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Allgemeine Auswanderungs-Zeitung. Nr. 21. Rudolstadt, 22. Mai 1848.

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[Spaltenumbruch] zu besorgen, unter denen 3 Matrosen sind. Eine Apotheke besitzt
der Capitän, die zu meiner Disposition steht. Ueber die Speisung
im Allgemeinen laßt mich schweigen. Sie mag aus mehrfachen
Ursachen nicht anders sein können, aber sie ist unter aller Kritik,
und wehe dem, der, an einen einigermaßen guten Tisch gewöhnt,
sich nebenbei nicht noch tüchtig verproviantirt hat. Soeben ward
das ganze männliche Personal aufs Deck gerufen, da veröffent-
licht werden sollte, welche Vorräthe da seien. Für 292 Personen
ist nämlich ( bei Annahme von höchstens 71 Tagen ) gerechnet:
an Brod die Person 5 P pr. Woche, Fleisch 1 / 2 P pr. Tag;
in demselben Verhältniß ungefähr Mehl, Graupen ec. An Kaffee
werden täglich 6 P gebraucht. Täglich gibt es übrigens Con-
flicte unangenehmer Art auf dem Schiffe, meist aus den unbe-
deutendsten Ursachen entspringend. So haben wir z. B. 3 Hunde
auf dem Schiffe, 1 Neufundländer, ein Prachtstück, groß wie ein
Kalb, dann einen kleinen aus Jtalien und einen Rattenfänger
aus Schottland. Der Erstere, der Liebling Aller, ward gestern,
wie es hieß, aus Muthwillen, von Jemandem ins Wasser ge-
stoßen, und wäre sicher, wenn ein weniger guter Schwimmer,
ertrunken; es ward aber sogleich ein Boot ausgesetzt, der Hund
gerettet und bei seiner Rückkehr von Allen mit Liebkosungen über-
häuft. Da gab es aber auch ernstlichen Streit zwischen Schiffs-
volk und Passagieren; schon hieben die Fäuste dicht bei einander,
und nur mit Mühe konnte der Capitän endlich wieder Ruhe her-
stellen. Es war aber ein Heidenlärm, und solche Scenen wieder-
holen sich oft, zuweilen mitten in der Nacht. Viel Neues läßt
sich übrigens nicht mittheilen, da in diesem ewigen Warten ein
Tag langsamer wie der andere vorüberschleicht.

   

Endlich, endlich geht es fort. Jch beeile mich, meinen Brief
zu schließen. Diese Nacht 1 Uhr erweckte uns heftiger Lärm,
der da verkündete, daß der Anker herausgezogen würde; mit mir
waren viele Andere gleich oben und halfen. Das Commandiren,
Schreien, Pfeifen und Lärmen ist nicht zu beschreiben. Die Sterne
leuchteten noch vom Himmel herab und ein kalter aber günstiger
Wind wehte aus Südost. Nach und nach entfalteten sich die
Segel; an allen Ecken und Enden baumelten Matrosen, banden
hier los und knüpften dort wieder fest. Jetzt geht es gemächlich
die Elbe hinab. Viele haben sich wieder niedergelegt, ich aber
kann nicht schlafen und will auch, sobald ich den Schluß dieses
Briefes gemacht, wieder hinauf und nicht eher das Verdeck ver-
lassen, als bis das vaterländische Gestade meinen Blicken ent-
schwindet. Wir sind in der Salzregion der Elbe angelangt --
eben höre ich, daß wir bald bei Cuxhafen sein werden. Jch
muß schließen, Adieu!    ( Forts. folgt. )

Notiz.

Der Umstand, daß in letzterer Zeit nur Hamburger, Havrer und
Antwerpner Schiffsgelegenheiten durch das Jntelligenzblatt der Auswan-
derungszeitung angekündigt worden sind, die Bremer Annoncen dagegen
schon geraume Zeit vermißt werden, scheint hier und da im Publicum die
Meinung verbreitet zu haben, daß die Bremer Erpeditionen in Folge der
dänischen Feindseligkeiten die Beförderung von Passagieren interimistisch ganz
eingestellt hätten. Mehrere beim Herausgeber eingegangene Briefe ( z. B. aus
Graz, Leipzig, Mecklenburg ec. ) enthalten bezügliche Anfragen.

[Spaltenumbruch]
Literatur.

Nordamerika, Wisconsin, Calumet, Winke
für Auswanderer
von
Dr. Carl de Haas. Mit
Ansicht und Karte. Elberfeld und Jserlohn 1848,
Julius Bädeker. Preis
1 / 3 Rl.

