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Allgemeine Auswanderungs-Zeitung. Nr. 8. Rudolstadt, 17. November 1846.

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" Capitain Stangrafi, von der Bremer Brigg "Roland", und
seine Kajüten = Passagiere kamen gestern hier an und bitten uns, Fol-
gendes bekannt zu machen: Am 28. Juli sprachen sie auf der Höhe
von Goodwin Sands die Barke Cäsar, Capitän Reighter, welche vor
drei Tagen von Bremen nach Rio Janeiro ausgelaufen war. Capi-
tain Reighter benachrichtigte sie, daß, als er den Proviant von 151
Passagieren untersuchte, er nur Vorrath für 70 Tage an Bord ge-
funden habe. Die Agenten hätten die Passagiere für Geld betrogen
und die Passagiere hätten auf folgende Rationen gesetzt werden müssen:
ein viertel Pfund Mehl und ein halbes Pfund Fleisch für jeden Er-
wachsenen auf 24 Stunden, nächsten Tag ein halbes Pfund Erbsen.
Für Kinder unter 12 Jahren kein Fleisch."

Daß dieser Artikel, abgesehen von den gewöhnlichen Namensver-
hunzungen, manches Dunkle enthält, bemerkt die "Aachener Ztg." selbst;
es ist von Antwerpner Agenten die Rede, und dann soll das Schiff
wieder von Bremen ausgelaufen sein. Die Sache verhält sich folgen-
dermaßen: Der Capitain der genannten Bremer Brigg "Roland"
heißt Steengrafe; der Capitain der preußischen Bark " Cäsar "
-- denn diese ist offenbar gemeint -- heißt Richter; diese Bark
" Cäsar " ist nicht von Bremen aus nach Rio Janeiro gesegelt, sie
hat allerdings im vorigen Jahre eine Reise von hier nach Baltimore,
und im Februar d. J. eine Reise von hier aus nach Charleston S. C.
gemacht; von dort aus aber segelte sie nach Antwerpen, wo sie
am 25. Juni ankam. Jhre dortigen Correspondenten waren die Herren
J. E. Lemm e & Comp. Das "Journal de Commerce d'Anvers" vom
11. Juli enthält eine Anzeige der Antwerpener Schiffsmäkler C. Gri-
saer und W. S. Marsely des Jnhalts, daß die Stettiner Bark
" Cäsar " Capt. Richter, zur Einnahme von Frachtgütern und
von Passagieren nach Rio Janeiro bereit liege. Auskunft
ertheilen genannte Schiffsmäkler und Herr H. Serigiers. Am 27.
Juli ist das Schiff wirklich von Vließingen aus in See gegangen.

Jn diesem letzten Falle ist demnach weder von einem brem. Schiffe
noch von bremischen Erpedienten die Rede, noch auch ist Bremen der
Abfahrtsplatz gewesen; in den beiden ersteren Fällen hat man dem
bremischen Namen -- sei es aus Voreiligkeit, sei es aus anderen
Motiven -- einen Makel anheften wollen, welcher vor der einfachen
trocknen Darstellung der Thatsachen in Nichts zerfällt. Wir wollen
hoffen, daß die bremische Flagge nie Anschuldigungen anderer Art
treffen mögen als die hier erwähnten.

Die hessischen Auswanderer aus Großzimmern.
( Amtliche Erwiderung. )

Den aus der "Newyorker Schnellpost" auch in Jhre Zeitung
übergegangenen schweren Beschuldigungen kann entweder nur eine hä-
mische Absicht oder eine crasse Mystification zu Grunde liegen. Das
Unwahrscheinliche, Unglaubliche, ja wahrhaft Abgeschmackte des Jnhalts
dieser Artikel punktweise zu argumentiren, behalten wir uns noch vor,
und wollen hier nur Einiges besonders hervorheben.

