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Badener Zeitung. Nr. 7, Baden (Niederösterreich), 24.01.1900.

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Badener Zeitung
(vormals Badener Bezirks-Blatt).

Abonnement Baden: Zum Abholen vierteljährig K 2·50, halbjährig K 5.--, ganzjährig K 10.--. Mit Zustellung ins Haus Baden: Vierteljährig K 3.--, halbjährig K 6.--,
ganzjährig K 12 --. Oesterreich-Ungarn: Mit Zusendung vierteljährig K 3.30, halbjährig K 6.50, ganzjährig K 13.--. Einzelne Mittwoch-Nummer 12 h., Samstag-Nummer
16 h. -- Anserate
werden per 80 mm breite Petitzeile mit 16 h für die erste, und mit 14 h für fünf nacheinander folgende Einschaltungen berechnet, größere Aufträge nach Ueber-
[ei]nkommen und können auch durch die bestehenden Annoncen-Bureaux an die Administration gerichtet werden. -- Interessante Mittheilungen, Notizen und Correspon-
denzen werden nach Uebereinkunft bonoriert. Mannscripte werden nicht zurückgestellt. -- Redaction und Administration: Baden, Pfarrgasse Nr. 3.
[Abbildung] Erscheint Mittwoch und Samstag früh. [Abbildung]
(Die Samstag-Nummer enthält die Gratis-Beilage "Illustriertes Unterhaltungsblatt".)




Nr. 7. Mittwoch, den 24. Jänner 1900. 20. Jahrg.


[Spaltenumbruch]
Das neue Ministerium.

Die "Wiener Zeitung" vom Samstag ver-
öffentlicht die Demmission des Ministeriums Wittek
und zugleich die Liste des neuen vom Kaiser über
Vorschlag des bisherigen Ministers des Inneren,
Dr. v. Körber, ernannten Cabinettes. Nach dieser
Verlautbarung übernimmt Dr. v. Körber abermals
das Ressort des Inneren und bekleidet gleichzeitig
die Stelle des Ministerpräsidenten; ebenso werden
Graf Welsersheimb als Landesvertheidigungs-
minister und Dr. v. Wittek als Eisenbahnminister
in ihren bisherigen Stellungen belassen und neu
erannnt: Dr. R. Böhm v. Bawerk zum Finanz-
minister, Alois Feiherr v. Spens-Boden zum
Justizminister, Dr. Wilhelm R. v. Hartel zum
Minister für Cultus und Unterricht, Guido
Freiherr v. Call zu Rosenburg und Culmbach
zum Handelsminister, Karl Freiherr v. Giovanelli
zum Ackerbauminister, Sectionschef Dr. Anton
Rezek und Hofrath Dr. Leopold Pientak zum
Landsmannminister für Böhmen und Galizien.

Damit ist die lange vorher angekündigte
Ära der Verständigungsaction und der Wieder-
herstellung gesunder Verhältnisse in Österreich
gebrochen. Thatsächlich soll die Verständigungs-
action selbst auch sofort beginnen, nachdem es
Dr. v. Körber angeblich gelungen ist, in den der
Neubildung des Cabinettes vorausgegangenen
mehrwöchentlichen Verhandlungen mit den czechi-
schen und deutschen Parteiführern den Boden für
eine solche Action genügend vorzubereiten. Die
in Aussicht genommene Conferenz czechischer und
deutscher Vertrauensmänner soll so lange tagen,
bis ein greifbares Resultat, sei es im positiven
[Spaltenumbruch] oder negativen Sinne, erzielt worden ist. Erst in
ersterem Falle soll dann der Reichsrath wieder
zusammentreten und man hofft, dass dies gegen
den 20. Februar zu wird geschehen können.

Das neue Ministerium ist infolgedessen nicht
in der Lage, sich sofort nach seiner Constituierung
in üblicher Weise dem Parlament vorzustellen
und dort sein Programm zu entwickeln. Um diese
Lücke auszufüllen, wurde abermals das amtliche
Organ in Anspruch genommen und es enthält
die "Wiener Abendpost" vom Samstag die fol-
gende officielle Erklärung der neuen Regierung:

"Die durch das Vertrauen Sr. Majestät be-
rufene neue Regierung erblickt ihre wichtigste
politische Aufgabe in der einverständlichen Bei-
legung des nationalen Streites, ihre culturelle
und wirtschaftliche Mission in der Zusammen-
fassung aller Kräfte zum Gedeihen des Staates.
Die nationalen Kämpfe, schon an sich, besonders
aber durch ihre lange Dauer so bedauernswert,
haben die Geister zur einseitigen politischen
Leidenschaft gedrängt, die Energie des Volkes,
die auf zahlreichen Gebieten positive, segens-
reiche Arbeit hätte verrichten sollen, unterbunden,
den socialen Verkehr geschädigt und selbst Inte-
ressen in den Hintergrund gedrängt, die allen
Volksstämmen gemeinsam sind. Die Erkenntnis
dieser schweren Schäden hat in allen ernsten
Kreisen der Überzeugung Bahn gebrochen, dass
es unerlässlich ist, den nationalen Kampf zu be-
endigen oder doch wesentlich zu mildern und
unsere öffentlichen Einrichtungen vor weiteren
Erschütterungen zu bewahren. Die Erfahrungen
der letzten Jahre haben gezeigt, dass in nationalen
Fragen nur das sich zu behaupten vermag, was
[Spaltenumbruch] aus dem übereinstimmenden Willen der Be-
theiligten hervorgeht. Allseitige Mäßigung und
eine durch die Existenzbedingungen des Staates
gebotene Opferwilligkeit können einen redlichen
Vergleich über die nationalen Streitpunkte er-
möglichen. Die Regierung ist der Ansicht, es
werde zur Aufhebung und Entwirrung der Ver-
hältnisse viel beitragen, wenn die strittigen
Fragen sofort auf das Gebiet praktischer Vor-
schläge geleitet werden. Die Regierung wird
daher schon in den nächsten Tagen die betheiligten
Parteien einladen, Vertrauensmänner zu einer
Conferenz nach Wien zu entsenden, denen sie
unter eigener activer Theilnahme an der Be-
rathung eine Reihe von concreten Vorschlägen
zur Beilegung der bestehenden Gegensätze unter-
breiten wird. Eine der ersten Aufgaben des dann
einzuberufenden Reichsrathes wird es sein, inner-
halb seines Wirkungskreises auf Grund des Er-
gebnisses dieser Verhandlungen über die hier in
Betracht kommenden Fragen Beschluss zu fassen.

Mit der politischen Action des Ministeriums
soll eine rege Initiative auf allen anderen Ge-
bieten Hand in Hand gehen. Der nachdrücklichsten
Fürsorge bedürfen besonders die wirtschaftlichen
Verhältnisse. Trotz aller in so reichem Maße
gegebenen Voraussetzungen ist die Entwicklung
unserer productiven Thätigkeit arg gehemmt und
leidet schwer unter den Folgen des nationalen
Zwistes. In einem Augenblicke, wo die industrielle
Weltconjunctur zu gesteigerter Arbeit und zur
Vereinigung aller Kräfte drängt, sind diese bei
uns gelähmt und gebunden durch den nationalen
Kampf. Sie freizumachen und in den Dienst der
Wohlfahrt und des socialen Fortschrittes der




[Spaltenumbruch]
[Abbildung] Feuilleton [Abbildung]



Der dänische Gesandte.

(Nachdruck verboten.)

Zu den zahlreichen Freunden, welche sich mein
Va[t]er als Bürger und Meister der Stadt G. er-
worben hatte, gehörte auch ein reicher Gerbermeister
namens Jens Berg. Er war ein geborener Däne
und hatte sich durch Fleiß und Sparsamkeit in ver-
hältnismäßig kurzer Zeit ein Vermögen erworben;
seine Frau war eine Bürgerstochter aus wohl-
habender Familie; sie war klein, dick, kurzsichtig und
hieß Mienel.

Eines Morgens, als mein Vater in seiner
Werkstatt beschäftigt war, trat Berg herein. Sein
Gesicht trug den ärgerlichen Ausdruck, und er fragte
meinen Vater, ob er Zeit hätte, eine Flasche Wein
mit ihm zu trinken. Mein Vater erwiderte: "Ich nehme
mir welche", und sie giengen in die auf derselben
Straße gelegene Weinstube. Wein löst bekanntlich
die Herzen und die Zungen, und so erzählte denn
Berg bei der zweiten Flasche, dass er großen Ärger
im Hause habe, seine Frau koche so schlecht und so
knapp, dass er sich vor seinen Gesellen und Lehr-
jungen schämen müsse. "Wozu spart sie denn", fuhr
er fort, "wir haben ein bezahltes Grundstück nebst
Geschäft mit großen Außenständen und keine Kinder.
Wenn ich ihr einmal einen rechten Streich spielen
könnte! Du hast immer so gute Einfälle; denke ein
wenig darüber nach; nur eines sage ich Dir: Geld
muss es kosten".


[Spaltenumbruch]

Mein Vater versprach, sich die Sache zu über-
legen, und beide schieden mit Händedruck.

Zwei Tage später spazierte mein Vater sehr
vergnügt zu Bergs hinunter. Letztere wohnten außer-
halb der Stadt; sie saßen bei Ankunft meines
Vaters gerade in einem auf einer kleinen Anhöhe
erbauten Sommerhäuschen und grüßten ihn schon
von weitem mit einem herzlichen "Guten Morgen,
Herr Gevatter". Nachdem die zweite Begrüßung vor-
über und er platzgenommen hatte, fragte Mienel:
"Was giebt's Neues in der Stadt?"

"Heute bringe ich eine Neuigkeit, welche Sie,
besonders aber den Jens, interessieren wird."

"Und das wäre?"

Mienel's Neugier war zu entschuldigen, denn
damals hatte die Stadt noch keine Eisenbahn, und
selten wurde die Eintönigkeit des Alltagslebens durch
ungewöhnliche Vorfälle unterbrochen.

"Im "braunen Hirsch" ist der dänische Ge-
sandte angemeldet", erwiderte mein Vater auf die
Frage Mienels, "der Herr Bürgermeister sagte es
mir im Vorbeigehen und meinte, es wäre doch
schicklich, wenn Jens, als der einzige hier lebende
Däne, ihm seine Aufwartung machte."

