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Badener Zeitung. Nr. 21, Baden (Niederösterreich), 14.03.1906.

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erste Seite
Badener Zeitung
(vormals Badener Bezirks-Blatt).

Abonnement Baden: Zum Abholen vierteljährig K 2·50, halbjährig K 5·--, ganzjährig K 10·--. Mit Zustellung ins Haus Baden: Vierteljährig K 3·--, halbjährig K 6·--,
ganzjährig K 12·--. Oesterreich-Ungarn: Mit Zusendung vierteljährig K 3·30, halbjährig K 6·50, ganzjährig K 13·--. Einzelne Mittwoch-Nummer 12 h., Samstag-
Nummer 16 h. -- Inserate
werden per 80 mm breite Petitzeile mit 16 h für die erste, und mit 14 h für fünf nacheinander folgende Einschaltungen berechnet, größere Aufträge
nach Uebereinkommen und können auch durch die bestehenden Annonzen-Bureaux an die Administration gerichtet werden. -- Interessante Mitteilungen, Notizen und
Korrespondenzen werden nach Uebereinkunft honoriert. -- Manuskripte werden nicht zurückgestellt. -- Redaktion und Administration: Baden, Pfarrgasse Nr. 3.
[Abbildung] Erscheint Mittwoch und Samstag früh. [Abbildung]
(Die Samstag-Nummer enthält die Gratis-Beilage "Illustriertes Unterhaltungsblatt".)




Nr. 21. Mittwoch, den 14. März 1906. 27. Jahrg.


[Spaltenumbruch]
Die Schlachta in Nöten.

Graf Dziedusczycki schnaubt und tobt, warnt
und winselt. Man kann den Schlachzizen in ihrem
Zorne nur ein Lächeln abgewinnen und ihnen
gönnen, daß sie zuletzt das Nachsehen haben. Alle
Register hat er im Parlament gezogen, aber die
Rede hat nicht gezogen. All' seinen Haß hat er
wie auf einem Multiplikator aufgespeichert, den
Haß gegen die Wahlreformvorlage. Hätte er mit
jener akademischen Vornehmheit, mit der der warm-
herzige deutsche Patriot Grabmayr seine Gegner-
schaft gegen das gleiche Wahlrecht vorbrachte, die
Sache des Stanczykentums vertreten, so hätte er
auf einen Achtungserfolg Anspruch machen können;
allein die Heuchelei, mit der der Schlachzize sagte,
der Kolo Polskie sei für eine demokratische Wahl-
reform, sie fordert das allgemeine Gelächter heraus.
Der Polenklub hat nach den Bluttagen von Niz-
nioco und Laczki den Geist der Freveltat wider
die Sozialisten angerufen. Das macht sich wirklich
ausgezeichnet. Warum wohl der Polenklub mit
der demokratischen Reform im Landtage nicht
vorausgegangen ist? Warum er sich wohl das
Proportionalwahlrecht auswirkte und der lange
Finger des Statthalters Pininski bei geheimen
Skrutinien in die Urne greifen will? Diese Ge-
heimtuerei ist wohl auch demokratisch, weil man
dabei mit Haufen von Stimmzetteln schwindeln
kann. Alle die Ideale, für die die Jagellonen
gekämpft haben, die heilige Kirche, der Milita-
[Spaltenumbruch] rismus, die Autonomie, die Dynastie, alles steht
auf dem Spiele, wenn diese Wahlreform Gesetz
wird. Damit das Verfahren vereinfacht wird, wirft
Graf Dziedusczycki das Schwefelhölzchen Ver-
fassungsreform in die Gautsch'sche Strohtriste, ein
Junktim zwischen beiden soll das Abbrennen be-
sorgen. Alle erfaßte eine tiefe Rührung, als der
Schlachzize Tränen über die Ungerechtigkeit der
Regierung und deren Undank gegen die privi-
legierten Steuerhinterzieher weinte, die ihre Hof-
wedelei so übel belohnt sehen. Ja, der Staat be-
handelt Galizien als erobertes Land, er hat mit
hunderten von Schnapsmillionen und hunderten
von Grundentlastungsmillionen die Schlachzizen
vernachlässigt; die paar Transversalbahnen sind
ja auch nicht der Rede wert, wie so vieles andere
Unrecht, das die armen Reichsvampyre einstecken
mußten.

