Badener Zeitung. Nr. 14, Baden (Niederösterreich), 16.02.1898. Mittwoch Badener Zeitung 16. Februar 1898. Nr. 14. [Spaltenumbruch] ausgleichende Gerechtigkeit für das deutsche Volk Um das alles zu zeigen und der Öffent- Politische Uebersicht. Die czechisch-feudale Majorität des böhmischen Wir stehen unmittelbar vor der Wiedereinbe- Kurz vor Wiedereröffnung des Reichsrathes Der niederösterreichische Landtag berieth in Local-Nachrichten. -- Trauung. Samstag, den 12. l. M., -- Silberne Hochzeit. Übermorgen, -- Todesfall. Freitag, den 11. d. M., -- Auszug aus dem letzten Sitzungs- protokoll der Gewerbeschul-Cammission. Der Obmann Graf zur Lippe-Weißenfeld führte [Spaltenumbruch] Die Firma Schmidt & Braun suchte eine Aus dem Berge von Offerten, womit die Der ansprechendste Brief und die besten Zeugnisse Sie stellte sich pünktlich auf die Minute in Da sah sie, dass er kein Fremder war und Ohne seine Cigarre aus dem Munde zu nehmen, Mary sank auf ihren Stuhl zurück; sie empfand "Himmel," sagte er gerade zu dem älteren [Spaltenumbruch] "Aber warum?" fragte der Compagnon mit "Zum Henker mit den Empfehlungen! Ich will Der alte Herr lächelte: "Sollten Sie gerade "Schulmeistern Sie nicht! Geschäft ist Geschäft, Wenige Minuten später theilte der alte Herr Mittwoch Badener Zeitung 16. Februar 1898. Nr. 14. [Spaltenumbruch] ausgleichende Gerechtigkeit für das deutſche Volk Um das alles zu zeigen und der Öffent- Politiſche Ueberſicht. Die czechiſch-feudale Majorität des böhmiſchen Wir ſtehen unmittelbar vor der Wiedereinbe- Kurz vor Wiedereröffnung des Reichsrathes Der niederöſterreichiſche Landtag berieth in Local-Nachrichten. — Trauung. Samstag, den 12. l. M., — Silberne Hochzeit. Übermorgen, — Todesfall. Freitag, den 11. d. M., — Auszug aus dem letzten Sitzungs- protokoll der Gewerbeſchul-Cammiſſion. Der Obmann Graf zur Lippe-Weißenfeld führte [Spaltenumbruch] Die Firma Schmidt & Braun ſuchte eine Aus dem Berge von Offerten, womit die Der anſprechendſte Brief und die beſten Zeugniſſe Sie ſtellte ſich pünktlich auf die Minute in Da ſah ſie, daſs er kein Fremder war und Ohne ſeine Cigarre aus dem Munde zu nehmen, Mary ſank auf ihren Stuhl zurück; ſie empfand „Himmel,“ ſagte er gerade zu dem älteren [Spaltenumbruch] „Aber warum?“ fragte der Compagnon mit „Zum Henker mit den Empfehlungen! Ich will Der alte Herr lächelte: „Sollten Sie gerade „Schulmeiſtern Sie nicht! Geſchäft iſt Geſchäft, Wenige Minuten ſpäter theilte der alte Herr <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0002" n="2"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#aq">Mittwoch Badener Zeitung 16. Februar 1898. Nr. 14.</hi> </hi> </fw><lb/> <cb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div xml:id="zweitheilung2" prev="#zweitheilung1" n="2"> <p>ausgleichende Gerechtigkeit für das deutſche Volk<lb/> zu erwarten?</p><lb/> <p>Um das alles zu zeigen und der Öffent-<lb/> lichkeit eindringlich zu Gemüthe zu führen, ſind<lb/> eben die Deutſchen bisher im Landtage geblieben,<lb/> um ihre Anträge auf Abhilfe der deutſchen Be-<lb/> ſchwerden zu ſtellen, haben ſie ſich aus einem<lb/> Landtage nicht entfernt, in welchem ſie gar keine<lb/> Mittel beſitzen, etwas durchzuſetzen, in welchem<lb/> ſie lediglich auf die Gnade ihrer bitterſten Feinde,<lb/> der Schwarzenberg, der Sylva-Tarouca u. ſ. w.