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Allgemeine Auswanderungs-Zeitung. Nr. 8. Rudolstadt, 17. November 1846.

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[Spaltenumbruch] derer am Ufer und verschafft ihnen Unterkunft und Nahrung? Und
mit welchem Rechte wollen Leute wie Obmann und Brücher ein sol-
ches verlangen?

Großzimmern, 2. Nov. 1846.

Der Bürgermeister: Dressel. Der Gemeinderath: Ernst Pull-
mann. Balth. Breitenbach. Hein. Brücher. Just Breiden-
bach. Phil. Dietrich. Ant. Angermeyer. Joh. Dressel. Joh.
Breidenbach. Joh. Gans. Joh. Hottes. Peter Hottes
.

Darstellung.

Großzimmern hatte unter seinen 3500 Einwohnern weit mehr
ganz arme und gänzlich nahrungslose Leute, als nach Verhältniß irgend
ein anderer Ort des Großherzogthums Hessen.

Die nächste Veranlassung dazu liegt in dem Umstande, daß Groß-
zimmern früherhin unter drei Landesherrrn vertheilt war, was die Auf-
nahme brodloser Ortsfremden sehr erleichterte. Dieses Mißverhältniß
steigerte sich im Laufe der Zeit, und insbesondere wurde durch die
Theuerung der letzten Jahre die Gemeinde so sehr in Anspruch ge-
nommen, daß eine Fortdauer dieses Zustandes für die Folge unmög-
lich erschien. Einwohner aus Großzimmern, welche sich in Amerika
angesiedelt hatten, schilderten in Briefen ihren Verwandten und Be-
kannten den behaglichen Zustand in jenem Lande und regten schon
dadurch bei sehr Vielen den Wunsch auf, ebenfalls sich dort nieder zu
lassen. -- Die Armen beklagten ihre Armuth, welche ihnen dieses
Mittel, durch eigenen Fleiß sich Wohlstand zu erwerben, abschneide;
und bestürmten endlich den Gemeinderath mit Bitten um Zuschuß aus
der Gemeindekasse zur Ueberschiffung nach Amerika. "Wenn wir nur
einmal dort sind, so wollen wir uns durch Fleiß schon weiter schaffen,"
hörte man bei jeder Gelegenheit sich äußern. Dadurch, und nur da-
durch wurde der erste Gedanke zur Uebersiedlung der Armen auf Ge-
meindekosten hervorgerufen. Mitleid mit dem Zustande armer Mitbür-
ger, welche allerdings, auch bei ausdauerndem Fleiße, im Vaterland
voraussichtlich nicht zu sorgenfreier Eristenz gelangen konnten, war die
erste Triebfeder. Auf der andern Seite erwog man allerdings, daß
die sehr beträchtliche Ausgabe, welche der Gemeindekasse aufgebürdet
würde, durch Ersparung der bedeutenden jährlichen Unterstützungen all-
mälich aufgewogen werden könne, und daß der zurückbleibenden Ge-
meinde auch in anderer Beziehung wesentlich genützt werde, weil die
Menge brodloser und zum Theil arbeitsscheuer Leute und deren jähr-
liche Vermehrung einen nachtheiligen Einfluß auf die Verhältnisse, na-
mentlich die Moralität der übrigen, haben mußte. --

Dieses waren im Wesentlichen die Beweggründe, welche den Orts-
vorstand bestimmten, der mehrfach und dringend an ihn gerichteten
Bitte endlich nachzugeben, und die Darschießung der Mittel zur Ueber-
siedelung nach Amerika zu bewilligen. Ein Eingennutz, namentlich der
Reicheren, hat nicht influirt, und konnte dieses um so weniger, als
im Gemeinderathe die verschiedenen Gradationen des Besitzes repräsen-
tirt werden.

