Allgemeine Auswanderungs-Zeitung. Nr. 55. Rudolstadt, 18. Oktober 1847.[Spaltenumbruch]
zeit vorüber ist. Die Werber sind übrigens ungemein thätig, und Der Deutsche tritt hier auf das Land und geht über die Neulich erstach ein deutscher Uhrmacher einen amerikanischen Doctor. Neulich begaben sich drei junge deutsche Männer, ein Herr Baron M.....r wurde festgenommen, und ich habe der Courtsitzung bei- Die Sache wurde an diesem Tage nicht entschieden. M.....r Man hat hier übrigens seine Noth mit seinen lieben Landsleuten, Jch denke übrigens noch lange hier zu bleiben, denn es gefällt Sowie mein Gesicht übrigens ganz amerikanisch blaß geworden .... e. * ) Jn der That steht der Deutsche längere Zeit in Amerika in Haß und Verachtung. Darüber kann man nicht erstaunen, wenn man bedenkt, wie viel schlechtes deutsches Gesindel seine Zuflucht dahin genommen hat, dort durch schlechte Streiche sich auszeichnet und Schmach über den rechtlichen Einwanderer bringt. Auch werden alle die niedrigsten Arbeiten von Negern, Deutschen und Jrländern verrichtet. Wenn sich jedoch der Deutsche gut aufführt, die englische Sprache kennt, und sich in die Sitten und Gebräuche fügt, so be- handelt und betrachtet ihn der Amerikaner gern als Mitbürger und Freund. Der Einsender dieses denkt noch mit tiefer Rührung an die viele Liebe und Güte, welche ihm auf dem Lande seine anglo=amerikanischen Nachbarn erwiesen. ** ) Jn den südlichen Staaten mag es wohl eine Nothwendigkeit sein,
zur Sicherung seines Lebens sich stets mit Waffen zu versehen. Morde, die der Reiche größtentheils ungestraft begeh, sind dort an der Tagesordnung. Jn den Neuenglandstaaten hingegen, in Pennsylvanien, Maryland, Ohio, ist man seines Lebens so sicher als in Deutschland, und man sieht dort be- waffnete Leute noch seltener als hier, da sogar Zollwächter und Polizei- beamte unbewaffnet sind. Eine Schiffsgesellschaft, die in Newyork, Phila- delphia oder Baltimore so bewaffnet erschiene, möchte wohl für eine Räuber- bande angesehen und so aufgenommen werden. Anm. des Eins. [Spaltenumbruch]
zeit vorüber ist. Die Werber sind übrigens ungemein thätig, und Der Deutsche tritt hier auf das Land und geht über die Neulich erstach ein deutscher Uhrmacher einen amerikanischen Doctor. Neulich begaben sich drei junge deutsche Männer, ein Herr Baron M.....r wurde festgenommen, und ich habe der Courtsitzung bei- Die Sache wurde an diesem Tage nicht entschieden. M.....r Man hat hier übrigens seine Noth mit seinen lieben Landsleuten, Jch denke übrigens noch lange hier zu bleiben, denn es gefällt Sowie mein Gesicht übrigens ganz amerikanisch blaß geworden .... e. * ) Jn der That steht der Deutsche längere Zeit in Amerika in Haß und Verachtung. Darüber kann man nicht erstaunen, wenn man bedenkt, wie viel schlechtes deutsches Gesindel seine Zuflucht dahin genommen hat, dort durch schlechte Streiche sich auszeichnet und Schmach über den rechtlichen Einwanderer bringt. Auch werden alle die niedrigsten Arbeiten von Negern, Deutschen und Jrländern verrichtet. Wenn sich jedoch der Deutsche gut aufführt, die englische Sprache kennt, und sich in die Sitten und Gebräuche fügt, so be- handelt und betrachtet ihn der Amerikaner gern als Mitbürger und Freund. Der Einsender dieses denkt noch mit tiefer Rührung an die viele Liebe und Güte, welche ihm auf dem Lande seine anglo=amerikanischen Nachbarn erwiesen. ** ) Jn den südlichen Staaten mag es wohl eine Nothwendigkeit sein,