"Das will ich mir erst überlegen", sagte Berg
trocken, aber Mienel erwiderte hochmüthig: "Wenn
es der Herr Bürgermeister wünscht, wirst Du gehen".

Nachdem sie noch eine Stunde geplaudert hatten,
gieng mein Vater wieder nach Hause. Am nächsten
Tage erhielt Berg vom Bürgermeister ein Schreiben,
in welchem ihm dieser mittheilte, dass morgen,
Donnerstag, der dänische Gesandte im "braunen
Hirsch" eintreffen würde und die Höflichkeit es er-
fordere, dass er, Berg, als einziger in der Stadt
lebender Däne, den hohen Würdenträger bewill-
[Spaltenumbruch] kommne. Als Berg das Schreiben gelesen hatte, sagte
er ärgerlich zu Mienel: "Da muss ich allerdings
gehen, obgleich mir gar nichts daran liegt; mache
mir meinen Frack, die schwarzen Beinkleider und
weiße Weste zurecht und besorge ein neues, hell-
seidenes Halstuch." Mienel war ganz stolz, holte
sogleich die Kleidungsstücke, untersuchte mit peinlicher
Genauigkeit die Taschen, Aufhänger und Knöpfe, und,
als das beendet, gieng sie zur Stadt und kaufte ein
pfirsichblütenfarbenes seidenes Halstuch. Die Be-
kannten, welche sie auf ihrem Wege traf, fertigte sie
kurz ab mit dem Hinweise, dass sie in einer äußerst
wichtigen, internationalen Mission zur Stadt ge-
kommen und dass die Einwohner derselben in einigen
Tagen besser wissen würden, wer sie, Mienel Berg,
sei. Die Leute schüttelten den Kopf und wunderten
sich über das hochtrabende Gebahren der Gerber-
meisterin.

Am nächsten Vormittag um elf Uhr gieng Berg
zur Staatsvisite in die Werkstatt meines Vaters.
"Was nun?" fragte er lachend. "Werde es Dir
beim Frühschoppen erzählen."

Mienel gieng unterdessen ungeduldig im Zimmer
auf und ab; zuweilen stellte sie sich an die Haus-
thüre, um zu sehen, ob ihr Mann noch nicht komme;
das Essen ließ sie total verbrennen. Endlich kam
Berg an und sofort gieng sie ihm entgegen, um zu
erfahren, was der Gesandte gesagt hatte.

"Lass mich nur erst ins Haus treten, dann
sollst Du alles erfahren." Mienel's Neugier erreichte
den höchsten Grad. "Erzähle doch endlich", bat sie.
"Nun", begann Berg, "der Gesandte war sehr
erfreut, einen Dänen hier zu finden; ich sagte ihm,
dass es mir sehr gut gehe, schönes Wohnhaus, aus-
gedehnten Garten und gut gehende Gerberei besitze,


Badener Zeitung
(vormals Badener Bezirks-Blatt).

Abonnement Baden: Zum Abholen vierteljährig K 2·50, halbjährig K 5.—, ganzjährig K 10.—. Mit Zuſtellung ins Haus Baden: Vierteljährig K 3.—, halbjährig K 6.—,
ganzjährig K 12 —. Oeſterreich-Ungarn: Mit Zuſendung vierteljährig K 3.30, halbjährig K 6.50, ganzjährig K 13.—. Einzelne Mittwoch-Nummer 12 h., Samstag-Nummer
16 h. — Anſerate
werden per 80 mm breite Petitzeile mit 16 h für die erſte, und mit 14 h für fünf nacheinander folgende Einſchaltungen berechnet, größere Aufträge nach Ueber-
[ei]nkommen und können auch durch die beſtehenden Annoncen-Bureaux an die Adminiſtration gerichtet werden. — Intereſſante Mittheilungen, Notizen und Correſpon-
denzen werden nach Uebereinkunft bonoriert. Mannſcripte werden nicht zurückgeſtellt. — Redaction und Adminiſtration: Baden, Pfarrgaſſe Nr. 3.
[Abbildung] Erſcheint Mittwoch und Samstag früh. [Abbildung]
(Die Samstag-Nummer enthält die Gratis-Beilage „Illuſtriertes Unterhaltungsblatt“.)




Nr. 7. Mittwoch, den 24. Jänner 1900. 20. Jahrg.


[Spaltenumbruch]
Das neue Miniſterium.