Wenngleich Großzimmern ein nicht unbedeutendes Gemeinde=Ver-
mögen hat, so ist doch kein Einwohner im Besitze irgend eines All-
mendgrundstücks. Der ganze Genuß des Ortsbürgerrechts beschränkt
sich auf den Bezug einer unbedeutenden jährlichen Holznutzung von 6
bis 7 Gulden Werthes. An eine Theilung des Gemeindevermö-
gens ist, zumal solches zum größten Theile in Wald besteht, nie ge-
dacht worden und kann nie gedacht werden. Erwägt man, daß die
Gemeinde die zur Auswanderung verwendeten circa 50,000 fl. verzin-
sen und rückerstatten muß, so ergibt sich, daß durch die Zinszahlung
der Gemeindekasse sogar ein jährliches nicht unbedeutendes Deficit er-
wächst. Kein einziger Einwohner wurde zur Auswanderung über-
redet. Jm Gegentheile suchte man solche, für welche ein Forkommen
hier zu hoffen war, von dem Unternehmen zurückzuhalten, indem man
ihnen vorstellte, daß sie dort wie hier arbeiten mußten und indem
[Spaltenumbruch] einzelne Orts = Angehörige für längere Zeit ständige Arbeit zusicher-
ten. Vielen andern wurde das Gesuch um kostenfreie Uebersiede-
lung abgeschlagen. Unter diesen befand stch[unleserliches Material] auch der in der "deutschen
Schnellpost" als Gewährsmann aufgeführte Heinrich Brücher. Er
hatte so viele Schulden, daß er nicht entlassen werden konnte. Er
bat, ja er drohte seinen Gläubigern, namentlich dem Johann Hiemenz
zu Dieburg mit Feuer und Mord, wenn sie seinem Abzuge sich länger
widersetzen würden. Und auch hier siegten Mitleid und Wohlwollen
über alle anderen Rücksichten. Die Gläubiger wurden zur Nachgiebig-
keit bestimmt und der Gemeinderath bewilligte auch für ihn die Mittel.

Der Abschluß des Vertrags zur Ueberschiffung hatte große Schwie-
rigkeiten, sowohl durch den bekannten in diesem Jahre eingetretenen
Mangel an Schiffsgelegenheit, als auch die Theuerung der Lebens-
mittel. Endlich wurde er mit Kaufmann Gandenberger in Darmstadt
abgeschlossen, welcher eine Caution von 10,000 fl. wegen dessen Er-
füllung stellte.

Jn diesem Vertrage war auf alle Lebensbedürfnisse der Auswan-
derer auf's reichlichste Bedacht genommen, ja sogar Spital = und Ar-
mengeld, welches in Amerika zu entrichten ist, für sie bezahlt. Zur
Bekleidung Vieler sowie zur Unterstützung bei ihrer Ankunft in New-
York hatte der Gemeinderath noch außerdem circa 6000 fl. bewilligt.
So weit nöthig wurden die Leute mit neuen Kleidern und Weißzeug
versehen, und die Geld unterstützung in Wechseln auf New=York mit-
gegeben, eine Vorsicht, die gegen leichtsinniges Vergeuden auf der
Reise schützen sollte. Nicht blos 79 Cents per Kopf, wie in Nro.
297 behauptet wird, sondern je nach Bedürfniß 10 bis 25 fl. per
Familie betrug diese Unterstützung; gewiß genügend, um die nächsten
Bedürfnisse zu bestreiten, zumal Alle noch mehr oder weniger Mittel aus
der Heimath mitnahmen. Für mehr konnte man nicht sorgen, was
auch in Amerika, einem Lande, wo jede Arbeit gut belohnt werden
soll, nicht erforderlich war, da die Auswanderer gesunde und arbeits-
fähige Leute waren. Die beiden Geistlichen des Orts unterließen
nicht, in entsprechenden zu diesem Zweck eigens gehaltenen Vorträgen
die Auswanderer auf die Wichtigkeit ihres Vorhabens und auf die
Wechselfälle, die sich möglicherweise daran knüpften, aufmerksam zu
machen, und Dank ihrer Fürsorge wurden zugleich viele Familien mit
Bibeln versehen. Die Gemeinde stellte Wagen zum Transporte nach
Gernsheim. Von hier ging die Reise per Dampfschiff, unter Beglei-
tung eines Mitglieds des Gemeinderaths bis Rotterdam, und von
dort über England. Anfangs war solche nach Baltimore beabsichtigt,
was auf den Wunsch der Auswanderer geändert und New=York be-
stimmt wurde. Vor dem Einsteigen in Gernsheim wurden Alle
durch die Freigebigkeit der sie Begleitenden auf's reichlichste mit Nah-
rungsmitteln versehen, und zwar so reichlich, daß Obmann von Gerns-
heim aus das ihm überflüssige Brod nach Großzimmern schickte. Dieser
Ueberfluß veranlaßte, daß bei dem zweiten Transporte vorgezogen
wurde, ein warmes Frühstück für Alle im Voraus zu bestellen, damit
nicht Excesse vorfallen konnten.

