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Badener Zeitung. Nr. 7, Baden (Niederösterreich), 24.01.1900.

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Mittwoch Badener Zeitung 24. Jänner 1900. Nr 7.

[Spaltenumbruch]

Gesammtheit zu stellen, ist ein Gedanke, der das
Herz jedes Vaterlandsfreundes erwärmen muss.
Es gilt, für unseren Staat einen Zeitraum der
Erholung zu schaffen, der, von den Parteien mit
kluger Mäßigung ausgenützt, den Übergang zu
besseren Tagen vorbereiten kann.

Eine aufrichtige und ehrliche Politik der
Verständigung, eine feste, unparteiische, vom
rascheren Pulse der Zeit belebte Verwaltung und
die Förderung aller auf die Hebung und Er-
weiterung der Production gerichteten Bestrebungen
-- das sind die Zielpunkte der neuen Regierung
und hiefür erhofft sie vertrauensvoll die Unter-
stützung aller Classen der Bevölkerung."

Das Ministerium Körber tritt, wie aus
dieser programmatischen Erklärung hervorgeht,
mit dem besten Willen und ehrlichstem guten
Wollen sein Amt an. Seine erste Sorge ist die
Erzielung der Verständigung zwischen Deutschen
und Czechen, wie der letzte Absatz der Erklärung
besagt, in ehrlicher und aufrichtiger Form, un-
parteiisch und, was darunter wohl zu verstehen
sein dürfte, unter Verhinderung der Einmischung
von fremden, außenstehenden Elementen, welche,
wie Polen und Feudale, mit der Sache absolut
nichts zu thun haben. Wir haben an einer solchen
endlichen Verständigung, an einer reinigenden
Aussprache von Volk zu Volk, nie gezweifelt und
obwohl seitdem die wühlenden reactionären Kräfte
nicht unthätig gewesen sind und die Situation
wesentlich verschlimmert haben, halten wir eine
Verständigung dann für nicht ausgeschlossen, wenn
es Herrn v. Körber wirklich gelingt, die Hände
der Palffy, Schwarzenberg, Bilinski, Jaworski,
Dipauli und Kathrein von der Sache fernzuhalten.
Gelingt dies nicht, erhalten diese destructiven
Elemente wieder die Oberhand, so kann die ganze
heute mit aller Ehrlichkeit und mit dem besten
Willen für das Gelingen eingegangene Verstän-
digungsaction schon im voraus als gescheitert
betrachtet werden. Die allernächste Zeit wird uns
schon lehren, woran wir uns in dieser Beziehung
zu halten haben.




Politische Äbersicht

Mit dem Amtsantritte des neuen Ministeriums
hat auch das Werk der Verständigungsaction sofort
greifbare Gestalt angenommen. Dies findet zuvörderst
seinen Ausdruck in den Obmännerconferenzen der
Parteien der Linken, welche Sonntag vormittags
begonnen haben und nach dreistündiger Dauer unter-
brochen wurden, um Montag fortgesetzt zu werden.
Diesen Berathungen wohnten bei seitens der Fort-
schrittspartei die Abgeordneten Dr. Funke, Dr. Groß
[Spaltenumbruch] und Dr. Pergelt; seitens der deutschen Volkspartei
die Abgeordneten Dr. Hochenburger, Hofmann-Wellen-
hof und Kaiser; seitens des verfassungstreuen Groß-
grundbesitzes die Abgeordneten Dr. Baernreither,
Baron Schwegel und Graf Stürkgh; seitens der
christlichsocialen Partei die Abgeordneten Prinz
Liechtenstein und Dr. Weißkirchner und seitens der
freien deutschen Vereinigung der Abgeordnete Kink.
Die Abgeordneten Dr. Geßmann und Dr. Grabmayer
hatten ihr Fernbleiben entschuldigt, Dr. Lueger be-
findet sich derzeit auf einer Urlaubsreise in Italien.

Über den Verlauf der Berathung wird folgende
Mittheilung veröffentlicht:

"Die Obmännerconferenz der deutschen Parteien
&q;der Linken billigt die ihr von der Regierung
&q;bekanntgegebene Absicht, eine Verständigungsaction
&q;zwischen Deutschen und Czechen in Böhmen und
&q;Mähren durch Einberufung einer außerparlamen-
&q;tarischen Conferenz von Vertrauensmännern
&q;beider Volksstämme alsbald einzuleiten, und gibt
&q;der Hoffnung Ausdruck, dass die Vertrauens-
&q;männer beider Parteien in diesen Kronländern
&q;zu diesem Behufe einzuladen sein werden."

"Die Obmännerconferenz geht jedoch bei der
&q;Beschickung dieser Conferenz seitens der von
&q;ihnen vertretenen Parteien von der Erwartung
&q;aus, dass der Reichsrath spätestens noch im
&q;Monate Februar einberufen wird."

"Die Obmännerconferenz der deutschen Parteien
&q;der Linken legt auf die baldigste Aufnahme der
&q;verfassungsmäßigen Thätigkeit des Parlamentes
&q;umso größeres Gewicht, als die bedrohliche innere
&q;Lage des Reiches von Tag zu Tag dringender
&q;die Wiederherstellung geordneter politischer Ver-
&q;hältnisse, die Lösung der wichtigsten wirtschaft-
&q;lichen Fragen und eine intensive Thätigkeit der
&q;Gesetzgebung und Verwaltung in dem seit Jahren
&q;schwer vernachlässigten wirtschaftlichen Bereiche
&q;des staatlichen Pflichtenkreises erheischt".

"Die Versammlung bevollmächtigte den Vor-
&q;sitzenden, Abgeordneten Dr. Funke, dem Minister-
&q;präsidenten von diesem Ergebnisse ihrer Berathung
&q;Mittheilung zu machen".