Jn der großen Reihe von für Auswanderungslustige bestimmten
Schriften, die wir in den Spalten der Allg. Ausw. Ztg. einer
Besprechung unterwarfen, stießen wir auf keine geringe Zahl, deren
Verfasser, wie z. B. v. Sommer, Vulpius und Andere, Länder
schilderten, von denen sie nur einen höchst unbedeutenden Theil kennen
lernten, ihr Urtheil also auf Aussagen anderer oder auf das wenige
Gesehene basiren und daher nothwendig falsch berichten mußten.
Je lauter wir über solche irreleitende Werke unsern Tadel aus-
sprachen und vor ihrer Benutzung als Leitfäden und Rathgeber
warnten, desto lebhafter drückten wir unsere Freude über dieje-
nigen Schriften aus, in denen der Verf. nur das Resultat seiner
eigenen Erfahrungen und Beobachtungen niedergelegt hatte. Zu
den Büchern letztgenannter Art gehört unstreitig das vorliegende,
in welchem der Verf. seine eigenen Erlebnisse erzählt, und diese
als Grundlage zu solchen Schlüssen benützt, die für Jeden, der
denselben Weg, wie er einschlägt, von dem größten Werthe sind.

Nachdem der Verf. uns in Kürze angegeben hat, was ihn
eigentlich zum Entschlusse auszuwandern bewog, und uns einen
Blick in seine frühern Verhältnisse in Deutschland gestattet, der
uns zeigt, wer der Verfasser ist; nachdem wir also in gewisser
Beziehung sein Vertrauter geworden sind, treten wir die Reise
mit ihm an und begleiten ihn von Elberfeld nach Rotterdam,
Havre und Cherbourg, wo er, nach den mannichfaltigsten Wider-
wärtigkeiten, die er zur Warnung für Jedermann aufgezeichnet
hat, das nach New = York bestimmte Dampfschiff "Union" besteigt.
An Bord angekommen, gibt der Verfasser uns eine, von wohl
zu beherzigenden Rathschlägen begleitete Beschreibung der Schiffs-
einrichtung, dann von der Lebensweise auf demselben u. s. w.
ohne sich, wie es leider in vielen für Auswanderer geschriebenen
Büchern der Fall ist, in Erzählung von Reiseabenteuern zu er-
gehen, die weder unterhaltend noch belehrend sind. Aus New-
York berichtet er uns, was er dort an Wissenswerthem für Aus-
wanderer erfahren, und ebenso gibt er uns in der kurzen Schil-
derung seiner Reise nach Milwaukee und von dort nördlich nach
der Niederlassung Calumet, in Aufzählung der Gegenstände,
welche er kaufte und zu welchem Preise er sie kaufte und dergl.
mehr, eine klare Anweisung, wie wir es zu machen haben, wenn
wir ihm nachfolgen wollen. Er schildert uns endlich auch die
Gegend, in welcher er sich niedergelassen hat, ihrem Klima, ihrer
Bodenbeschaffenheit nach, kurz in Allem so genau und so wahr-
heitsgetreu, daß sein Werkchen, dem eine Ansicht von der Farm
des Verfassers, eine Karte und eine, der Bremer Ztg. entnom-
mene Beschreibung des ganzen Gebiets Wisconsin beigegeben
ist, ein werthvolles, einem jeden nach Wisconsin Auswandernden
im höchsten Grade zu empfehlendes genannt werden muß, das
aber auch für solche Auswanderer nicht ohne Jnteresse ist, die