Vor dem Abgange in Großzimmern las der großh. Kreisrath
die vom großh. Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten erlassenen
Empfehlungsschreiben an die Consuln zu Rotterdam, London und
New=York, worin diese aufgefordert wurden, den Auswanderern allen
möglichen Vorschub zu leisten, öffentlich vor. Die vorher schon be-
kannten Bedingungen des Schiffs = Accords wurden Allen wiederholt
eröffnet, damit Jeder wisse, wo er im Nothfalle sich hinwenden solle,
und was er zu fordern berechtigt sei. Jene Schreiben wurden dem
Konrad Buchsbaum, welchen man für den Zuverlässigsten der Aus-
wanderer hielt, eingehändigt. Abschriften des Schiffcontracts erhielten
Viele, namentlich auch Johann Obmann und Heinrich Brücher. Eine
Lüge ist, daß der Ortsvorstand versprochen, daß ein Bevollmächtigter
der Gemeinde diese Auswanderer in Amerika erwarten und dort für
ihr weiteres Fortkommen sorgen werde, sowie, daß der großh. Kreis-
rath dieses bestätigt habe. Es sollte nicht mehr geleistet werden als

[Spaltenumbruch] derer am Ufer und verschafft ihnen Unterkunft und Nahrung? Und
mit welchem Rechte wollen Leute wie Obmann und Brücher ein sol-
ches verlangen?

Großzimmern, 2. Nov. 1846.

Der Bürgermeister: Dressel. Der Gemeinderath: Ernst Pull-
mann. Balth. Breitenbach. Hein. Brücher. Just Breiden-
bach. Phil. Dietrich. Ant. Angermeyer. Joh. Dressel. Joh.
Breidenbach. Joh. Gans. Joh. Hottes. Peter Hottes
.

Darstellung.

Großzimmern hatte unter seinen 3500 Einwohnern weit mehr
ganz arme und gänzlich nahrungslose Leute, als nach Verhältniß irgend
ein anderer Ort des Großherzogthums Hessen.

Die nächste Veranlassung dazu liegt in dem Umstande, daß Groß-
zimmern früherhin unter drei Landesherrrn vertheilt war, was die Auf-
nahme brodloser Ortsfremden sehr erleichterte. Dieses Mißverhältniß
steigerte sich im Laufe der Zeit, und insbesondere wurde durch die
Theuerung der letzten Jahre die Gemeinde so sehr in Anspruch ge-
nommen, daß eine Fortdauer dieses Zustandes für die Folge unmög-
lich erschien. Einwohner aus Großzimmern, welche sich in Amerika
angesiedelt hatten, schilderten in Briefen ihren Verwandten und Be-
kannten den behaglichen Zustand in jenem Lande und regten schon
dadurch bei sehr Vielen den Wunsch auf, ebenfalls sich dort nieder zu
lassen. -- Die Armen beklagten ihre Armuth, welche ihnen dieses
Mittel, durch eigenen Fleiß sich Wohlstand zu erwerben, abschneide;
und bestürmten endlich den Gemeinderath mit Bitten um Zuschuß aus
der Gemeindekasse zur Ueberschiffung nach Amerika. „Wenn wir nur
einmal dort sind, so wollen wir uns durch Fleiß schon weiter schaffen,“
hörte man bei jeder Gelegenheit sich äußern. Dadurch, und nur da-
durch wurde der erste Gedanke zur Uebersiedlung der Armen auf Ge-
meindekosten hervorgerufen. Mitleid mit dem Zustande armer Mitbür-
ger, welche allerdings, auch bei ausdauerndem Fleiße, im Vaterland
voraussichtlich nicht zu sorgenfreier Eristenz gelangen konnten, war die
erste Triebfeder. Auf der andern Seite erwog man allerdings, daß
die sehr beträchtliche Ausgabe, welche der Gemeindekasse aufgebürdet
würde, durch Ersparung der bedeutenden jährlichen Unterstützungen all-
mälich aufgewogen werden könne, und daß der zurückbleibenden Ge-
meinde auch in anderer Beziehung wesentlich genützt werde, weil die
Menge brodloser und zum Theil arbeitsscheuer Leute und deren jähr-
liche Vermehrung einen nachtheiligen Einfluß auf die Verhältnisse, na-
mentlich die Moralität der übrigen, haben mußte. --