zur Sicherung seines Lebens sich stets mit Waffen zu versehen. Morde, die der Reiche größtentheils ungestraft begeh, sind dort an der Tagesordnung. Jn den Neuenglandstaaten hingegen, in Pennsylvanien, Maryland, Ohio, ist man seines Lebens so sicher als in Deutschland, und man sieht dort be- waffnete Leute noch seltener als hier, da sogar Zollwächter und Polizei- beamte unbewaffnet sind. Eine Schiffsgesellschaft, die in Newyork, Phila- delphia oder Baltimore so bewaffnet erschiene, möchte wohl für eine Räuber- bande angesehen und so aufgenommen werden. Anm. des Eins. <TEI> <text> <body> <div type="letter"> <p><pb facs="#f0005" n="431"/><cb/> zeit vorüber ist. Die Werber sind übrigens ungemein thätig, und<lb/> suchen so Viele nach Mexiko zu spediren, als sie nur immer können;<lb/> sie machen sich kein Gewissen daraus, daß ihre Geworbenen einem<lb/> grausamen Tode entgegengeschickt werden. Auch mich haben sie ver-<lb/> leiten wollen, aber ich habe sie gebührend zurechtgewiesen. Sie hätten<lb/> mich nicht vermögen sollen, wenn sie mir auch statt der gewöhnlichen<lb/> 25 Dollars monatlichen Sold hundert verschafft hätten. Es gehört<lb/> doch wahrlich ein großer Grad von Dummheit für einen Deutschen<lb/> dazu, für die Amerikaner einen Krieg auszufechten, wozu diese selbst<lb/> zu feig oder zu faul sind, und sich noch dafür mit Spott= und<lb/> Schimpfworten überhäufen zu lassen. Sie haben jetzt eben ein neues<lb/> Schimpfwort erfunden: <hi rendition="#aq">God damned black Dutchman</hi> ( verdammter<lb/> schwarzer Deutscher ) , das schon im Munde Aller ist.<note place="foot" n="* )"> Jn der That steht der Deutsche längere Zeit in Amerika in Haß und<lb/> Verachtung. Darüber kann man nicht erstaunen, wenn man bedenkt, wie viel<lb/> schlechtes deutsches Gesindel seine Zuflucht dahin genommen hat, dort durch<lb/> schlechte Streiche sich auszeichnet und Schmach über den rechtlichen Einwanderer<lb/> bringt. Auch werden alle die niedrigsten Arbeiten von Negern, Deutschen<lb/> und Jrländern verrichtet. Wenn sich jedoch der Deutsche gut aufführt, die<lb/> englische Sprache kennt, und sich in die Sitten und Gebräuche fügt, so be-<lb/> handelt und betrachtet ihn der Amerikaner gern als Mitbürger und Freund.<lb/> Der Einsender dieses denkt noch mit tiefer Rührung an die viele Liebe und<lb/> Güte, welche ihm auf dem Lande seine anglo=amerikanischen Nachbarn erwiesen.</note></p><lb/> <p>Der Deutsche tritt hier auf das Land und geht über die<lb/> Straße bewaffnet<note place="foot" n="** )"> Jn den südlichen Staaten mag es wohl eine Nothwendigkeit sein,<lb/> zur Sicherung seines Lebens sich stets mit Waffen zu versehen. Morde, die<lb/> der Reiche größtentheils ungestraft begeh, sind dort an der Tagesordnung.<lb/> Jn den Neuenglandstaaten hingegen, in Pennsylvanien, Maryland, Ohio,<lb/> ist man seines Lebens so sicher als in Deutschland, und man sieht dort be-<lb/> waffnete Leute noch seltener als hier, da sogar Zollwächter und Polizei-<lb/> beamte unbewaffnet sind. Eine Schiffsgesellschaft, die in Newyork, Phila-<lb/> delphia oder Baltimore so bewaffnet erschiene, möchte wohl für eine Räuber-<lb/> bande angesehen und so aufgenommen werden.<space dim="horizontal"/> <hi rendition="#g">Anm. des Eins</hi>. </note> mit Hirschfänger, Dolch und Pistolen; er glaubt<lb/> seines Lebens nicht sicher zu sein, steht immer in Furcht und banger<lb/> Erwartung, denkt auch, er habe das Recht, sein eigener Richter und<lb/> Rächer zu sein und jede Streitigkeit selbst, wär's auch mit Waffen-<lb/> gewalt, schlichten zu können. Dabei haben sich Mehrere gar arg ge-<lb/> täuscht. Es ist keine Seltenheit, daß bei einigermaßen starkem Wort-<lb/> wechsel die Constabler dazwischen treten, sich der streitenden Parteien,<lb/> trotz ihrer Mordgewehre bemächtigen, sie ins Gefängniß führen, aus<lb/> welchem sie dann nur nach langem Sitzen, harter Strafarbeit oder<lb/> schwerer Geldstrafe befreit werden. </p><lb/> <p>Neulich erstach ein deutscher Uhrmacher einen amerikanischen Doctor.