Die Gewährsmänner der "Schnellpost", Johann Obmann und
Heinrich Brücher beschweren sich hauptsächlich über die schlechte Behand-
lung auf den Schiffen, und darüber, daß sich in Amerika Niemand vor-
fand, der sich ihrer annahm, und ihnen Obdach, Nahrung ec. reichte, und
daß man ihnen die in dieser Beziehung gemachten Zusicherungen nicht
gehalten habe. -- Also kaum nachdem diese auf Gemeindekosten über-
siedelten Leute an das Ufer getreten, beschweren sie sich und verdäch-
tigen Behörden, Gemeinderath ec. ec. des Vaterlandes! Grund genug,
um solche Klagen wenigstens mit Vorsicht aufzunehmen! Um so mehr,
als Johann Obmann selbst von sich sagt, daß er seine Mobilien im
Vaterlande für 6 fl. an Zahlungsstatt gegeben habe, dieser also ge-
wiß nichts durch den Wechsel der Heimath verloren hat. Wenn wir
[Spaltenumbruch] nun weiter bemerken, daß dieser Johann Obmann dahier ein ganz
arbeitsscheuer Mensch war, daß er stets vagabundirte, das von seiner
Familie schwer verdiente Geld durchbrachte, oft als Vagabund aufge-
griffen und mit Gensd'armen nach Hause transportirt wurde, und daß
er wegen Mein=Eid's drei Monate im Correctionshause gesessen,
so werden seine Angaben und der Werth seines Erbietens zum Eide
schon in das gehörige Licht gestellt sein. Dieser Obmann beschwert
sich, daß auf dem Dampfschiffe in Gernsheim nur Brod und Wasser
zum Frühstücke gegeben wurde; er war empört ( ! ) , weil "am Bord
des Dampfschiffes keine Vorbereitungen zum freundlichen Empfang der
Leute, der ihnen den Abschied von der Heimath hätte erleichtern können,"
getroffen waren! -- Also Triumphbogen erwartete Obmann? Klagen
über schlechte Behandlung auf den Schiffen und über Gewaltthaten
würden am besten bei den amerikanischen Gerichten vorgebracht worden
sein. Jst die Sache, wie Obmann und Brücher angeben, so muß
ihnen dort Recht werden. Den Schiffsaccord haben sie in der Hand.
Warum suchten sie dort nicht Gerechtigkeit, und warum [unleserliches Material - 12 Zeichen fehlen]perdächtigen
sie die Behörden des Vaterlandes? Diese waren nicht vermögend, die
Auswanderer auf den Schiffen unmittelbar gegen Rechtsverletzungen
in Schutz zu nehmen. Jst wirklich, was wir nicht glauben, einem
Mädchen Gewalt angethan worden, so ist es unbegreiflich, daß die
große Zahl der "arbeitskräftigen" Menschen sich ihrer nicht schon auf
dem Schiffe annahm. -- Schande über Diejenigen, welche solches
ruhig geschehen ließen! Und warum fordert diese "Newyorker Schnell-
post " nicht zunächst die Gerechtigkeit ihres Vaterlandes gegen Capi-
tän und Matrosen auf? warum verdächtigt sie die hiesigen Behörden?
Wir können uns nur den einzigen Grund denken, daß ihr Streben
mehr darauf gerichtet ist, ihre Spalten mit aufregenden Artikeln zu
füllen, als Anderer sich wirksam anzunehmen. Wie gesagt, wir glau-
ben nicht, daß ein solcher Erceß vorfiel, weil wir Grund haben, zu
vermuthen, daß kein Theil es bis zu einer wirklichen Gewalt wird
h ben kommen lassen; allein wenn es vorkam, so ist dieß ein Ereig-
niß, dem wenigstens wir und unsere Behörden ( etwa durch eine Clausel
im Schiffsvertrage? ) nicht vorbeugen konnten.

Die amerikanische Schnellpost sagt: " Es ist noch einige
Hoffnung vorhanden, daß das Verfahren der Schiffsmannschaft
einer gerichtlichen Untersuchung unterworfen werden wird."