[Spaltenumbruch] zu besorgen, unter denen 3 Matrosen sind. Eine Apotheke besitzt
der Capitän, die zu meiner Disposition steht. Ueber die Speisung
im Allgemeinen laßt mich schweigen. Sie mag aus mehrfachen
Ursachen nicht anders sein können, aber sie ist unter aller Kritik,
und wehe dem, der, an einen einigermaßen guten Tisch gewöhnt,
sich nebenbei nicht noch tüchtig verproviantirt hat. Soeben ward
das ganze männliche Personal aufs Deck gerufen, da veröffent-
licht werden sollte, welche Vorräthe da seien. Für 292 Personen
ist nämlich ( bei Annahme von höchstens 71 Tagen ) gerechnet:
an Brod die Person 5 P pr. Woche, Fleisch 1 / 2 P pr. Tag;
in demselben Verhältniß ungefähr Mehl, Graupen ec. An Kaffee
werden täglich 6 P gebraucht. Täglich gibt es übrigens Con-
flicte unangenehmer Art auf dem Schiffe, meist aus den unbe-
deutendsten Ursachen entspringend. So haben wir z. B. 3 Hunde
auf dem Schiffe, 1 Neufundländer, ein Prachtstück, groß wie ein
Kalb, dann einen kleinen aus Jtalien und einen Rattenfänger
aus Schottland. Der Erstere, der Liebling Aller, ward gestern,
wie es hieß, aus Muthwillen, von Jemandem ins Wasser ge-
stoßen, und wäre sicher, wenn ein weniger guter Schwimmer,
ertrunken; es ward aber sogleich ein Boot ausgesetzt, der Hund
gerettet und bei seiner Rückkehr von Allen mit Liebkosungen über-
häuft. Da gab es aber auch ernstlichen Streit zwischen Schiffs-
volk und Passagieren; schon hieben die Fäuste dicht bei einander,
und nur mit Mühe konnte der Capitän endlich wieder Ruhe her-
stellen. Es war aber ein Heidenlärm, und solche Scenen wieder-
holen sich oft, zuweilen mitten in der Nacht. Viel Neues läßt
sich übrigens nicht mittheilen, da in diesem ewigen Warten ein
Tag langsamer wie der andere vorüberschleicht.

   

Endlich, endlich geht es fort. Jch beeile mich, meinen Brief
zu schließen. Diese Nacht 1 Uhr erweckte uns heftiger Lärm,
der da verkündete, daß der Anker herausgezogen würde; mit mir
waren viele Andere gleich oben und halfen. Das Commandiren,
Schreien, Pfeifen und Lärmen ist nicht zu beschreiben. Die Sterne
leuchteten noch vom Himmel herab und ein kalter aber günstiger
Wind wehte aus Südost. Nach und nach entfalteten sich die
Segel; an allen Ecken und Enden baumelten Matrosen, banden
hier los und knüpften dort wieder fest. Jetzt geht es gemächlich
die Elbe hinab. Viele haben sich wieder niedergelegt, ich aber
kann nicht schlafen und will auch, sobald ich den Schluß dieses
Briefes gemacht, wieder hinauf und nicht eher das Verdeck ver-
lassen, als bis das vaterländische Gestade meinen Blicken ent-
schwindet. Wir sind in der Salzregion der Elbe angelangt --
eben höre ich, daß wir bald bei Cuxhafen sein werden. Jch
muß schließen, Adieu!    ( Forts. folgt. )

Notiz.

Der Umstand, daß in letzterer Zeit nur Hamburger, Havrer und
Antwerpner Schiffsgelegenheiten durch das Jntelligenzblatt der Auswan-
derungszeitung angekündigt worden sind, die Bremer Annonçen dagegen
schon geraume Zeit vermißt werden, scheint hier und da im Publicum die
Meinung verbreitet zu haben, daß die Bremer Erpeditionen in Folge der
dänischen Feindseligkeiten die Beförderung von Passagieren interimistisch ganz
eingestellt hätten. Mehrere beim Herausgeber eingegangene Briefe ( z. B. aus
Graz, Leipzig, Mecklenburg ec. ) enthalten bezügliche Anfragen.

[Spaltenumbruch]
Literatur.

Nordamerika, Wisconsin, Calumet, Winke
für Auswanderer
von
Dr. Carl de Haas. Mit
Ansicht und Karte. Elberfeld und Jserlohn 1848,
Julius Bädeker. Preis
1 / 3 Rl.

Jn der großen Reihe von für Auswanderungslustige bestimmten
Schriften, die wir in den Spalten der Allg. Ausw. Ztg. einer
Besprechung unterwarfen, stießen wir auf keine geringe Zahl, deren
Verfasser, wie z. B. v. Sommer, Vulpius und Andere, Länder
schilderten, von denen sie nur einen höchst unbedeutenden Theil kennen
lernten, ihr Urtheil also auf Aussagen anderer oder auf das wenige
Gesehene basiren und daher nothwendig falsch berichten mußten.
Je lauter wir über solche irreleitende Werke unsern Tadel aus-
sprachen und vor ihrer Benutzung als Leitfäden und Rathgeber
warnten, desto lebhafter drückten wir unsere Freude über dieje-
nigen Schriften aus, in denen der Verf. nur das Resultat seiner
eigenen Erfahrungen und Beobachtungen niedergelegt hatte. Zu
den Büchern letztgenannter Art gehört unstreitig das vorliegende,
in welchem der Verf. seine eigenen Erlebnisse erzählt, und diese
als Grundlage zu solchen Schlüssen benützt, die für Jeden, der
denselben Weg, wie er einschlägt, von dem größten Werthe sind.

