Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Deutsche Auswanderer-Zeitung. Nr. 94. Bremen, 23. November 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

[Beginn Spaltensatz] wir neben einander stellen, was in dieser Veziehung gesetzlich auf englischen,
was auf bremischen Schiffen geliefert werden muß.

[Beginn Spaltensatz]

Jn England
für jeden erwachsenen ( d. h. über
14 Jahr alten ) Passagier; die Reise
auf 10 Wochen berechnet:

Fleisch nichts,

Speck nichts,

Brodt 25 ,

Butter nichts,

Waizenmehl, Reis 30 ,

Hafermehl 50 ,

Kartoffeln nichts,

Syrup nichts,

Caffee 40 Unzen, oder

Thee 20 Unzen, oder

Cichorien 40 Unzen,

Essig nichts,

Sago, Wein, Zucker, 5 Zucker,
    Salz     20 Unzen Salz,
Heringe, Hafergrütze,     nichts,
    Wachholderbeeren nichts,

Wasser täglich 3 Quart.

Für1 1 / 4 Hafermehl oder 1 Reis
können eingenommen werden: 5 gute
Kartoffeln, oder 1 / 2 gepökeltes Rind-
oder Schweinefleisch ohne Knochen, oder
haltbares Fleisch, oder 3 / 4 getrocknete
Salzfische, oder 1 Brod oder Zwieback
nicht schlechter in Qualität als Schiffs-
zwieback, oder 1 bestes Waizenmehl,
oder 1 Splitterbsen.

[Spaltenumbruch]

Jn Bremen
für jeden Passagier über 1 Jahr; die
Reise auf 13 Wochen berechnet:

Fleisch32 1 / 2 ,

Speck 13 ,

Brodt 26 weißes und 39 schwarzes,

Butter4 7 / 8 ,

Mehl, Hülsenfrüchte, Schalgerste, 35 ,
    Reis, Sauerkraut, Pflaumen 35 ,

Kartoffeln1 1 / 2 Viertel,

Syrup1 1 / 2 ,

Caffee1 1 / 2 ,

Thee 1 / 5 ,

Cacao1 1 / 4 ,

Essig 2 Ouart,

Sago, Wein, Zucker, hinreichend,
    Salz     hinreichend,
Heringe, Hafergrütze,     hinreichend,
    Wachholderbeeren hinreichend,

Wasser im Ganzen1 1 / 3 resp.1 1 / 6 Oxhoft.

[Ende Spaltensatz]

Wir haben oben gesagt, der Proviant, der auf den englischen Schiffen
gesetzlich geliefert werden müsse, sei für halbverhungerte Jrländer bemessen;
wir fordern nun unsere Leser auf, die vorstehende Angabe des gesetzlichen
Proviants genauer zu beachten und sie werden sich von der Wahrheit
unseres Ausspruchs überzeugen. Gesetzlich haben die Passagiere keinen
Anspruch auf irgend welches Fleisch, auf Butter, nur Brod und Mehl
muß an festen Speisen gereicht werden; dabei würde ein Deutscher auf
dem Lande für längere Zeit kaum sein Leben fristen können, geschweige
denn auf der See, die den Appetit so sehr verstärkt. Für keine Abwechse-
lung der Speisen ist gesorgt, die bei der für Seeungewohnte auf dem
Meere so häufig eintretenden Unverdaulichkeit für die Gesundheit dringen-
des Erforderniß ist, abgesehen davon, daß es nothwendig Widerwillen
erregen muß, Wochenlang nur von Brod und Mehl zu leben. Daß davon
keine Rede ist, daß den Passagieren mehr geliefert wird, als was sie zu
fordern berechtigt sind, ist zu sehr Selbstverstand, als daß darüber noch
weiter zu sprechen wäre: daß ihnen aber nicht einmal immer das geliefert
wird, was sie zu fordern ein Recht haben, bezeugen häufige Klagen von
Auswanderern, die sowohl durch unsere Zeitung wie durch andere Blätter
veröffentlicht worden sind. Das neueste englische Passagiergesetz, welches
manche Uebelstände vermindert und sonst auch manche gute Bestimmung
enthält, sagt denn auch, daß jene obgedachten Vorräthe " neben den
freiwilligen der Passagiere da sein müssen,
" es ist die Bestim-
mung des Proviants eben mit Rücksicht auf die armen Jrländer getroffen,
deren Uebersiedelung durch bessere Beköstigung vertheuert werden müßte,
während man eine möglichst große Zahl derselben los zu werden wünscht;
es nimmt das Gesetz aber zugleich an, daß Leute, die es irgend vermögen,
sich selbst mit besseren und zweckmäßigeren Lebensmitteln versehen werden.
Dadurch wird aber die Reise über englische Häfen sehr bedeutend ver-
theuert, und der Auswanderer ist überdieß der Gefahr ausgesetzt, am
fremden Ort, der fremden Sprache, des fremden Geldes unkundig in
mannigfacher Weise übervortheilt zu werden. Daß aber auf dem Continent
gegebene Versprechungen in Betreff einer besseren als der gesetzlich vor-
geschriebenen Beköstigung nicht immer, vielleicht höchst selten, ja vielleicht
nie gehalten werden, darüber sind unzählige Klagen laut geworden. Eine
Verbesserung auf den englischen Schiffen ist übrigens durch die neueste
Passagier=Acte eingeführt worden, daß der Proviant, welcher gekocht zu
werden erfordert, täglich in gekochtem Zustande vertheilt werden soll. Daß
außerdem den Tag über Feuer auf dem Heerde und dieser für die Passagiere
der Reihe nach zugänglich sein soll, wird zum Besten derjenigen Passagiere
bestimmt sein, die eignen Proviant mit sich führen. - Betrachten wir nun
dagegen die Verpflegung, wie sie auf den Bremer Schiffen - und für die
anderen deutschen Häfen gelten ohngefähr gleiche Bestimmungen - geliefert
[Spaltenumbruch] werden muß, so fehlt es nicht an hinreichender Menge von consistenten
Speisen, es ist für eine die Gesundheit wie die Annehmlichkeit befriedigende
Abwechselung gesorgt, alle Speisen müssen in zubereitetem Zustande den
Auswanderern zugetheilt werden; es haben diese nicht nöthig, im Ein-
schiffungshafen Lebensmittel extra anzuschaffen, Fleisch, verschiedenes Ge-
müse, verschiedene Gewürze u. s. w. müssen gesetzlich da sein, und daß
dies der Fall ist, darüber wacht eine strenge Controlle, ohne die kein
Schiff den Hafen verlassen darf.



