Badener Zeitung. Nr. 7, Baden (Niederösterreich), 24.01.1900.Mittwoch Badener Zeitung 24. Jänner 1900. Nr 7. [Spaltenumbruch] Gesammtheit zu stellen, ist ein Gedanke, der das Eine aufrichtige und ehrliche Politik der Das Ministerium Körber tritt, wie aus Politische Äbersicht Mit dem Amtsantritte des neuen Ministeriums Über den Verlauf der Berathung wird folgende "Die Obmännerconferenz der deutschen Parteien "Die Obmännerconferenz geht jedoch bei der "Die Obmännerconferenz der deutschen Parteien "Die Versammlung bevollmächtigte den Vor- Im Übrigen war die Befriedigung der zur In Afrika stehen die Dinge unmittelbar vor [Spaltenumbruch] und dass ich die liebenswürdige Tochter eines wohl- Nach Verlauf einer Stunde trafen beide ein Nun begann ein tolles Wirtschaften. Das Haus Zuerst stellte Berg seine Frau dem Gesandten Nachdem auch die übrigen Gäste gegangen, "Die Herren sind daran gewöhnt", erwiderte "Um Gotteswillen", sagte Mienel, "das war Drei Tage waren vergangen, als ein Verwandter Mittwoch Badener Zeitung 24. Jänner 1900. Nr 7. [Spaltenumbruch] Geſammtheit zu ſtellen, iſt ein Gedanke, der das Eine aufrichtige und ehrliche Politik der Das Miniſterium Körber tritt, wie aus Politiſche Äberſicht Mit dem Amtsantritte des neuen Miniſteriums Über den Verlauf der Berathung wird folgende „Die Obmännerconferenz der deutſchen Parteien „Die Obmännerconferenz geht jedoch bei der „Die Obmännerconferenz der deutſchen Parteien „Die Verſammlung bevollmächtigte den Vor- Im Übrigen war die Befriedigung der zur In Afrika ſtehen die Dinge unmittelbar vor [Spaltenumbruch] und daſs ich die liebenswürdige Tochter eines wohl- Nach Verlauf einer Stunde trafen beide ein Nun begann ein tolles Wirtſchaften. Das Haus Zuerſt ſtellte Berg ſeine Frau dem Geſandten Nachdem auch die übrigen Gäſte gegangen, „Die Herren ſind daran gewöhnt“, erwiderte „Um Gotteswillen“, ſagte Mienel, „das war Drei Tage waren vergangen, als ein Verwandter <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0002" n="2"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#aq">Mittwoch Badener Zeitung 24. Jänner 1900. Nr 7.</hi> </fw><lb/> <cb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div xml:id="ministerium2" prev="#ministerium1" type="jArticle" n="2"> <p>Geſammtheit zu ſtellen, iſt ein Gedanke, der das<lb/> Herz jedes Vaterlandsfreundes erwärmen muſs.<lb/> Es gilt, für unſeren Staat einen Zeitraum der<lb/> Erholung zu ſchaffen, der, von den Parteien mit<lb/> kluger Mäßigung ausgenützt, den Übergang zu<lb/> beſſeren Tagen vorbereiten kann.</p><lb/> <p>Eine aufrichtige und ehrliche Politik der<lb/> Verſtändigung, eine feſte, unparteiiſche, vom<lb/> raſcheren Pulſe der Zeit belebte Verwaltung und<lb/> die Förderung aller auf die Hebung und Er-<lb/> weiterung der Production gerichteten Beſtrebungen<lb/> — das ſind die Zielpunkte der neuen Regierung<lb/> und hiefür erhofft ſie vertrauensvoll die Unter-<lb/> ſtützung aller Claſſen der Bevölkerung.“</p><lb/> <p>Das Miniſterium Körber tritt, wie aus<lb/> dieſer programmatiſchen Erklärung hervorgeht,<lb/> mit dem beſten Willen und ehrlichſtem guten<lb/> Wollen ſein Amt an. 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Körber wirklich gelingt, die Hände<lb/> der Palffy, Schwarzenberg, Bilinski, Jaworski,<lb/> Dipauli und Kathrein von der Sache fernzuhalten.<lb/> Gelingt dies nicht, erhalten dieſe deſtructiven<lb/> Elemente wieder die Oberhand, ſo kann die ganze<lb/> heute mit aller Ehrlichkeit und mit dem beſten<lb/> Willen für das Gelingen eingegangene Verſtän-<lb/> digungsaction ſchon im voraus als geſcheitert<lb/> betrachtet werden. Die allernächſte Zeit wird uns<lb/> ſchon lehren, woran wir uns in dieſer Beziehung<lb/> zu halten haben.