Wenn dieses der Fall, wenn nur "noch einige Hoffnung" vor-
handen ist, daß solche Gewaltthaten, die sich so leicht erweislich ma-
chen lassen, mit Capitalstrafen belegt werden, dann hatte die Schnell-
post weit mehr Grund, über Gesetzgeber, Staatsbehörde, Gesetze, Ge-
richte und Richter Amerika's ihre tiefste Verachtung auszusprechen, als
ihr Veranlassung war, die Behörden Hessens zu verunglimpfen. Hier
würde man Den, welcher eine solche "Hoffnung" äußerte, anspeien,
weil ein solcher Mangel an Vertrauen zu der Gerechtigkeit nicht we-
niger verdient, und weil es uns an Gelegenheit gefehlt hat, für eine
solche Niederträchtigkeit eine Strafe im Gesetze vorzusehen. Wir haben
übrigens das Vertrauen zu den amerikanischen Behörden, daß, wenn
ein Verbrechen der Art vorgekommen sein sollte, die Schuldigen der
verdienten Strafe nicht entgehen werden.

Es liegen uns Briefe mehrerer unserer Auswanderer vor, in
welchen sie das heitere Leben auf der Rheinreise, die gute Bewirthung
in den Gasthäusern zu Rotterdam, und die reichliche Verköstigung auf
den Seeschiffen schildern. Einer dieser Briefe schließt mit den Wor-
ten: "Jch wollte wünschen, der Johannes N. N. hätte das Brod,
und Butter und Käse und Fleisch, was wir nicht haben essen können."

Jn diesem hier erwähnten Artikel der Schnellpost können wir
überhaupt nichts erblicken, als die Mißlaune von Taugenichtsen,
welche weder hier noch dort arbeiten wollen, welche, auf ihre Armuth
pochend, sorgenfreies Leben verlangen und in Amerika sich ein Eldo-
rado vorstellten, und sehr überrascht waren, als sie hörten, daß auch
in der neuen Welt der Ausspruch gelte: Jm Schweiße Deines An-
gesichts sollst Du Dein Brod essen. Wer empfängt sonstige Auswan-

[Spaltenumbruch]

„ Capitain Stangrafi, von der Bremer Brigg „Roland“, und
seine Kajüten = Passagiere kamen gestern hier an und bitten uns, Fol-
gendes bekannt zu machen: Am 28. Juli sprachen sie auf der Höhe
von Goodwin Sands die Barke Cäsar, Capitän Reighter, welche vor
drei Tagen von Bremen nach Rio Janeiro ausgelaufen war. Capi-
tain Reighter benachrichtigte sie, daß, als er den Proviant von 151
Passagieren untersuchte, er nur Vorrath für 70 Tage an Bord ge-
funden habe. Die Agenten hätten die Passagiere für Geld betrogen
und die Passagiere hätten auf folgende Rationen gesetzt werden müssen:
ein viertel Pfund Mehl und ein halbes Pfund Fleisch für jeden Er-
wachsenen auf 24 Stunden, nächsten Tag ein halbes Pfund Erbsen.
Für Kinder unter 12 Jahren kein Fleisch.“

Daß dieser Artikel, abgesehen von den gewöhnlichen Namensver-
hunzungen, manches Dunkle enthält, bemerkt die „Aachener Ztg.“ selbst;
es ist von Antwerpner Agenten die Rede, und dann soll das Schiff
wieder von Bremen ausgelaufen sein. Die Sache verhält sich folgen-
dermaßen: Der Capitain der genannten Bremer Brigg „Roland“
heißt Steengrafe; der Capitain der preußischen Bark „ Cäsar
-- denn diese ist offenbar gemeint -- heißt Richter; diese Bark
Cäsar “ ist nicht von Bremen aus nach Rio Janeiro gesegelt, sie
hat allerdings im vorigen Jahre eine Reise von hier nach Baltimore,
und im Februar d. J. eine Reise von hier aus nach Charleston S. C.
gemacht; von dort aus aber segelte sie nach Antwerpen, wo sie
am 25. Juni ankam. Jhre dortigen Correspondenten waren die Herren
J. E. Lemm é & Comp. Das „Journal de Commerce d'Anvers“ vom
11. Juli enthält eine Anzeige der Antwerpener Schiffsmäkler C. Gri-
saer und W. S. Marsely des Jnhalts, daß die Stettiner Bark
CäsarCapt. Richter, zur Einnahme von Frachtgütern und
von Passagieren nach Rio Janeiro bereit liege. Auskunft
ertheilen genannte Schiffsmäkler und Herr H. Serigiers. Am 27.
Juli ist das Schiff wirklich von Vließingen aus in See gegangen.