<lb/> Dieser hatte ihm eine Uhr abgekauft, doch nur zum Theil bezahlt;<lb/> die häufigen Mahnungen des Deutschen wurden gewöhnlich durch die<lb/> Höflichkeit erwiedert: „er möge sich zum Teufel scheren, er solle sein<lb/> Geld schon haben.“ Als aber der Uhrmacher seine Mahnung in einer<lb/> Tabagie wiederholte, zieht der Doctor statt der Börse ein Pistol, und<lb/> will ihn erschießen. Aber der Uhrmacher ist nicht faul; er zieht seinen<lb/> Dolch und bohrt ihn dem Doctor in das Herz, meldet sich aber auch<lb/> sofort beim Gericht und beweis't durch Zeugen, daß er nur in Ver-<lb/> theidigung seines Lebens gemordet habe. Er wurde freigesprochen,<lb/> aber sein Loos war schrecklicher, als das des plötzlich Gemordeten. Er<lb/> ging nach Merico als Volunteer und gehört mit zu den langsam<lb/> Dahingeschlachteten. </p><lb/> <p>Neulich begaben sich drei junge deutsche Männer, ein Herr Baron<lb/> von M.....n, ein Herr M.....r, Sohn eines Oberbauraths, und<lb/> ein gewisser S.......s, dessen Familienverhältnisse mir unbekannt sind,<lb/> in eine Tabagie. Sie hatten sich gegenseitig zur Bewirthschaftung<lb/> einer Farm verbunden, wurden im Wirthshause lustig und guter Dinge,<lb/> tranken, sangen und berauschten sich ein wenig. Als es zur Bezah-<lb/> lung der Zeche kam, konnte man sich nicht einigen. S. will auf<lb/> seinen Theil weniger bezahlen als die andern Zwei, und diese werden<lb/><cb/> darüber so aufgebracht, daß sie ihn aus ihrem Bunde ausschließen<lb/> wollen. Da man aber die nothwendigen Einkäufe gemeinschaftlich<lb/> gemacht, so konnte eine Auseinandersetzung nur durch den Richter<lb/> geschehen. Dahin zu gehen verließen die beiden M. das Wirthshaus.<lb/> S. folgte ihnen, und bittet, ihn auch mitzunehmen; doch M.....r<lb/> gab ihm einen Stoß, daß er zurücktaumelte. Dessenungeachtet geht<lb/> S. nochmals zu ihnen, um sie zu begleiten. Da drehte sich M.....r<lb/> um und versetzte ihm einen Dolchstoß, der an dem linken Schulter-<lb/> beine bis in einen Lungenflügel drang, woran der Unglückliche nach<lb/> achttägigen Leiden starb. </p><lb/> <p>M.....r wurde festgenommen, und ich habe der Courtsitzung bei-<lb/> gewohnt. Der Herr Baron mußte als Zeuge auftreten und ein Dol-<lb/> metscher übersetzte seine Aussagen. Während nun die ganze Versamm-<lb/> lung und auch ich, der übergroßen Hitze wegen, in Hemdärmeln war,<lb/> stand der Herr Baron mit festgeknöpftem Rocke, mit geschlossenen Füßen<lb/> und militärischem Anstande vor dem Richter. Er wurde nach seinem<lb/> Namen gefragt, und er vergaß weder den Baron noch sein „von“.<lb/> Doch es wurde ihm angedeutet, daß hier in Amerika kein Adel gelte,<lb/> und man strich im Protokoll beide Prädicate vor seinem Namen weg.<lb/> Dann mußte er den Hergang der Sache erzählen, und sprach zwei<lb/> ganze Stunden lang, und zwar so viel dummes Zeug, und benahm<lb/> sich dabei so ungeschickt und so tölpelhaft, daß ich nicht wußte, ob<lb/> ich in ein lautes Hohngelächter ausbrechen, oder mich meines deutschen<lb/> Landsmannes schämen sollte. Den Mayor ( Bürgermeister, Obersten der<lb/> Stadt ) schien ein gleiches Gefühl mit mir zu befallen; denn als sein<lb/> Blick während der Verhandlung auf mich fiel, mochte er wohl auf<lb/> meinem Gesichte lesen, was in mir vorging, und er nickte mir zum<lb/> Zeichen der Uebereinstimmung zu. </p><lb/> <p>Die Sache wurde an diesem Tage nicht entschieden. M.....r<lb/> muß entweder bis zur nächsten Courtsitzung gefangen bleiben, oder<lb/> eine Bürgschaft von 500 Dollars baar oder durch einen sichern