<lb/> angewieſen ſind. Indem die Deutſchen die An-<lb/> träge Lippert und Pergelt einbringen, indem ſie<lb/> neuerdings auf die nationale Abgrenzung hin-<lb/> weiſen und auf die ſeinerzeit eingeſetzten Ab-<lb/> grenzungscommiſſionen, indem ſie die Curien mit<lb/> Vetorecht fordern, indem ſie durch den Mund<lb/> Schücker’s darſtellen laſſen, wie die Staatsrechtler<lb/> auch in Steuerſachen das Reich abſetzen wollen,<lb/> indem Nitſche einen Dolmetſch im Landtage ver-<lb/> langt, zeigen ſie ihnen die bündigſten Verträge, wie<lb/> ihnen der Ausgleich von 1890 nicht gehalten wurde,<lb/> wie ſie heute, nach acht Jahren, noch um Dinge<lb/> kämpfen, die ſchon damals als billig und gerecht<lb/> anerkannt wurden, wie ſie, trotzdem ſie das Staats-<lb/> volk in Öſterreich ſind, in Böhmen als Volk<lb/> zweiter Claſſe behandelt und zurückgeſetzt und<lb/> erniedrigt wurden. Jeder ſolche Antrag iſt ein<lb/> Schrei ums Recht und eine Niederſchmetterung<lb/> jener Banditenheuchelei, die vorne den Hut hin-<lb/> hält und um Gleichberechtigung winſelt, hinten<lb/> aber den Knüttel der Majorität bereit hält.</p><lb/> <byline> <hi rendition="#aq">X.</hi> </byline> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Politiſche Ueberſicht.</hi> </head><lb/> <p>Die czechiſch-feudale Majorität des böhmiſchen<lb/> Landtages iſt gegenwärtig in der Arbeit begriffen,<lb/> ihr bisheriges Wirken durch eine Huldigungsadreſſe<lb/> an den Kaiſer zu krönen, die ſich in ihren Aus-<lb/> führungen von den czechiſchen Adreſſen früherer Jahre<lb/> faſt in nichts unterſcheidet. Es iſt der Föderalismus,<lb/> der da mit einer gewiſſen Monotonie gepredigt wird,<lb/> jener Föderalismus, welcher bei den Czechen und<lb/> Feudalen das ſogenannte Staatsrecht bedeutet. Es<lb/> läßt dieſer neuerliche freche Verſuch der Czechen, die<lb/> Verhältniſſe in Böhmen zu ihren ausſchließlichen<lb/> Gunſten zu geſtalten, die Deutſchen natürlich voll-<lb/> ſtändig gleichgiltig. Ihr Widerſtand iſt ein unüber-<lb/> windlicher und die Czechen mögen ſich darüber nur<lb/> durch noch ſo viele Bocksſprünge hinwegtäuſchen, es<lb/> hilft ihnen doch nichts. Die Adreßdebatte wird ja<lb/> zeigen, was die Deutſchen in Böhmen noch an<lb/> nationaler Kraft in ſich haben, und das ſcheint auch<lb/> den Herren Czechen dunkel bewuſst ſein, darum<lb/> bringen ſie ihren Adreßentwurf knapp vor Thorſchluſs<lb/> ein. Am 28. Februar ſoll der Landtag geſchloſſen<lb/><cb/> werden und in der kurzen Zeit von vierzehn Tagen<lb/> ſoll neben den laufenden dringenden Geſchäften noch<lb/> eine Adreßdebatte durchgeführt und ein Act beſchloſſen<lb/> werden, der immer ein Torſo bleiben muſs, weil die<lb/> geſammten Deutſchen Böhmens geſchloſſen dagegen<lb/> ſtehen. Ob unter ſolchen Umſtänden die Regierung<lb/> zur Entfaltung einer Adreßdebatte beſondere Luſt<lb/> verſpüren wird, iſt fraglich, und es wird ſomit den<lb/> Herren wohl nichts anderes übrig bleiben, als ihre<lb/> Wünſche im Deputationswege der Krone zur Kennt-<lb/> nis zu bringen. Das ändert dann die Sache gewaltig<lb/> und macht den ganzen Staatsrechtsrummel zu einer<lb/> privaten Demonſtration.</p><lb/> <p>Wir ſtehen unmittelbar vor der Wiedereinbe-<lb/> rufung des Reichsrathes und ſchon machen ſich wieder<lb/> jene dunklen Kräfte bemerkbar, deren Beſtreben es<lb/> iſt, die Dinge nicht zur Ruhe kommen zu laſſen. Es<lb/> finden Conferenzen und Beſprechungen der Feudalen<lb/> mit der Regierung ſtatt, welche der hochadeligen<lb/> Sippe in ihrem Entgegenkommen den Deutſchen gegen-<lb/> über bereits zu weit gegangen iſt. Daneben ſucht<lb/> man die Situation durch allerlei abenteuerliche<lb/> Berichte zu verwirren. Das chriſtlichſociale Lueger-<lb/> blatt weiß eine umſtändliche Geſchichte von einer<lb/> Reiſe des Freiherrn v. Chlumetzky nach Prag und<lb/> einer damit verbundenen geheimen Miſſion zu er-<lb/> zählen, die dort der Genannte vollführen ſollte. Es iſt<lb/> aber nur die Wahrheitsliebe des bezeichneten Blattes,<lb/> deren Partei in Böhmen noch immer nicht emporkommen<lb/> kann, wieder einmal an den Pranger geſtellt worden,<lb/> denn die ganze Geſchichte von einer Prager Reiſe Chlu-<lb/> metzky’s von geheimen Miſſionen und daran geknüpften<lb/> Compromiſſen iſt einfach erlogen Freiherr v. Chlumetzky<lb/> war gar nicht in Prag; niemand hat ihn auch dort<lb/> geſehen oder von ſeiner Anweſenheit gehört, ge-<lb/> ſchweige, daſs er mit böhmiſchen Politikern Rück-<lb/> ſprache gepflogen hätte. Wie es ſich herausſtellt, hat<lb/> er allerdings eine Reiſe weit über Prag hinaus in<lb/> geſchäftlicher Angelegenheit gemacht, aber ſogar, ohne<lb/> böhmiſchen Boden zu berühren.