Auszug eines Briefes aus Valdivia
vom 8. August 1852.
( Fortsetzung. )

Es giebt nur wenige und keineswegs gefährliche wilde Thiere in der
Provinz. Der sogenannte Löwe ist mit einer großen Katze zu vergleichen,
stellt hauptsächlich jungen Füllen und Schaafen nach, flieht aber sogar vor
Hunden, und sind nur ein paar Fälle bekannt, daß er sich einem Menschen
widersetzt, oder gar einen solchen angefallen habe. Kleine Füchse, wilde
Katzen, Wiesel und Stinkthiere giebt es nur in geringer Menge. Ein
kleines zierliches Reh ( renado ) ist auch selten. Die Ratten werden oft zu
einer wahren Landplage, jedoch mehr in Chilo e als hier. Die Papageien
und mehrere kleinere Vögel richten oft unter den Früchten großen Schaden
an. Schlangen und schädliche Jnsecten giebt es fast gar nicht, höchstens
in Wäldern und sumpfigen Gegenden.

Die Jndustrie beschränkt sich gegenwärtig fast ausschließlich auf das
Fällen und Behauen von Bauholz, welches ausschließlich mit Handsägen
( es giebt nur eine Sägemühle in der Provinz ) zu Brettern gesägt wird;
bei einer Nadelholzart, dem Alerze, ist dieses nicht einmal erforderlich, in-
dem deren Stamm sich leicht in Bretter spalten läßt. Die Rindshäute
werden immer noch getrocknet und gesalzen ausgeführt, denn die errichtete
deutsche Gerberei ist noch nicht im Gange; das Rindvieh giebt einen Han-
delsartikel für die Provinz Concepcion ab, und es werden wohl jährlich
3000 Stück dahin ausgeführt, ebenso geht viel Vieh nach Chilo e. Die
unvollkommenen Landesmühlen befriedigen nicht den Bedarf der Provinz
an Mehl, weßhalb dasselbe von Valparaiso und Concepcion eingeführt wird.

Ein treffliches Mittel zur Beförderung des Verkehrs bieten die schiff-
baren Flüsse, von denen leider noch nicht der gebührende Gebrauch gemacht
wird. Außer dem Haupthafen von Valdivia, einem der besten der ganzen
Westküste von Amerika, besitzt die Provinz noch den Nebenhafen von Rio
Bueno, in der Mündung des gleichnamigen Flusses, ferner die Rheden von
Quenle, Chanchan, Milagro, Hueyusca u. s. w., doch ist die Schifffahrt
jetzt fast nur auf die beiden ersten Häfen beschränkt.

Ein kurzer Rückblick auf die Geschichte der Provinz Valdivia wird
über die Mißverhältnisse in ihrem jetzigen Zustande einige Aufklärung geben.

Nachdem in den Jahren 1552 und 53 die Städte Villarica, Valdivia
und Osorno von dem Generalcapitain Dn. Pedro Valdivia gegründet und
rasch emporgeblüht waren, erlagen sie in dem allgemeinen Aufstande der
Jndianer in den Jahren 1599 - 1602 einer gänzlichen Zerstörung und
nur wenige ihrer Bewohner entgingen dem Tode. Aus Osorno retteten
sich die meisten und flüchteten theilweise nach Chilo e, theilweise ließen sie
sich in Calbuco nieder. Valdivia blieb lange gänzlich verlassen und wurde
nur in den Jahren 1600, 1636 und namentlich 1643 von den Holländern
besucht, welche, damals im Kriege mit den Spaniern, auf kurze Zeit vom
Hafen Besitz nahmen und sich im Jnnern der Provinz festzusetzen gedachten.
Sie wurden jedoch von den Jndianern sehr feindlich aufgenommen und
mußten ihre Niederlassung aufgeben. Kurz darauf kam das zu ihrer Ver-
folgung ausgesandte spanische Geschwader unter dem Befehl des Don
Francisco de Leiba, Sohnes des damaligen Vicekönigs von Peru, Marques
de Mancera, im Hafen von Valdivia an und nahm Besitz von den von
den Holländern verlassenen Festungswerken. Der Befehlshaber gründete
auf einer Jnsel, dem Eingange des Hafens gegenüber, welche seiner Familie
zu Ehren den Namen Mancera erhielt, von Neuem die Stadt Valdivia;
dieselbe blieb ganz unbedeutend und ein bloßer Verbannungsort mit einer
geringen Besatzung bis zum Jahre 1779, wo sie nach ihrem ehemaligen
und jetzigen Standorte verlegt ( ca. 3 Leguas vom Hafen, der Coral
genannt, entfernt ) und gleichfalls befestigt wurde. Nicht lange nachher
wurden auch die Ruinen der Stadt Osorno wieder aufgefunden und später
das Gebiet derselben dem Kaziken Caniupagui von der königl. Regierung
durch den Gobernador Don Ambrosio O'Higgins ( deßhalb zum Marques
de Osorno ernannt ) abgekauft und die Stadt mit Ansiedlern versehen.
Jn derselben Zeit, im letzten Viertel des vergangenen Jahrhunderts, geschah
die theilweise erneute Gründung von 12 verschiedenen Missionen und in
den letzten Jahren, nachdem einige der letzteren aufgehoben waren, wur-
den die von Pilmaiques ( in 1843 ) Trumao ( in 1847 ) und Jmperial ( 1850 )
errichtet. Die Jndianer verkauften allmählig ihre Ländereien an die
wenigen Bewohner von Valdivia und Osorno und die Vevölkerung nahm
durch das Zurückbleiben mancher Beamten, Soldaten und Sträflinge, so
wie durch die Einwanderung einiger spanischen Familien schwach zu.
Aller Verkehr beschränkte sich damals auf die Einfuhr von Lebensmitteln
für die Garnison und die Sträflinge, welche zum Bau der Festungswerke
im Hafen verwendet wurden, in einem jährlich von Lima kommenden
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] wir neben einander stellen, was in dieser Veziehung gesetzlich auf englischen,
was auf bremischen Schiffen geliefert werden muß.

[Beginn Spaltensatz]

Jn England
für jeden erwachsenen ( d. h. über
14 Jahr alten ) Passagier; die Reise
auf 10 Wochen berechnet:

Fleisch nichts,

Speck nichts,

Brodt 25 ,

Butter nichts,

Waizenmehl, Reis 30 ,

Hafermehl 50 ,

Kartoffeln nichts,

Syrup nichts,

Caffee 40 Unzen, oder

Thee 20 Unzen, oder

Cichorien 40 Unzen,

Essig nichts,

Sago, Wein, Zucker, 5 Zucker,
    Salz     20 Unzen Salz,
Heringe, Hafergrütze,     nichts,
    Wachholderbeeren nichts,

Wasser täglich 3 Quart.

Für1 1 / 4 Hafermehl oder 1 Reis
können eingenommen werden: 5 gute
Kartoffeln, oder 1 / 2 gepökeltes Rind-
oder Schweinefleisch ohne Knochen, oder
haltbares Fleisch, oder 3 / 4 getrocknete
Salzfische, oder 1 Brod oder Zwieback
nicht schlechter in Qualität als Schiffs-
zwieback, oder 1 bestes Waizenmehl,
oder 1 Splitterbsen.