Dieses waren im Wesentlichen die Beweggründe, welche den Orts-
vorstand bestimmten, der mehrfach und dringend an ihn gerichteten
Bitte endlich nachzugeben, und die Darschießung der Mittel zur Ueber-
siedelung nach Amerika zu bewilligen. Ein Eingennutz, namentlich der
Reicheren, hat nicht influirt, und konnte dieses um so weniger, als
im Gemeinderathe die verschiedenen Gradationen des Besitzes repräsen-
tirt werden.

Wenngleich Großzimmern ein nicht unbedeutendes Gemeinde=Ver-
mögen hat, so ist doch kein Einwohner im Besitze irgend eines All-
mendgrundstücks. Der ganze Genuß des Ortsbürgerrechts beschränkt
sich auf den Bezug einer unbedeutenden jährlichen Holznutzung von 6
bis 7 Gulden Werthes. An eine Theilung des Gemeindevermö-
gens ist, zumal solches zum größten Theile in Wald besteht, nie ge-
dacht worden und kann nie gedacht werden. Erwägt man, daß die
Gemeinde die zur Auswanderung verwendeten circa 50,000 fl. verzin-
sen und rückerstatten muß, so ergibt sich, daß durch die Zinszahlung
der Gemeindekasse sogar ein jährliches nicht unbedeutendes Deficit er-
wächst. Kein einziger Einwohner wurde zur Auswanderung über-
redet. Jm Gegentheile suchte man solche, für welche ein Forkommen
hier zu hoffen war, von dem Unternehmen zurückzuhalten, indem man
ihnen vorstellte, daß sie dort wie hier arbeiten mußten und indem
[Spaltenumbruch] einzelne Orts = Angehörige für längere Zeit ständige Arbeit zusicher-
ten. Vielen andern wurde das Gesuch um kostenfreie Uebersiede-
lung abgeschlagen. Unter diesen befand stch[unleserliches Material] auch der in der „deutschen
Schnellpost“ als Gewährsmann aufgeführte Heinrich Brücher. Er
hatte so viele Schulden, daß er nicht entlassen werden konnte. Er
bat, ja er drohte seinen Gläubigern, namentlich dem Johann Hiemenz
zu Dieburg mit Feuer und Mord, wenn sie seinem Abzuge sich länger
widersetzen würden. Und auch hier siegten Mitleid und Wohlwollen
über alle anderen Rücksichten. Die Gläubiger wurden zur Nachgiebig-
keit bestimmt und der Gemeinderath bewilligte auch für ihn die Mittel.

Der Abschluß des Vertrags zur Ueberschiffung hatte große Schwie-
rigkeiten, sowohl durch den bekannten in diesem Jahre eingetretenen
Mangel an Schiffsgelegenheit, als auch die Theuerung der Lebens-
mittel. Endlich wurde er mit Kaufmann Gandenberger in Darmstadt
abgeschlossen, welcher eine Caution von 10,000 fl. wegen dessen Er-
füllung stellte.