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Politiſche Äberſicht</hi> </head><lb/> <p>Mit dem Amtsantritte des neuen Miniſteriums<lb/> hat auch das Werk der Verſtändigungsaction ſofort<lb/> greifbare Geſtalt angenommen. Dies findet zuvörderſt<lb/> ſeinen Ausdruck in den Obmännerconferenzen der<lb/> Parteien der Linken, welche Sonntag vormittags<lb/> begonnen haben und nach dreiſtündiger Dauer unter-<lb/> brochen wurden, um Montag fortgeſetzt zu werden.<lb/> Dieſen Berathungen wohnten bei ſeitens der Fort-<lb/> ſchrittspartei die Abgeordneten Dr. Funke, Dr. Groß<lb/><cb/> und Dr. Pergelt; ſeitens der deutſchen Volkspartei<lb/> die Abgeordneten Dr. Hochenburger, Hofmann-Wellen-<lb/> hof und Kaiſer; ſeitens des verfaſſungstreuen Groß-<lb/> grundbeſitzes die Abgeordneten Dr. Baernreither,<lb/> Baron Schwegel und Graf Stürkgh; ſeitens der<lb/> chriſtlichſocialen Partei die Abgeordneten Prinz<lb/> Liechtenſtein und Dr. Weißkirchner und ſeitens der<lb/> freien deutſchen Vereinigung der Abgeordnete Kink.<lb/> Die Abgeordneten Dr. Geßmann und Dr. Grabmayer<lb/> hatten ihr Fernbleiben entſchuldigt, Dr. Lueger be-<lb/> findet ſich derzeit auf einer Urlaubsreiſe in Italien.</p><lb/> <p>Über den Verlauf der Berathung wird folgende<lb/> Mittheilung veröffentlicht:</p><lb/> <p> <hi rendition="#et">„Die Obmännerconferenz der deutſchen Parteien<lb/> &q;der Linken billigt die ihr von der Regierung<lb/> &q;bekanntgegebene Abſicht, eine Verſtändigungsaction<lb/> &q;zwiſchen Deutſchen und Czechen in Böhmen und<lb/> &q;Mähren durch Einberufung einer außerparlamen-<lb/> &q;tariſchen Conferenz von Vertrauensmännern<lb/> &q;beider Volksſtämme alsbald einzuleiten, und gibt<lb/> &q;der Hoffnung Ausdruck, daſs die Vertrauens-<lb/> &q;männer beider Parteien in dieſen Kronländern<lb/> &q;zu dieſem Behufe einzuladen ſein werden.“</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">„Die Obmännerconferenz geht jedoch bei der<lb/> &q;Beſchickung dieſer Conferenz ſeitens der von<lb/> &q;ihnen vertretenen Parteien von der Erwartung<lb/> &q;aus, daſs der Reichsrath ſpäteſtens noch im<lb/> &q;Monate Februar einberufen wird.“</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">„Die Obmännerconferenz der deutſchen Parteien<lb/> &q;der Linken legt auf die baldigſte Aufnahme der<lb/> &q;verfaſſungsmäßigen Thätigkeit des Parlamentes<lb/> &q;umſo größeres Gewicht, als die bedrohliche innere<lb/> &q;Lage des Reiches von Tag zu Tag dringender<lb/> &q;die Wiederherſtellung geordneter politiſcher Ver-<lb/> &q;hältniſſe, die Löſung der wichtigſten wirtſchaft-<lb/> &q;lichen Fragen und eine intenſive Thätigkeit der<lb/> &q;Geſetzgebung und Verwaltung in dem ſeit Jahren<lb/> &q;ſchwer vernachläſſigten wirtſchaftlichen Bereiche<lb/> &q;des ſtaatlichen Pflichtenkreiſes erheiſcht“.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et">„Die Verſammlung bevollmächtigte den Vor-<lb/> &q;ſitzenden, Abgeordneten Dr. Funke, dem Miniſter-<lb/> &q;präſidenten von dieſem Ergebniſſe ihrer Berathung<lb/> &q;Mittheilung zu machen“.</hi> </p><lb/> <p>Im Übrigen war die Befriedigung der zur<lb/> Beſprechung erſchienenen Abgeordneten über das<lb/> Programm der Regierung keine beſonders hohe. Faſt<lb/> einmüthig wurde der Verſtimmung darüber Ausdruck<lb/> verliehen, daſs das neue Cabinet durch einige ſeiner<lb/> Mitglieder, welche auf entſchieden conſervativer Seite<lb/> ſtehen, kein beſonderes Vertrauen erwecke und daſs<lb/> auch der Umſtand, daſs in dem Programme von der<lb/> Wahrung der verfaſſungsmäßigen Zuſtände in Öſterreich<lb/> auch nicht mit einem einzigen Worte die Rede iſt, trug<lb/> bei den deutſchen Vertrauensmännern nicht gerade zur<lb/> Beruhigung über die künftige Action der Regierung bei.