Im Übrigen war die Befriedigung der zur
Besprechung erschienenen Abgeordneten über das
Programm der Regierung keine besonders hohe. Fast
einmüthig wurde der Verstimmung darüber Ausdruck
verliehen, dass das neue Cabinet durch einige seiner
Mitglieder, welche auf entschieden conservativer Seite
stehen, kein besonderes Vertrauen erwecke und dass
auch der Umstand, dass in dem Programme von der
Wahrung der verfassungsmäßigen Zustände in Österreich
auch nicht mit einem einzigen Worte die Rede ist, trug
bei den deutschen Vertrauensmännern nicht gerade zur
Beruhigung über die künftige Action der Regierung bei.
Sie will versuchen, eine Verständigung in nationalen
Fragen zwischen Deutschen und Czechen zuwege zu
[Spaltenumbruch] bringen und sodann den Reichsrath bis längstens
1. März einberufen. Ein längerer Termin steht
Herrn v. Körber nicht zur Verfügung, weil mit
diesem Termine die Bewilligung des Rekrutencon-
tingentgesetzes fällig geworden ist. Gelingt die Ver-
ständigung nicht bis Ende Februar, so soll, wie die
Regierung schon heute verlauten lässt, die Session
abermals geschlossen und das Abgeordnetenhaus auf-
gelöst werden. Zu dieser Lösung wäre aber gewiss
auch Herr v. Wittek befähigt gewesen und es ist
nicht einzusehen, wozu deshalb ein so rascher Minister-
wechsel erfolgen musste. Wäre das Abgeordneten-
haus schon längst aufgelöst worden, so stünden die
Dinge überhaupt schon längst zum besseren und es
lässt gewiss tief blicken, dass das Ministerium sich
heute schon mit dieser letzten und äußersten Even-
tualität befasst. Der Glaube an das Gelingen der
Verständigung muss demnach nicht besonders groß
sein, und das ist vielleicht eine Anschauung, mit welcher
jedermann in Österreich mit der Regierung, wenigstens
im Stillen, übereinstimmt. Es ist eben zu spät zur
Verständigung. Dieses "Zu spät" ist in Österreich
von jeher ein verhängnisvolles Wort gewesen und
alle unsere bisherigen Politiker sind mit dem Fluche
dieses "Zu spät" belastet. Noch nach Badeni hätte
eine energische Action in dieser Richtung geholfen;
wenn man heute mit der Eventualität einer Auf-
lösung rechnet, so wird man an das ominöse "Zu
spät" unwillkürlich erinnert. Was aber geschehen wird,
wenn auch das nichts nützt, was längst schon hätte
geschehen sollen, dann hat auch die Weisheit dieser
Regierung ausgespielt. Es steht aber dann etwas
Schlimmeres auf dem Spiele, als ein harmloser
Cabinetswechsel und die heute von allen ins
Vordertreffen gesendete wirtschaftliche Lage der Mo-
narchie wird dann noch lange auf Besserung warten
müssen.

In Afrika stehen die Dinge unmittelbar vor
der Entscheidung, wenn sie etwa nicht schon ent-
schieden sind. Die Engländer haben endlich mit
großer Streitmacht den Tugelafluss übersetzt und
den Kampf mit den Boers aufgenommen, welche,
wenigstens nach den ersten englischen, überaus lücken-
haften Depeschen zu schließen, überall zurückgewichen
sind. Der Feldzug wird ja trotz der Tapferkeit der
Boers mit ihrer Erdrückung durch die englische
Übermacht enden; aber die Herbeiführung dieses Re-
sultates wird noch viel Blut kosten. Unterdessen hört
man neuerdings von russischen Truppenvorschiebungen
gegen die afghanistanische Grenze, und es wird immer
wahrscheinlicher, dass der russische Bär die sich ihm
darbietende gute Gelegenheit brnützt, um sich be-
haglich zu strecken und sich langsam aber sicher ein
gutes Plätzchen in der englischen Interessensphäre
auszusuchen.






[Spaltenumbruch]

und dass ich die liebenswürdige Tochter eines wohl-
habenden und angesehenen Bürgers geheiratet habe."
Mienel warf bei diesen Worten den Kopf zurück.
"Er fragte mich nun über alles", fuhr Berg fort,
"betreffs der Größe von Haus und Garten, auch ob
die Gerberei massiv gebaut sei, kurz ich konnte nicht
umhin, ich lud ihn für morgen zum Abendbrot ein.
Nun, Mienel, thue Dein Bestes, denn eine solche
Ehre widerfährt unserem Hause nie wieder." Mienel
fuhr die große Ehre in alle Glieder; sie wäre bei-
nahe umgesunken. Berg gieng sofort in die Werkstatt
und holte zwei Lehrjungen; den einen schickte er
zum Damenschneider, den anderen zur Kochfrau mit
der Bitte, so bald als möglich bei ihm zu erscheinen.

Nach Verlauf einer Stunde trafen beide ein
und Berg setzte dem Schneider auseinander, dass
das Brautkleid seiner Frau bis zum Nachmittag des
nächsten Tages modernisiert und mit einer Schleppe
versehen werden müsse, er solle die ganze Nacht
daran arbeiten. Znm Glück hatte Mienel noch fünf
Ellen Stoff liegen. Nachdem die Toilette-Angelegen-
heit erledigt, kam die Küchenfrage an die Reihe. Die
Kochfrau machte verschiedene Vorschläge, und Berg
entschied sich in jedem Falle für das theuerste; sie
musste sogleich im Hause bleiben, um die Früchte
zu kochen. Berg gieng zur Stadt, den Wein zu be-
stellen und noch verschiedene Gäste einzuladen. Auf
den Einspruch Minel's, dass sie selbst guten Wein
im Keller hätten, antwortete er kurz: "Alles zu
leicht; erst ein schwerer Rheinwein, dann Cham-
pagner!"

Nun begann ein tolles Wirtschaften. Das Haus
wurde vom Boden bis in den Keller hinunter ge-
scheuert und die Gartenanlagen gesäubert. Am nächsten
Tage war alles blitzblank. An den Fenstern hiengen
[Spaltenumbruch] schneeweiße Gardinen, die Thüren glänzten wie frisch
lackiert und die Schlösser funkelten, als wenn sie
von Gold wären. Ein lieblicher Bratenduft durch-
wehte das Haus, und nachdem Mienel sich nochmals
überzeugt, dass alles in Ordnung sei, begann sie
sich anzukleiden. Das lilaseidene Kleid war sehr
hübsch garniert und eine lange Schleppe daran,
dazu eine Haube mit langen, breiten, weißen Bändern
und verstreuten Rosenknospen bedeckte ihr Haupt; sie
sah aus wie ein aufgeblasener Frosch; als sie sich
jedoch im Spiegel betrachtete, nahm ihr Anlitz einen
wohlgefälligen Ausdruck an. Berg hatte einen feinen
Fächer mitgebracht und zeigte ihr, wie sie denselben
handhaben müsse; auch er hatte sein Festgewand
angelegt. Nach und nach erschienen die Gäste. Endlich
schlug es acht Uhr und zehn Minuten später fuhr
eine Equipage vor. Berg gieng schnell hinunter, um
den Gesandten zu empfangen und ihn ins Speise-
zimmer zu geleiten. Letzterer war ein Mann von
imponierender Gestalt; ein schwarzer Vollbart um-
rahmte sein Gesicht; er trug ein braunes Sammt-
costüm, kurze Hose, braunseidene Strümpfe, Schnallen-
schuhe, Wams und Mantel, reich mit Atlas besetzt,
und Barett mit langer Straußenfeder. Für den
Kenner schien der Anzug einer Theatergarderobe ent-
lehnt zu sein.