Jn diesem letzten Falle ist demnach weder von einem brem. Schiffe
noch von bremischen Erpedienten die Rede, noch auch ist Bremen der
Abfahrtsplatz gewesen; in den beiden ersteren Fällen hat man dem
bremischen Namen -- sei es aus Voreiligkeit, sei es aus anderen
Motiven -- einen Makel anheften wollen, welcher vor der einfachen
trocknen Darstellung der Thatsachen in Nichts zerfällt. Wir wollen
hoffen, daß die bremische Flagge nie Anschuldigungen anderer Art
treffen mögen als die hier erwähnten.

Die hessischen Auswanderer aus Großzimmern.
( Amtliche Erwiderung. )

Den aus der „Newyorker Schnellpost“ auch in Jhre Zeitung
übergegangenen schweren Beschuldigungen kann entweder nur eine hä-
mische Absicht oder eine crasse Mystification zu Grunde liegen. Das
Unwahrscheinliche, Unglaubliche, ja wahrhaft Abgeschmackte des Jnhalts
dieser Artikel punktweise zu argumentiren, behalten wir uns noch vor,
und wollen hier nur Einiges besonders hervorheben.

Die Gewährsmänner der „Schnellpost“, Johann Obmann und
Heinrich Brücher beschweren sich hauptsächlich über die schlechte Behand-
lung auf den Schiffen, und darüber, daß sich in Amerika Niemand vor-
fand, der sich ihrer annahm, und ihnen Obdach, Nahrung ec. reichte, und
daß man ihnen die in dieser Beziehung gemachten Zusicherungen nicht
gehalten habe. -- Also kaum nachdem diese auf Gemeindekosten über-
siedelten Leute an das Ufer getreten, beschweren sie sich und verdäch-
tigen Behörden, Gemeinderath ec. ec. des Vaterlandes! Grund genug,
um solche Klagen wenigstens mit Vorsicht aufzunehmen! Um so mehr,
als Johann Obmann selbst von sich sagt, daß er seine Mobilien im
Vaterlande für 6 fl. an Zahlungsstatt gegeben habe, dieser also ge-
wiß nichts durch den Wechsel der Heimath verloren hat. Wenn wir
[Spaltenumbruch] nun weiter bemerken, daß dieser Johann Obmann dahier ein ganz
arbeitsscheuer Mensch war, daß er stets vagabundirte, das von seiner
Familie schwer verdiente Geld durchbrachte, oft als Vagabund aufge-
griffen und mit Gensd'armen nach Hause transportirt wurde, und daß
er wegen Mein=Eid's drei Monate im Correctionshause gesessen,
so werden seine Angaben und der Werth seines Erbietens zum Eide
schon in das gehörige Licht gestellt sein. Dieser Obmann beschwert
sich, daß auf dem Dampfschiffe in Gernsheim nur Brod und Wasser
zum Frühstücke gegeben wurde; er war empört ( ! ) , weil „am Bord
des Dampfschiffes keine Vorbereitungen zum freundlichen Empfang der
Leute, der ihnen den Abschied von der Heimath hätte erleichtern können,“
getroffen waren! -- Also Triumphbogen erwartete Obmann? Klagen
über schlechte Behandlung auf den Schiffen und über Gewaltthaten
würden am besten bei den amerikanischen Gerichten vorgebracht worden
sein. Jst die Sache, wie Obmann und Brücher angeben, so muß
ihnen dort Recht werden. Den Schiffsaccord haben sie in der Hand.
Warum suchten sie dort nicht Gerechtigkeit, und warum [unleserliches Material – 12 Zeichen fehlen]perdächtigen
sie die Behörden des Vaterlandes? Diese waren nicht vermögend, die
Auswanderer auf den Schiffen unmittelbar gegen Rechtsverletzungen
in Schutz zu nehmen. Jst wirklich, was wir nicht glauben, einem
Mädchen Gewalt angethan worden, so ist es unbegreiflich, daß die
große Zahl der „arbeitskräftigen“ Menschen sich ihrer nicht schon auf
dem Schiffe annahm. -- Schande über Diejenigen, welche solches
ruhig geschehen ließen! Und warum fordert diese „Newyorker Schnell-
post “ nicht zunächst die Gerechtigkeit ihres Vaterlandes gegen Capi-
tän und Matrosen auf? warum verdächtigt sie die hiesigen Behörden?
Wir können uns nur den einzigen Grund denken, daß ihr Streben
mehr darauf gerichtet ist, ihre Spalten mit aufregenden Artikeln zu
füllen, als Anderer sich wirksam anzunehmen. Wie gesagt, wir glau-
ben nicht, daß ein solcher Erceß vorfiel, weil wir Grund haben, zu
vermuthen, daß kein Theil es bis zu einer wirklichen Gewalt wird
h ben kommen lassen; allein wenn es vorkam, so ist dieß ein Ereig-
niß, dem wenigstens wir und unsere Behörden ( etwa durch eine Clausel
im Schiffsvertrage? ) nicht vorbeugen konnten.