<lb/> Sie will verſuchen, eine Verſtändigung in nationalen<lb/> Fragen zwiſchen Deutſchen und Czechen zuwege zu<lb/><cb/> bringen und ſodann den Reichsrath bis längſtens<lb/> 1. März einberufen. Ein längerer Termin ſteht<lb/> Herrn v. Körber nicht zur Verfügung, weil mit<lb/> dieſem Termine die Bewilligung des Rekrutencon-<lb/> tingentgeſetzes fällig geworden iſt. Gelingt die Ver-<lb/> ſtändigung nicht bis Ende Februar, ſo ſoll, wie die<lb/> Regierung ſchon heute verlauten läſst, die Seſſion<lb/> abermals geſchloſſen und das Abgeordnetenhaus auf-<lb/> gelöst werden. Zu dieſer Löſung wäre aber gewiſs<lb/> auch Herr v. Wittek befähigt geweſen und es iſt<lb/> nicht einzuſehen, wozu deshalb ein ſo raſcher Miniſter-<lb/> wechſel erfolgen muſste. Wäre das Abgeordneten-<lb/> haus ſchon längſt aufgelöst worden, ſo ſtünden die<lb/> Dinge überhaupt ſchon längſt zum beſſeren und es<lb/> läſst gewiſs tief blicken, daſs das Miniſterium ſich<lb/> heute ſchon mit dieſer letzten und äußerſten Even-<lb/> tualität befaſst. Der Glaube an das Gelingen der<lb/> Verſtändigung muſs demnach nicht beſonders groß<lb/> ſein, und das iſt vielleicht eine Anſchauung, mit welcher<lb/> jedermann in Öſterreich mit der Regierung, wenigſtens<lb/> im Stillen, übereinſtimmt. Es iſt eben zu ſpät zur<lb/> Verſtändigung. Dieſes „Zu ſpät“ iſt in Öſterreich<lb/> von jeher ein verhängnisvolles Wort geweſen und<lb/> alle unſere bisherigen Politiker ſind mit dem Fluche<lb/> dieſes „Zu ſpät“ belaſtet. Noch nach Badeni hätte<lb/> eine energiſche Action in dieſer Richtung geholfen;<lb/> wenn man heute mit der Eventualität einer Auf-<lb/> löſung rechnet, ſo wird man an das ominöſe „Zu<lb/> ſpät“ unwillkürlich erinnert. Was aber geſchehen wird,<lb/> wenn auch das nichts nützt, was längſt ſchon hätte<lb/> geſchehen ſollen, dann hat auch die Weisheit dieſer<lb/> Regierung ausgeſpielt. Es ſteht aber dann etwas<lb/> Schlimmeres auf dem Spiele, als ein harmloſer<lb/> Cabinetswechſel und die heute von allen ins<lb/> Vordertreffen geſendete wirtſchaftliche Lage der Mo-<lb/> narchie wird dann noch lange auf Beſſerung warten<lb/> müſſen.</p><lb/> <p>In Afrika ſtehen die Dinge unmittelbar vor<lb/> der Entſcheidung, wenn ſie etwa nicht ſchon ent-<lb/> ſchieden ſind. Die Engländer haben endlich mit<lb/> großer Streitmacht den Tugelafluſs überſetzt und<lb/> den Kampf mit den Boers aufgenommen, welche,<lb/> wenigſtens nach den erſten engliſchen, überaus lücken-<lb/> haften Depeſchen zu ſchließen, überall zurückgewichen<lb/> ſind. Der Feldzug wird ja trotz der Tapferkeit der<lb/> Boers mit ihrer Erdrückung durch die engliſche<lb/> Übermacht enden; aber die Herbeiführung dieſes Re-<lb/> ſultates wird noch viel Blut koſten. Unterdeſſen hört<lb/> man neuerdings von ruſſiſchen Truppenvorſchiebungen<lb/> gegen die afghaniſtaniſche Grenze, und es wird immer<lb/> wahrſcheinlicher, daſs der ruſſiſche Bär die ſich ihm<lb/> darbietende gute Gelegenheit brnützt, um ſich be-<lb/> haglich zu ſtrecken und ſich langſam aber ſicher ein<lb/> gutes Plätzchen in der engliſchen Intereſſenſphäre<lb/> auszuſuchen.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div next="#gesandte3" xml:id="gesandte2" prev="#gesandte1" type="jArticle" n="2"> <p>und daſs ich die liebenswürdige Tochter eines wohl-<lb/> habenden und angeſehenen Bürgers geheiratet habe.“<lb/> Mienel warf bei dieſen Worten den Kopf zurück.<lb/> „Er fragte mich nun über alles“, fuhr Berg fort,<lb/> „betreffs der Größe von Haus und Garten, auch ob<lb/> die Gerberei maſſiv gebaut ſei, kurz ich konnte nicht<lb/> umhin, ich lud ihn für morgen zum Abendbrot ein.