Zuerst stellte Berg seine Frau dem Gesandten
vor, und als diesem Mienel die Hand reichte, küßte
er diese galant, indem er eine tiefe Verbeuguug
machte. Mienel wäre vor Scham am liebsten in die
Erde gesunken: das schickte sich nicht für eine ehr-
same Handwerkersfrau; sie knixte und verwickelte sich
fortwährend in ihre Schleppe. Nachdem die Vor-
stellung der übrigen Gäste beendet, setzte man sich
zur Tafel. Der Gesandte saß auf dem Ehrenplatze,
[Spaltenumbruch] neben ihm Berg, dann Mienel und hierauf folgten
die anderen Gäste. Die Unterhaltung war äußerst
animiert; Berg und der Gesandte tranken tüchtig
und stießen häufig mit der Frau Wirtin an. Mienel
konnte vor lauter Ehrerbietung weder essen noch
trinken, und im Stillen dankte sie Gott, als der letzte
Gang aufgetragen wurde. Dass der Gesandte platt-
deutsch und ihr Mann dänisch sprach, bemerkte sie
nicht. Endlich kam der Champagner; der Gesandte
erhob sein Glas, sagte etwas, das niemand verstand,
und stieß wieder mit Mienel an. Berg verdolmetschte,
dass der Gesandte auf ihr Wohl sein Glas geleert
habe. Mienel wurde purpurroth und konnte weiter
nicht thun als knixen. Nach Ablauf einer weiteren
halben Stunde verabschiedete sich der Gesandte und
küsste wiederum Mienel's Hand.

Nachdem auch die übrigen Gäste gegangen,
Mienel sich ihres Schleppkleides entledigt und an
Stelle desselben ihr blau gedrucktes Hauskleid an-
gelegt hatte und Berg im Schlafrock, mit der langen
Pfeife im Munde, auf dem Sopha ruhte, sagte seine
Frau zu ihm: "Wie viel doch ein Gesandter trinken
kann. Erst hat er zwei Flaschen Rheinwein und dann
zwei Flaschen Champagner getrunken."

"Die Herren sind daran gewöhnt", erwiderte
Berg, "sie trinken nie Wasser; da solltest Du erst
den schwedischen Gesandten sehen, mit dem ich in
Berlin zusammen gespeist. Ein jovialer Herr; es ist
nicht unmöglich, dass auch er eines Tages uns die
Ehre erweist und bei uns isst."

"Um Gotteswillen", sagte Mienel, "das war
ein theurer Abend!"

Drei Tage waren vergangen, als ein Verwandter
der Berg'schen Familie dieselbe aufsuchte und den
Nachmittagskaffee mit ihnen einnahm. Sogleich brachte


Mittwoch Badener Zeitung 24. Jänner 1900. Nr 7.

[Spaltenumbruch]

Geſammtheit zu ſtellen, iſt ein Gedanke, der das
Herz jedes Vaterlandsfreundes erwärmen muſs.
Es gilt, für unſeren Staat einen Zeitraum der
Erholung zu ſchaffen, der, von den Parteien mit
kluger Mäßigung ausgenützt, den Übergang zu
beſſeren Tagen vorbereiten kann.

Eine aufrichtige und ehrliche Politik der
Verſtändigung, eine feſte, unparteiiſche, vom
raſcheren Pulſe der Zeit belebte Verwaltung und
die Förderung aller auf die Hebung und Er-
weiterung der Production gerichteten Beſtrebungen
— das ſind die Zielpunkte der neuen Regierung
und hiefür erhofft ſie vertrauensvoll die Unter-
ſtützung aller Claſſen der Bevölkerung.“

Das Miniſterium Körber tritt, wie aus
dieſer programmatiſchen Erklärung hervorgeht,
mit dem beſten Willen und ehrlichſtem guten
Wollen ſein Amt an. Seine erſte Sorge iſt die
Erzielung der Verſtändigung zwiſchen Deutſchen
und Czechen, wie der letzte Abſatz der Erklärung
beſagt, in ehrlicher und aufrichtiger Form, un-
parteiiſch und, was darunter wohl zu verſtehen
ſein dürfte, unter Verhinderung der Einmiſchung
von fremden, außenſtehenden Elementen, welche,
wie Polen und Feudale, mit der Sache abſolut
nichts zu thun haben. Wir haben an einer ſolchen
endlichen Verſtändigung, an einer reinigenden
Ausſprache von Volk zu Volk, nie gezweifelt und
obwohl ſeitdem die wühlenden reactionären Kräfte
nicht unthätig geweſen ſind und die Situation
weſentlich verſchlimmert haben, halten wir eine
Verſtändigung dann für nicht ausgeſchloſſen, wenn
es Herrn v. Körber wirklich gelingt, die Hände
der Palffy, Schwarzenberg, Bilinski, Jaworski,
Dipauli und Kathrein von der Sache fernzuhalten.
Gelingt dies nicht, erhalten dieſe deſtructiven
Elemente wieder die Oberhand, ſo kann die ganze
heute mit aller Ehrlichkeit und mit dem beſten
Willen für das Gelingen eingegangene Verſtän-
digungsaction ſchon im voraus als geſcheitert
betrachtet werden. Die allernächſte Zeit wird uns
ſchon lehren, woran wir uns in dieſer Beziehung
zu halten haben.