</p><lb/> <p>Kurz vor Wiedereröffnung des Reichsrathes<lb/> ſcheiden der Chef des miniſteriellen Preßbureaus,<lb/> R v. Freiberg, und der Kanzleidirector des Abge-<lb/> ordnetenhauſes, Sectionschef v. Halban, aus ihren<lb/> Stellungen. Beide ſind bekanntlich in der verfloſſenen<lb/> Obſtructions-Ära ſehr zu Ungunſten der Deutſchen<lb/> hervorgetreten. Mit der Wiedereröffnung der Thätig-<lb/> keit des Reichsrathes wird auch ein neues Präſidium<lb/> erſcheinen. Die Abrahamowicz und Kramarz ſind<lb/> definitiv abgethan. Man nennt als zukünftigen Präſi-<lb/> denten des Abgeordnetenhauſes unter anderem auch<lb/> Dr. Fuchs von der katholiſchen Volkspartei. Es iſt<lb/> indeſſen ſehr fraglich, ob dieſe Partei unter den<lb/> geänderten Verhältniſſen geneigt ſein wird, einen der<lb/> ihrigen in das Präſidium zu entſenden.</p><lb/> <p>Der niederöſterreichiſche Landtag berieth in<lb/> ſeiner Samstagſitzung über das Geſetz, betreffend die<lb/> Freilaſſung der neuen Perſonaleinkommenſteuer von<lb/><cb/> Landes- und Gemeindezuſchlägen. Nach dem Antrage<lb/> des Finanzausſchuſſes ſollten von dem aus dem<lb/> Mehrertrage der Erwerbſteuer reſultierenden Über-<lb/> ſchuſſe, welcher an die Länder als Compenſation<lb/> hiefür zu überantworten iſt, 50 Percent der Ge-<lb/> meinde Wien und 50 Percent dem Lande zufließen.<lb/> Dieſer Antrag entfeſſelte eine erregte Debatte, welche<lb/> von den Chriſtlichſozialen natürlich in ihrer rohen<lb/> Manier geführt wurde Dabei kam es zu einem<lb/> heftigen Zuſammenſtoße zwiſchen dem Fürſten<lb/> Auersperg und Pater Scheicher, und erſterer äußerte<lb/> ſich hiebei, es paſſiere ihm das erſtemal in ſeinem<lb/> Leben, daſs er von einem Prieſter ſeiner Religion<lb/> beſchimpft werde. Der gute Mann geht weder in<lb/> Wählerverſammlungen noch in gewiſſe, Hetzpredigten,<lb/> daher ſeine rührende Unerfahrenheit in dieſen Dingen.<lb/> Der Antrag des Finanzausſchuſſes wurde ſchließlich<lb/> angenommen.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jLocal" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Local-Nachrichten.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head>— <hi rendition="#g">Trauung.</hi> </head> <p>Samstag, den 12. l. M.,<lb/> fand in der hieſigen evangeliſchen Kirche die Trauung<lb/> des Frl. Mary Goethe, Tochter des durch Hebung<lb/> des Weinbaues ſehr verdienten, in weiten Kreiſen<lb/> bekannten Directors Herrn Hermann Goethe, Beſitzer<lb/> des Ritterkreuzes des Franz Joſef-Ordens, mit Herrn<lb/> Karl Oleownik, Privatier, ſtatt. Die Neuvermählten<lb/> traten eine zweimonatliche Hochzeitsreiſe an, die ſich<lb/> bis nach Rom ausdehnt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head>— <hi rendition="#g">Silberne Hochzeit.</hi> </head> <p>Übermorgen,<lb/> Freitag, begeht unſer Theatercaſſier, Herr Karl<lb/> Petrovits, mit ſeiner Gattin Barbara die Feier der<lb/> ſilbernen Hochzeit im engſten Familienkreiſe, nachdem<lb/> der leidende Zuſtand der Frau Petrovits eine andere<lb/> Art der Feier leider nicht geſtattet. Die zahlreichen<lb/> Freunde und Gönner unſeres wackeren Caſſiers, der<lb/> infolge ſeiner langjährigen Wirkſamkeit und ſeines<lb/> concilianten Benehmens die Sympathien aller Kreiſe<lb/> beſitzt, werden aber nicht ermangeln, des Jubelpaares<lb/> an ſeinem Ehrentage zu gedenken und es ſtehen ihm<lb/> denn auch, wie wir hören, eine Reihe von freudigen<lb/> Überraſchungen bevor.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head>— <hi rendition="#g">Todesfall.