<lb/> Nun, Mienel, thue Dein Beſtes, denn eine ſolche<lb/> Ehre widerfährt unſerem Hauſe nie wieder.“ Mienel<lb/> fuhr die große Ehre in alle Glieder; ſie wäre bei-<lb/> nahe umgeſunken. Berg gieng ſofort in die Werkſtatt<lb/> und holte zwei Lehrjungen; den einen ſchickte er<lb/> zum Damenſchneider, den anderen zur Kochfrau mit<lb/> der Bitte, ſo bald als möglich bei ihm zu erſcheinen.</p><lb/> <p>Nach Verlauf einer Stunde trafen beide ein<lb/> und Berg ſetzte dem Schneider auseinander, daſs<lb/> das Brautkleid ſeiner Frau bis zum Nachmittag des<lb/> nächſten Tages moderniſiert und mit einer Schleppe<lb/> verſehen werden müſſe, er ſolle die ganze Nacht<lb/> daran arbeiten. Znm Glück hatte Mienel noch fünf<lb/> Ellen Stoff liegen. Nachdem die Toilette-Angelegen-<lb/> heit erledigt, kam die Küchenfrage an die Reihe. Die<lb/> Kochfrau machte verſchiedene Vorſchläge, und Berg<lb/> entſchied ſich in jedem Falle für das theuerſte; ſie<lb/> muſste ſogleich im Hauſe bleiben, um die Früchte<lb/> zu kochen. Berg gieng zur Stadt, den Wein zu be-<lb/> ſtellen und noch verſchiedene Gäſte einzuladen. Auf<lb/> den Einſpruch Minel’s, daſs ſie ſelbſt guten Wein<lb/> im Keller hätten, antwortete er kurz: „Alles zu<lb/> leicht; erſt ein ſchwerer Rheinwein, dann Cham-<lb/> pagner!“</p><lb/> <p>Nun begann ein tolles Wirtſchaften. Das Haus<lb/> wurde vom Boden bis in den Keller hinunter ge-<lb/> ſcheuert und die Gartenanlagen geſäubert. Am nächſten<lb/> Tage war alles blitzblank. An den Fenſtern hiengen<lb/><cb/> ſchneeweiße Gardinen, die Thüren glänzten wie friſch<lb/> lackiert und die Schlöſſer funkelten, als wenn ſie<lb/> von Gold wären. Ein lieblicher Bratenduft durch-<lb/> wehte das Haus, und nachdem Mienel ſich nochmals<lb/> überzeugt, daſs alles in Ordnung ſei, begann ſie<lb/> ſich anzukleiden. Das lilaſeidene Kleid war ſehr<lb/> hübſch garniert und eine lange Schleppe daran,<lb/> dazu eine Haube mit langen, breiten, weißen Bändern<lb/> und verſtreuten Roſenknoſpen bedeckte ihr Haupt; ſie<lb/> ſah aus wie ein aufgeblaſener Froſch; als ſie ſich<lb/> jedoch im Spiegel betrachtete, nahm ihr Anlitz einen<lb/> wohlgefälligen Ausdruck an. Berg hatte einen feinen<lb/> Fächer mitgebracht und zeigte ihr, wie ſie denſelben<lb/> handhaben müſſe; auch er hatte ſein Feſtgewand<lb/> angelegt. Nach und nach erſchienen die Gäſte. Endlich<lb/> ſchlug es acht Uhr und zehn Minuten ſpäter fuhr<lb/> eine Equipage vor. Berg gieng ſchnell hinunter, um<lb/> den Geſandten zu empfangen und ihn ins Speiſe-<lb/> zimmer zu geleiten. Letzterer war ein Mann von<lb/> imponierender Geſtalt; ein ſchwarzer Vollbart um-<lb/> rahmte ſein Geſicht; er trug ein braunes Sammt-<lb/> coſtüm, kurze Hoſe, braunſeidene Strümpfe, Schnallen-<lb/> ſchuhe, Wams und Mantel, reich mit Atlas beſetzt,<lb/> und Barett mit langer Straußenfeder. Für den<lb/> Kenner ſchien der Anzug einer Theatergarderobe ent-<lb/> lehnt zu ſein.</p><lb/> <p>Zuerſt ſtellte Berg ſeine Frau dem Geſandten<lb/> vor, und als dieſem Mienel die Hand reichte, küßte<lb/> er dieſe galant, indem er eine tiefe Verbeuguug<lb/> machte. Mienel wäre vor Scham am liebſten in die<lb/> Erde geſunken: das ſchickte ſich nicht für eine ehr-<lb/> ſame Handwerkersfrau; ſie knixte und verwickelte ſich<lb/> fortwährend in ihre Schleppe. Nachdem die Vor-<lb/> ſtellung der übrigen Gäſte beendet, ſetzte man ſich<lb/> zur Tafel. Der Geſandte ſaß auf dem Ehrenplatze,<lb/><cb/> neben ihm Berg, dann Mienel und hierauf folgten<lb/> die anderen Gäſte. Die Unterhaltung war äußerſt<lb/> animiert; Berg und der Geſandte tranken tüchtig<lb/> und ſtießen häufig mit der Frau Wirtin an. Mienel<lb/> konnte vor lauter Ehrerbietung weder