Politiſche Äberſicht

Mit dem Amtsantritte des neuen Miniſteriums
hat auch das Werk der Verſtändigungsaction ſofort
greifbare Geſtalt angenommen. Dies findet zuvörderſt
ſeinen Ausdruck in den Obmännerconferenzen der
Parteien der Linken, welche Sonntag vormittags
begonnen haben und nach dreiſtündiger Dauer unter-
brochen wurden, um Montag fortgeſetzt zu werden.
Dieſen Berathungen wohnten bei ſeitens der Fort-
ſchrittspartei die Abgeordneten Dr. Funke, Dr. Groß
[Spaltenumbruch] und Dr. Pergelt; ſeitens der deutſchen Volkspartei
die Abgeordneten Dr. Hochenburger, Hofmann-Wellen-
hof und Kaiſer; ſeitens des verfaſſungstreuen Groß-
grundbeſitzes die Abgeordneten Dr. Baernreither,
Baron Schwegel und Graf Stürkgh; ſeitens der
chriſtlichſocialen Partei die Abgeordneten Prinz
Liechtenſtein und Dr. Weißkirchner und ſeitens der
freien deutſchen Vereinigung der Abgeordnete Kink.
Die Abgeordneten Dr. Geßmann und Dr. Grabmayer
hatten ihr Fernbleiben entſchuldigt, Dr. Lueger be-
findet ſich derzeit auf einer Urlaubsreiſe in Italien.

Über den Verlauf der Berathung wird folgende
Mittheilung veröffentlicht:

„Die Obmännerconferenz der deutſchen Parteien
&q;der Linken billigt die ihr von der Regierung
&q;bekanntgegebene Abſicht, eine Verſtändigungsaction
&q;zwiſchen Deutſchen und Czechen in Böhmen und
&q;Mähren durch Einberufung einer außerparlamen-
&q;tariſchen Conferenz von Vertrauensmännern
&q;beider Volksſtämme alsbald einzuleiten, und gibt
&q;der Hoffnung Ausdruck, daſs die Vertrauens-
&q;männer beider Parteien in dieſen Kronländern
&q;zu dieſem Behufe einzuladen ſein werden.“

„Die Obmännerconferenz geht jedoch bei der
&q;Beſchickung dieſer Conferenz ſeitens der von
&q;ihnen vertretenen Parteien von der Erwartung
&q;aus, daſs der Reichsrath ſpäteſtens noch im
&q;Monate Februar einberufen wird.“

„Die Obmännerconferenz der deutſchen Parteien
&q;der Linken legt auf die baldigſte Aufnahme der
&q;verfaſſungsmäßigen Thätigkeit des Parlamentes
&q;umſo größeres Gewicht, als die bedrohliche innere
&q;Lage des Reiches von Tag zu Tag dringender
&q;die Wiederherſtellung geordneter politiſcher Ver-
&q;hältniſſe, die Löſung der wichtigſten wirtſchaft-
&q;lichen Fragen und eine intenſive Thätigkeit der
&q;Geſetzgebung und Verwaltung in dem ſeit Jahren
&q;ſchwer vernachläſſigten wirtſchaftlichen Bereiche
&q;des ſtaatlichen Pflichtenkreiſes erheiſcht“.

„Die Verſammlung bevollmächtigte den Vor-
&q;ſitzenden, Abgeordneten Dr. Funke, dem Miniſter-
&q;präſidenten von dieſem Ergebniſſe ihrer Berathung
&q;Mittheilung zu machen“.

Im Übrigen war die Befriedigung der zur
Beſprechung erſchienenen Abgeordneten über das
Programm der Regierung keine beſonders hohe. Faſt
einmüthig wurde der Verſtimmung darüber Ausdruck
verliehen, daſs das neue Cabinet durch einige ſeiner
Mitglieder, welche auf entſchieden conſervativer Seite
ſtehen, kein beſonderes Vertrauen erwecke und daſs
auch der Umſtand, daſs in dem Programme von der
Wahrung der verfaſſungsmäßigen Zuſtände in Öſterreich
auch nicht mit einem einzigen Worte die Rede iſt, trug
bei den deutſchen Vertrauensmännern nicht gerade zur
Beruhigung über die künftige Action der Regierung bei.
Sie will verſuchen, eine Verſtändigung in nationalen
Fragen zwiſchen Deutſchen und Czechen zuwege zu
[Spaltenumbruch] bringen und ſodann den Reichsrath bis längſtens
1. März einberufen. Ein längerer Termin ſteht
Herrn v. Körber nicht zur Verfügung, weil mit
dieſem Termine die Bewilligung des Rekrutencon-
tingentgeſetzes fällig geworden iſt. Gelingt die Ver-
ſtändigung nicht bis Ende Februar, ſo ſoll, wie die
Regierung ſchon heute verlauten läſst, die Seſſion
abermals geſchloſſen und das Abgeordnetenhaus auf-
gelöst werden. Zu dieſer Löſung wäre aber gewiſs
auch Herr v. Wittek befähigt geweſen und es iſt
nicht einzuſehen, wozu deshalb ein ſo raſcher Miniſter-
wechſel erfolgen muſste. Wäre das Abgeordneten-
haus ſchon längſt aufgelöst worden, ſo ſtünden die
Dinge überhaupt ſchon längſt zum beſſeren und es
läſst gewiſs tief blicken, daſs das Miniſterium ſich
heute ſchon mit dieſer letzten und äußerſten Even-
tualität befaſst. Der Glaube an das Gelingen der
Verſtändigung muſs demnach nicht beſonders groß
ſein, und das iſt vielleicht eine Anſchauung, mit welcher
jedermann in Öſterreich mit der Regierung, wenigſtens
im Stillen, übereinſtimmt. Es iſt eben zu ſpät zur
Verſtändigung. Dieſes „Zu ſpät“ iſt in Öſterreich
von jeher ein verhängnisvolles Wort geweſen und
alle unſere bisherigen Politiker ſind mit dem Fluche
dieſes „Zu ſpät“ belaſtet. Noch nach Badeni hätte
eine energiſche Action in dieſer Richtung geholfen;
wenn man heute mit der Eventualität einer Auf-
löſung rechnet, ſo wird man an das ominöſe „Zu
ſpät“ unwillkürlich erinnert. Was aber geſchehen wird,
wenn auch das nichts nützt, was längſt ſchon hätte
geſchehen ſollen, dann hat auch die Weisheit dieſer
Regierung ausgeſpielt. Es ſteht aber dann etwas
Schlimmeres auf dem Spiele, als ein harmloſer
Cabinetswechſel und die heute von allen ins
Vordertreffen geſendete wirtſchaftliche Lage der Mo-
narchie wird dann noch lange auf Beſſerung warten
müſſen.