Die amerikanische Schnellpost sagt: „ Es ist noch einige
Hoffnung vorhanden, daß das Verfahren der Schiffsmannschaft
einer gerichtlichen Untersuchung unterworfen werden wird.“

Wenn dieses der Fall, wenn nur „noch einige Hoffnung“ vor-
handen ist, daß solche Gewaltthaten, die sich so leicht erweislich ma-
chen lassen, mit Capitalstrafen belegt werden, dann hatte die Schnell-
post weit mehr Grund, über Gesetzgeber, Staatsbehörde, Gesetze, Ge-
richte und Richter Amerika's ihre tiefste Verachtung auszusprechen, als
ihr Veranlassung war, die Behörden Hessens zu verunglimpfen. Hier
würde man Den, welcher eine solche „Hoffnung“ äußerte, anspeien,
weil ein solcher Mangel an Vertrauen zu der Gerechtigkeit nicht we-
niger verdient, und weil es uns an Gelegenheit gefehlt hat, für eine
solche Niederträchtigkeit eine Strafe im Gesetze vorzusehen. Wir haben
übrigens das Vertrauen zu den amerikanischen Behörden, daß, wenn
ein Verbrechen der Art vorgekommen sein sollte, die Schuldigen der
verdienten Strafe nicht entgehen werden.

Es liegen uns Briefe mehrerer unserer Auswanderer vor, in
welchen sie das heitere Leben auf der Rheinreise, die gute Bewirthung
in den Gasthäusern zu Rotterdam, und die reichliche Verköstigung auf
den Seeschiffen schildern. Einer dieser Briefe schließt mit den Wor-
ten: „Jch wollte wünschen, der Johannes N. N. hätte das Brod,
und Butter und Käse und Fleisch, was wir nicht haben essen können.“