eſſen noch<lb/> trinken, und im Stillen dankte ſie Gott, als der letzte<lb/> Gang aufgetragen wurde. Daſs der Geſandte platt-<lb/> deutſch und ihr Mann däniſch ſprach, bemerkte ſie<lb/> nicht. Endlich kam der Champagner; der Geſandte<lb/> erhob ſein Glas, ſagte etwas, das niemand verſtand,<lb/> und ſtieß wieder mit Mienel an. Berg verdolmetſchte,<lb/> daſs der Geſandte auf ihr Wohl ſein Glas geleert<lb/> habe. Mienel wurde purpurroth und konnte weiter<lb/> nicht thun als knixen. Nach Ablauf einer weiteren<lb/> halben Stunde verabſchiedete ſich der Geſandte und<lb/> küſste wiederum Mienel’s Hand.</p><lb/> <p>Nachdem auch die übrigen Gäſte gegangen,<lb/> Mienel ſich ihres Schleppkleides entledigt und an<lb/> Stelle desſelben ihr blau gedrucktes Hauskleid an-<lb/> gelegt hatte und Berg im Schlafrock, mit der langen<lb/> Pfeife im Munde, auf dem Sopha ruhte, ſagte ſeine<lb/> Frau zu ihm: „Wie viel doch ein Geſandter trinken<lb/> kann. Erſt hat er zwei Flaſchen Rheinwein und dann<lb/> zwei Flaſchen Champagner getrunken.“</p><lb/> <p>„Die Herren ſind daran gewöhnt“, erwiderte<lb/> Berg, „ſie trinken nie Waſſer; da ſollteſt Du erſt<lb/> den ſchwediſchen Geſandten ſehen, mit dem ich in<lb/> Berlin zuſammen geſpeiſt. Ein jovialer Herr; es iſt<lb/> nicht unmöglich, daſs auch er eines Tages uns die<lb/> Ehre erweist und bei uns iſst.“</p><lb/> <p>„Um Gotteswillen“, ſagte Mienel, „das war<lb/> ein theurer Abend!“</p><lb/> <p>Drei Tage waren vergangen, als ein Verwandter<lb/> der Berg’ſchen Familie dieſelbe aufſuchte und den<lb/> Nachmittagskaffee mit ihnen einnahm. Sogleich brachte</p> </div> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [2/0002]
Mittwoch Badener Zeitung 24. Jänner 1900. Nr 7.
Geſammtheit zu ſtellen, iſt ein Gedanke, der das
Herz jedes Vaterlandsfreundes erwärmen muſs.
Es gilt, für unſeren Staat einen Zeitraum der
Erholung zu ſchaffen, der, von den Parteien mit
kluger Mäßigung ausgenützt, den Übergang zu
beſſeren Tagen vorbereiten kann.
Eine aufrichtige und ehrliche Politik der
Verſtändigung, eine feſte, unparteiiſche, vom
raſcheren Pulſe der Zeit belebte Verwaltung und
die Förderung aller auf die Hebung und Er-
weiterung der Production gerichteten Beſtrebungen
— das ſind die Zielpunkte der neuen Regierung
und hiefür erhofft ſie vertrauensvoll die Unter-
ſtützung aller Claſſen der Bevölkerung.“
Das Miniſterium Körber tritt, wie aus
dieſer programmatiſchen Erklärung hervorgeht,
mit dem beſten Willen und ehrlichſtem guten
Wollen ſein Amt an. Seine erſte Sorge iſt die
Erzielung der Verſtändigung zwiſchen Deutſchen
und Czechen, wie der letzte Abſatz der Erklärung
beſagt, in ehrlicher und aufrichtiger Form, un-
parteiiſch und, was darunter wohl zu verſtehen
ſein dürfte, unter Verhinderung der Einmiſchung
von fremden, außenſtehenden Elementen, welche,
wie Polen und Feudale, mit der Sache abſolut
nichts zu thun haben. Wir haben an einer ſolchen
endlichen Verſtändigung, an einer reinigenden
Ausſprache von Volk zu Volk, nie gezweifelt und
obwohl ſeitdem die wühlenden reactionären Kräfte
nicht unthätig geweſen ſind und die Situation
weſentlich verſchlimmert haben, halten wir eine
Verſtändigung dann für nicht ausgeſchloſſen, wenn
es Herrn v. Körber wirklich gelingt, die Hände
der Palffy, Schwarzenberg, Bilinski, Jaworski,
Dipauli und Kathrein von der Sache fernzuhalten.
Gelingt dies nicht, erhalten dieſe deſtructiven
Elemente wieder die Oberhand, ſo kann die ganze
heute mit aller Ehrlichkeit und mit dem beſten
Willen für das Gelingen eingegangene Verſtän-
digungsaction ſchon im voraus als geſcheitert
betrachtet werden. Die allernächſte Zeit wird uns
ſchon lehren, woran wir uns in dieſer Beziehung
zu halten haben.