In Afrika ſtehen die Dinge unmittelbar vor
der Entſcheidung, wenn ſie etwa nicht ſchon ent-
ſchieden ſind. Die Engländer haben endlich mit
großer Streitmacht den Tugelafluſs überſetzt und
den Kampf mit den Boers aufgenommen, welche,
wenigſtens nach den erſten engliſchen, überaus lücken-
haften Depeſchen zu ſchließen, überall zurückgewichen
ſind. Der Feldzug wird ja trotz der Tapferkeit der
Boers mit ihrer Erdrückung durch die engliſche
Übermacht enden; aber die Herbeiführung dieſes Re-
ſultates wird noch viel Blut koſten. Unterdeſſen hört
man neuerdings von ruſſiſchen Truppenvorſchiebungen
gegen die afghaniſtaniſche Grenze, und es wird immer
wahrſcheinlicher, daſs der ruſſiſche Bär die ſich ihm
darbietende gute Gelegenheit brnützt, um ſich be-
haglich zu ſtrecken und ſich langſam aber ſicher ein
gutes Plätzchen in der engliſchen Intereſſenſphäre
auszuſuchen.






[Spaltenumbruch]

und daſs ich die liebenswürdige Tochter eines wohl-
habenden und angeſehenen Bürgers geheiratet habe.“
Mienel warf bei dieſen Worten den Kopf zurück.
„Er fragte mich nun über alles“, fuhr Berg fort,
„betreffs der Größe von Haus und Garten, auch ob
die Gerberei maſſiv gebaut ſei, kurz ich konnte nicht
umhin, ich lud ihn für morgen zum Abendbrot ein.
Nun, Mienel, thue Dein Beſtes, denn eine ſolche
Ehre widerfährt unſerem Hauſe nie wieder.“ Mienel
fuhr die große Ehre in alle Glieder; ſie wäre bei-
nahe umgeſunken. Berg gieng ſofort in die Werkſtatt
und holte zwei Lehrjungen; den einen ſchickte er
zum Damenſchneider, den anderen zur Kochfrau mit
der Bitte, ſo bald als möglich bei ihm zu erſcheinen.

Nach Verlauf einer Stunde trafen beide ein
und Berg ſetzte dem Schneider auseinander, daſs
das Brautkleid ſeiner Frau bis zum Nachmittag des
nächſten Tages moderniſiert und mit einer Schleppe
verſehen werden müſſe, er ſolle die ganze Nacht
daran arbeiten. Znm Glück hatte Mienel noch fünf
Ellen Stoff liegen. Nachdem die Toilette-Angelegen-
heit erledigt, kam die Küchenfrage an die Reihe. Die
Kochfrau machte verſchiedene Vorſchläge, und Berg
entſchied ſich in jedem Falle für das theuerſte; ſie
muſste ſogleich im Hauſe bleiben, um die Früchte
zu kochen. Berg gieng zur Stadt, den Wein zu be-
ſtellen und noch verſchiedene Gäſte einzuladen. Auf
den Einſpruch Minel’s, daſs ſie ſelbſt guten Wein
im Keller hätten, antwortete er kurz: „Alles zu
leicht; erſt ein ſchwerer Rheinwein, dann Cham-
pagner!“

Nun begann ein tolles Wirtſchaften. Das Haus
wurde vom Boden bis in den Keller hinunter ge-
ſcheuert und die Gartenanlagen geſäubert. Am nächſten
Tage war alles blitzblank. An den Fenſtern hiengen
[Spaltenumbruch] ſchneeweiße Gardinen, die Thüren glänzten wie friſch
lackiert und die Schlöſſer funkelten, als wenn ſie
von Gold wären. Ein lieblicher Bratenduft durch-
wehte das Haus, und nachdem Mienel ſich nochmals
überzeugt, daſs alles in Ordnung ſei, begann ſie
ſich anzukleiden. Das lilaſeidene Kleid war ſehr
hübſch garniert und eine lange Schleppe daran,
dazu eine Haube mit langen, breiten, weißen Bändern
und verſtreuten Roſenknoſpen bedeckte ihr Haupt; ſie
ſah aus wie ein aufgeblaſener Froſch; als ſie ſich
jedoch im Spiegel betrachtete, nahm ihr Anlitz einen
wohlgefälligen Ausdruck an. Berg hatte einen feinen
Fächer mitgebracht und zeigte ihr, wie ſie denſelben
handhaben müſſe; auch er hatte ſein Feſtgewand
angelegt. Nach und nach erſchienen die Gäſte. Endlich
ſchlug es acht Uhr und zehn Minuten ſpäter fuhr
eine Equipage vor. Berg gieng ſchnell hinunter, um
den Geſandten zu empfangen und ihn ins Speiſe-
zimmer zu geleiten. Letzterer war ein Mann von
imponierender Geſtalt; ein ſchwarzer Vollbart um-
rahmte ſein Geſicht; er trug ein braunes Sammt-
coſtüm, kurze Hoſe, braunſeidene Strümpfe, Schnallen-
ſchuhe, Wams und Mantel, reich mit Atlas beſetzt,
und Barett mit langer Straußenfeder. Für den
Kenner ſchien der Anzug einer Theatergarderobe ent-
lehnt zu ſein.