[Spaltenumbruch]

Jn Bremen
für jeden Passagier über 1 Jahr; die
Reise auf 13 Wochen berechnet:

Fleisch32 1 / 2 ,

Speck 13 ,

Brodt 26 weißes und 39 schwarzes,

Butter4 7 / 8 ,

Mehl, Hülsenfrüchte, Schalgerste, 35 ,
    Reis, Sauerkraut, Pflaumen 35 ,

Kartoffeln1 1 / 2 Viertel,

Syrup1 1 / 2 ,

Caffee1 1 / 2 ,

Thee 1 / 5 ,

Cacao1 1 / 4 ,

Essig 2 Ouart,

Sago, Wein, Zucker, hinreichend,
    Salz     hinreichend,
Heringe, Hafergrütze,     hinreichend,
    Wachholderbeeren hinreichend,

Wasser im Ganzen1 1 / 3 resp.1 1 / 6 Oxhoft.

[Ende Spaltensatz]

Wir haben oben gesagt, der Proviant, der auf den englischen Schiffen
gesetzlich geliefert werden müsse, sei für halbverhungerte Jrländer bemessen;
wir fordern nun unsere Leser auf, die vorstehende Angabe des gesetzlichen
Proviants genauer zu beachten und sie werden sich von der Wahrheit
unseres Ausspruchs überzeugen. Gesetzlich haben die Passagiere keinen
Anspruch auf irgend welches Fleisch, auf Butter, nur Brod und Mehl
muß an festen Speisen gereicht werden; dabei würde ein Deutscher auf
dem Lande für längere Zeit kaum sein Leben fristen können, geschweige
denn auf der See, die den Appetit so sehr verstärkt. Für keine Abwechse-
lung der Speisen ist gesorgt, die bei der für Seeungewohnte auf dem
Meere so häufig eintretenden Unverdaulichkeit für die Gesundheit dringen-
des Erforderniß ist, abgesehen davon, daß es nothwendig Widerwillen
erregen muß, Wochenlang nur von Brod und Mehl zu leben. Daß davon
keine Rede ist, daß den Passagieren mehr geliefert wird, als was sie zu
fordern berechtigt sind, ist zu sehr Selbstverstand, als daß darüber noch
weiter zu sprechen wäre: daß ihnen aber nicht einmal immer das geliefert
wird, was sie zu fordern ein Recht haben, bezeugen häufige Klagen von
Auswanderern, die sowohl durch unsere Zeitung wie durch andere Blätter
veröffentlicht worden sind. Das neueste englische Passagiergesetz, welches
manche Uebelstände vermindert und sonst auch manche gute Bestimmung
enthält, sagt denn auch, daß jene obgedachten Vorräthe „ neben den
freiwilligen der Passagiere da sein müssen,
“ es ist die Bestim-
mung des Proviants eben mit Rücksicht auf die armen Jrländer getroffen,
deren Uebersiedelung durch bessere Beköstigung vertheuert werden müßte,
während man eine möglichst große Zahl derselben los zu werden wünscht;
es nimmt das Gesetz aber zugleich an, daß Leute, die es irgend vermögen,
sich selbst mit besseren und zweckmäßigeren Lebensmitteln versehen werden.
Dadurch wird aber die Reise über englische Häfen sehr bedeutend ver-
theuert, und der Auswanderer ist überdieß der Gefahr ausgesetzt, am
fremden Ort, der fremden Sprache, des fremden Geldes unkundig in
mannigfacher Weise übervortheilt zu werden. Daß aber auf dem Continent
gegebene Versprechungen in Betreff einer besseren als der gesetzlich vor-
geschriebenen Beköstigung nicht immer, vielleicht höchst selten, ja vielleicht
nie gehalten werden, darüber sind unzählige Klagen laut geworden. Eine
Verbesserung auf den englischen Schiffen ist übrigens durch die neueste
Passagier=Acte eingeführt worden, daß der Proviant, welcher gekocht zu
werden erfordert, täglich in gekochtem Zustande vertheilt werden soll. Daß
außerdem den Tag über Feuer auf dem Heerde und dieser für die Passagiere
der Reihe nach zugänglich sein soll, wird zum Besten derjenigen Passagiere
bestimmt sein, die eignen Proviant mit sich führen. – Betrachten wir nun
dagegen die Verpflegung, wie sie auf den Bremer Schiffen – und für die
anderen deutschen Häfen gelten ohngefähr gleiche Bestimmungen – geliefert
[Spaltenumbruch] werden muß, so fehlt es nicht an hinreichender Menge von consistenten
Speisen, es ist für eine die Gesundheit wie die Annehmlichkeit befriedigende
Abwechselung gesorgt, alle Speisen müssen in zubereitetem Zustande den
Auswanderern zugetheilt werden; es haben diese nicht nöthig, im Ein-
schiffungshafen Lebensmittel extra anzuschaffen, Fleisch, verschiedenes Ge-
müse, verschiedene Gewürze u. s. w. müssen gesetzlich da sein, und daß
dies der Fall ist, darüber wacht eine strenge Controlle, ohne die kein
Schiff den Hafen verlassen darf.



Auszug eines Briefes aus Valdivia
vom 8. August 1852.
( Fortsetzung. )

Es giebt nur wenige und keineswegs gefährliche wilde Thiere in der
Provinz. Der sogenannte Löwe ist mit einer großen Katze zu vergleichen,
stellt hauptsächlich jungen Füllen und Schaafen nach, flieht aber sogar vor
Hunden, und sind nur ein paar Fälle bekannt, daß er sich einem Menschen
widersetzt, oder gar einen solchen angefallen habe. Kleine Füchse, wilde
Katzen, Wiesel und Stinkthiere giebt es nur in geringer Menge. Ein
kleines zierliches Reh ( renado ) ist auch selten. Die Ratten werden oft zu
einer wahren Landplage, jedoch mehr in Chilo ë als hier. Die Papageien
und mehrere kleinere Vögel richten oft unter den Früchten großen Schaden
an. Schlangen und schädliche Jnsecten giebt es fast gar nicht, höchstens
in Wäldern und sumpfigen Gegenden.

Die Jndustrie beschränkt sich gegenwärtig fast ausschließlich auf das
Fällen und Behauen von Bauholz, welches ausschließlich mit Handsägen
( es giebt nur eine Sägemühle in der Provinz ) zu Brettern gesägt wird;
bei einer Nadelholzart, dem Alerze, ist dieses nicht einmal erforderlich, in-
dem deren Stamm sich leicht in Bretter spalten läßt. Die Rindshäute
werden immer noch getrocknet und gesalzen ausgeführt, denn die errichtete
deutsche Gerberei ist noch nicht im Gange; das Rindvieh giebt einen Han-
delsartikel für die Provinz Concepcion ab, und es werden wohl jährlich
3000 Stück dahin ausgeführt, ebenso geht viel Vieh nach Chilo ë. Die
unvollkommenen Landesmühlen befriedigen nicht den Bedarf der Provinz
an Mehl, weßhalb dasselbe von Valparaiso und Concepcion eingeführt wird.