Politiſche Äberſicht
Mit dem Amtsantritte des neuen Miniſteriums
hat auch das Werk der Verſtändigungsaction ſofort
greifbare Geſtalt angenommen. Dies findet zuvörderſt
ſeinen Ausdruck in den Obmännerconferenzen der
Parteien der Linken, welche Sonntag vormittags
begonnen haben und nach dreiſtündiger Dauer unter-
brochen wurden, um Montag fortgeſetzt zu werden.
Dieſen Berathungen wohnten bei ſeitens der Fort-
ſchrittspartei die Abgeordneten Dr. Funke, Dr. Groß
und Dr. Pergelt; ſeitens der deutſchen Volkspartei
die Abgeordneten Dr. Hochenburger, Hofmann-Wellen-
hof und Kaiſer; ſeitens des verfaſſungstreuen Groß-
grundbeſitzes die Abgeordneten Dr. Baernreither,
Baron Schwegel und Graf Stürkgh; ſeitens der
chriſtlichſocialen Partei die Abgeordneten Prinz
Liechtenſtein und Dr. Weißkirchner und ſeitens der
freien deutſchen Vereinigung der Abgeordnete Kink.
Die Abgeordneten Dr. Geßmann und Dr. Grabmayer
hatten ihr Fernbleiben entſchuldigt, Dr. Lueger be-
findet ſich derzeit auf einer Urlaubsreiſe in Italien.
Über den Verlauf der Berathung wird folgende
Mittheilung veröffentlicht:
„Die Obmännerconferenz der deutſchen Parteien
&q;der Linken billigt die ihr von der Regierung
&q;bekanntgegebene Abſicht, eine Verſtändigungsaction
&q;zwiſchen Deutſchen und Czechen in Böhmen und
&q;Mähren durch Einberufung einer außerparlamen-
&q;tariſchen Conferenz von Vertrauensmännern
&q;beider Volksſtämme alsbald einzuleiten, und gibt
&q;der Hoffnung Ausdruck, daſs die Vertrauens-
&q;männer beider Parteien in dieſen Kronländern
&q;zu dieſem Behufe einzuladen ſein werden.“
„Die Obmännerconferenz geht jedoch bei der
&q;Beſchickung dieſer Conferenz ſeitens der von
&q;ihnen vertretenen Parteien von der Erwartung
&q;aus, daſs der Reichsrath ſpäteſtens noch im
&q;Monate Februar einberufen wird.“
„Die Obmännerconferenz der deutſchen Parteien
&q;der Linken legt auf die baldigſte Aufnahme der
&q;verfaſſungsmäßigen Thätigkeit des Parlamentes
&q;umſo größeres Gewicht, als die bedrohliche innere
&q;Lage des Reiches von Tag zu Tag dringender
&q;die Wiederherſtellung geordneter politiſcher Ver-
&q;hältniſſe, die Löſung der wichtigſten wirtſchaft-
&q;lichen Fragen und eine intenſive Thätigkeit der
&q;Geſetzgebung und Verwaltung in dem ſeit Jahren
&q;ſchwer vernachläſſigten wirtſchaftlichen Bereiche
&q;des ſtaatlichen Pflichtenkreiſes erheiſcht“.
„Die Verſammlung bevollmächtigte den Vor-
&q;ſitzenden, Abgeordneten Dr. Funke, dem Miniſter-
&q;präſidenten von dieſem Ergebniſſe ihrer Berathung
&q;Mittheilung zu machen“.
Im Übrigen war die Befriedigung der zur
Beſprechung erſchienenen Abgeordneten über das
Programm der Regierung keine beſonders hohe. Faſt
einmüthig wurde der Verſtimmung darüber Ausdruck
verliehen, daſs das neue Cabinet durch einige ſeiner
Mitglieder, welche auf entſchieden conſervativer Seite
ſtehen, kein beſonderes Vertrauen erwecke und daſs
auch der Umſtand, daſs in dem Programme von der
Wahrung der verfaſſungsmäßigen Zuſtände in Öſterreich
auch nicht mit einem einzigen Worte die Rede iſt, trug
bei den deutſchen Vertrauensmännern nicht gerade zur
Beruhigung über die künftige Action der Regierung bei.