</hi> </head> <p>Freitag, den 11. d. M.,<lb/> ſtarb nach längerem ſchweren Leiden Herr Leopold<lb/> Seligmann. Das Leichenbegängnis fand Sonntag,<lb/> den 13. d. M., vom Trauerhauſe: Alleegaſſe 4,<lb/> aus, ſtatt.</p> </div><lb/> <div xml:id="auszug1" next="#auszug2" type="jArticle" n="2"> <head>— <hi rendition="#g">Auszug aus dem letzten Sitzungs-<lb/> protokoll der Gewerbeſchul-Cammiſſion.</hi> </head><lb/> <p>Der Obmann Graf zur Lippe-Weißenfeld führte<lb/> Herrn Prof. Dr. Martin Manlik als neuernannten<lb/> k. k. Bezirks-Schulinſpector ein, worauf dieſer zum<lb/> Obmann-Stellvertreter gewählt wird. Zugleich wird<lb/> dem nach Mödling berufenen k. k. Bezirks-Schul-<lb/> inſpector Herrn Joſef Marek der Dank votiert. Die<lb/> Vorſchläge für das Jahr 1899 werden bei allen</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div xml:id="begegnung2" prev="#begegnung1" type="jArticle" n="2"> <p>Die Firma Schmidt & Braun ſuchte eine<lb/> Stenographin. Sie ſuchte ein junges Mädchen, das<lb/> genau und ordentlich in der Arbeit ſei, ſchnell und<lb/> ſicher beim Übertragen von Briefen, wohl erzogen<lb/> und gut unterrichtet, das ſich gut aber nicht auffallend<lb/> kleidete, pünktlich, geduldig und willig ſei, das nicht<lb/> darauf beſtehe, ſtets ſtreng nur die gegebenen Arbeits-<lb/> ſtunden innezuhalten und nie außerhalb des Geſchäftes<lb/> über Geſchäftliches ſpreche. Für eine Vereinigung<lb/> all dieſer Tugenden in einem angenehmen Äußern<lb/> war ſie bereit, den allerdings ſehr anſtändigen Preis<lb/> von wöchentlich 30 Mark zu zahlen.</p><lb/> <p>Aus dem Berge von Offerten, womit die<lb/> Firma überſchüttet wurde, übergab man einige aus-<lb/> erwählt gute dem jüngeren Chef, der eigentlich die<lb/> Firma repräſentierte. Er ſeinerſeits wählte daraus<lb/> zwei Bewerberinnen, die die ſchönſten Zeugniſſe<lb/> hatten und deren Briefe den günſtigſten Eindruck<lb/> machten. Er forderte ſie ſchriftlich auf, ſich im<lb/> Geſchäfte perſönlich vorzuſtellen.</p><lb/> <p>Der anſprechendſte Brief und die beſten Zeugniſſe<lb/> waren von Fräulein Mary Lammont eingereicht<lb/> worden. Die Hoffnungen und Befürchtungen, unter<lb/> denen dieſer Brief geſchrieben worden war, können<lb/> wohl errathen, nicht geſchildert werden; es hing für<lb/> ſie ja zuviel ab von dem Erfolg dieſer Bewerbung.<lb/> Das Geld, das die Eltern für ihre Ausbildung<lb/> geben konnten, war gänzlich verbraucht, mehr konnten<lb/> ſie nicht ſchicken. Fand Mary nicht ſogleich eine<lb/> Stellung, ſo muſste ſie auf ihr einſames Dorf<lb/> zurückkehren und von dort aus würde es ſo ſchwer<lb/> ſein, einen Poſten zu finden. Gewiſs, daheim würde<lb/> ſie willkommen geheißen, aber doch blieb ihr dann<lb/><cb/> das Gefühl, daſs ſie eine Laſt ſei, wo ſie gehofft<lb/> hatte, eine Hilfe zu werden.</p><lb/> <p>Sie ſtellte ſich pünktlich auf die Minute in<lb/> dem Geſchäftslocale ein. Herr Braun war nicht ganz<lb/> ſo pünktlich. Sie wartete im Vorzimmer, bis ein<lb/> freundliches: „Da kommt der Chef, um Sie zu<lb/> ſprechen“, von dem Laufjungen ſie veranlaſste, ihre<lb/> Blicke der Thür zuzuwenden. In ihrer zitternden<lb/> Hand hielt ſie ein Empfehlungsſchreiben von dem<lb/> Director der Handelsſchule, wie hart ſie auch mit<lb/> ſich ſelbſt ſprach, Thränen traten ihr in die Augen,<lb/> denn es hing ja zuviel von dem Erfolge dieſer<lb/> Vorſtellung ab.</p><lb/> <p>Da ſah ſie, daſs er kein Fremder war und<lb/> plötzliche Hoffnung, ja Vertrauen zog in ihr Herz<lb/> ein. Er erkannte ſie ebenſo ſchnell und eine dunkle<lb/> Wolke des Unmuthes legte ſich auf ſeine Stirn beim<lb/> Anblick des lieblichen Geſichtes, das ſo ängſtlich aus<lb/> der Umrahmung einer billigen ſchwarzen Pelzboa<lb/> hervorſah.</p><lb/> <p>Ohne ſeine Cigarre aus dem Munde zu nehmen,<lb/> eilte er an ihr vorüber mit der kurzen Verſicherung,<lb/> daſs er augenblicklich zu ihren Dienſten ſtehen werde.