Zuerſt ſtellte Berg ſeine Frau dem Geſandten
vor, und als dieſem Mienel die Hand reichte, küßte
er dieſe galant, indem er eine tiefe Verbeuguug
machte. Mienel wäre vor Scham am liebſten in die
Erde geſunken: das ſchickte ſich nicht für eine ehr-
ſame Handwerkersfrau; ſie knixte und verwickelte ſich
fortwährend in ihre Schleppe. Nachdem die Vor-
ſtellung der übrigen Gäſte beendet, ſetzte man ſich
zur Tafel. Der Geſandte ſaß auf dem Ehrenplatze,
[Spaltenumbruch] neben ihm Berg, dann Mienel und hierauf folgten
die anderen Gäſte. Die Unterhaltung war äußerſt
animiert; Berg und der Geſandte tranken tüchtig
und ſtießen häufig mit der Frau Wirtin an. Mienel
konnte vor lauter Ehrerbietung weder eſſen noch
trinken, und im Stillen dankte ſie Gott, als der letzte
Gang aufgetragen wurde. Daſs der Geſandte platt-
deutſch und ihr Mann däniſch ſprach, bemerkte ſie
nicht. Endlich kam der Champagner; der Geſandte
erhob ſein Glas, ſagte etwas, das niemand verſtand,
und ſtieß wieder mit Mienel an. Berg verdolmetſchte,
daſs der Geſandte auf ihr Wohl ſein Glas geleert
habe. Mienel wurde purpurroth und konnte weiter
nicht thun als knixen. Nach Ablauf einer weiteren
halben Stunde verabſchiedete ſich der Geſandte und
küſste wiederum Mienel’s Hand.

Nachdem auch die übrigen Gäſte gegangen,
Mienel ſich ihres Schleppkleides entledigt und an
Stelle desſelben ihr blau gedrucktes Hauskleid an-
gelegt hatte und Berg im Schlafrock, mit der langen
Pfeife im Munde, auf dem Sopha ruhte, ſagte ſeine
Frau zu ihm: „Wie viel doch ein Geſandter trinken
kann. Erſt hat er zwei Flaſchen Rheinwein und dann
zwei Flaſchen Champagner getrunken.“

„Die Herren ſind daran gewöhnt“, erwiderte
Berg, „ſie trinken nie Waſſer; da ſollteſt Du erſt
den ſchwediſchen Geſandten ſehen, mit dem ich in
Berlin zuſammen geſpeiſt. Ein jovialer Herr; es iſt
nicht unmöglich, daſs auch er eines Tages uns die
Ehre erweist und bei uns iſst.“

„Um Gotteswillen“, ſagte Mienel, „das war
ein theurer Abend!“

Drei Tage waren vergangen, als ein Verwandter
der Berg’ſchen Familie dieſelbe aufſuchte und den
Nachmittagskaffee mit ihnen einnahm. Sogleich brachte