Jn diesem hier erwähnten Artikel der Schnellpost können wir
überhaupt nichts erblicken, als die Mißlaune von Taugenichtsen,
welche weder hier noch dort arbeiten wollen, welche, auf ihre Armuth
pochend, sorgenfreies Leben verlangen und in Amerika sich ein Eldo-
rado vorstellten, und sehr überrascht waren, als sie hörten, daß auch
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Für Kinder unter 12 Jahren kein Fleisch.“ Daß dieser Artikel, abgesehen von den gewöhnlichen Namensver- hunzungen, manches Dunkle enthält, bemerkt die „Aachener Ztg.“ selbst; es ist von Antwerpner Agenten die Rede, und dann soll das Schiff wieder von Bremen ausgelaufen sein. Die Sache verhält sich folgen- dermaßen: Der Capitain der genannten Bremer Brigg „Roland“ heißt Steengrafe; der Capitain der preußischen Bark „ Cäsar “ -- denn diese ist offenbar gemeint -- heißt Richter; diese Bark „ Cäsar “ ist nicht von Bremen aus nach Rio Janeiro gesegelt, sie hat allerdings im vorigen Jahre eine Reise von hier nach Baltimore, und im Februar d. J. eine Reise von hier aus nach Charleston S. C. gemacht; von dort aus aber segelte sie nach Antwerpen, wo sie am 25. Juni ankam. Jhre dortigen Correspondenten waren die Herren J. E. Lemm é & Comp. Das „Journal de Commerce d'Anvers“ vom 11. Juli enthält eine Anzeige der Antwerpener Schiffsmäkler C. Gri- saer und W. S. Marsely des Jnhalts, daß die Stettiner Bark „ Cäsar “ Capt. Richter, zur Einnahme von Frachtgütern und von Passagieren nach Rio Janeiro bereit liege. Auskunft ertheilen genannte Schiffsmäkler und Herr H. Serigiers. Am 27. Juli ist das Schiff wirklich von Vließingen aus in See gegangen. Jn diesem letzten Falle ist demnach weder von einem brem. Schiffe noch von bremischen Erpedienten die Rede, noch auch ist Bremen der Abfahrtsplatz gewesen; in den beiden ersteren Fällen hat man dem bremischen Namen -- sei es aus Voreiligkeit, sei es aus anderen Motiven -- einen Makel anheften wollen, welcher vor der einfachen trocknen Darstellung der Thatsachen in Nichts zerfällt. Wir wollen hoffen, daß die bremische Flagge nie Anschuldigungen anderer Art treffen mögen als die hier erwähnten. Die hessischen Auswanderer aus Großzimmern. ( Amtliche Erwiderung. ) Den aus der „Newyorker Schnellpost“ auch in Jhre Zeitung übergegangenen schweren Beschuldigungen kann entweder nur eine hä- mische Absicht oder eine crasse Mystification zu Grunde liegen. Das Unwahrscheinliche, Unglaubliche, ja wahrhaft Abgeschmackte des Jnhalts dieser Artikel punktweise zu argumentiren, behalten wir uns noch vor, und wollen hier nur Einiges besonders hervorheben. Die Gewährsmänner der „Schnellpost“, Johann Obmann und Heinrich Brücher beschweren sich hauptsächlich über die schlechte Behand- lung auf den Schiffen, und darüber, daß sich in Amerika Niemand vor- fand, der sich ihrer annahm, und ihnen Obdach, Nahrung ec. reichte, und daß man ihnen die in dieser Beziehung gemachten Zusicherungen nicht gehalten habe. -- Also kaum nachdem diese auf Gemeindekosten über- siedelten Leute an das Ufer getreten, beschweren sie sich und verdäch- tigen Behörden, Gemeinderath ec. ec. des Vaterlandes! Grund genug, um solche Klagen wenigstens mit Vorsicht aufzunehmen! Um so mehr, als Johann Obmann selbst von sich sagt, daß er seine Mobilien im Vaterlande für 6 fl. an Zahlungsstatt gegeben habe, dieser also ge- wiß nichts durch den Wechsel der Heimath verloren hat. Wenn wir nun weiter bemerken, daß dieser Johann Obmann dahier ein ganz arbeitsscheuer Mensch war, daß er stets vagabundirte, das von seiner Familie schwer verdiente Geld durchbrachte, oft als Vagabund aufge- griffen und mit Gensd'armen nach Hause transportirt wurde, und daß er wegen Mein=Eid's drei Monate im Correctionshause gesessen, so werden seine Angaben und der Werth seines Erbietens zum Eide schon in das gehörige Licht gestellt sein. Dieser Obmann beschwert sich, daß auf dem Dampfschiffe in Gernsheim nur Brod und Wasser zum Frühstücke gegeben wurde; er war empört ( ! ) , weil „am Bord des Dampfschiffes keine Vorbereitungen zum freundlichen Empfang der Leute, der ihnen den Abschied von der Heimath hätte erleichtern können,“ getroffen waren! -- Also Triumphbogen erwartete Obmann? Klagen über schlechte Behandlung auf den Schiffen und über Gewaltthaten würden am besten bei den amerikanischen Gerichten vorgebracht worden sein. Jst die Sache, wie Obmann und Brücher angeben, so muß ihnen dort Recht werden. Den Schiffsaccord haben sie in der Hand. Warum suchten sie dort nicht Gerechtigkeit, und warum ____________perdächtigen sie die Behörden des Vaterlandes? Diese waren nicht vermögend, die Auswanderer auf den Schiffen unmittelbar gegen Rechtsverletzungen in Schutz zu nehmen. Jst wirklich, was wir nicht glauben, einem Mädchen Gewalt angethan worden, so ist es unbegreiflich, daß die große Zahl der „arbeitskräftigen“ Menschen sich ihrer nicht schon auf dem Schiffe annahm. -- Schande über Diejenigen, welche solches ruhig geschehen ließen! Und warum fordert diese „Newyorker Schnell- post “ nicht zunächst die Gerechtigkeit ihres Vaterlandes gegen Capi- tän und Matrosen auf? warum verdächtigt sie die hiesigen Behörden? Wir können uns nur den einzigen Grund denken, daß ihr Streben mehr darauf gerichtet ist, ihre Spalten mit aufregenden Artikeln zu füllen, als Anderer sich wirksam anzunehmen. Wie gesagt, wir glau- ben nicht, daß ein solcher Erceß vorfiel, weil wir Grund haben, zu vermuthen, daß kein Theil es bis zu einer wirklichen Gewalt wird h ben kommen lassen; allein wenn es vorkam, so ist dieß ein Ereig- niß, dem wenigstens wir und unsere Behörden ( etwa durch eine Clausel im Schiffsvertrage? ) nicht vorbeugen konnten. Die amerikanische Schnellpost sagt: „ Es ist noch einige Hoffnung vorhanden, daß das Verfahren der Schiffsmannschaft einer gerichtlichen Untersuchung unterworfen werden wird.“ Wenn dieses der Fall, wenn nur „noch einige Hoffnung“ vor- handen ist, daß solche Gewaltthaten, die sich so leicht erweislich ma- chen lassen, mit Capitalstrafen belegt werden, dann hatte die Schnell- post weit mehr Grund, über Gesetzgeber, Staatsbehörde, Gesetze, Ge- richte und Richter Amerika's ihre tiefste Verachtung auszusprechen, als ihr Veranlassung war, die Behörden Hessens zu verunglimpfen. Hier würde man Den, welcher eine solche „Hoffnung“ äußerte, anspeien, weil ein solcher Mangel an Vertrauen zu der Gerechtigkeit nicht we- niger verdient, und weil es uns an Gelegenheit gefehlt hat, für eine solche Niederträchtigkeit eine Strafe im Gesetze vorzusehen. Wir haben übrigens das Vertrauen zu den amerikanischen Behörden, daß, wenn ein Verbrechen der Art vorgekommen sein sollte, die Schuldigen der verdienten Strafe nicht entgehen werden. Es liegen uns Briefe mehrerer unserer Auswanderer vor, in welchen sie das heitere Leben auf der Rheinreise, die gute Bewirthung in den Gasthäusern zu Rotterdam, und die reichliche Verköstigung auf den Seeschiffen schildern. Einer dieser Briefe schließt mit den Wor- ten: „Jch wollte wünschen, der Johannes N. N. hätte das Brod, und Butter und Käse und Fleisch, was wir nicht haben essen können.“ Jn diesem hier erwähnten Artikel der Schnellpost können wir überhaupt nichts erblicken, als die Mißlaune von Taugenichtsen, welche weder hier noch dort arbeiten wollen, welche, auf ihre Armuth pochend, sorgenfreies Leben verlangen und in Amerika sich ein Eldo- rado vorstellten, und sehr überrascht waren, als sie hörten, daß auch in der neuen Welt der Ausspruch gelte: Jm Schweiße Deines An- gesichts sollst Du Dein Brod essen. Wer empfängt sonstige Auswan-

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Zitationshilfe: Allgemeine Auswanderungs-Zeitung. Nr. 8. Rudolstadt, 17. November 1846, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_auswanderer08_1846/5>, abgerufen am 21.11.2024.