</p><lb/> <p>Mary ſank auf ihren Stuhl zurück; ſie empfand<lb/> Mitleid mit ihm, da ihn doch augenſcheinlich Ge-<lb/> ſchäftsſorgen drückten.</p><lb/> <p>„Himmel,“ ſagte er gerade zu dem älteren<lb/> Chef des Geſchäftes, „das fehlte auch noch; Fräulein<lb/> Lammont iſt jene kleine Straßenpouſſade, von der<lb/> ich Ihnen neulich erzählte. Nun kann man all die<lb/> Mühe des Durchſehens der Bewerbungen noch einmal<lb/> haben — oder nein, ich habe ja eine andere Be-<lb/> werberin eine Stunde ſpäter beſtellt, nehmen wir die.“</p><lb/> <cb/> <p>„Aber warum?“ fragte der Compagnon mit<lb/> der Freiheit ſeines väterlichen Freundes. „Fräulein<lb/> Lammont’s Empfehlungen ſind ausgezeichnet und wir<lb/> hören, daſs ſie einer guten Stellung ſehr bedarf,<lb/> auch ſcheint ſie ſich ausgezeichnet für unſeren Poſten<lb/> zu eignen und ſie iſt eine Dame.“</p><lb/> <p>„Zum Henker mit den Empfehlungen! Ich will<lb/> in meinem Geſchäfte keine Dame, die auf der<lb/> Straße mit mir kokettiert.“</p><lb/> <p>Der alte Herr lächelte: „Sollten Sie gerade<lb/> darum den Stab über ſie brechen?“</p><lb/> <p>„Schulmeiſtern Sie nicht! Geſchäft iſt Geſchäft,<lb/> und ich liebe gemiſchte Getränke nicht. Nette Ord-<lb/> nung könnte ich in meinem Bureau halten, wenn ich<lb/> mich damit abgäbe, meiner Stenographin Veilchen-<lb/> ſträuße zu überreichen. Außerdem will ich auch hier<lb/> im Geſchäfte vor meiner Frau nicht erröthen müſſen,<lb/> wenn ſie mich abholt. Sollte ich den ſüßen braunen<lb/> Augen auf der Straße wieder begegnen, dann<lb/> freilich —“ ein Lachen ſchloſs den Satz. „Jetzt aber<lb/> müſſen Sie mit ihr fertig werden. Sie ſah aus, als<lb/> ob ſie weinen wollte, als ſie mich oben ſah und ich<lb/> kann weinerliche Frauenzimmer nicht leiden.“</p><lb/> <p>Wenige Minuten ſpäter theilte der alte Herr<lb/> Fräulein Lammont mit, daſs die Firma ihrer Dienſte<lb/> nicht bedürfe. Sie ſah den mitleidsvollen Blick nicht,<lb/> der bei ihrem ſichtlichen Erſchrecken aus den alten<lb/> Augen auf ſie fiel; ſie glaubte, der alte Herr habe<lb/> ſie nicht gewollt und habe Herrn Braun zu dieſer<lb/> Abweiſung überredet. Daher zürnte ſie ihm auch,<lb/> ſolange ſie einen gewiſſen Strauß verwelkter Veilchen<lb/> aufbewahrte.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </body> </text> </TEI> [2/0002]
Mittwoch Badener Zeitung 16. Februar 1898. Nr. 14.
ausgleichende Gerechtigkeit für das deutſche Volk
zu erwarten?
Um das alles zu zeigen und der Öffent-
lichkeit eindringlich zu Gemüthe zu führen, ſind
eben die Deutſchen bisher im Landtage geblieben,
um ihre Anträge auf Abhilfe der deutſchen Be-
ſchwerden zu ſtellen, haben ſie ſich aus einem
Landtage nicht entfernt, in welchem ſie gar keine
Mittel beſitzen, etwas durchzuſetzen, in welchem
ſie lediglich auf die Gnade ihrer bitterſten Feinde,
der Schwarzenberg, der Sylva-Tarouca u. ſ. w.
angewieſen ſind. Indem die Deutſchen die An-
träge Lippert und Pergelt einbringen, indem ſie
neuerdings auf die nationale Abgrenzung hin-
weiſen und auf die ſeinerzeit eingeſetzten Ab-
grenzungscommiſſionen, indem ſie die Curien mit
Vetorecht fordern, indem ſie durch den Mund
Schücker’s darſtellen laſſen, wie die Staatsrechtler
auch in Steuerſachen das Reich abſetzen wollen,
indem Nitſche einen Dolmetſch im Landtage ver-
langt, zeigen ſie ihnen die bündigſten Verträge, wie
ihnen der Ausgleich von 1890 nicht gehalten wurde,
wie ſie heute, nach acht Jahren, noch um Dinge
kämpfen, die ſchon damals als billig und gerecht
anerkannt wurden, wie ſie, trotzdem ſie das Staats-
volk in Öſterreich ſind, in Böhmen als Volk
zweiter Claſſe behandelt und zurückgeſetzt und
erniedrigt wurden. Jeder ſolche Antrag iſt ein
Schrei ums Recht und eine Niederſchmetterung
jener Banditenheuchelei, die vorne den Hut hin-
hält und um Gleichberechtigung winſelt, hinten
aber den Knüttel der Majorität bereit hält.