Ein treffliches Mittel zur Beförderung des Verkehrs bieten die schiff-
baren Flüsse, von denen leider noch nicht der gebührende Gebrauch gemacht
wird. Außer dem Haupthafen von Valdivia, einem der besten der ganzen
Westküste von Amerika, besitzt die Provinz noch den Nebenhafen von Rio
Bueno, in der Mündung des gleichnamigen Flusses, ferner die Rheden von
Quenle, Chanchan, Milagro, Hueyusca u. s. w., doch ist die Schifffahrt
jetzt fast nur auf die beiden ersten Häfen beschränkt.

Ein kurzer Rückblick auf die Geschichte der Provinz Valdivia wird
über die Mißverhältnisse in ihrem jetzigen Zustande einige Aufklärung geben.

Nachdem in den Jahren 1552 und 53 die Städte Villarica, Valdivia
und Osorno von dem Generalcapitain Dn. Pedro Valdivia gegründet und
rasch emporgeblüht waren, erlagen sie in dem allgemeinen Aufstande der
Jndianer in den Jahren 1599 – 1602 einer gänzlichen Zerstörung und
nur wenige ihrer Bewohner entgingen dem Tode. Aus Osorno retteten
sich die meisten und flüchteten theilweise nach Chilo ë, theilweise ließen sie
sich in Calbuco nieder. Valdivia blieb lange gänzlich verlassen und wurde
nur in den Jahren 1600, 1636 und namentlich 1643 von den Holländern
besucht, welche, damals im Kriege mit den Spaniern, auf kurze Zeit vom
Hafen Besitz nahmen und sich im Jnnern der Provinz festzusetzen gedachten.
Sie wurden jedoch von den Jndianern sehr feindlich aufgenommen und
mußten ihre Niederlassung aufgeben. Kurz darauf kam das zu ihrer Ver-
folgung ausgesandte spanische Geschwader unter dem Befehl des Don
Francisco de Leiba, Sohnes des damaligen Vicekönigs von Peru, Marques
de Mancera, im Hafen von Valdivia an und nahm Besitz von den von
den Holländern verlassenen Festungswerken. Der Befehlshaber gründete
auf einer Jnsel, dem Eingange des Hafens gegenüber, welche seiner Familie
zu Ehren den Namen Mancera erhielt, von Neuem die Stadt Valdivia;
dieselbe blieb ganz unbedeutend und ein bloßer Verbannungsort mit einer
geringen Besatzung bis zum Jahre 1779, wo sie nach ihrem ehemaligen
und jetzigen Standorte verlegt ( ca. 3 Leguas vom Hafen, der Coral
genannt, entfernt ) und gleichfalls befestigt wurde. Nicht lange nachher
wurden auch die Ruinen der Stadt Osorno wieder aufgefunden und später
das Gebiet derselben dem Kaziken Caniupagui von der königl. Regierung
durch den Gobernador Don Ambrosio O'Higgins ( deßhalb zum Marques
de Osorno ernannt ) abgekauft und die Stadt mit Ansiedlern versehen.
Jn derselben Zeit, im letzten Viertel des vergangenen Jahrhunderts, geschah
die theilweise erneute Gründung von 12 verschiedenen Missionen und in
den letzten Jahren, nachdem einige der letzteren aufgehoben waren, wur-
den die von Pilmaiques ( in 1843 ) Trumao ( in 1847 ) und Jmperial ( 1850 )
errichtet. Die Jndianer verkauften allmählig ihre Ländereien an die
wenigen Bewohner von Valdivia und Osorno und die Vevölkerung nahm
durch das Zurückbleiben mancher Beamten, Soldaten und Sträflinge, so
wie durch die Einwanderung einiger spanischen Familien schwach zu.
Aller Verkehr beschränkte sich damals auf die Einfuhr von Lebensmitteln
für die Garnison und die Sträflinge, welche zum Bau der Festungswerke
im Hafen verwendet wurden, in einem jährlich von Lima kommenden
[Ende Spaltensatz]