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[2/0002] Mittwoch Badener Zeitung 24. Jänner 1900. Nr 7. Geſammtheit zu ſtellen, iſt ein Gedanke, der das Herz jedes Vaterlandsfreundes erwärmen muſs. Es gilt, für unſeren Staat einen Zeitraum der Erholung zu ſchaffen, der, von den Parteien mit kluger Mäßigung ausgenützt, den Übergang zu beſſeren Tagen vorbereiten kann. Eine aufrichtige und ehrliche Politik der Verſtändigung, eine feſte, unparteiiſche, vom raſcheren Pulſe der Zeit belebte Verwaltung und die Förderung aller auf die Hebung und Er- weiterung der Production gerichteten Beſtrebungen — das ſind die Zielpunkte der neuen Regierung und hiefür erhofft ſie vertrauensvoll die Unter- ſtützung aller Claſſen der Bevölkerung.“ Das Miniſterium Körber tritt, wie aus dieſer programmatiſchen Erklärung hervorgeht, mit dem beſten Willen und ehrlichſtem guten Wollen ſein Amt an. Seine erſte Sorge iſt die Erzielung der Verſtändigung zwiſchen Deutſchen und Czechen, wie der letzte Abſatz der Erklärung beſagt, in ehrlicher und aufrichtiger Form, un- parteiiſch und, was darunter wohl zu verſtehen ſein dürfte, unter Verhinderung der Einmiſchung von fremden, außenſtehenden Elementen, welche, wie Polen und Feudale, mit der Sache abſolut nichts zu thun haben. Wir haben an einer ſolchen endlichen Verſtändigung, an einer reinigenden Ausſprache von Volk zu Volk, nie gezweifelt und obwohl ſeitdem die wühlenden reactionären Kräfte nicht unthätig geweſen ſind und die Situation weſentlich verſchlimmert haben, halten wir eine Verſtändigung dann für nicht ausgeſchloſſen, wenn es Herrn v. Körber wirklich gelingt, die Hände der Palffy, Schwarzenberg, Bilinski, Jaworski, Dipauli und Kathrein von der Sache fernzuhalten. Gelingt dies nicht, erhalten dieſe deſtructiven Elemente wieder die Oberhand, ſo kann die ganze heute mit aller Ehrlichkeit und mit dem beſten Willen für das Gelingen eingegangene Verſtän- digungsaction ſchon im voraus als geſcheitert betrachtet werden. Die allernächſte Zeit wird uns ſchon lehren, woran wir uns in dieſer Beziehung zu halten haben. Politiſche Äberſicht Mit dem Amtsantritte des neuen Miniſteriums hat auch das Werk der Verſtändigungsaction ſofort greifbare Geſtalt angenommen. Dies findet zuvörderſt ſeinen Ausdruck in den Obmännerconferenzen der Parteien der Linken, welche Sonntag vormittags begonnen haben und nach dreiſtündiger Dauer unter- brochen wurden, um Montag fortgeſetzt zu werden. Dieſen Berathungen wohnten bei ſeitens der Fort- ſchrittspartei die Abgeordneten Dr. Funke, Dr. Groß und Dr. Pergelt; ſeitens der deutſchen Volkspartei die Abgeordneten Dr. Hochenburger, Hofmann-Wellen- hof und Kaiſer; ſeitens des verfaſſungstreuen Groß- grundbeſitzes die Abgeordneten Dr. Baernreither, Baron Schwegel und Graf Stürkgh; ſeitens der chriſtlichſocialen Partei die Abgeordneten Prinz Liechtenſtein und Dr. Weißkirchner und ſeitens der freien deutſchen Vereinigung der Abgeordnete Kink. Die Abgeordneten Dr. Geßmann und Dr. Grabmayer hatten ihr Fernbleiben entſchuldigt, Dr. Lueger be- findet ſich derzeit auf einer Urlaubsreiſe in Italien. Über den Verlauf der Berathung wird folgende Mittheilung veröffentlicht: „Die Obmännerconferenz der deutſchen Parteien &q;der Linken billigt die ihr von der Regierung &q;bekanntgegebene Abſicht, eine Verſtändigungsaction &q;zwiſchen Deutſchen und Czechen in Böhmen und &q;Mähren durch Einberufung einer außerparlamen- &q;tariſchen Conferenz von Vertrauensmännern &q;beider Volksſtämme alsbald einzuleiten, und gibt &q;der Hoffnung Ausdruck, daſs die Vertrauens- &q;männer beider Parteien in dieſen Kronländern &q;zu dieſem Behufe einzuladen ſein werden.“ „Die Obmännerconferenz geht jedoch bei der &q;Beſchickung dieſer Conferenz ſeitens der von &q;ihnen vertretenen Parteien von der Erwartung &q;aus, daſs der Reichsrath ſpäteſtens noch im &q;Monate Februar einberufen wird.“ „Die Obmännerconferenz der deutſchen Parteien &q;der Linken legt auf die baldigſte Aufnahme der &q;verfaſſungsmäßigen Thätigkeit des Parlamentes &q;umſo größeres Gewicht, als die bedrohliche innere &q;Lage des Reiches von Tag zu Tag dringender &q;die Wiederherſtellung geordneter politiſcher Ver- &q;hältniſſe, die Löſung der wichtigſten wirtſchaft- &q;lichen Fragen und eine intenſive Thätigkeit der &q;Geſetzgebung und Verwaltung in dem ſeit Jahren &q;ſchwer vernachläſſigten wirtſchaftlichen Bereiche &q;des ſtaatlichen Pflichtenkreiſes erheiſcht“. „Die Verſammlung bevollmächtigte den Vor- &q;ſitzenden, Abgeordneten Dr. Funke, dem Miniſter- &q;präſidenten von dieſem Ergebniſſe ihrer Berathung &q;Mittheilung zu machen“. Im Übrigen war die Befriedigung der zur Beſprechung erſchienenen Abgeordneten über das Programm der Regierung keine beſonders hohe. Faſt einmüthig wurde der Verſtimmung darüber Ausdruck verliehen, daſs das neue Cabinet durch einige ſeiner Mitglieder, welche auf entſchieden conſervativer Seite ſtehen, kein beſonderes Vertrauen erwecke und daſs auch der Umſtand, daſs in dem Programme von der Wahrung der verfaſſungsmäßigen Zuſtände in Öſterreich auch nicht mit einem einzigen Worte die Rede iſt, trug bei den deutſchen Vertrauensmännern nicht gerade zur Beruhigung über die künftige Action der Regierung bei. Sie will verſuchen, eine Verſtändigung in nationalen Fragen zwiſchen Deutſchen und Czechen zuwege zu bringen und ſodann den Reichsrath bis längſtens 1. März einberufen. Ein längerer Termin ſteht Herrn v. Körber nicht zur Verfügung, weil mit dieſem Termine die Bewilligung des Rekrutencon- tingentgeſetzes fällig geworden iſt. Gelingt die Ver- ſtändigung nicht bis Ende Februar, ſo ſoll, wie die Regierung ſchon heute verlauten läſst, die Seſſion abermals geſchloſſen und das Abgeordnetenhaus auf- gelöst werden. Zu dieſer Löſung wäre aber gewiſs auch Herr v. Wittek befähigt geweſen und es iſt nicht einzuſehen, wozu deshalb ein ſo raſcher Miniſter- wechſel erfolgen muſste. Wäre das Abgeordneten- haus ſchon längſt aufgelöst worden, ſo ſtünden die Dinge überhaupt ſchon längſt zum beſſeren und es läſst gewiſs tief blicken, daſs das Miniſterium ſich heute ſchon mit dieſer letzten und äußerſten Even- tualität befaſst. Der Glaube an das Gelingen der Verſtändigung muſs demnach nicht beſonders groß ſein, und das iſt vielleicht eine Anſchauung, mit welcher jedermann in Öſterreich mit der Regierung, wenigſtens im Stillen, übereinſtimmt. Es iſt eben zu ſpät zur Verſtändigung. Dieſes „Zu ſpät“ iſt in Öſterreich von jeher ein verhängnisvolles Wort geweſen und alle unſere bisherigen Politiker ſind mit dem Fluche dieſes „Zu ſpät“ belaſtet. Noch nach Badeni hätte eine energiſche Action in dieſer Richtung geholfen; wenn man heute mit der