X.
Politiſche Ueberſicht.
Die czechiſch-feudale Majorität des böhmiſchen
Landtages iſt gegenwärtig in der Arbeit begriffen,
ihr bisheriges Wirken durch eine Huldigungsadreſſe
an den Kaiſer zu krönen, die ſich in ihren Aus-
führungen von den czechiſchen Adreſſen früherer Jahre
faſt in nichts unterſcheidet. Es iſt der Föderalismus,
der da mit einer gewiſſen Monotonie gepredigt wird,
jener Föderalismus, welcher bei den Czechen und
Feudalen das ſogenannte Staatsrecht bedeutet. Es
läßt dieſer neuerliche freche Verſuch der Czechen, die
Verhältniſſe in Böhmen zu ihren ausſchließlichen
Gunſten zu geſtalten, die Deutſchen natürlich voll-
ſtändig gleichgiltig. Ihr Widerſtand iſt ein unüber-
windlicher und die Czechen mögen ſich darüber nur
durch noch ſo viele Bocksſprünge hinwegtäuſchen, es
hilft ihnen doch nichts. Die Adreßdebatte wird ja
zeigen, was die Deutſchen in Böhmen noch an
nationaler Kraft in ſich haben, und das ſcheint auch
den Herren Czechen dunkel bewuſst ſein, darum
bringen ſie ihren Adreßentwurf knapp vor Thorſchluſs
ein. Am 28. Februar ſoll der Landtag geſchloſſen
werden und in der kurzen Zeit von vierzehn Tagen
ſoll neben den laufenden dringenden Geſchäften noch
eine Adreßdebatte durchgeführt und ein Act beſchloſſen
werden, der immer ein Torſo bleiben muſs, weil die
geſammten Deutſchen Böhmens geſchloſſen dagegen
ſtehen. Ob unter ſolchen Umſtänden die Regierung
zur Entfaltung einer Adreßdebatte beſondere Luſt
verſpüren wird, iſt fraglich, und es wird ſomit den
Herren wohl nichts anderes übrig bleiben, als ihre
Wünſche im Deputationswege der Krone zur Kennt-
nis zu bringen. Das ändert dann die Sache gewaltig
und macht den ganzen Staatsrechtsrummel zu einer
privaten Demonſtration.
Wir ſtehen unmittelbar vor der Wiedereinbe-
rufung des Reichsrathes und ſchon machen ſich wieder
jene dunklen Kräfte bemerkbar, deren Beſtreben es
iſt, die Dinge nicht zur Ruhe kommen zu laſſen. Es
finden Conferenzen und Beſprechungen der Feudalen
mit der Regierung ſtatt, welche der hochadeligen
Sippe in ihrem Entgegenkommen den Deutſchen gegen-
über bereits zu weit gegangen iſt. Daneben ſucht
man die Situation durch allerlei abenteuerliche
Berichte zu verwirren. Das chriſtlichſociale Lueger-
blatt weiß eine umſtändliche Geſchichte von einer
Reiſe des Freiherrn v. Chlumetzky nach Prag und
einer damit verbundenen geheimen Miſſion zu er-
zählen, die dort der Genannte vollführen ſollte. Es iſt
aber nur die Wahrheitsliebe des bezeichneten Blattes,
deren Partei in Böhmen noch immer nicht emporkommen
kann, wieder einmal an den Pranger geſtellt worden,
denn die ganze Geſchichte von einer Prager Reiſe Chlu-
metzky’s von geheimen Miſſionen und daran geknüpften
Compromiſſen iſt einfach erlogen Freiherr v. Chlumetzky
war gar nicht in Prag; niemand hat ihn auch dort
geſehen oder von ſeiner Anweſenheit gehört, ge-
ſchweige, daſs er mit böhmiſchen Politikern Rück-
ſprache gepflogen hätte. Wie es ſich herausſtellt, hat
er allerdings eine Reiſe weit über Prag hinaus in
geſchäftlicher Angelegenheit gemacht, aber ſogar, ohne
böhmiſchen Boden zu berühren.
Kurz vor Wiedereröffnung des Reichsrathes
ſcheiden der Chef des miniſteriellen Preßbureaus,
R v. Freiberg, und der Kanzleidirector des Abge-
ordnetenhauſes, Sectionschef v. Halban, aus ihren
Stellungen. Beide ſind bekanntlich in der verfloſſenen
Obſtructions-Ära ſehr zu Ungunſten der Deutſchen
hervorgetreten. Mit der Wiedereröffnung der Thätig-
keit des Reichsrathes wird auch ein neues Präſidium
erſcheinen. Die Abrahamowicz und Kramarz ſind
definitiv abgethan. Man nennt als zukünftigen Präſi-
denten des Abgeordnetenhauſes unter anderem auch
Dr. Fuchs von der katholiſchen Volkspartei. Es iſt
indeſſen ſehr fraglich, ob dieſe Partei unter den
geänderten Verhältniſſen geneigt ſein wird, einen der
ihrigen in das Präſidium zu entſenden.