Sie will verſuchen, eine Verſtändigung in nationalen
Fragen zwiſchen Deutſchen und Czechen zuwege zu
bringen und ſodann den Reichsrath bis längſtens
1. März einberufen. Ein längerer Termin ſteht
Herrn v. Körber nicht zur Verfügung, weil mit
dieſem Termine die Bewilligung des Rekrutencon-
tingentgeſetzes fällig geworden iſt. Gelingt die Ver-
ſtändigung nicht bis Ende Februar, ſo ſoll, wie die
Regierung ſchon heute verlauten läſst, die Seſſion
abermals geſchloſſen und das Abgeordnetenhaus auf-
gelöst werden. Zu dieſer Löſung wäre aber gewiſs
auch Herr v. Wittek befähigt geweſen und es iſt
nicht einzuſehen, wozu deshalb ein ſo raſcher Miniſter-
wechſel erfolgen muſste. Wäre das Abgeordneten-
haus ſchon längſt aufgelöst worden, ſo ſtünden die
Dinge überhaupt ſchon längſt zum beſſeren und es
läſst gewiſs tief blicken, daſs das Miniſterium ſich
heute ſchon mit dieſer letzten und äußerſten Even-
tualität befaſst. Der Glaube an das Gelingen der
Verſtändigung muſs demnach nicht beſonders groß
ſein, und das iſt vielleicht eine Anſchauung, mit welcher
jedermann in Öſterreich mit der Regierung, wenigſtens
im Stillen, übereinſtimmt. Es iſt eben zu ſpät zur
Verſtändigung. Dieſes „Zu ſpät“ iſt in Öſterreich
von jeher ein verhängnisvolles Wort geweſen und
alle unſere bisherigen Politiker ſind mit dem Fluche
dieſes „Zu ſpät“ belaſtet. Noch nach Badeni hätte
eine energiſche Action in dieſer Richtung geholfen;
wenn man heute mit der Eventualität einer Auf-
löſung rechnet, ſo wird man an das ominöſe „Zu
ſpät“ unwillkürlich erinnert. Was aber geſchehen wird,
wenn auch das nichts nützt, was längſt ſchon hätte
geſchehen ſollen, dann hat auch die Weisheit dieſer
Regierung ausgeſpielt. Es ſteht aber dann etwas
Schlimmeres auf dem Spiele, als ein harmloſer
Cabinetswechſel und die heute von allen ins
Vordertreffen geſendete wirtſchaftliche Lage der Mo-
narchie wird dann noch lange auf Beſſerung warten
müſſen.
In Afrika ſtehen die Dinge unmittelbar vor
der Entſcheidung, wenn ſie etwa nicht ſchon ent-
ſchieden ſind. Die Engländer haben endlich mit
großer Streitmacht den Tugelafluſs überſetzt und
den Kampf mit den Boers aufgenommen, welche,
wenigſtens nach den erſten engliſchen, überaus lücken-
haften Depeſchen zu ſchließen, überall zurückgewichen
ſind. Der Feldzug wird ja trotz der Tapferkeit der
Boers mit ihrer Erdrückung durch die engliſche
Übermacht enden; aber die Herbeiführung dieſes Re-
ſultates wird noch viel Blut koſten. Unterdeſſen hört
man neuerdings von ruſſiſchen Truppenvorſchiebungen
gegen die afghaniſtaniſche Grenze, und es wird immer
wahrſcheinlicher, daſs der ruſſiſche Bär die ſich ihm
darbietende gute Gelegenheit brnützt, um ſich be-
haglich zu ſtrecken und ſich langſam aber ſicher ein
gutes Plätzchen in der engliſchen Intereſſenſphäre
auszuſuchen.
und daſs ich die liebenswürdige Tochter eines wohl-
habenden und angeſehenen Bürgers geheiratet habe.“
Mienel warf bei dieſen Worten den Kopf zurück.
„Er fragte mich nun über alles“, fuhr Berg fort,
„betreffs der Größe von Haus und Garten, auch ob
die Gerberei maſſiv gebaut ſei, kurz ich konnte nicht
umhin, ich lud ihn für morgen zum Abendbrot ein.
Nun, Mienel, thue Dein Beſtes, denn eine ſolche
Ehre widerfährt unſerem Hauſe nie wieder.“ Mienel
fuhr die große Ehre in alle Glieder; ſie wäre bei-
nahe umgeſunken. Berg gieng ſofort in die Werkſtatt
und holte zwei Lehrjungen; den einen ſchickte er
zum Damenſchneider, den anderen zur Kochfrau mit
der Bitte, ſo bald als möglich bei ihm zu erſcheinen.