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="jArticle" n="1">
        <p><pb facs="#f0002" n="376"/><fw type="pageNum" place="top">376</fw><cb type="start"/>
wir neben einander stellen, was in dieser Veziehung gesetzlich auf englischen,<lb/>
was auf bremischen Schiffen geliefert werden muß.</p><lb/>
        <cb type="start"/>
        <p><hi rendition="#c #g">Jn England</hi><lb/>
für jeden erwachsenen ( d. h. über<lb/>
14 Jahr alten ) Passagier; die Reise<lb/>
auf 10 Wochen berechnet:</p><lb/>
        <p>Fleisch nichts,</p><lb/>
        <p>Speck nichts,</p><lb/>
        <p>Brodt 25 <choice><abbr>P</abbr></choice>,</p><lb/>
        <p>Butter nichts,</p><lb/>
        <p>Waizenmehl, Reis 30 <choice><abbr>P</abbr></choice>,</p><lb/>
        <p>Hafermehl 50 <choice><abbr>P</abbr></choice>,</p><lb/>
        <p>Kartoffeln nichts,</p><lb/>
        <p>Syrup nichts,</p><lb/>
        <p>Caffee 40 Unzen, oder</p><lb/>
        <p>Thee 20 Unzen, oder</p><lb/>
        <p>Cichorien 40 Unzen,</p><lb/>
        <p>Essig nichts,</p><lb/>
        <p>Sago, Wein, Zucker, <choice><abbr>) </abbr></choice> 5 <choice><abbr>P</abbr></choice> Zucker,<lb/><space dim="horizontal"/>  Salz <choice><abbr>ec.</abbr></choice>   <space dim="horizontal"/>   <choice><abbr>) </abbr></choice> 20 Unzen Salz,<lb/>
Heringe, Hafergrütze,  <space dim="horizontal"/>   <choice><abbr>) </abbr></choice> nichts,<lb/><space dim="horizontal"/>  Wachholderbeeren <choice><abbr>ec.</abbr></choice> <choice><abbr>) </abbr></choice> nichts,</p><lb/>
        <p>Wasser täglich 3 Quart.</p><lb/>
        <p>Für1 1 / 4 <choice><abbr>P</abbr></choice> Hafermehl oder 1 <choice><abbr>P</abbr></choice> Reis<lb/>
können eingenommen werden: 5 <choice><abbr>P</abbr></choice> gute<lb/>
Kartoffeln, oder 1 / 2 <choice><abbr>P</abbr></choice> gepökeltes Rind-<lb/>
oder Schweinefleisch ohne Knochen, oder<lb/>
haltbares Fleisch, oder 3 / 4 <choice><abbr>P</abbr></choice> getrocknete<lb/>
Salzfische, oder 1 <choice><abbr>P</abbr></choice> Brod oder Zwieback<lb/>
nicht schlechter in Qualität als Schiffs-<lb/>
zwieback, oder 1 <choice><abbr>P</abbr></choice> bestes Waizenmehl,<lb/>
oder 1 <choice><abbr>P</abbr></choice> Splitterbsen.</p><lb/>
        <cb n="2"/>
        <p><hi rendition="#c #g">Jn Bremen</hi><lb/>
für jeden Passagier über 1 Jahr; die<lb/>
Reise auf 13 Wochen berechnet:</p><lb/>
        <p>Fleisch32 1 / 2 <choice><abbr>P</abbr></choice>,</p><lb/>
        <p>Speck 13 <choice><abbr>P</abbr></choice>,</p><lb/>
        <p>Brodt 26 <choice><abbr>P</abbr></choice> weißes und 39 <choice><abbr>P</abbr></choice> schwarzes,</p><lb/>
        <p>Butter4 7 / 8 <choice><abbr>P</abbr></choice>,</p><lb/>
        <p>Mehl, Hülsenfrüchte, Schalgerste, <choice><abbr>) </abbr></choice> 35 <choice><abbr>P</abbr></choice>,<lb/><space dim="horizontal"/>  Reis, Sauerkraut, Pflaumen <choice><abbr>) </abbr></choice> 35 <choice><abbr>P</abbr></choice>,</p><lb/>
        <p>Kartoffeln1 1 / 2 Viertel,</p><lb/>
        <p>Syrup1 1 / 2 <choice><abbr>P</abbr></choice>,</p><lb/>
        <p>Caffee1 1 / 2 <choice><abbr>P</abbr></choice>,</p><lb/>
        <p>Thee 1 / 5 <choice><abbr>P</abbr></choice>,</p><lb/>
        <p>Cacao1 1 / 4 <choice><abbr>P</abbr></choice>,</p><lb/>
        <p>Essig 2 Ouart,</p><lb/>
        <p>Sago, Wein, Zucker, <choice><abbr>) </abbr></choice> hinreichend,<lb/><space dim="horizontal"/>  Salz <choice><abbr>ec.</abbr></choice>   <space dim="horizontal"/>   <choice><abbr>) </abbr></choice> hinreichend,<lb/>
Heringe, Hafergrütze,  <space dim="horizontal"/>   <choice><abbr>) </abbr></choice> hinreichend,<lb/><space dim="horizontal"/>  Wachholderbeeren <choice><abbr>ec.</abbr></choice> <choice><abbr>) </abbr></choice> hinreichend,</p><lb/>
        <p>Wasser im Ganzen1 1 / 3 resp.1 1 / 6 Oxhoft.</p><lb/>
        <cb type="end"/>
        <p>Wir haben oben gesagt, der Proviant, der auf den englischen Schiffen<lb/>
gesetzlich geliefert werden müsse, sei für halbverhungerte Jrländer bemessen;<lb/>
wir fordern nun unsere Leser auf, die vorstehende Angabe des gesetzlichen<lb/>
Proviants genauer zu beachten und sie werden sich von der Wahrheit<lb/>
unseres Ausspruchs überzeugen. Gesetzlich haben die Passagiere keinen<lb/>
Anspruch auf irgend welches Fleisch, auf Butter, nur Brod und Mehl<lb/>
muß an festen Speisen gereicht werden; dabei würde ein Deutscher auf<lb/>
dem Lande für längere Zeit kaum sein Leben fristen können, geschweige<lb/>
denn auf der See, die den Appetit so sehr verstärkt. Für keine Abwechse-<lb/>
lung der Speisen ist gesorgt, die bei der für Seeungewohnte auf dem<lb/>
Meere so häufig eintretenden Unverdaulichkeit für die Gesundheit dringen-<lb/>
des Erforderniß ist, abgesehen davon, daß es nothwendig Widerwillen<lb/>
erregen muß, Wochenlang nur von Brod und Mehl zu leben. Daß davon<lb/>
keine Rede ist, daß den Passagieren mehr geliefert wird, als was sie zu<lb/>
fordern berechtigt sind, ist zu sehr Selbstverstand, als daß darüber noch<lb/>
weiter zu sprechen wäre: daß ihnen aber nicht einmal immer das geliefert<lb/>
wird, was sie zu fordern ein Recht haben, bezeugen häufige Klagen von<lb/>
Auswanderern, die sowohl durch unsere Zeitung wie durch andere Blätter<lb/>
veröffentlicht worden sind. Das neueste englische Passagiergesetz, welches<lb/>
manche Uebelstände vermindert und sonst auch manche gute Bestimmung<lb/>
enthält, sagt denn auch, daß jene obgedachten Vorräthe &#x201E; <hi rendition="#g">neben den<lb/>
freiwilligen der Passagiere da sein müssen,</hi> &#x201C; es ist die Bestim-<lb/>
mung des Proviants eben mit Rücksicht auf die armen Jrländer getroffen,<lb/>
deren Uebersiedelung durch bessere Beköstigung vertheuert werden müßte,<lb/>
während man eine möglichst große Zahl derselben los zu werden wünscht;<lb/>
es nimmt das Gesetz aber zugleich an, daß Leute, die es irgend vermögen,<lb/>
sich selbst mit besseren und zweckmäßigeren Lebensmitteln versehen werden.<lb/>