Bür-<lb/> gen stellen; kann er dieses nicht, und sich nicht mit der Zurücklassung der-<lb/> selben auf die Beine machen, so wird er vielleicht gehängt, und die<lb/> Amerikaner werden zeigen, daß der Respect für den Sohn eines deut-<lb/> schen Oberbauraths sie nicht zurückhält, mit demselben ihren Galgen<lb/> zu schmücken. </p><lb/> <p>Man hat hier übrigens seine Noth mit seinen lieben Landsleuten,<lb/> wenn diese merken, daß man nicht mittellos ist. So vorsichtig ich<lb/> mich auch in dieser Hinsicht benehme, so konnte ich doch nicht verhin-<lb/> dern, daß sie Besitzthum an mir merkten. Zahlreich kamen sie daher<lb/> und sprachen mich um Vorschüsse an. Doch sein Geld auf diese Weise<lb/> weggeben, heißt es wegwerfen. Jch habe mir deshalb ein hartes<lb/> Herz angeschafft. Keiner bekommt etwas. </p><lb/> <p>Jch denke übrigens noch lange hier zu bleiben, denn es gefällt<lb/> mir ganz wohl, und Nichts belästigt mich, als die unerträgliche Hitze,<lb/> an die sich mein Körper nicht gewöhnen kann. Tag und Nacht bin ich<lb/> in Schweiß gebadet, und habe auch schon längst meine vollen rothen<lb/> Backen und meinen gewiß recht anständigen Bauch verloren. Jndeß ge-<lb/> währt mir das Baden im Golf eine herrliche Erquickung, und ich fühle<lb/> mich jedesmal so selig, so glücklich danach, daß ich Euch dieß nicht be-<lb/> schreiben kann. Doch auch dieses Baden ist nicht gefahrlos, wenn man<lb/> sich zu tief hineinwagt. Denn der Golf ist überfüllt von gefräßigen<lb/> Haifischen, mit Rachen voller scharfer Zähne, und schon mancher kühne<lb/> Schwimmer ist in deren Schlunde verschwunden, oder hat seine Lust<lb/> mit dem Verlust eines Armes, eines Beines oder des Kopfes gebüßt. </p><lb/> <p>Sowie mein Gesicht übrigens ganz amerikanisch blaß geworden<lb/> ist, so hat sich auch mein Charakter amerikanisirt, und recht bald<lb/> habe ich mich in die hier herrschenden Sitten und Gebräuche und in<lb/> den Geist des hiesigen Volkes gefügt. Jch befinde mich wohl dabei <abbr>ec.</abbr> </p><lb/> <p><space dim="horizontal"/>.... e.</p> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [431/0005]
zeit vorüber ist. Die Werber sind übrigens ungemein thätig, und
suchen so Viele nach Mexiko zu spediren, als sie nur immer können;
sie machen sich kein Gewissen daraus, daß ihre Geworbenen einem
grausamen Tode entgegengeschickt werden. Auch mich haben sie ver-
leiten wollen, aber ich habe sie gebührend zurechtgewiesen. Sie hätten
mich nicht vermögen sollen, wenn sie mir auch statt der gewöhnlichen
25 Dollars monatlichen Sold hundert verschafft hätten. Es gehört
doch wahrlich ein großer Grad von Dummheit für einen Deutschen
dazu, für die Amerikaner einen Krieg auszufechten, wozu diese selbst
zu feig oder zu faul sind, und sich noch dafür mit Spott= und
Schimpfworten überhäufen zu lassen. Sie haben jetzt eben ein neues
Schimpfwort erfunden: God damned black Dutchman ( verdammter
schwarzer Deutscher ) , das schon im Munde Aller ist. * )
Der Deutsche tritt hier auf das Land und geht über die
Straße bewaffnet ** ) mit Hirschfänger, Dolch und Pistolen; er glaubt
seines Lebens nicht sicher zu sein, steht immer in Furcht und banger
Erwartung, denkt auch, er habe das Recht, sein eigener Richter und
Rächer zu sein und jede Streitigkeit selbst, wär's auch mit Waffen-
gewalt, schlichten zu können. Dabei haben sich Mehrere gar arg ge-
täuscht. Es ist keine Seltenheit, daß bei einigermaßen starkem Wort-
wechsel die Constabler dazwischen treten, sich der streitenden Parteien,
trotz ihrer Mordgewehre bemächtigen, sie ins Gefängniß führen, aus
welchem sie dann nur nach langem Sitzen, harter Strafarbeit oder
schwerer Geldstrafe befreit werden.
Neulich erstach ein deutscher Uhrmacher einen amerikanischen Doctor.
Dieser hatte ihm eine Uhr abgekauft, doch nur zum Theil bezahlt;
die häufigen Mahnungen des Deutschen wurden gewöhnlich durch die
Höflichkeit erwiedert: „er möge sich zum Teufel scheren, er solle sein
Geld schon haben.“ Als aber der Uhrmacher seine Mahnung in einer
Tabagie wiederholte, zieht der Doctor statt der Börse ein Pistol, und
will ihn erschießen. Aber der Uhrmacher ist nicht faul; er zieht seinen
Dolch und bohrt ihn dem Doctor in das Herz, meldet sich aber auch
sofort beim Gericht und beweis't durch Zeugen, daß er nur in Ver-
theidigung seines Lebens gemordet habe. Er wurde freigesprochen,
aber sein Loos war schrecklicher, als das des plötzlich Gemordeten. Er
ging nach Merico als Volunteer und gehört mit zu den langsam
Dahingeschlachteten.
Neulich begaben sich drei junge deutsche Männer, ein Herr Baron
von M.....n, ein Herr M.....r, Sohn eines Oberbauraths, und
ein gewisser S.......s, dessen Familienverhältnisse mir unbekannt sind,
in eine Tabagie. Sie hatten sich gegenseitig zur Bewirthschaftung
einer Farm verbunden, wurden im Wirthshause lustig und guter Dinge,
tranken, sangen und berauschten sich ein wenig. Als es zur Bezah-
lung der Zeche kam, konnte man sich nicht einigen. S. will auf
seinen Theil weniger bezahlen als die andern Zwei, und diese werden
darüber so aufgebracht, daß sie ihn aus ihrem Bunde ausschließen
wollen. Da man aber die nothwendigen Einkäufe gemeinschaftlich
gemacht, so konnte eine Auseinandersetzung nur durch den Richter
geschehen. Dahin zu gehen verließen die beiden M. das Wirthshaus.
S. folgte ihnen, und bittet, ihn auch mitzunehmen; doch M.....r
gab ihm einen Stoß, daß er zurücktaumelte. Dessenungeachtet geht
S. nochmals zu ihnen, um sie zu begleiten. Da drehte sich M.....r
um und versetzte ihm einen Dolchstoß, der an dem linken Schulter-
beine bis in einen Lungenflügel drang, woran der Unglückliche nach
achttägigen Leiden starb.
M.....r wurde festgenommen, und ich habe der Courtsitzung bei-
gewohnt. Der Herr Baron mußte als Zeuge auftreten und ein Dol-
metscher übersetzte seine Aussagen. Während nun die ganze Versamm-
lung und auch ich, der übergroßen Hitze wegen, in Hemdärmeln war,
stand der Herr Baron mit festgeknöpftem Rocke, mit geschlossenen Füßen
und militärischem Anstande vor dem Richter. Er wurde nach seinem
Namen gefragt, und er vergaß weder den Baron noch sein „von“.
Doch es wurde ihm angedeutet, daß hier in Amerika kein Adel gelte,
und man strich im Protokoll beide Prädicate vor seinem Namen weg.
Dann mußte er den Hergang der Sache erzählen, und sprach zwei
ganze Stunden lang, und zwar so viel dummes Zeug, und benahm
sich dabei so ungeschickt und so tölpelhaft, daß ich nicht wußte, ob
ich in ein lautes Hohngelächter ausbrechen, oder mich meines deutschen
Landsmannes schämen sollte. Den Mayor ( Bürgermeister, Obersten der
Stadt ) schien ein gleiches Gefühl mit mir zu befallen; denn als sein
Blick während der Verhandlung auf mich fiel, mochte er wohl auf
meinem Gesichte lesen, was in mir vorging, und er nickte mir zum
Zeichen der Uebereinstimmung zu.