Die „Wiener Zeitung“ vom Samstag ver-
öffentlicht die Demmiſſion des Miniſteriums Wittek
und zugleich die Liſte des neuen vom Kaiſer über
Vorſchlag des bisherigen Miniſters des Inneren,
Dr. v. Körber, ernannten Cabinettes. Nach dieſer
Verlautbarung übernimmt Dr. v. Körber abermals
das Reſſort des Inneren und bekleidet gleichzeitig
die Stelle des Miniſterpräſidenten; ebenſo werden
Graf Welſersheimb als Landesvertheidigungs-
miniſter und Dr. v. Wittek als Eiſenbahnminiſter
in ihren bisherigen Stellungen belaſſen und neu
erannnt: Dr. R. Böhm v. Bawerk zum Finanz-
miniſter, Alois Feiherr v. Spens-Boden zum
Juſtizminiſter, Dr. Wilhelm R. v. Hartel zum
Miniſter für Cultus und Unterricht, Guido
Freiherr v. Call zu Roſenburg und Culmbach
zum Handelsminiſter, Karl Freiherr v. Giovanelli
zum Ackerbauminiſter, Sectionschef Dr. Anton
Rezek und Hofrath Dr. Leopold Pientak zum
Landsmannminiſter für Böhmen und Galizien.

Damit iſt die lange vorher angekündigte
Ära der Verſtändigungsaction und der Wieder-
herſtellung geſunder Verhältniſſe in Öſterreich
gebrochen. Thatſächlich ſoll die Verſtändigungs-
action ſelbſt auch ſofort beginnen, nachdem es
Dr. v. Körber angeblich gelungen iſt, in den der
Neubildung des Cabinettes vorausgegangenen
mehrwöchentlichen Verhandlungen mit den czechi-
ſchen und deutſchen Parteiführern den Boden für
eine ſolche Action genügend vorzubereiten. Die
in Ausſicht genommene Conferenz czechiſcher und
deutſcher Vertrauensmänner ſoll ſo lange tagen,
bis ein greifbares Reſultat, ſei es im poſitiven
[Spaltenumbruch] oder negativen Sinne, erzielt worden iſt. Erſt in
erſterem Falle ſoll dann der Reichsrath wieder
zuſammentreten und man hofft, daſs dies gegen
den 20. Februar zu wird geſchehen können.

Das neue Miniſterium iſt infolgedeſſen nicht
in der Lage, ſich ſofort nach ſeiner Conſtituierung
in üblicher Weiſe dem Parlament vorzuſtellen
und dort ſein Programm zu entwickeln. Um dieſe
Lücke auszufüllen, wurde abermals das amtliche
Organ in Anſpruch genommen und es enthält
die „Wiener Abendpoſt“ vom Samstag die fol-
gende officielle Erklärung der neuen Regierung:

„Die durch das Vertrauen Sr. Majeſtät be-
rufene neue Regierung erblickt ihre wichtigſte
politiſche Aufgabe in der einverſtändlichen Bei-
legung des nationalen Streites, ihre culturelle
und wirtſchaftliche Miſſion in der Zuſammen-
faſſung aller Kräfte zum Gedeihen des Staates.
Die nationalen Kämpfe, ſchon an ſich, beſonders
aber durch ihre lange Dauer ſo bedauernswert,
haben die Geiſter zur einſeitigen politiſchen
Leidenſchaft gedrängt, die Energie des Volkes,
die auf zahlreichen Gebieten poſitive, ſegens-
reiche Arbeit hätte verrichten ſollen, unterbunden,
den ſocialen Verkehr geſchädigt und ſelbſt Inte-
reſſen in den Hintergrund gedrängt, die allen
Volksſtämmen gemeinſam ſind. Die Erkenntnis
dieſer ſchweren Schäden hat in allen ernſten
Kreiſen der Überzeugung Bahn gebrochen, daſs
es unerläſslich iſt, den nationalen Kampf zu be-
endigen oder doch weſentlich zu mildern und
unſere öffentlichen Einrichtungen vor weiteren
Erſchütterungen zu bewahren. Die Erfahrungen
der letzten Jahre haben gezeigt, daſs in nationalen
Fragen nur das ſich zu behaupten vermag, was
[Spaltenumbruch] aus dem übereinſtimmenden Willen der Be-
theiligten hervorgeht. Allſeitige Mäßigung und
eine durch die Exiſtenzbedingungen des Staates
gebotene Opferwilligkeit können einen redlichen
Vergleich über die nationalen Streitpunkte er-
möglichen. Die Regierung iſt der Anſicht, es
werde zur Aufhebung und Entwirrung der Ver-
hältniſſe viel beitragen, wenn die ſtrittigen
Fragen ſofort auf das Gebiet praktiſcher Vor-
ſchläge geleitet werden. Die Regierung wird
daher ſchon in den nächſten Tagen die betheiligten
Parteien einladen, Vertrauensmänner zu einer
Conferenz nach Wien zu entſenden, denen ſie
unter eigener activer Theilnahme an der Be-
rathung eine Reihe von concreten Vorſchlägen
zur Beilegung der beſtehenden Gegenſätze unter-
breiten wird. Eine der erſten Aufgaben des dann
einzuberufenden Reichsrathes wird es ſein, inner-
halb ſeines Wirkungskreiſes auf Grund des Er-
gebniſſes dieſer Verhandlungen über die hier in
Betracht kommenden Fragen Beſchluſs zu faſſen.