Dadurch wird aber die Reise über englische Häfen sehr bedeutend ver-<lb/>
theuert, und der Auswanderer ist überdieß der Gefahr ausgesetzt, am<lb/>
fremden Ort, der fremden Sprache, des fremden Geldes unkundig in<lb/>
mannigfacher Weise übervortheilt zu werden. Daß aber auf dem Continent<lb/>
gegebene Versprechungen in Betreff einer besseren als der gesetzlich vor-<lb/>
geschriebenen Beköstigung nicht immer, vielleicht höchst selten, ja vielleicht<lb/>
nie gehalten werden, darüber sind unzählige Klagen laut geworden. Eine<lb/>
Verbesserung auf den englischen Schiffen ist übrigens durch die neueste<lb/>
Passagier=Acte eingeführt worden, daß der Proviant, welcher gekocht zu<lb/>
werden erfordert, täglich in gekochtem Zustande vertheilt werden soll. Daß<lb/>
außerdem den Tag über Feuer auf dem Heerde und dieser für die Passagiere<lb/>
der Reihe nach zugänglich sein soll, wird zum Besten derjenigen Passagiere<lb/>
bestimmt sein, die eignen Proviant mit sich führen. &#x2013; Betrachten wir nun<lb/>
dagegen die Verpflegung, wie sie auf den Bremer Schiffen &#x2013; und für die<lb/>
anderen deutschen Häfen gelten ohngefähr gleiche Bestimmungen &#x2013; geliefert<lb/><cb n="2"/>
werden muß, so fehlt es nicht an hinreichender Menge von consistenten<lb/>
Speisen, es ist für eine die Gesundheit wie die Annehmlichkeit befriedigende<lb/>
Abwechselung gesorgt, alle Speisen müssen in zubereitetem Zustande den<lb/>
Auswanderern zugetheilt werden; es haben diese nicht nöthig, im Ein-<lb/>
schiffungshafen Lebensmittel extra anzuschaffen, Fleisch, verschiedenes Ge-<lb/>
müse, verschiedene Gewürze u. s. w. müssen gesetzlich da sein, und daß<lb/>
dies der Fall ist, darüber wacht eine strenge Controlle, ohne die kein<lb/>
Schiff den Hafen verlassen darf.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div xml:id="Brief2" type="jArticle" n="1">
        <head><hi rendition="#fr">Auszug eines Briefes aus Valdivia</hi><lb/><hi rendition="#g">vom</hi> 8. <hi rendition="#g">August 1852.</hi><lb/><ref target="nn_auswandererzeitung093_1852#Brief1">( Fortsetzung. )</ref></head><lb/>
        <p>Es giebt nur wenige und keineswegs gefährliche wilde Thiere in der<lb/>
Provinz. Der sogenannte Löwe ist mit einer großen Katze zu vergleichen,<lb/>
stellt hauptsächlich jungen Füllen und Schaafen nach, flieht aber sogar vor<lb/>
Hunden, und sind nur ein paar Fälle bekannt, daß er sich einem Menschen<lb/>
widersetzt, oder gar einen solchen angefallen habe. Kleine Füchse, wilde<lb/>
Katzen, Wiesel und Stinkthiere giebt es nur in geringer Menge. Ein<lb/>
kleines zierliches Reh ( <hi rendition="#aq">renado</hi> ) ist auch selten. Die Ratten werden oft zu<lb/>
einer wahren Landplage, jedoch mehr in Chilo <hi rendition="#aq">ë</hi> als hier. Die Papageien<lb/>
und mehrere kleinere Vögel richten oft unter den Früchten großen Schaden<lb/>
an. Schlangen und schädliche Jnsecten giebt es fast gar nicht, höchstens<lb/>
in Wäldern und sumpfigen Gegenden.</p><lb/>
        <p>Die Jndustrie beschränkt sich gegenwärtig fast ausschließlich auf das<lb/>
Fällen und Behauen von Bauholz, welches ausschließlich mit Handsägen<lb/>
( es giebt nur eine Sägemühle in der Provinz ) zu Brettern gesägt wird;<lb/>
bei einer Nadelholzart, dem Alerze, ist dieses nicht einmal erforderlich, in-<lb/>
dem deren Stamm sich leicht in Bretter spalten läßt. Die Rindshäute<lb/>
werden immer noch getrocknet und gesalzen ausgeführt, denn die errichtete<lb/>
deutsche Gerberei ist noch nicht im Gange; das Rindvieh giebt einen Han-<lb/>
delsartikel für die Provinz Concepcion ab, und es werden wohl jährlich<lb/>
3000 Stück dahin ausgeführt, ebenso geht viel Vieh nach Chilo <hi rendition="#aq">ë</hi>. Die<lb/>
unvollkommenen Landesmühlen befriedigen nicht den Bedarf der Provinz<lb/>
an Mehl, weßhalb dasselbe von Valparaiso und Concepcion eingeführt wird.</p><lb/>
        <p>Ein treffliches Mittel zur Beförderung des Verkehrs bieten die schiff-<lb/>
baren Flüsse, von denen leider noch nicht der gebührende Gebrauch gemacht<lb/>
wird. Außer dem Haupthafen von Valdivia, einem der besten der ganzen<lb/>
Westküste von Amerika, besitzt die Provinz noch den Nebenhafen von Rio<lb/>
Bueno, in der Mündung des gleichnamigen Flusses, ferner die Rheden von<lb/>
Quenle, Chanchan, Milagro, Hueyusca u. s. w., doch ist die Schifffahrt<lb/>
jetzt fast nur auf die beiden ersten Häfen beschränkt.</p><lb/>
        <p>Ein kurzer Rückblick auf die Geschichte der Provinz Valdivia wird<lb/>
über die Mißverhältnisse in ihrem jetzigen Zustande einige Aufklärung geben.</p><lb/>
        <p>Nachdem in den Jahren 1552 und 53 die Städte Villarica, Valdivia<lb/>
und Osorno von dem Generalcapitain Dn. Pedro Valdivia gegründet und<lb/>
rasch emporgeblüht waren, erlagen sie in dem allgemeinen Aufstande der<lb/>
Jndianer in den Jahren 1599 &#x2013; 1602 einer gänzlichen Zerstörung und<lb/>
nur wenige ihrer Bewohner entgingen dem Tode. Aus Osorno retteten<lb/>
sich die meisten und flüchteten theilweise nach Chilo <hi rendition="#aq">ë</hi>, theilweise ließen sie<lb/>
sich in Calbuco nieder. Valdivia blieb lange gänzlich verlassen und wurde<lb/>
nur in den Jahren 1600, 1636 und namentlich 1643 von den Holländern<lb/>
besucht, welche, damals im Kriege mit den Spaniern, auf kurze Zeit vom<lb/>
Hafen Besitz nahmen und sich im Jnnern der Provinz festzusetzen gedachten.<lb/>
Sie wurden jedoch von den Jndianern sehr feindlich aufgenommen und<lb/>
mußten ihre Niederlassung aufgeben. Kurz darauf kam das zu ihrer Ver-<lb/>
folgung ausgesandte spanische Geschwader unter dem Befehl des Don<lb/>
Francisco de Leiba, Sohnes des damaligen Vicekönigs von Peru, Marques<lb/>
de Mancera, im Hafen von Valdivia an und nahm Besitz von den von<lb/>
den Holländern verlassenen Festungswerken. Der Befehlshaber gründete<lb/>
auf einer Jnsel, dem Eingange des Hafens gegenüber, welche seiner Familie<lb/>