Die Sache wurde an diesem Tage nicht entschieden. M.....r
muß entweder bis zur nächsten Courtsitzung gefangen bleiben, oder
eine Bürgschaft von 500 Dollars baar oder durch einen sichern Bür-
gen stellen; kann er dieses nicht, und sich nicht mit der Zurücklassung der-
selben auf die Beine machen, so wird er vielleicht gehängt, und die
Amerikaner werden zeigen, daß der Respect für den Sohn eines deut-
schen Oberbauraths sie nicht zurückhält, mit demselben ihren Galgen
zu schmücken.
Man hat hier übrigens seine Noth mit seinen lieben Landsleuten,
wenn diese merken, daß man nicht mittellos ist. So vorsichtig ich
mich auch in dieser Hinsicht benehme, so konnte ich doch nicht verhin-
dern, daß sie Besitzthum an mir merkten. Zahlreich kamen sie daher
und sprachen mich um Vorschüsse an. Doch sein Geld auf diese Weise
weggeben, heißt es wegwerfen. Jch habe mir deshalb ein hartes
Herz angeschafft. Keiner bekommt etwas.
Jch denke übrigens noch lange hier zu bleiben, denn es gefällt
mir ganz wohl, und Nichts belästigt mich, als die unerträgliche Hitze,
an die sich mein Körper nicht gewöhnen kann. Tag und Nacht bin ich
in Schweiß gebadet, und habe auch schon längst meine vollen rothen
Backen und meinen gewiß recht anständigen Bauch verloren. Jndeß ge-
währt mir das Baden im Golf eine herrliche Erquickung, und ich fühle
mich jedesmal so selig, so glücklich danach, daß ich Euch dieß nicht be-
schreiben kann. Doch auch dieses Baden ist nicht gefahrlos, wenn man
sich zu tief hineinwagt. Denn der Golf ist überfüllt von gefräßigen
Haifischen, mit Rachen voller scharfer Zähne, und schon mancher kühne
Schwimmer ist in deren Schlunde verschwunden, oder hat seine Lust
mit dem Verlust eines Armes, eines Beines oder des Kopfes gebüßt.
Sowie mein Gesicht übrigens ganz amerikanisch blaß geworden
ist, so hat sich auch mein Charakter amerikanisirt, und recht bald
habe ich mich in die hier herrschenden Sitten und Gebräuche und in
den Geist des hiesigen Volkes gefügt. Jch befinde mich wohl dabei ec.
.... e.
* ) Jn der That steht der Deutsche längere Zeit in Amerika in Haß und
Verachtung. Darüber kann man nicht erstaunen, wenn man bedenkt, wie viel
schlechtes deutsches Gesindel seine Zuflucht dahin genommen hat, dort durch
schlechte Streiche sich auszeichnet und Schmach über den rechtlichen Einwanderer
bringt. Auch werden alle die niedrigsten Arbeiten von Negern, Deutschen
und Jrländern verrichtet. Wenn sich jedoch der Deutsche gut aufführt, die
englische Sprache kennt, und sich in die Sitten und Gebräuche fügt, so be-
handelt und betrachtet ihn der Amerikaner gern als Mitbürger und Freund.
Der Einsender dieses denkt noch mit tiefer Rührung an die viele Liebe und
Güte, welche ihm auf dem Lande seine anglo=amerikanischen Nachbarn erwiesen.
** ) Jn den südlichen Staaten mag es wohl eine Nothwendigkeit sein,
zur Sicherung seines Lebens sich stets mit Waffen zu versehen. Morde, die
der Reiche größtentheils ungestraft begeh, sind dort an der Tagesordnung.
Jn den Neuenglandstaaten hingegen, in Pennsylvanien, Maryland, Ohio,
ist man seines Lebens so sicher als in Deutschland, und man sieht dort be-
waffnete Leute noch seltener als hier, da sogar Zollwächter und Polizei-
beamte unbewaffnet sind. Eine Schiffsgesellschaft, die in Newyork, Phila-
delphia oder Baltimore so bewaffnet erschiene, möchte wohl für eine Räuber-
bande angesehen und so aufgenommen werden. Anm. des Eins.
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Peter Fankhauser:
Transformation von TUSTEP nach TEI P5.
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