Allerdings enthält auch Dziedusczycki's Rede
Wahrheiten; allerdings ist die Regierungsvorlage
eine Sammlung des ungereimtesten, kniffigsten
Opportunismus und mit Recht klagt Dziedusczycki,
daß Krain mit einer halben Million 11 Mandate
bekommt, Galizien mit 7·5 Millionen nur 88.
Es ist wahr: Wie kommen die Ruthenen dazu,
zehnmal schlechter als die Slovenen behandelt zu
werden, so daß auf 38.000 Windische schon ein
Vertreter kommt, dagegen erst auf 109.000 ein
ruthenischer Abgeordneter. Zwei ruthenische Wahl-
kreise gibt es, von denen einer so groß als ganz
Krain ist. Aber gegen die Deutschen hat der
[Spaltenumbruch] Führer der Steuerhinterzieher kein Recht, über
Zurücksetzung des stark passiven Kronlandes Ga-
lizien zu klagen. Eine solche Gleichmacherei exi-
stiert, wie der Italiener Verzegnassi richtig sagte,
nur bei einer Viehherde.

Eine kostbare Logik mutet Dziedusczycki den
Deutschen zu, von denen er zugesteht, daß ihre
Führerschaft zurückgedrängt wird, sie sollten sich
eine Verfassungsreform, d. h. eine föderalistische
Zustutzung obendrein gefallen lassen, bei der die
zu kurz gekommenen Länderrechte wieder aufge-
richtet werden sollen. Wir verzeihen es dem
Gräflein aus der Polakei gerne, daß er von dem
politischen Verstande der Deutschen so gering denkt,
die ja zu Tode froh wären, wenn mit den Schlach-
zizen alle Verländerungen unter den Tisch fielen.
Dziedusczycki prophezeit ein tumultuierendes Par-
lament. Er könnte Recht behalten, wenn eine
slavische Mehrheit, ein eiserner Ring wieder ge-
schmiedet werden könnte. Diese zu verhindern
müssen eben die Deutschen alles daran setzen und
wenn unsere Sozialisten, wie sie höchlich ver-
sichern, wirklich zu ihrem Volke stehen, so müssen
sie eben dazu sehen, daß wir eine arbeitende,
schaffende Volksvertretung bekommen; eine slavische
Mehrheit wäre aber wirklich nur der Sieg des
begehrlichen Chauvinismus, nach Art des Prager
Landtages. Bei einer slavischen Mehrheit wären
nur die Deutschen die Plebejer, wie Kaftan sagte,
sie, die Zahler, wären die Vergewaltigten. Das
wären die Folgen der föderalistischen Basis, von




[Spaltenumbruch]
Feuilleton.



Geschichte der Stadt Baden.

III. Teil.
Das 18. Jahrhundert.

(Fortsetzung.)

An dieser Seite steht seit 1833 zur Erinnerung
an die Errettung des damaligen Kronprinzen Fer-
dinand aus Mörderhand der durch Beiträge errichtete
Ferdinandsbrunnen, ein Steinbassin, aus welchem
sich ein Postament mit einer Schale erhebt. Dem-
selben entspringt ein Wasserstrahl, den die Schale
aufnimmt.

Durch Subskription war der Betrag von 10.000 fl.
aufgebracht worden, der den Bau einer Wasserleitung
vom Piperlbrunnen am Badenerberg ermöglichte.
Seit 1884 wurde der Ferdinandsbrunnen von der
Wiener Hochquellenleitung gespeist; jetzt erhält er das
Wasser aus der neuen Wasserleitung.

Das im Barockstil aufgeführte Monument hat
eine Menge ihm sehr ähnlicher Geschwister; denn fast
jeder größere Ort besitzt eine mehr oder minder ge-
lungene Pestsäule mit der unvermeidlichen Wolken-
pyramide und den ebenso unvermeidlichen Pest-
patronen.