Nachdem der Verf. uns in Kürze angegeben hat, was ihn
eigentlich zum Entschlusse auszuwandern bewog, und uns einen
Blick in seine frühern Verhältnisse in Deutschland gestattet, der
uns zeigt, wer der Verfasser ist; nachdem wir also in gewisser
Beziehung sein Vertrauter geworden sind, treten wir die Reise
mit ihm an und begleiten ihn von Elberfeld nach Rotterdam,
Havre und Cherbourg, wo er, nach den mannichfaltigsten Wider-
wärtigkeiten, die er zur Warnung für Jedermann aufgezeichnet
hat, das nach New = York bestimmte Dampfschiff „Union“ besteigt.
An Bord angekommen, gibt der Verfasser uns eine, von wohl
zu beherzigenden Rathschlägen begleitete Beschreibung der Schiffs-
einrichtung, dann von der Lebensweise auf demselben u. s. w.
ohne sich, wie es leider in vielen für Auswanderer geschriebenen
Büchern der Fall ist, in Erzählung von Reiseabenteuern zu er-
gehen, die weder unterhaltend noch belehrend sind. Aus New-
York berichtet er uns, was er dort an Wissenswerthem für Aus-
wanderer erfahren, und ebenso gibt er uns in der kurzen Schil-
derung seiner Reise nach Milwaukee und von dort nördlich nach
der Niederlassung Calumet, in Aufzählung der Gegenstände,
welche er kaufte und zu welchem Preise er sie kaufte und dergl.
mehr, eine klare Anweisung, wie wir es zu machen haben, wenn
wir ihm nachfolgen wollen. Er schildert uns endlich auch die
Gegend, in welcher er sich niedergelassen hat, ihrem Klima, ihrer
Bodenbeschaffenheit nach, kurz in Allem so genau und so wahr-
heitsgetreu, daß sein Werkchen, dem eine Ansicht von der Farm
des Verfassers, eine Karte und eine, der Bremer Ztg. entnom-
mene Beschreibung des ganzen Gebiets Wisconsin beigegeben
ist, ein werthvolles, einem jeden nach Wisconsin Auswandernden
im höchsten Grade zu empfehlendes genannt werden muß, das
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B. 3 Hunde auf dem Schiffe, 1 Neufundländer, ein Prachtstück, groß wie ein Kalb, dann einen kleinen aus Jtalien und einen Rattenfänger aus Schottland. Der Erstere, der Liebling Aller, ward gestern, wie es hieß, aus Muthwillen, von Jemandem ins Wasser ge- stoßen, und wäre sicher, wenn ein weniger guter Schwimmer, ertrunken; es ward aber sogleich ein Boot ausgesetzt, der Hund gerettet und bei seiner Rückkehr von Allen mit Liebkosungen über- häuft. Da gab es aber auch ernstlichen Streit zwischen Schiffs- volk und Passagieren; schon hieben die Fäuste dicht bei einander, und nur mit Mühe konnte der Capitän endlich wieder Ruhe her- stellen. Es war aber ein Heidenlärm, und solche Scenen wieder- holen sich oft, zuweilen mitten in der Nacht. Viel Neues läßt sich übrigens nicht mittheilen, da in diesem ewigen Warten ein Tag langsamer wie der andere vorüberschleicht. Den 15. Juni früh 5 Uhr. Endlich, endlich geht es fort. Jch beeile mich, meinen Brief zu schließen. Diese Nacht 1 Uhr erweckte uns heftiger Lärm, der da verkündete, daß der Anker herausgezogen würde; mit mir waren viele Andere gleich oben und halfen. Das Commandiren, Schreien, Pfeifen und Lärmen ist nicht zu beschreiben. Die Sterne leuchteten noch vom Himmel herab und ein kalter aber günstiger Wind wehte aus Südost. Nach und nach entfalteten sich die Segel; an allen Ecken und Enden baumelten Matrosen, banden hier los und knüpften dort wieder fest. Jetzt geht es gemächlich die Elbe hinab. Viele haben sich wieder niedergelegt, ich aber kann nicht schlafen und will auch, sobald ich den Schluß dieses Briefes gemacht, wieder hinauf und nicht eher das Verdeck ver- lassen, als bis das vaterländische Gestade meinen Blicken ent- schwindet. Wir sind in der Salzregion der Elbe angelangt -- eben höre ich, daß wir bald bei Cuxhafen sein werden. Jch muß schließen, Adieu! ( Forts. folgt. ) Notiz. Der Umstand, daß in letzterer Zeit nur Hamburger, Havrer und Antwerpner Schiffsgelegenheiten durch das Jntelligenzblatt der Auswan- derungszeitung angekündigt worden sind, die Bremer Annonçen dagegen schon geraume Zeit vermißt werden, scheint hier und da im Publicum die Meinung verbreitet zu haben, daß die Bremer Erpeditionen in Folge der dänischen Feindseligkeiten die Beförderung von Passagieren interimistisch ganz eingestellt hätten. Mehrere beim Herausgeber eingegangene Briefe ( z. B. aus Graz, Leipzig, Mecklenburg ec. ) enthalten bezügliche Anfragen. Literatur. Nordamerika, Wisconsin, Calumet, Winke für Auswanderer vonDr. Carl de Haas. Mit Ansicht und Karte. Elberfeld und Jserlohn 1848, Julius Bädeker. Preis 1 / 3 Rl. Jn der großen Reihe von für Auswanderungslustige bestimmten Schriften, die wir in den Spalten der Allg. Ausw. Ztg. einer Besprechung unterwarfen, stießen wir auf keine geringe Zahl, deren Verfasser, wie z. B. v. Sommer, Vulpius und Andere, Länder schilderten, von denen sie nur einen höchst unbedeutenden Theil kennen lernten, ihr Urtheil also auf Aussagen anderer oder auf das wenige Gesehene basiren und daher nothwendig falsch berichten mußten. Je lauter wir über solche irreleitende Werke unsern Tadel aus- sprachen und vor ihrer Benutzung als Leitfäden und Rathgeber warnten, desto lebhafter drückten wir unsere Freude über dieje- nigen Schriften aus, in denen der Verf. nur das Resultat seiner eigenen Erfahrungen und Beobachtungen niedergelegt hatte. Zu den Büchern letztgenannter Art gehört unstreitig das vorliegende, in welchem der Verf. seine eigenen Erlebnisse erzählt, und diese als Grundlage zu solchen Schlüssen benützt, die für Jeden, der denselben Weg, wie er einschlägt, von dem größten Werthe sind. Nachdem der Verf. uns in Kürze angegeben hat, was ihn eigentlich zum Entschlusse auszuwandern bewog, und uns einen Blick in seine frühern Verhältnisse in Deutschland gestattet, der uns zeigt, wer der Verfasser ist; nachdem wir also in gewisser Beziehung sein Vertrauter geworden sind, treten wir die Reise mit ihm an und begleiten ihn von Elberfeld nach Rotterdam, Havre und Cherbourg, wo er, nach den mannichfaltigsten Wider- wärtigkeiten, die er zur Warnung für Jedermann aufgezeichnet hat, das nach New = York bestimmte Dampfschiff „Union“ besteigt. An Bord angekommen, gibt der Verfasser uns eine, von wohl zu beherzigenden Rathschlägen begleitete Beschreibung der Schiffs- einrichtung, dann von der Lebensweise auf demselben u. s. w. ohne sich, wie es leider in vielen für Auswanderer geschriebenen Büchern der Fall ist, in Erzählung von Reiseabenteuern zu er- gehen, die weder unterhaltend noch belehrend sind. Aus New- York berichtet er uns, was er dort an Wissenswerthem für Aus- wanderer erfahren, und ebenso gibt er uns in der kurzen Schil- derung seiner Reise nach Milwaukee und von dort nördlich nach der Niederlassung Calumet, in Aufzählung der Gegenstände, welche er kaufte und zu welchem Preise er sie kaufte und dergl. mehr, eine klare Anweisung, wie wir es zu machen haben, wenn wir ihm nachfolgen wollen. Er schildert uns endlich auch die Gegend, in welcher er sich niedergelassen hat, ihrem Klima, ihrer Bodenbeschaffenheit nach, kurz in Allem so genau und so wahr- heitsgetreu, daß sein Werkchen, dem eine Ansicht von der Farm des Verfassers, eine Karte und eine, der Bremer Ztg. entnom- mene Beschreibung des ganzen Gebiets Wisconsin beigegeben ist, ein werthvolles, einem jeden nach Wisconsin Auswandernden im höchsten Grade zu empfehlendes genannt werden muß, das aber auch für solche Auswanderer nicht ohne Jnteresse ist, die

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Zitationshilfe: Allgemeine Auswanderungs-Zeitung. Nr. 21. Rudolstadt, 22. Mai 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_auswanderer21_1848/3>, abgerufen am 03.05.2024.