Mit der politiſchen Action des Miniſteriums
ſoll eine rege Initiative auf allen anderen Ge-
bieten Hand in Hand gehen. Der nachdrücklichſten
Fürſorge bedürfen beſonders die wirtſchaftlichen
Verhältniſſe. Trotz aller in ſo reichem Maße
gegebenen Vorausſetzungen iſt die Entwicklung
unſerer productiven Thätigkeit arg gehemmt und
leidet ſchwer unter den Folgen des nationalen
Zwiſtes. In einem Augenblicke, wo die induſtrielle
Weltconjunctur zu geſteigerter Arbeit und zur
Vereinigung aller Kräfte drängt, ſind dieſe bei
uns gelähmt und gebunden durch den nationalen
Kampf. Sie freizumachen und in den Dienſt der
Wohlfahrt und des ſocialen Fortſchrittes der




[Spaltenumbruch]
[Abbildung] Feuilleton [Abbildung]



Der däniſche Geſandte.

(Nachdruck verboten.)

Zu den zahlreichen Freunden, welche ſich mein
Va[t]er als Bürger und Meiſter der Stadt G. er-
worben hatte, gehörte auch ein reicher Gerbermeiſter
namens Jens Berg. Er war ein geborener Däne
und hatte ſich durch Fleiß und Sparſamkeit in ver-
hältnismäßig kurzer Zeit ein Vermögen erworben;
ſeine Frau war eine Bürgerstochter aus wohl-
habender Familie; ſie war klein, dick, kurzſichtig und
hieß Mienel.

Eines Morgens, als mein Vater in ſeiner
Werkſtatt beſchäftigt war, trat Berg herein. Sein
Geſicht trug den ärgerlichen Ausdruck, und er fragte
meinen Vater, ob er Zeit hätte, eine Flaſche Wein
mit ihm zu trinken. Mein Vater erwiderte: „Ich nehme
mir welche“, und ſie giengen in die auf derſelben
Straße gelegene Weinſtube. Wein löst bekanntlich
die Herzen und die Zungen, und ſo erzählte denn
Berg bei der zweiten Flaſche, daſs er großen Ärger
im Hauſe habe, ſeine Frau koche ſo ſchlecht und ſo
knapp, daſs er ſich vor ſeinen Geſellen und Lehr-
jungen ſchämen müſſe. „Wozu ſpart ſie denn“, fuhr
er fort, „wir haben ein bezahltes Grundſtück nebſt
Geſchäft mit großen Außenſtänden und keine Kinder.
Wenn ich ihr einmal einen rechten Streich ſpielen
könnte! Du haſt immer ſo gute Einfälle; denke ein
wenig darüber nach; nur eines ſage ich Dir: Geld
muſs es koſten“.


[Spaltenumbruch]

Mein Vater verſprach, ſich die Sache zu über-
legen, und beide ſchieden mit Händedruck.

Zwei Tage ſpäter ſpazierte mein Vater ſehr
vergnügt zu Bergs hinunter. Letztere wohnten außer-
halb der Stadt; ſie ſaßen bei Ankunft meines
Vaters gerade in einem auf einer kleinen Anhöhe
erbauten Sommerhäuschen und grüßten ihn ſchon
von weitem mit einem herzlichen „Guten Morgen,
Herr Gevatter“. Nachdem die zweite Begrüßung vor-
über und er platzgenommen hatte, fragte Mienel:
„Was giebt’s Neues in der Stadt?“

„Heute bringe ich eine Neuigkeit, welche Sie,
beſonders aber den Jens, intereſſieren wird.“

„Und das wäre?“

Mienel’s Neugier war zu entſchuldigen, denn
damals hatte die Stadt noch keine Eiſenbahn, und
ſelten wurde die Eintönigkeit des Alltagslebens durch
ungewöhnliche Vorfälle unterbrochen.

„Im „braunen Hirſch“ iſt der däniſche Ge-
ſandte angemeldet“, erwiderte mein Vater auf die
Frage Mienels, „der Herr Bürgermeiſter ſagte es
mir im Vorbeigehen und meinte, es wäre doch
ſchicklich, wenn Jens, als der einzige hier lebende
Däne, ihm ſeine Aufwartung machte.“

„Das will ich mir erſt überlegen“, ſagte Berg
trocken, aber Mienel erwiderte hochmüthig: „Wenn
es der Herr Bürgermeiſter wünſcht, wirſt Du gehen“.

Nachdem ſie noch eine Stunde geplaudert hatten,
gieng mein Vater wieder nach Hauſe. Am nächſten
Tage erhielt Berg vom Bürgermeiſter ein Schreiben,
in welchem ihm dieſer mittheilte, daſs morgen,
Donnerstag, der däniſche Geſandte im „braunen
Hirſch“ eintreffen würde und die Höflichkeit es er-
fordere, daſs er, Berg, als einziger in der Stadt
lebender Däne, den hohen Würdenträger bewill-
[Spaltenumbruch] kommne. Als Berg das Schreiben geleſen hatte, ſagte
er ärgerlich zu Mienel: „Da muſs ich allerdings
gehen, obgleich mir gar nichts daran liegt; mache
mir meinen Frack, die ſchwarzen Beinkleider und
weiße Weſte zurecht und beſorge ein neues, hell-
ſeidenes Halstuch.“ Mienel war ganz ſtolz, holte
ſogleich die Kleidungsſtücke, unterſuchte mit peinlicher
Genauigkeit die Taſchen, Aufhänger und Knöpfe, und,
als das beendet, gieng ſie zur Stadt und kaufte ein
pfirſichblütenfarbenes ſeidenes Halstuch. Die Be-
kannten, welche ſie auf ihrem Wege traf, fertigte ſie
kurz ab mit dem Hinweiſe, daſs ſie in einer äußerſt
wichtigen, internationalen Miſſion zur Stadt ge-
kommen und daſs die Einwohner derſelben in einigen
Tagen beſſer wiſſen würden, wer ſie, Mienel Berg,
ſei. Die Leute ſchüttelten den Kopf und wunderten
ſich über das hochtrabende Gebahren der Gerber-
meiſterin.