Der niederöſterreichiſche Landtag berieth in
ſeiner Samstagſitzung über das Geſetz, betreffend die
Freilaſſung der neuen Perſonaleinkommenſteuer von
Landes- und Gemeindezuſchlägen. Nach dem Antrage
des Finanzausſchuſſes ſollten von dem aus dem
Mehrertrage der Erwerbſteuer reſultierenden Über-
ſchuſſe, welcher an die Länder als Compenſation
hiefür zu überantworten iſt, 50 Percent der Ge-
meinde Wien und 50 Percent dem Lande zufließen.
Dieſer Antrag entfeſſelte eine erregte Debatte, welche
von den Chriſtlichſozialen natürlich in ihrer rohen
Manier geführt wurde Dabei kam es zu einem
heftigen Zuſammenſtoße zwiſchen dem Fürſten
Auersperg und Pater Scheicher, und erſterer äußerte
ſich hiebei, es paſſiere ihm das erſtemal in ſeinem
Leben, daſs er von einem Prieſter ſeiner Religion
beſchimpft werde. Der gute Mann geht weder in
Wählerverſammlungen noch in gewiſſe, Hetzpredigten,
daher ſeine rührende Unerfahrenheit in dieſen Dingen.
Der Antrag des Finanzausſchuſſes wurde ſchließlich
angenommen.
Local-Nachrichten.
— Trauung. Samstag, den 12. l. M.,
fand in der hieſigen evangeliſchen Kirche die Trauung
des Frl. Mary Goethe, Tochter des durch Hebung
des Weinbaues ſehr verdienten, in weiten Kreiſen
bekannten Directors Herrn Hermann Goethe, Beſitzer
des Ritterkreuzes des Franz Joſef-Ordens, mit Herrn
Karl Oleownik, Privatier, ſtatt. Die Neuvermählten
traten eine zweimonatliche Hochzeitsreiſe an, die ſich
bis nach Rom ausdehnt.
— Silberne Hochzeit. Übermorgen,
Freitag, begeht unſer Theatercaſſier, Herr Karl
Petrovits, mit ſeiner Gattin Barbara die Feier der
ſilbernen Hochzeit im engſten Familienkreiſe, nachdem
der leidende Zuſtand der Frau Petrovits eine andere
Art der Feier leider nicht geſtattet. Die zahlreichen
Freunde und Gönner unſeres wackeren Caſſiers, der
infolge ſeiner langjährigen Wirkſamkeit und ſeines
concilianten Benehmens die Sympathien aller Kreiſe
beſitzt, werden aber nicht ermangeln, des Jubelpaares
an ſeinem Ehrentage zu gedenken und es ſtehen ihm
denn auch, wie wir hören, eine Reihe von freudigen
Überraſchungen bevor.
— Todesfall. Freitag, den 11. d. M.,
ſtarb nach längerem ſchweren Leiden Herr Leopold
Seligmann. Das Leichenbegängnis fand Sonntag,
den 13. d. M., vom Trauerhauſe: Alleegaſſe 4,
aus, ſtatt.
— Auszug aus dem letzten Sitzungs-
protokoll der Gewerbeſchul-Cammiſſion.
Der Obmann Graf zur Lippe-Weißenfeld führte
Herrn Prof. Dr. Martin Manlik als neuernannten
k. k. Bezirks-Schulinſpector ein, worauf dieſer zum
Obmann-Stellvertreter gewählt wird. Zugleich wird
dem nach Mödling berufenen k. k. Bezirks-Schul-
inſpector Herrn Joſef Marek der Dank votiert. Die
Vorſchläge für das Jahr 1899 werden bei allen
Die Firma Schmidt & Braun ſuchte eine
Stenographin. Sie ſuchte ein junges Mädchen, das
genau und ordentlich in der Arbeit ſei, ſchnell und
ſicher beim Übertragen von Briefen, wohl erzogen
und gut unterrichtet, das ſich gut aber nicht auffallend
kleidete, pünktlich, geduldig und willig ſei, das nicht
darauf beſtehe, ſtets ſtreng nur die gegebenen Arbeits-
ſtunden innezuhalten und nie außerhalb des Geſchäftes
über Geſchäftliches ſpreche. Für eine Vereinigung
all dieſer Tugenden in einem angenehmen Äußern
war ſie bereit, den allerdings ſehr anſtändigen Preis
von wöchentlich 30 Mark zu zahlen.
Aus dem Berge von Offerten, womit die
Firma überſchüttet wurde, übergab man einige aus-
erwählt gute dem jüngeren Chef, der eigentlich die
Firma repräſentierte. Er ſeinerſeits wählte daraus
zwei Bewerberinnen, die die ſchönſten Zeugniſſe
hatten und deren Briefe den günſtigſten Eindruck
machten. Er forderte ſie ſchriftlich auf, ſich im
Geſchäfte perſönlich vorzuſtellen.
Der anſprechendſte Brief und die beſten Zeugniſſe
waren von Fräulein Mary Lammont eingereicht
worden. Die Hoffnungen und Befürchtungen, unter
denen dieſer Brief geſchrieben worden war, können
wohl errathen, nicht geſchildert werden; es hing für
ſie ja zuviel ab von dem Erfolg dieſer Bewerbung.