Eventualität einer Auf- löſung rechnet, ſo wird man an das ominöſe „Zu ſpät“ unwillkürlich erinnert. Was aber geſchehen wird, wenn auch das nichts nützt, was längſt ſchon hätte geſchehen ſollen, dann hat auch die Weisheit dieſer Regierung ausgeſpielt. Es ſteht aber dann etwas Schlimmeres auf dem Spiele, als ein harmloſer Cabinetswechſel und die heute von allen ins Vordertreffen geſendete wirtſchaftliche Lage der Mo- narchie wird dann noch lange auf Beſſerung warten müſſen. In Afrika ſtehen die Dinge unmittelbar vor der Entſcheidung, wenn ſie etwa nicht ſchon ent- ſchieden ſind. Die Engländer haben endlich mit großer Streitmacht den Tugelafluſs überſetzt und den Kampf mit den Boers aufgenommen, welche, wenigſtens nach den erſten engliſchen, überaus lücken- haften Depeſchen zu ſchließen, überall zurückgewichen ſind. Der Feldzug wird ja trotz der Tapferkeit der Boers mit ihrer Erdrückung durch die engliſche Übermacht enden; aber die Herbeiführung dieſes Re- ſultates wird noch viel Blut koſten. Unterdeſſen hört man neuerdings von ruſſiſchen Truppenvorſchiebungen gegen die afghaniſtaniſche Grenze, und es wird immer wahrſcheinlicher, daſs der ruſſiſche Bär die ſich ihm darbietende gute Gelegenheit brnützt, um ſich be- haglich zu ſtrecken und ſich langſam aber ſicher ein gutes Plätzchen in der engliſchen Intereſſenſphäre auszuſuchen. und daſs ich die liebenswürdige Tochter eines wohl- habenden und angeſehenen Bürgers geheiratet habe.“ Mienel warf bei dieſen Worten den Kopf zurück. „Er fragte mich nun über alles“, fuhr Berg fort, „betreffs der Größe von Haus und Garten, auch ob die Gerberei maſſiv gebaut ſei, kurz ich konnte nicht umhin, ich lud ihn für morgen zum Abendbrot ein. Nun, Mienel, thue Dein Beſtes, denn eine ſolche Ehre widerfährt unſerem Hauſe nie wieder.“ Mienel fuhr die große Ehre in alle Glieder; ſie wäre bei- nahe umgeſunken. Berg gieng ſofort in die Werkſtatt und holte zwei Lehrjungen; den einen ſchickte er zum Damenſchneider, den anderen zur Kochfrau mit der Bitte, ſo bald als möglich bei ihm zu erſcheinen. Nach Verlauf einer Stunde trafen beide ein und Berg ſetzte dem Schneider auseinander, daſs das Brautkleid ſeiner Frau bis zum Nachmittag des nächſten Tages moderniſiert und mit einer Schleppe verſehen werden müſſe, er ſolle die ganze Nacht daran arbeiten. Znm Glück hatte Mienel noch fünf Ellen Stoff liegen. Nachdem die Toilette-Angelegen- heit erledigt, kam die Küchenfrage an die Reihe. Die Kochfrau machte verſchiedene Vorſchläge, und Berg entſchied ſich in jedem Falle für das theuerſte; ſie muſste ſogleich im Hauſe bleiben, um die Früchte zu kochen. Berg gieng zur Stadt, den Wein zu be- ſtellen und noch verſchiedene Gäſte einzuladen. Auf den Einſpruch Minel’s, daſs ſie ſelbſt guten Wein im Keller hätten, antwortete er kurz: „Alles zu leicht; erſt ein ſchwerer Rheinwein, dann Cham- pagner!“ Nun begann ein tolles Wirtſchaften. Das Haus wurde vom Boden bis in den Keller hinunter ge- ſcheuert und die Gartenanlagen geſäubert. Am nächſten Tage war alles blitzblank. An den Fenſtern hiengen ſchneeweiße Gardinen, die Thüren glänzten wie friſch lackiert und die Schlöſſer funkelten, als wenn ſie von Gold wären. Ein lieblicher Bratenduft durch- wehte das Haus, und nachdem Mienel ſich nochmals überzeugt, daſs alles in Ordnung ſei, begann ſie ſich anzukleiden. Das lilaſeidene Kleid war ſehr hübſch garniert und eine lange Schleppe daran, dazu eine Haube mit langen, breiten, weißen Bändern und verſtreuten Roſenknoſpen bedeckte ihr Haupt; ſie ſah aus wie ein aufgeblaſener Froſch; als ſie ſich jedoch im Spiegel betrachtete, nahm ihr Anlitz einen wohlgefälligen Ausdruck an. Berg hatte einen feinen Fächer mitgebracht und zeigte ihr, wie ſie denſelben handhaben müſſe; auch er hatte ſein Feſtgewand angelegt. Nach und nach erſchienen die Gäſte. Endlich ſchlug es acht Uhr und zehn Minuten ſpäter fuhr eine Equipage vor. Berg gieng ſchnell hinunter, um den Geſandten zu empfangen und ihn ins Speiſe- zimmer zu geleiten. Letzterer war ein Mann von imponierender Geſtalt; ein ſchwarzer Vollbart um- rahmte ſein Geſicht; er trug ein braunes Sammt- coſtüm, kurze Hoſe, braunſeidene Strümpfe, Schnallen- ſchuhe, Wams und Mantel, reich mit Atlas beſetzt, und Barett mit langer Straußenfeder. Für den Kenner ſchien der Anzug einer Theatergarderobe ent- lehnt zu ſein. Zuerſt ſtellte Berg ſeine Frau dem Geſandten vor, und als dieſem Mienel die Hand reichte, küßte er dieſe galant, indem er eine tiefe Verbeuguug machte. Mienel wäre vor Scham am liebſten in die Erde geſunken: das ſchickte ſich nicht für eine ehr- ſame Handwerkersfrau; ſie knixte und verwickelte ſich fortwährend in ihre Schleppe. Nachdem die Vor- ſtellung der übrigen Gäſte beendet, ſetzte man ſich zur Tafel. Der Geſandte ſaß auf dem Ehrenplatze, neben ihm Berg, dann Mienel und hierauf folgten die anderen Gäſte. Die Unterhaltung war äußerſt animiert; Berg und der Geſandte tranken tüchtig und ſtießen häufig mit der Frau Wirtin an. Mienel konnte vor lauter Ehrerbietung weder eſſen noch trinken, und im Stillen dankte ſie Gott, als der letzte Gang aufgetragen wurde. Daſs der Geſandte platt- deutſch und ihr Mann däniſch ſprach, bemerkte ſie nicht. Endlich kam der Champagner; der Geſandte erhob ſein Glas, ſagte etwas, das niemand verſtand, und ſtieß wieder mit Mienel an. Berg verdolmetſchte, daſs der Geſandte auf ihr Wohl ſein Glas geleert habe. Mienel wurde purpurroth und konnte weiter nicht thun als knixen. Nach Ablauf einer weiteren halben Stunde verabſchiedete ſich der Geſandte und küſste wiederum Mienel’s Hand. Nachdem auch die übrigen Gäſte gegangen, Mienel ſich ihres Schleppkleides entledigt und an Stelle desſelben ihr blau gedrucktes Hauskleid an- gelegt hatte und Berg im Schlafrock, mit der langen Pfeife im Munde, auf dem Sopha ruhte, ſagte ſeine Frau zu ihm: „Wie viel doch ein Geſandter trinken kann. Erſt hat er zwei Flaſchen Rheinwein und dann zwei Flaſchen Champagner getrunken.“ „Die Herren ſind daran gewöhnt“, erwiderte Berg, „ſie trinken nie Waſſer; da ſollteſt Du erſt den ſchwediſchen Geſandten ſehen, mit dem ich in Berlin zuſammen geſpeiſt. Ein jovialer Herr; es iſt nicht unmöglich, daſs auch er eines Tages uns die Ehre erweist und bei uns iſst.“ „Um Gotteswillen“, ſagte Mienel, „das war ein theurer Abend!“ Drei Tage waren vergangen, als ein Verwandter der Berg’ſchen Familie dieſelbe aufſuchte und den Nachmittagskaffee mit ihnen einnahm. Sogleich brachte

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Zitationshilfe: Badener Zeitung. Nr. 7, Baden (Niederösterreich), 24.01.1900, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_badener007_1900/2>, abgerufen am 21.11.2024.