Jn diesem Vertrage war auf alle Lebensbedürfnisse der Auswan-
derer auf's reichlichste Bedacht genommen, ja sogar Spital = und Ar-
mengeld, welches in Amerika zu entrichten ist, für sie bezahlt. Zur
Bekleidung Vieler sowie zur Unterstützung bei ihrer Ankunft in New-
York hatte der Gemeinderath noch außerdem circa 6000 fl. bewilligt.
So weit nöthig wurden die Leute mit neuen Kleidern und Weißzeug
versehen, und die Geld unterstützung in Wechseln auf New=York mit-
gegeben, eine Vorsicht, die gegen leichtsinniges Vergeuden auf der
Reise schützen sollte. Nicht blos 79 Cents per Kopf, wie in Nro.
297 behauptet wird, sondern je nach Bedürfniß 10 bis 25 fl. per
Familie betrug diese Unterstützung; gewiß genügend, um die nächsten
Bedürfnisse zu bestreiten, zumal Alle noch mehr oder weniger Mittel aus
der Heimath mitnahmen. Für mehr konnte man nicht sorgen, was
auch in Amerika, einem Lande, wo jede Arbeit gut belohnt werden
soll, nicht erforderlich war, da die Auswanderer gesunde und arbeits-
fähige Leute waren. Die beiden Geistlichen des Orts unterließen
nicht, in entsprechenden zu diesem Zweck eigens gehaltenen Vorträgen
die Auswanderer auf die Wichtigkeit ihres Vorhabens und auf die
Wechselfälle, die sich möglicherweise daran knüpften, aufmerksam zu
machen, und Dank ihrer Fürsorge wurden zugleich viele Familien mit
Bibeln versehen. Die Gemeinde stellte Wagen zum Transporte nach
Gernsheim. Von hier ging die Reise per Dampfschiff, unter Beglei-
tung eines Mitglieds des Gemeinderaths bis Rotterdam, und von
dort über England. Anfangs war solche nach Baltimore beabsichtigt,
was auf den Wunsch der Auswanderer geändert und New=York be-
stimmt wurde. Vor dem Einsteigen in Gernsheim wurden Alle
durch die Freigebigkeit der sie Begleitenden auf's reichlichste mit Nah-
rungsmitteln versehen, und zwar so reichlich, daß Obmann von Gerns-
heim aus das ihm überflüssige Brod nach Großzimmern schickte. Dieser
Ueberfluß veranlaßte, daß bei dem zweiten Transporte vorgezogen
wurde, ein warmes Frühstück für Alle im Voraus zu bestellen, damit
nicht Excesse vorfallen konnten.