Das Geld, das die Eltern für ihre Ausbildung
geben konnten, war gänzlich verbraucht, mehr konnten
ſie nicht ſchicken. Fand Mary nicht ſogleich eine
Stellung, ſo muſste ſie auf ihr einſames Dorf
zurückkehren und von dort aus würde es ſo ſchwer
ſein, einen Poſten zu finden. Gewiſs, daheim würde
ſie willkommen geheißen, aber doch blieb ihr dann
das Gefühl, daſs ſie eine Laſt ſei, wo ſie gehofft
hatte, eine Hilfe zu werden.
Sie ſtellte ſich pünktlich auf die Minute in
dem Geſchäftslocale ein. Herr Braun war nicht ganz
ſo pünktlich. Sie wartete im Vorzimmer, bis ein
freundliches: „Da kommt der Chef, um Sie zu
ſprechen“, von dem Laufjungen ſie veranlaſste, ihre
Blicke der Thür zuzuwenden. In ihrer zitternden
Hand hielt ſie ein Empfehlungsſchreiben von dem
Director der Handelsſchule, wie hart ſie auch mit
ſich ſelbſt ſprach, Thränen traten ihr in die Augen,
denn es hing ja zuviel von dem Erfolge dieſer
Vorſtellung ab.
Da ſah ſie, daſs er kein Fremder war und
plötzliche Hoffnung, ja Vertrauen zog in ihr Herz
ein. Er erkannte ſie ebenſo ſchnell und eine dunkle
Wolke des Unmuthes legte ſich auf ſeine Stirn beim
Anblick des lieblichen Geſichtes, das ſo ängſtlich aus
der Umrahmung einer billigen ſchwarzen Pelzboa
hervorſah.
Ohne ſeine Cigarre aus dem Munde zu nehmen,
eilte er an ihr vorüber mit der kurzen Verſicherung,
daſs er augenblicklich zu ihren Dienſten ſtehen werde.
Mary ſank auf ihren Stuhl zurück; ſie empfand
Mitleid mit ihm, da ihn doch augenſcheinlich Ge-
ſchäftsſorgen drückten.
„Himmel,“ ſagte er gerade zu dem älteren
Chef des Geſchäftes, „das fehlte auch noch; Fräulein
Lammont iſt jene kleine Straßenpouſſade, von der
ich Ihnen neulich erzählte. Nun kann man all die
Mühe des Durchſehens der Bewerbungen noch einmal
haben — oder nein, ich habe ja eine andere Be-
werberin eine Stunde ſpäter beſtellt, nehmen wir die.“
„Aber warum?“ fragte der Compagnon mit
der Freiheit ſeines väterlichen Freundes. „Fräulein
Lammont’s Empfehlungen ſind ausgezeichnet und wir
hören, daſs ſie einer guten Stellung ſehr bedarf,
auch ſcheint ſie ſich ausgezeichnet für unſeren Poſten
zu eignen und ſie iſt eine Dame.“
„Zum Henker mit den Empfehlungen! Ich will
in meinem Geſchäfte keine Dame, die auf der
Straße mit mir kokettiert.“
Der alte Herr lächelte: „Sollten Sie gerade
darum den Stab über ſie brechen?“
„Schulmeiſtern Sie nicht! Geſchäft iſt Geſchäft,
und ich liebe gemiſchte Getränke nicht. Nette Ord-
nung könnte ich in meinem Bureau halten, wenn ich
mich damit abgäbe, meiner Stenographin Veilchen-
ſträuße zu überreichen. Außerdem will ich auch hier
im Geſchäfte vor meiner Frau nicht erröthen müſſen,
wenn ſie mich abholt. Sollte ich den ſüßen braunen
Augen auf der Straße wieder begegnen, dann
freilich —“ ein Lachen ſchloſs den Satz. „Jetzt aber
müſſen Sie mit ihr fertig werden. Sie ſah aus, als
ob ſie weinen wollte, als ſie mich oben ſah und ich
kann weinerliche Frauenzimmer nicht leiden.“
Wenige Minuten ſpäter theilte der alte Herr
Fräulein Lammont mit, daſs die Firma ihrer Dienſte
nicht bedürfe. Sie ſah den mitleidsvollen Blick nicht,
der bei ihrem ſichtlichen Erſchrecken aus den alten
Augen auf ſie fiel; ſie glaubte, der alte Herr habe
ſie nicht gewollt und habe Herrn Braun zu dieſer
Abweiſung überredet. Daher zürnte ſie ihm auch,
ſolange ſie einen gewiſſen Strauß verwelkter Veilchen
aufbewahrte.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Benjamin Fiechter, Susanne Haaf: Bereitstellung der digitalen Textausgabe (Konvertierung in das DTA-Basisformat).
(2018-01-26T13:38:42Z)
grepect GmbH: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung.
(2018-01-26T13:38:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Amelie Meister: Vorbereitung der Texttranskription und Textauszeichnung.
(2018-01-26T13:38:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |