantes Zeichen der Zeit daß der Ver-
fasser des an Napoleon gerichteten berüchtigten Memorandums der Held
der Lage ist in dem Augenblicke da man die deutschen Friedensfeste ver-
bietet, verfassungstreue Blätter confiscirt, liberale Bestimmungen der
Staatsgrundgesetze im Verordnungswege illusorisch macht, dabei mit den
Arbeitern cokettirt und durch die Erweiterung des Wahlrechts den Einfluß
des Klerus auf dem Lande stärken will. Hier in Prag brauchte die Be-
hörde die deutsche Friedensfeier nicht zu verbieten, da sie gestern im deut-
schen Casino ohnedieß nur im privaten Kreise begangen wurde. Man
schloß die Oeffentlichkeit aus, um die Excesse zu vermeiden welche von na-
tionaler Seite angedroht waren, und die leicht einen noch bösartigeren
Charakter hätten annehmen können als seiner Zeit die bekannten Herbst-
Scandale. Die Ungarn sind freilich auch warme Franzosenfreunde, und
die Pester Deutschen halten doch ruhig ihre öffentliche Siegesfeier ab;
dafür stehen aber auch die Magyaren in der Cultur weit hinter unseren
Nationalen zurück, und dafür sind auch die Deutschen in Böhmen als der
„herrschende und unterdrückungslustige“ Stamm bestens verlästert. Bei
uns begieng nur ein deutscher Universitätsprofessor, der Philologe Dr.
Linker, das Verbrechen in einer lateinischen Ode, die er im Freundes-
kreise vertheilte, den Sieg und die Einigung Deutschlands zu feiern, und
als dieß unter unserer tschechischen Universitätsjugend bekannt wurde, er-
hielt er dafür gestern in seinem Hörsaal eine solenne Katzenmusik, und
wurde unter Jnsulten an der Abhaltung seines Vortrags gehindert und
aus dem Collegium vertrieben. Und da sage man noch: die Universität
Prag habe keinen „nationalen Charakter.“ -- Gestatten Sie mir zum
Schlusse noch, gegenüber einer Anmerkung zu meinem Universitäts=Artikel
( in Nr. 68, Beilage ) , ausdrücklich zu betonen daß Justizminister Dr. Ha-
bietinek nicht ein Deutschböhme, sondern ein richtiger und wirklicher
Tscheche ( von Geburt ein Prager ) ist, sich auch stets als Tscheche gerirte
und nur von den extremen seiner Landsleute sich fern hielt.
Schweiz.
* Zürich, 12 März. Der Telegraph hat bereits gemeldet daß sich die
abscheulichen Ruhestörungen in Zürich welche -- allen Anzeichen nach
von der „Jnternationalen Association,“ also den vorgeschrittensten und
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