Vor dem Abgange in Großzimmern las der großh. Kreisrath
die vom großh. Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten erlassenen
Empfehlungsschreiben an die Consuln zu Rotterdam, London und
New=York, worin diese aufgefordert wurden, den Auswanderern allen
möglichen Vorschub zu leisten, öffentlich vor. Die vorher schon be-
kannten Bedingungen des Schiffs = Accords wurden Allen wiederholt
eröffnet, damit Jeder wisse, wo er im Nothfalle sich hinwenden solle,
und was er zu fordern berechtigt sei. Jene Schreiben wurden dem
Konrad Buchsbaum, welchen man für den Zuverlässigsten der Aus-
wanderer hielt, eingehändigt. Abschriften des Schiffcontracts erhielten
Viele, namentlich auch Johann Obmann und Heinrich Brücher. Eine
Lüge ist, daß der Ortsvorstand versprochen, daß ein Bevollmächtigter
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Einwohner aus Großzimmern, welche sich in Amerika angesiedelt hatten, schilderten in Briefen ihren Verwandten und Be- kannten den behaglichen Zustand in jenem Lande und regten schon dadurch bei sehr Vielen den Wunsch auf, ebenfalls sich dort nieder zu lassen. -- Die Armen beklagten ihre Armuth, welche ihnen dieses Mittel, durch eigenen Fleiß sich Wohlstand zu erwerben, abschneide; und bestürmten endlich den Gemeinderath mit Bitten um Zuschuß aus der Gemeindekasse zur Ueberschiffung nach Amerika. „Wenn wir nur einmal dort sind, so wollen wir uns durch Fleiß schon weiter schaffen,“ hörte man bei jeder Gelegenheit sich äußern. Dadurch, und nur da- durch wurde der erste Gedanke zur Uebersiedlung der Armen auf Ge- meindekosten hervorgerufen. Mitleid mit dem Zustande armer Mitbür- ger, welche allerdings, auch bei ausdauerndem Fleiße, im Vaterland voraussichtlich nicht zu sorgenfreier Eristenz gelangen konnten, war die erste Triebfeder. Auf der andern Seite erwog man allerdings, daß die sehr beträchtliche Ausgabe, welche der Gemeindekasse aufgebürdet würde, durch Ersparung der bedeutenden jährlichen Unterstützungen all- mälich aufgewogen werden könne, und daß der zurückbleibenden Ge- meinde auch in anderer Beziehung wesentlich genützt werde, weil die Menge brodloser und zum Theil arbeitsscheuer Leute und deren jähr- liche Vermehrung einen nachtheiligen Einfluß auf die Verhältnisse, na- mentlich die Moralität der übrigen, haben mußte. -- Dieses waren im Wesentlichen die Beweggründe, welche den Orts- vorstand bestimmten, der mehrfach und dringend an ihn gerichteten Bitte endlich nachzugeben, und die Darschießung der Mittel zur Ueber- siedelung nach Amerika zu bewilligen. Ein Eingennutz, namentlich der Reicheren, hat nicht influirt, und konnte dieses um so weniger, als im Gemeinderathe die verschiedenen Gradationen des Besitzes repräsen- tirt werden. Wenngleich Großzimmern ein nicht unbedeutendes Gemeinde=Ver- mögen hat, so ist doch kein Einwohner im Besitze irgend eines All- mendgrundstücks. Der ganze Genuß des Ortsbürgerrechts beschränkt sich auf den Bezug einer unbedeutenden jährlichen Holznutzung von 6 bis 7 Gulden Werthes. An eine Theilung des Gemeindevermö- gens ist, zumal solches zum größten Theile in Wald besteht, nie ge- dacht worden und kann nie gedacht werden. Erwägt man, daß die Gemeinde die zur Auswanderung verwendeten circa 50,000 fl. verzin- sen und rückerstatten muß, so ergibt sich, daß durch die Zinszahlung der Gemeindekasse sogar ein jährliches nicht unbedeutendes Deficit er- wächst. Kein einziger Einwohner wurde zur Auswanderung über- redet. Jm Gegentheile suchte man solche, für welche ein Forkommen hier zu hoffen war, von dem Unternehmen zurückzuhalten, indem man ihnen vorstellte, daß sie dort wie hier arbeiten mußten und indem einzelne Orts = Angehörige für längere Zeit ständige Arbeit zusicher- ten. Vielen andern wurde das Gesuch um kostenfreie Uebersiede- lung abgeschlagen. Unter diesen befand stch_ auch der in der „deutschen Schnellpost“ als Gewährsmann aufgeführte Heinrich Brücher. Er hatte so viele Schulden, daß er nicht entlassen werden konnte. Er bat, ja er drohte seinen Gläubigern, namentlich dem Johann Hiemenz zu Dieburg mit Feuer und Mord, wenn sie seinem Abzuge sich länger widersetzen würden. Und auch hier siegten Mitleid und Wohlwollen über alle anderen Rücksichten. Die Gläubiger wurden zur Nachgiebig- keit bestimmt und der Gemeinderath bewilligte auch für ihn die Mittel. Der Abschluß des Vertrags zur Ueberschiffung hatte große Schwie- rigkeiten, sowohl durch den bekannten in diesem Jahre eingetretenen Mangel an Schiffsgelegenheit, als auch die Theuerung der Lebens- mittel. Endlich wurde er mit Kaufmann Gandenberger in Darmstadt abgeschlossen, welcher eine Caution von 10,000 fl. wegen dessen Er- füllung stellte. Jn diesem Vertrage war auf alle Lebensbedürfnisse der Auswan- derer auf's reichlichste Bedacht genommen, ja sogar Spital = und Ar- mengeld, welches in Amerika zu entrichten ist, für sie bezahlt. Zur Bekleidung Vieler sowie zur Unterstützung bei ihrer Ankunft in New- York hatte der Gemeinderath noch außerdem circa 6000 fl. bewilligt. So weit nöthig wurden die Leute mit neuen Kleidern und Weißzeug versehen, und die Geld unterstützung in Wechseln auf New=York mit- gegeben, eine Vorsicht, die gegen leichtsinniges Vergeuden auf der Reise schützen sollte. Nicht blos 79 Cents per Kopf, wie in Nro. 297 behauptet wird, sondern je nach Bedürfniß 10 bis 25 fl. per Familie betrug diese Unterstützung; gewiß genügend, um die nächsten Bedürfnisse zu bestreiten, zumal Alle noch mehr oder weniger Mittel aus der Heimath mitnahmen. Für mehr konnte man nicht sorgen, was auch in Amerika, einem Lande, wo jede Arbeit gut belohnt werden soll, nicht erforderlich war, da die Auswanderer gesunde und arbeits- fähige Leute waren. Die beiden Geistlichen des Orts unterließen nicht, in entsprechenden zu diesem Zweck eigens gehaltenen Vorträgen die Auswanderer auf die Wichtigkeit ihres Vorhabens und auf die Wechselfälle, die sich möglicherweise daran knüpften, aufmerksam zu machen, und Dank ihrer Fürsorge wurden zugleich viele Familien mit Bibeln versehen. Die Gemeinde stellte Wagen zum Transporte nach Gernsheim. Von hier ging die Reise per Dampfschiff, unter Beglei- tung eines Mitglieds des Gemeinderaths bis Rotterdam, und von dort über England. Anfangs war solche nach Baltimore beabsichtigt, was auf den Wunsch der Auswanderer geändert und New=York be- stimmt wurde. Vor dem Einsteigen in Gernsheim wurden Alle durch die Freigebigkeit der sie Begleitenden auf's reichlichste mit Nah- rungsmitteln versehen, und zwar so reichlich, daß Obmann von Gerns- heim aus das ihm überflüssige Brod nach Großzimmern schickte. Dieser Ueberfluß veranlaßte, daß bei dem zweiten Transporte vorgezogen wurde, ein warmes Frühstück für Alle im Voraus zu bestellen, damit nicht Excesse vorfallen konnten. Vor dem Abgange in Großzimmern las der großh. Kreisrath die vom großh. Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten erlassenen Empfehlungsschreiben an die Consuln zu Rotterdam, London und New=York, worin diese aufgefordert wurden, den Auswanderern allen möglichen Vorschub zu leisten, öffentlich vor. Die vorher schon be- kannten Bedingungen des Schiffs = Accords wurden Allen wiederholt eröffnet, damit Jeder wisse, wo er im Nothfalle sich hinwenden solle, und was er zu fordern berechtigt sei. Jene Schreiben wurden dem Konrad Buchsbaum, welchen man für den Zuverlässigsten der Aus- wanderer hielt, eingehändigt. Abschriften des Schiffcontracts erhielten Viele, namentlich auch Johann Obmann und Heinrich Brücher. Eine Lüge ist, daß der Ortsvorstand versprochen, daß ein Bevollmächtigter der Gemeinde diese Auswanderer in Amerika erwarten und dort für ihr weiteres Fortkommen sorgen werde, sowie, daß der großh. Kreis- rath dieses bestätigt habe. Es sollte nicht mehr geleistet werden als

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Zitationshilfe: Allgemeine Auswanderungs-Zeitung. Nr. 8. Rudolstadt, 17. November 1846, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_auswanderer08_1846/6>, abgerufen am 01.05.2024.