Nach Verlauf einer Stunde trafen beide ein
und Berg ſetzte dem Schneider auseinander, daſs
das Brautkleid ſeiner Frau bis zum Nachmittag des
nächſten Tages moderniſiert und mit einer Schleppe
verſehen werden müſſe, er ſolle die ganze Nacht
daran arbeiten. Znm Glück hatte Mienel noch fünf
Ellen Stoff liegen. Nachdem die Toilette-Angelegen-
heit erledigt, kam die Küchenfrage an die Reihe. Die
Kochfrau machte verſchiedene Vorſchläge, und Berg
entſchied ſich in jedem Falle für das theuerſte; ſie
muſste ſogleich im Hauſe bleiben, um die Früchte
zu kochen. Berg gieng zur Stadt, den Wein zu be-
ſtellen und noch verſchiedene Gäſte einzuladen. Auf
den Einſpruch Minel’s, daſs ſie ſelbſt guten Wein
im Keller hätten, antwortete er kurz: „Alles zu
leicht; erſt ein ſchwerer Rheinwein, dann Cham-
pagner!“
Nun begann ein tolles Wirtſchaften. Das Haus
wurde vom Boden bis in den Keller hinunter ge-
ſcheuert und die Gartenanlagen geſäubert. Am nächſten
Tage war alles blitzblank. An den Fenſtern hiengen
ſchneeweiße Gardinen, die Thüren glänzten wie friſch
lackiert und die Schlöſſer funkelten, als wenn ſie
von Gold wären. Ein lieblicher Bratenduft durch-
wehte das Haus, und nachdem Mienel ſich nochmals
überzeugt, daſs alles in Ordnung ſei, begann ſie
ſich anzukleiden. Das lilaſeidene Kleid war ſehr
hübſch garniert und eine lange Schleppe daran,
dazu eine Haube mit langen, breiten, weißen Bändern
und verſtreuten Roſenknoſpen bedeckte ihr Haupt; ſie
ſah aus wie ein aufgeblaſener Froſch; als ſie ſich
jedoch im Spiegel betrachtete, nahm ihr Anlitz einen
wohlgefälligen Ausdruck an. Berg hatte einen feinen
Fächer mitgebracht und zeigte ihr, wie ſie denſelben
handhaben müſſe; auch er hatte ſein Feſtgewand
angelegt. Nach und nach erſchienen die Gäſte. Endlich
ſchlug es acht Uhr und zehn Minuten ſpäter fuhr
eine Equipage vor. Berg gieng ſchnell hinunter, um
den Geſandten zu empfangen und ihn ins Speiſe-
zimmer zu geleiten. Letzterer war ein Mann von
imponierender Geſtalt; ein ſchwarzer Vollbart um-
rahmte ſein Geſicht; er trug ein braunes Sammt-
coſtüm, kurze Hoſe, braunſeidene Strümpfe, Schnallen-
ſchuhe, Wams und Mantel, reich mit Atlas beſetzt,
und Barett mit langer Straußenfeder. Für den
Kenner ſchien der Anzug einer Theatergarderobe ent-
lehnt zu ſein.
Zuerſt ſtellte Berg ſeine Frau dem Geſandten
vor, und als dieſem Mienel die Hand reichte, küßte
er dieſe galant, indem er eine tiefe Verbeuguug
machte. Mienel wäre vor Scham am liebſten in die
Erde geſunken: das ſchickte ſich nicht für eine ehr-
ſame Handwerkersfrau; ſie knixte und verwickelte ſich
fortwährend in ihre Schleppe. Nachdem die Vor-
ſtellung der übrigen Gäſte beendet, ſetzte man ſich
zur Tafel. Der Geſandte ſaß auf dem Ehrenplatze,
neben ihm Berg, dann Mienel und hierauf folgten
die anderen Gäſte. Die Unterhaltung war äußerſt
animiert; Berg und der Geſandte tranken tüchtig
und ſtießen häufig mit der Frau Wirtin an. Mienel
konnte vor lauter Ehrerbietung weder eſſen noch
trinken, und im Stillen dankte ſie Gott, als der letzte
Gang aufgetragen wurde. Daſs der Geſandte platt-
deutſch und ihr Mann däniſch ſprach, bemerkte ſie
nicht. Endlich kam der Champagner; der Geſandte
erhob ſein Glas, ſagte etwas, das niemand verſtand,
und ſtieß wieder mit Mienel an. Berg verdolmetſchte,
daſs der Geſandte auf ihr Wohl ſein Glas geleert
habe. Mienel wurde purpurroth und konnte weiter
nicht thun als knixen. Nach Ablauf einer weiteren
halben Stunde verabſchiedete ſich der Geſandte und
küſste wiederum Mienel’s Hand.
Nachdem auch die übrigen Gäſte gegangen,
Mienel ſich ihres Schleppkleides entledigt und an
Stelle desſelben ihr blau gedrucktes Hauskleid an-
gelegt hatte und Berg im Schlafrock, mit der langen
Pfeife im Munde, auf dem Sopha ruhte, ſagte ſeine
Frau zu ihm: „Wie viel doch ein Geſandter trinken
kann. Erſt hat er zwei Flaſchen Rheinwein und dann
zwei Flaſchen Champagner getrunken.“
„Die Herren ſind daran gewöhnt“, erwiderte
Berg, „ſie trinken nie Waſſer; da ſollteſt Du erſt
den ſchwediſchen Geſandten ſehen, mit dem ich in
Berlin zuſammen geſpeiſt. Ein jovialer Herr; es iſt
nicht unmöglich, daſs auch er eines Tages uns die
Ehre erweist und bei uns iſst.“
„Um Gotteswillen“, ſagte Mienel, „das war
ein theurer Abend!“
Drei Tage waren vergangen, als ein Verwandter
der Berg’ſchen Familie dieſelbe aufſuchte und den
Nachmittagskaffee mit ihnen einnahm. Sogleich brachte
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