Am nächſten Vormittag um elf Uhr gieng Berg
zur Staatsviſite in die Werkſtatt meines Vaters.
„Was nun?“ fragte er lachend. „Werde es Dir
beim Frühſchoppen erzählen.“

Mienel gieng unterdeſſen ungeduldig im Zimmer
auf und ab; zuweilen ſtellte ſie ſich an die Haus-
thüre, um zu ſehen, ob ihr Mann noch nicht komme;
das Eſſen ließ ſie total verbrennen. Endlich kam
Berg an und ſofort gieng ſie ihm entgegen, um zu
erfahren, was der Geſandte geſagt hatte.

„Laſs mich nur erſt ins Haus treten, dann
ſollſt Du alles erfahren.“ Mienel’s Neugier erreichte
den höchſten Grad. „Erzähle doch endlich“, bat ſie.
„Nun“, begann Berg, „der Geſandte war ſehr
erfreut, einen Dänen hier zu finden; ich ſagte ihm,
daſs es mir ſehr gut gehe, ſchönes Wohnhaus, aus-
gedehnten Garten und gut gehende Gerberei beſitze,


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[[1]/0001] Badener Zeitung (vormals Badener Bezirks-Blatt). Abonnement Baden: Zum Abholen vierteljährig K 2·50, halbjährig K 5.—, ganzjährig K 10.—. Mit Zuſtellung ins Haus Baden: Vierteljährig K 3.—, halbjährig K 6.—, ganzjährig K 12 —. Oeſterreich-Ungarn: Mit Zuſendung vierteljährig K 3.30, halbjährig K 6.50, ganzjährig K 13.—. Einzelne Mittwoch-Nummer 12 h., Samstag-Nummer 16 h. — Anſerate werden per 80 mm breite Petitzeile mit 16 h für die erſte, und mit 14 h für fünf nacheinander folgende Einſchaltungen berechnet, größere Aufträge nach Ueber- einkommen und können auch durch die beſtehenden Annoncen-Bureaux an die Adminiſtration gerichtet werden. — Intereſſante Mittheilungen, Notizen und Correſpon- denzen werden nach Uebereinkunft bonoriert. Mannſcripte werden nicht zurückgeſtellt. — Redaction und Adminiſtration: Baden, Pfarrgaſſe Nr. 3. [Abbildung] Erſcheint Mittwoch und Samstag früh. [Abbildung] (Die Samstag-Nummer enthält die Gratis-Beilage „Illuſtriertes Unterhaltungsblatt“.) Nr. 7. Mittwoch, den 24. Jänner 1900. 20. Jahrg. Das neue Miniſterium. Die „Wiener Zeitung“ vom Samstag ver- öffentlicht die Demmiſſion des Miniſteriums Wittek und zugleich die Liſte des neuen vom Kaiſer über Vorſchlag des bisherigen Miniſters des Inneren, Dr. v. Körber, ernannten Cabinettes. Nach dieſer Verlautbarung übernimmt Dr. v. Körber abermals das Reſſort des Inneren und bekleidet gleichzeitig die Stelle des Miniſterpräſidenten; ebenſo werden Graf Welſersheimb als Landesvertheidigungs- miniſter und Dr. v. Wittek als Eiſenbahnminiſter in ihren bisherigen Stellungen belaſſen und neu erannnt: Dr. R. Böhm v. Bawerk zum Finanz- miniſter, Alois Feiherr v. Spens-Boden zum Juſtizminiſter, Dr. Wilhelm R. v. Hartel zum Miniſter für Cultus und Unterricht, Guido Freiherr v. Call zu Roſenburg und Culmbach zum Handelsminiſter, Karl Freiherr v. Giovanelli zum Ackerbauminiſter, Sectionschef Dr. Anton Rezek und Hofrath Dr. Leopold Pientak zum Landsmannminiſter für Böhmen und Galizien. Damit iſt die lange vorher angekündigte Ära der Verſtändigungsaction und der Wieder- herſtellung geſunder Verhältniſſe in Öſterreich gebrochen. Thatſächlich ſoll die Verſtändigungs- action ſelbſt auch ſofort beginnen, nachdem es Dr. v. Körber angeblich gelungen iſt, in den der Neubildung des Cabinettes vorausgegangenen mehrwöchentlichen Verhandlungen mit den czechi- ſchen und deutſchen Parteiführern den Boden für eine ſolche Action genügend vorzubereiten. Die in Ausſicht genommene Conferenz czechiſcher und deutſcher Vertrauensmänner ſoll ſo lange tagen, bis ein greifbares Reſultat, ſei es im poſitiven oder negativen Sinne, erzielt worden iſt. Erſt in erſterem Falle ſoll dann der Reichsrath wieder zuſammentreten und man hofft, daſs dies gegen den 20. Februar zu wird geſchehen können. Das neue Miniſterium iſt infolgedeſſen nicht in der Lage, ſich ſofort nach ſeiner Conſtituierung in üblicher Weiſe dem Parlament vorzuſtellen und dort ſein Programm zu entwickeln. Um dieſe Lücke auszufüllen, wurde abermals das amtliche Organ in Anſpruch genommen und es enthält die „Wiener Abendpoſt“ vom Samstag die fol- gende officielle Erklärung der neuen Regierung: „Die durch das Vertrauen Sr. Majeſtät be- rufene neue Regierung erblickt ihre wichtigſte politiſche Aufgabe in der einverſtändlichen Bei- legung des nationalen Streites, ihre culturelle und wirtſchaftliche Miſſion in der Zuſammen- faſſung aller Kräfte zum Gedeihen des Staates. Die nationalen Kämpfe, ſchon an ſich, beſonders aber durch ihre lange Dauer ſo bedauernswert, haben die Geiſter zur einſeitigen politiſchen Leidenſchaft gedrängt, die Energie des Volkes, die auf zahlreichen Gebieten poſitive, ſegens- reiche Arbeit hätte verrichten ſollen, unterbunden, den ſocialen Verkehr geſchädigt und ſelbſt Inte- reſſen in den Hintergrund gedrängt, die allen Volksſtämmen gemeinſam ſind. Die Erkenntnis dieſer ſchweren Schäden hat in allen ernſten Kreiſen der Überzeugung Bahn gebrochen, daſs es unerläſslich iſt, den nationalen Kampf zu be- endigen oder doch weſentlich zu mildern und unſere öffentlichen Einrichtungen vor weiteren Erſchütterungen zu bewahren. Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, daſs in nationalen Fragen nur das ſich zu behaupten vermag, was aus dem übereinſtimmenden Willen der Be- theiligten hervorgeht. Allſeitige Mäßigung und eine durch die Exiſtenzbedingungen des Staates gebotene Opferwilligkeit können einen redlichen Vergleich über die nationalen Streitpunkte er- möglichen. Die Regierung iſt der Anſicht, es werde zur Aufhebung und Entwirrung der Ver- hältniſſe viel beitragen, wenn die ſtrittigen Fragen ſofort auf das Gebiet praktiſcher Vor- ſchläge geleitet werden. Die Regierung wird daher ſchon in den nächſten Tagen die betheiligten Parteien einladen, Vertrauensmänner zu einer Conferenz nach Wien zu entſenden, denen ſie unter eigener activer Theilnahme an der Be- rathung eine Reihe von concreten Vorſchlägen zur Beilegung der beſtehenden Gegenſätze unter- breiten wird. Eine der erſten Aufgaben des dann einzuberufenden Reichsrathes wird es ſein, inner- halb ſeines Wirkungskreiſes auf Grund des Er- gebniſſes dieſer Verhandlungen über die hier in Betracht kommenden Fragen Beſchluſs zu faſſen. Mit der politiſchen Action des Miniſteriums ſoll eine rege Initiative auf allen anderen Ge- bieten Hand in Hand gehen. Der nachdrücklichſten Fürſorge bedürfen beſonders die wirtſchaftlichen Verhältniſſe. Trotz aller in ſo reichem Maße gegebenen Vorausſetzungen iſt die Entwicklung unſerer productiven Thätigkeit arg gehemmt und leidet ſchwer unter den Folgen des nationalen Zwiſtes. In einem Augenblicke, wo die induſtrielle Weltconjunctur zu geſteigerter Arbeit und zur Vereinigung aller Kräfte drängt, ſind dieſe bei uns gelähmt und gebunden durch den nationalen Kampf. Sie freizumachen und in den Dienſt der Wohlfahrt und des ſocialen Fortſchrittes der [Abbildung] Feuilleton [Abbildung] Der däniſche Geſandte. Von Marie Peper. (Nachdruck verboten.) Zu den zahlreichen Freunden, welche ſich mein Vater als Bürger und Meiſter der Stadt G. er- worben hatte, gehörte auch ein reicher Gerbermeiſter namens Jens Berg. Er war ein geborener Däne und hatte ſich durch Fleiß und Sparſamkeit in ver- hältnismäßig kurzer Zeit ein Vermögen erworben; ſeine Frau war eine Bürgerstochter aus wohl- habender Familie; ſie war klein, dick, kurzſichtig und hieß Mienel. Eines Morgens, als mein Vater in ſeiner Werkſtatt beſchäftigt war, trat Berg herein. Sein Geſicht trug den ärgerlichen Ausdruck, und er fragte meinen Vater, ob er Zeit hätte, eine Flaſche Wein mit ihm zu trinken. Mein Vater erwiderte: „Ich nehme mir welche“, und ſie giengen in die auf derſelben Straße gelegene Weinſtube. Wein löst bekanntlich die Herzen und die Zungen, und ſo erzählte denn Berg bei der zweiten Flaſche, daſs er großen Ärger im Hauſe habe, ſeine Frau koche ſo ſchlecht und ſo knapp, daſs er ſich vor ſeinen Geſellen und Lehr- jungen ſchämen müſſe. „Wozu ſpart ſie denn“, fuhr er fort, „wir haben ein bezahltes Grundſtück nebſt Geſchäft mit großen Außenſtänden und keine Kinder. Wenn ich ihr einmal einen rechten Streich ſpielen könnte! Du haſt immer ſo gute Einfälle; denke ein wenig darüber nach; nur eines ſage ich Dir: Geld muſs es koſten“. Mein Vater verſprach, ſich die Sache zu über- legen, und beide ſchieden mit Händedruck. Zwei Tage ſpäter ſpazierte mein Vater ſehr vergnügt zu Bergs hinunter. Letztere wohnten außer- halb der Stadt; ſie ſaßen bei Ankunft meines Vaters gerade in einem auf einer kleinen Anhöhe erbauten Sommerhäuschen und grüßten ihn ſchon von weitem mit einem herzlichen „Guten Morgen, Herr Gevatter“. Nachdem die zweite Begrüßung vor- über und er platzgenommen hatte, fragte Mienel: „Was giebt’s Neues in der Stadt?“ „Heute bringe ich eine Neuigkeit, welche Sie, beſonders aber den Jens, intereſſieren wird.“ „Und das wäre?“ Mienel’s Neugier war zu entſchuldigen, denn damals hatte die Stadt noch keine Eiſenbahn, und ſelten wurde die Eintönigkeit des Alltagslebens durch ungewöhnliche Vorfälle unterbrochen. „Im „braunen Hirſch“ iſt der däniſche Ge- ſandte angemeldet“, erwiderte mein Vater auf die Frage Mienels, „der Herr Bürgermeiſter ſagte es mir im Vorbeigehen und meinte, es wäre doch ſchicklich, wenn Jens, als der einzige hier lebende Däne, ihm ſeine Aufwartung machte.“ „Das will ich mir erſt überlegen“, ſagte Berg trocken, aber Mienel erwiderte hochmüthig: „Wenn es der Herr Bürgermeiſter wünſcht, wirſt Du gehen“. Nachdem ſie noch eine Stunde geplaudert hatten, gieng mein Vater wieder nach Hauſe. Am nächſten Tage erhielt Berg vom Bürgermeiſter ein Schreiben, in welchem ihm dieſer mittheilte, daſs morgen, Donnerstag, der däniſche Geſandte im „braunen Hirſch“ eintreffen würde und die Höflichkeit es er- fordere, daſs er, Berg, als einziger in der Stadt lebender Däne, den hohen Würdenträger bewill- kommne. Als Berg das Schreiben geleſen hatte, ſagte er ärgerlich zu Mienel: „Da muſs ich allerdings gehen, obgleich mir gar nichts daran liegt; mache mir meinen Frack, die ſchwarzen Beinkleider und weiße Weſte zurecht und beſorge ein neues, hell- ſeidenes Halstuch.“ Mienel war ganz ſtolz, holte ſogleich die Kleidungsſtücke, unterſuchte mit peinlicher Genauigkeit die Taſchen, Aufhänger und Knöpfe, und, als das beendet, gieng ſie zur Stadt und kaufte ein pfirſichblütenfarbenes ſeidenes Halstuch. Die Be- kannten, welche ſie auf ihrem Wege traf, fertigte ſie kurz ab mit dem Hinweiſe, daſs ſie in einer äußerſt wichtigen, internationalen Miſſion zur Stadt ge- kommen und daſs die Einwohner derſelben in einigen Tagen beſſer wiſſen würden, wer ſie, Mienel Berg, ſei. Die Leute ſchüttelten den Kopf und wunderten ſich über das hochtrabende Gebahren der Gerber- meiſterin. Am nächſten Vormittag um elf Uhr gieng Berg zur Staatsviſite in die Werkſtatt meines Vaters. „Was nun?“ fragte er lachend. „Werde es Dir beim Frühſchoppen erzählen.“ Mienel gieng unterdeſſen ungeduldig im Zimmer auf und ab; zuweilen ſtellte ſie ſich an die Haus- thüre, um zu ſehen, ob ihr Mann noch nicht komme; das Eſſen ließ ſie total verbrennen. Endlich kam Berg an und ſofort gieng ſie ihm entgegen, um zu erfahren, was der Geſandte geſagt hatte. „Laſs mich nur erſt ins Haus treten, dann ſollſt Du alles erfahren.“ Mienel’s Neugier erreichte den höchſten Grad. „Erzähle doch endlich“, bat ſie. „Nun“, begann Berg, „der Geſandte war ſehr erfreut, einen Dänen hier zu finden; ich ſagte ihm, daſs es mir ſehr gut gehe, ſchönes Wohnhaus, aus- gedehnten Garten und gut gehende Gerberei beſitze,

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Zitationshilfe: Badener Zeitung. Nr. 7, Baden (Niederösterreich), 24.01.1900, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_badener007_1900/1>, abgerufen am 21.11.2024.