zu Ehren den Namen Mancera erhielt, von Neuem die Stadt Valdivia;<lb/>
dieselbe blieb ganz unbedeutend und ein bloßer Verbannungsort mit einer<lb/>
geringen Besatzung bis zum Jahre 1779, wo sie nach ihrem ehemaligen<lb/>
und jetzigen Standorte verlegt ( ca. 3 Leguas vom Hafen, der Coral<lb/>
genannt, entfernt ) und gleichfalls befestigt wurde. Nicht lange nachher<lb/>
wurden auch die Ruinen der Stadt Osorno wieder aufgefunden und später<lb/>
das Gebiet derselben dem Kaziken Caniupagui von der königl. Regierung<lb/>
durch den Gobernador Don Ambrosio O'Higgins ( deßhalb zum Marques<lb/>
de Osorno ernannt ) abgekauft und die Stadt mit Ansiedlern versehen.<lb/>
Jn derselben Zeit, im letzten Viertel des vergangenen Jahrhunderts, geschah<lb/>
die theilweise erneute Gründung von 12 verschiedenen Missionen und in<lb/>
den letzten Jahren, nachdem einige der letzteren aufgehoben waren, wur-<lb/>
den die von Pilmaiques ( in 1843 ) Trumao ( in 1847 ) und Jmperial ( 1850 )<lb/>
errichtet. Die Jndianer verkauften allmählig ihre Ländereien an die<lb/>
wenigen Bewohner von Valdivia und Osorno und die Vevölkerung nahm<lb/>
durch das Zurückbleiben mancher Beamten, Soldaten und Sträflinge, so<lb/>
wie durch die Einwanderung einiger spanischen Familien schwach zu.<lb/>
Aller Verkehr beschränkte sich damals auf die Einfuhr von Lebensmitteln<lb/>
für die Garnison und die Sträflinge, welche zum Bau der Festungswerke<lb/>
im Hafen verwendet wurden, in einem jährlich von Lima kommenden<lb/><cb type="end"/>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[376/0002] 376 wir neben einander stellen, was in dieser Veziehung gesetzlich auf englischen, was auf bremischen Schiffen geliefert werden muß. Jn England für jeden erwachsenen ( d. h. über 14 Jahr alten ) Passagier; die Reise auf 10 Wochen berechnet: Fleisch nichts, Speck nichts, Brodt 25 , Butter nichts, Waizenmehl, Reis 30 , Hafermehl 50 , Kartoffeln nichts, Syrup nichts, Caffee 40 Unzen, oder Thee 20 Unzen, oder Cichorien 40 Unzen, Essig nichts, Sago, Wein, Zucker, 5 Zucker, Salz 20 Unzen Salz, Heringe, Hafergrütze, nichts, Wachholderbeeren nichts, Wasser täglich 3 Quart. Für1 1 / 4 Hafermehl oder 1 Reis können eingenommen werden: 5 gute Kartoffeln, oder 1 / 2 gepökeltes Rind- oder Schweinefleisch ohne Knochen, oder haltbares Fleisch, oder 3 / 4 getrocknete Salzfische, oder 1 Brod oder Zwieback nicht schlechter in Qualität als Schiffs- zwieback, oder 1 bestes Waizenmehl, oder 1 Splitterbsen. Jn Bremen für jeden Passagier über 1 Jahr; die Reise auf 13 Wochen berechnet: Fleisch32 1 / 2 , Speck 13 , Brodt 26 weißes und 39 schwarzes, Butter4 7 / 8 , Mehl, Hülsenfrüchte, Schalgerste, 35 , Reis, Sauerkraut, Pflaumen 35 , Kartoffeln1 1 / 2 Viertel, Syrup1 1 / 2 , Caffee1 1 / 2 , Thee 1 / 5 , Cacao1 1 / 4 , Essig 2 Ouart, Sago, Wein, Zucker, hinreichend, Salz hinreichend, Heringe, Hafergrütze, hinreichend, Wachholderbeeren hinreichend, Wasser im Ganzen1 1 / 3 resp.1 1 / 6 Oxhoft. Wir haben oben gesagt, der Proviant, der auf den englischen Schiffen gesetzlich geliefert werden müsse, sei für halbverhungerte Jrländer bemessen; wir fordern nun unsere Leser auf, die vorstehende Angabe des gesetzlichen Proviants genauer zu beachten und sie werden sich von der Wahrheit unseres Ausspruchs überzeugen. Gesetzlich haben die Passagiere keinen Anspruch auf irgend welches Fleisch, auf Butter, nur Brod und Mehl muß an festen Speisen gereicht werden; dabei würde ein Deutscher auf dem Lande für längere Zeit kaum sein Leben fristen können, geschweige denn auf der See, die den Appetit so sehr verstärkt. Für keine Abwechse- lung der Speisen ist gesorgt, die bei der für Seeungewohnte auf dem Meere so häufig eintretenden Unverdaulichkeit für die Gesundheit dringen- des Erforderniß ist, abgesehen davon, daß es nothwendig Widerwillen erregen muß, Wochenlang nur von Brod und Mehl zu leben. Daß davon keine Rede ist, daß den Passagieren mehr geliefert wird, als was sie zu fordern berechtigt sind, ist zu sehr Selbstverstand, als daß darüber noch weiter zu sprechen wäre: daß ihnen aber nicht einmal immer das geliefert wird, was sie zu fordern ein Recht haben, bezeugen häufige Klagen von Auswanderern, die sowohl durch unsere Zeitung wie durch andere Blätter veröffentlicht worden sind. Das neueste englische Passagiergesetz, welches manche Uebelstände vermindert und sonst auch manche gute Bestimmung enthält, sagt denn auch, daß jene obgedachten Vorräthe „ neben den freiwilligen der Passagiere da sein müssen, “ es ist die Bestim- mung des Proviants eben mit Rücksicht auf die armen Jrländer getroffen, deren Uebersiedelung durch bessere Beköstigung vertheuert werden müßte, während man eine möglichst große Zahl derselben los zu werden wünscht; es nimmt das Gesetz aber zugleich an, daß Leute, die es irgend vermögen, sich selbst mit besseren und zweckmäßigeren Lebensmitteln versehen werden. Dadurch wird aber die Reise über englische Häfen sehr bedeutend ver- theuert, und der Auswanderer ist überdieß der Gefahr ausgesetzt, am fremden Ort, der fremden Sprache, des fremden Geldes unkundig in mannigfacher Weise übervortheilt zu werden. Daß aber auf dem Continent gegebene Versprechungen in Betreff einer besseren als der gesetzlich vor- geschriebenen Beköstigung nicht immer, vielleicht höchst selten, ja vielleicht nie gehalten werden, darüber sind unzählige Klagen laut geworden. Eine Verbesserung auf den englischen Schiffen ist übrigens durch die neueste Passagier=Acte eingeführt worden, daß der Proviant, welcher gekocht zu werden erfordert, täglich in gekochtem Zustande vertheilt werden soll. Daß außerdem den Tag über Feuer auf dem Heerde und dieser für die Passagiere der Reihe nach zugänglich sein soll, wird zum Besten derjenigen Passagiere bestimmt sein, die eignen Proviant mit sich führen. – Betrachten wir nun dagegen die Verpflegung, wie sie auf den Bremer Schiffen – und für die anderen deutschen Häfen gelten ohngefähr gleiche Bestimmungen – geliefert werden muß, so fehlt es nicht an hinreichender Menge von consistenten Speisen, es ist für eine die Gesundheit wie die Annehmlichkeit befriedigende Abwechselung gesorgt, alle Speisen müssen in zubereitetem Zustande den Auswanderern zugetheilt werden; es haben diese nicht nöthig, im Ein- schiffungshafen Lebensmittel extra anzuschaffen, Fleisch, verschiedenes Ge- müse, verschiedene Gewürze u. s. w. müssen gesetzlich da sein, und daß dies der Fall ist, darüber wacht eine strenge Controlle, ohne die kein Schiff den Hafen verlassen darf. Auszug eines Briefes aus Valdivia vom 8. August 1852. ( Fortsetzung. ) Es giebt nur wenige und keineswegs gefährliche wilde Thiere in der Provinz. Der sogenannte Löwe ist mit einer großen Katze zu vergleichen, stellt hauptsächlich jungen Füllen und Schaafen nach, flieht aber sogar vor Hunden, und sind nur ein paar Fälle bekannt, daß er sich einem Menschen widersetzt, oder gar einen solchen angefallen habe. Kleine Füchse, wilde Katzen, Wiesel und Stinkthiere giebt es nur in geringer Menge. Ein kleines zierliches Reh ( renado ) ist auch selten. Die Ratten werden oft zu einer wahren Landplage, jedoch mehr in Chilo ë als hier. Die Papageien und mehrere kleinere Vögel richten oft unter den Früchten großen Schaden an. Schlangen und schädliche Jnsecten giebt es fast gar nicht, höchstens in Wäldern und sumpfigen Gegenden. Die Jndustrie beschränkt sich gegenwärtig fast ausschließlich auf das Fällen und Behauen von Bauholz, welches ausschließlich mit Handsägen ( es giebt nur eine Sägemühle in der Provinz ) zu Brettern gesägt wird; bei einer Nadelholzart, dem Alerze, ist dieses nicht einmal erforderlich, in- dem deren Stamm sich leicht in Bretter spalten läßt. Die Rindshäute werden immer noch getrocknet und gesalzen ausgeführt, denn die errichtete deutsche Gerberei ist noch nicht im Gange; das Rindvieh giebt einen Han- delsartikel für die Provinz Concepcion ab, und es werden wohl jährlich 3000 Stück dahin ausgeführt, ebenso geht viel Vieh nach Chilo ë. Die unvollkommenen Landesmühlen befriedigen nicht den Bedarf der Provinz an Mehl, weßhalb dasselbe von Valparaiso und Concepcion eingeführt wird. Ein treffliches Mittel zur Beförderung des Verkehrs bieten die schiff- baren Flüsse, von denen leider noch nicht der gebührende Gebrauch gemacht wird. Außer dem Haupthafen von Valdivia, einem der besten der ganzen Westküste von Amerika, besitzt die Provinz noch den Nebenhafen von Rio Bueno, in der Mündung des gleichnamigen Flusses, ferner die Rheden von Quenle, Chanchan, Milagro, Hueyusca u. s. w., doch ist die Schifffahrt jetzt fast nur auf die beiden ersten Häfen beschränkt. Ein kurzer Rückblick auf die Geschichte der Provinz Valdivia wird über die Mißverhältnisse in ihrem jetzigen Zustande einige Aufklärung geben. Nachdem in den Jahren 1552 und 53 die Städte Villarica, Valdivia und Osorno von dem Generalcapitain Dn. Pedro Valdivia gegründet und rasch emporgeblüht waren, erlagen sie in dem allgemeinen Aufstande der Jndianer in den Jahren 1599 – 1602 einer gänzlichen Zerstörung und nur wenige ihrer Bewohner entgingen dem Tode. Aus Osorno retteten sich die meisten und flüchteten theilweise nach Chilo ë, theilweise ließen sie sich in Calbuco nieder. Valdivia blieb lange gänzlich verlassen und wurde nur in den Jahren 1600, 1636 und namentlich 1643 von den Holländern besucht, welche, damals im Kriege mit den Spaniern, auf kurze Zeit vom Hafen Besitz nahmen und sich im Jnnern der Provinz festzusetzen gedachten. Sie wurden jedoch von den Jndianern sehr feindlich aufgenommen und mußten ihre Niederlassung aufgeben. Kurz darauf kam das zu ihrer Ver- folgung ausgesandte spanische Geschwader unter dem Befehl des Don Francisco de Leiba, Sohnes des damaligen Vicekönigs von Peru, Marques de Mancera, im Hafen von Valdivia an und nahm Besitz von den von den Holländern verlassenen Festungswerken. Der Befehlshaber gründete auf einer Jnsel, dem Eingange des Hafens gegenüber, welche seiner Familie zu Ehren den Namen Mancera erhielt, von Neuem die Stadt Valdivia; dieselbe blieb ganz unbedeutend und ein bloßer Verbannungsort mit einer geringen Besatzung bis zum Jahre 1779, wo sie nach ihrem ehemaligen und jetzigen Standorte verlegt ( ca. 3 Leguas vom Hafen, der Coral genannt, entfernt ) und gleichfalls befestigt wurde. Nicht lange nachher wurden auch die Ruinen der Stadt Osorno wieder aufgefunden und später das Gebiet derselben dem Kaziken Caniupagui von der königl. Regierung durch den Gobernador Don Ambrosio O'Higgins ( deßhalb zum Marques de Osorno ernannt ) abgekauft und die Stadt mit Ansiedlern versehen. Jn derselben Zeit, im letzten Viertel des vergangenen Jahrhunderts, geschah die theilweise erneute Gründung von 12 verschiedenen Missionen und in den letzten Jahren, nachdem einige der letzteren aufgehoben waren, wur- den die von Pilmaiques ( in 1843 ) Trumao ( in 1847 ) und Jmperial ( 1850 ) errichtet. Die Jndianer verkauften allmählig ihre Ländereien an die wenigen Bewohner von Valdivia und Osorno und die Vevölkerung nahm durch das Zurückbleiben mancher Beamten, Soldaten und Sträflinge, so wie durch die Einwanderung einiger spanischen Familien schwach zu. Aller Verkehr beschränkte sich damals auf die Einfuhr von Lebensmitteln für die Garnison und die Sträflinge, welche zum Bau der Festungswerke im Hafen verwendet wurden, in einem jährlich von Lima kommenden

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

Weitere Informationen:

Dieser Text wurde aus dem TUSTEP-Format nach TEI-P5 konvertiert und anschließend in das DTA-Basisformat überführt.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_auswandererzeitung094_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_auswandererzeitung094_1852/2
Zitationshilfe: Deutsche Auswanderer-Zeitung. Nr. 94. Bremen, 23. November 1852, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_auswandererzeitung094_1852/2>, abgerufen am 20.05.2024.