Leider war das Badener Monument nicht sehr
widerstandsfähig. Schon 1756 fand die erste Reno-
vation statt, 1833 die zweite und 1884 die dritte;
die Kosten der letzteren, auf 3350 fl. veranschlagt,
bestritt die in Baden wohnende Frau Theresia Göschl,
Bürgerswitwe aus Wien.


[Spaltenumbruch]

Über die Kosten des Monumentes selbst gibt
kein Dokument Aufklärung. Aus einer Notiz erfährt
man nur, daß der Bildhauer für zwei Statuen 115 fl.
verlangte und das Vergolden 300 fl. kostete. Die
Pestepidemie von 1713 war die letzte, von der unsere
Stadt heimgesucht wurde.

Der damalige Besitzer der Herrschaft Weikers-
dorf, Franz Anton Edler von Quarient und Raal,
schenkte 1715 dem Wundarzt Drescher, der sich
während der Pest ausgezeichnet hatte, das Johannes-
bad nebst dem ihm gegenüberliegenden Armenleut-
oder Bettlersbad (jetzt Ferdinandsbad) mit der Ver-
pflichtung, über der Armenbadquelle ein hölzernes
Badegebäude zu errichten. Das Johannesbad lag auf
einer Bachschuttinsel, die noch 1762 bestand und erst
verschwand, als die Schwechat bei einer Überschwem-
mung den die Insel vom Ufer trennenden Bacharm
mit Schotter ausfüllte. Drescher ließ die zwei hölzernen
Badehütten wegreißen, ein ordentliches Bade- und
Wohnhaus bauen und über der Armenbadquelle, in
der bisher die Leute unter freiem Himmel gebadet
hatten, eine Bretterhütte errichten. Im Johannesbad
badeten damals die ärmeren Bürgersleute um einen
Kreuzer. 1802 kaufte es Zacharius Christ von der
Familie Drescher.

Kaum war die Pest erloschen, so traf neues
Unheil die Stadt. Am 24. Februar 1714, zwischen
4 und 5 Uhr abends, brach im Hause des Barbiers
und Wundarztes Johann Franz Khueffner am Haupt-
platz (jetzt Nr. 22) Feuer aus, das ein anhaltender,
großer Sturmwind zur Feuersbrunst anfachte. Durch
genaue Untersuchung wurde festgestellt, daß "das
Fewr rukhwärths gegen den Gartten in zweyen zu-
sambengebauten alten Ställen und negst daran ge-
legenen Rebenbürtl Hauffen aufgegangen seye". Man
vermutete, daß es durch "Schlime Leuth muß geleget
worden sein, allermaßen an disem Orth beym selben
[Spaltenumbruch] Tag kein liecht vonnöthen, auch die dienstboten umb
dise Zeit nit zu Hauß gewesen, sondern ihrer Andacht
nach auf den berg Calvaria gangen seint".

Es brannten in der Stadt 47 Häuser ab, und
zwar im "Frauen Viertl": 20 Häuser, darunter das
Rathaus, im "Burger-Viertl": 16 Häuser, darunter
das der Stadt gehörige Hirschen-Wirtshaus, im "Kürch-
Viertl": 11 Häuser, darunter der Melkerhof, das
Schulhaus, der Pfarrhof, zwei Benefiziat-Häuser und
das Augustinerkloster samt der Kirche, im "Renn-
Viertl" nur 4 Häuser, weil die Dächer noch recht-
zeitig abgebrochen werden konnten. In der Stadt
entgingen nur 30 Häuser dem Brande. Vor der
Stadt, das heißt außer den Stadtmauern, brannten
53 Häuser ab, so daß im ganzen 100 Häuser dem
Feuer zum Opfer fielen. Vor der Stadt blieben
52 Häuser verschont. Baden hatte also zu jener Zeit
in der Stadt 77 Häuser, vor der Stadt 105 Häuser.
Von den Namen der Hausbesitzer kommt jetzt fast
keiner mehr in der Stadt vor.

Noch in demselben Jahre erhielt die Stadt die
kaiserliche Bewilligung, ein Anlehen von 6000 fl. zur
Wiederherstellung der öffentlichen Gebäude aufnehmen
zu dürfen. Es war ja auch noch zum Teil das Geld
für den Bau der Dreifaltigkeitssäule, die erst 1718 voll-
endet wurde, aufzubringen. Das Darlehen erhielt die
Stadt zu 6% von dem bürgerlichen Wiener Handels-
mann Johann Rudolf Fraß.

Trotz der finanziellen Not hatte die Stadt den
Mut, das Herzogsbad zu erwerben. Nach der schreck-
lichen Verwüstung im Jahre 1683 hatte sie schon
diesen Kauf angestrebt und jetzt, nach der Pest, nach
dem verheerenden Brande, gelang es ihr, dieses Ziel
zu erreichen.

Im ersten Dezennium des 18. Jahrhunderts
hatte die Stadt mit dem Grafen Karl Lamberg-
Sprinzenstein, dem Besitzer des Herzoghofes, einen


Badener Zeitung
(vormals Badener Bezirks-Blatt).

Abonnement Baden: Zum Abholen vierteljährig K 2·50, halbjährig K 5·—, ganzjährig K 10·—. Mit Zuſtellung ins Haus Baden: Vierteljährig K 3·—, halbjährig K 6·—,
ganzjährig K 12·—. Oeſterreich-Ungarn: Mit Zuſendung vierteljährig K 3·30, halbjährig K 6·50, ganzjährig K 13·—. Einzelne Mittwoch-Nummer 12 h., Samstag-
Nummer 16 h. — Inſerate
werden per 80 mm breite Petitzeile mit 16 h für die erſte, und mit 14 h für fünf nacheinander folgende Einſchaltungen berechnet, größere Aufträge
nach Uebereinkommen und können auch durch die beſtehenden Annonzen-Bureaux an die Adminiſtration gerichtet werden. — Intereſſante Mitteilungen, Notizen und
Korreſpondenzen werden nach Uebereinkunft honoriert. — Manuſkripte werden nicht zurückgeſtellt. — Redaktion und Adminiſtration: Baden, Pfarrgaſſe Nr. 3.
[Abbildung] Erſcheint Mittwoch und Samstag früh. [Abbildung]
(Die Samstag-Nummer enthält die Gratis-Beilage „Illuſtriertes Unterhaltungsblatt“.)




Nr. 21. Mittwoch, den 14. März 1906. 27. Jahrg.


[Spaltenumbruch]
Die Schlachta in Nöten.

Graf Dziedusczycki ſchnaubt und tobt, warnt
und winſelt. Man kann den Schlachzizen in ihrem
Zorne nur ein Lächeln abgewinnen und ihnen
gönnen, daß ſie zuletzt das Nachſehen haben. Alle
Regiſter hat er im Parlament gezogen, aber die
Rede hat nicht gezogen. All’ ſeinen Haß hat er
wie auf einem Multiplikator aufgeſpeichert, den
Haß gegen die Wahlreformvorlage. Hätte er mit
jener akademiſchen Vornehmheit, mit der der warm-
herzige deutſche Patriot Grabmayr ſeine Gegner-
ſchaft gegen das gleiche Wahlrecht vorbrachte, die
Sache des Stanczykentums vertreten, ſo hätte er
auf einen Achtungserfolg Anſpruch machen können;
allein die Heuchelei, mit der der Schlachzize ſagte,
der Kolo Polskie ſei für eine demokratiſche Wahl-
reform, ſie fordert das allgemeine Gelächter heraus.
Der Polenklub hat nach den Bluttagen von Niz-
nioco und Laczki den Geiſt der Freveltat wider
die Sozialiſten angerufen. Das macht ſich wirklich
ausgezeichnet. Warum wohl der Polenklub mit
der demokratiſchen Reform im Landtage nicht
vorausgegangen iſt? Warum er ſich wohl das
Proportionalwahlrecht auswirkte und der lange
Finger des Statthalters Pininski bei geheimen
Skrutinien in die Urne greifen will? Dieſe Ge-
heimtuerei iſt wohl auch demokratiſch, weil man
dabei mit Haufen von Stimmzetteln ſchwindeln
kann. Alle die Ideale, für die die Jagellonen
gekämpft haben, die heilige Kirche, der Milita-
[Spaltenumbruch] rismus, die Autonomie, die Dynaſtie, alles ſteht
auf dem Spiele, wenn dieſe Wahlreform Geſetz
wird. Damit das Verfahren vereinfacht wird, wirft
Graf Dziedusczycki das Schwefelhölzchen Ver-
faſſungsreform in die Gautſch’ſche Strohtriſte, ein
Junktim zwiſchen beiden ſoll das Abbrennen be-
ſorgen. Alle erfaßte eine tiefe Rührung, als der
Schlachzize Tränen über die Ungerechtigkeit der
Regierung und deren Undank gegen die privi-
legierten Steuerhinterzieher weinte, die ihre Hof-
wedelei ſo übel belohnt ſehen. Ja, der Staat be-
handelt Galizien als erobertes Land, er hat mit
hunderten von Schnapsmillionen und hunderten
von Grundentlaſtungsmillionen die Schlachzizen
vernachläſſigt; die paar Transverſalbahnen ſind
ja auch nicht der Rede wert, wie ſo vieles andere
Unrecht, das die armen Reichsvampyre einſtecken
mußten.

Allerdings enthält auch Dziedusczycki’s Rede
Wahrheiten; allerdings iſt die Regierungsvorlage
eine Sammlung des ungereimteſten, kniffigſten
Opportunismus und mit Recht klagt Dziedusczycki,
daß Krain mit einer halben Million 11 Mandate
bekommt, Galizien mit 7·5 Millionen nur 88.
Es iſt wahr: Wie kommen die Ruthenen dazu,
zehnmal ſchlechter als die Slovenen behandelt zu
werden, ſo daß auf 38.000 Windiſche ſchon ein
Vertreter kommt, dagegen erſt auf 109.000 ein
rutheniſcher Abgeordneter. Zwei rutheniſche Wahl-
kreiſe gibt es, von denen einer ſo groß als ganz
Krain iſt. Aber gegen die Deutſchen hat der
[Spaltenumbruch] Führer der Steuerhinterzieher kein Recht, über
Zurückſetzung des ſtark paſſiven Kronlandes Ga-
lizien zu klagen. Eine ſolche Gleichmacherei exi-
ſtiert, wie der Italiener Verzegnaſſi richtig ſagte,
nur bei einer Viehherde.

Eine koſtbare Logik mutet Dziedusczycki den
Deutſchen zu, von denen er zugeſteht, daß ihre
Führerſchaft zurückgedrängt wird, ſie ſollten ſich
eine Verfaſſungsreform, d. h. eine föderaliſtiſche
Zuſtutzung obendrein gefallen laſſen, bei der die
zu kurz gekommenen Länderrechte wieder aufge-
richtet werden ſollen. Wir verzeihen es dem
Gräflein aus der Polakei gerne, daß er von dem
politiſchen Verſtande der Deutſchen ſo gering denkt,
die ja zu Tode froh wären, wenn mit den Schlach-
zizen alle Verländerungen unter den Tiſch fielen.
Dziedusczycki prophezeit ein tumultuierendes Par-
lament. Er könnte Recht behalten, wenn eine
ſlaviſche Mehrheit, ein eiſerner Ring wieder ge-
ſchmiedet werden könnte. Dieſe zu verhindern
müſſen eben die Deutſchen alles daran ſetzen und
wenn unſere Sozialiſten, wie ſie höchlich ver-
ſichern, wirklich zu ihrem Volke ſtehen, ſo müſſen
ſie eben dazu ſehen, daß wir eine arbeitende,
ſchaffende Volksvertretung bekommen; eine ſlaviſche
Mehrheit wäre aber wirklich nur der Sieg des
begehrlichen Chauvinismus, nach Art des Prager
Landtages. Bei einer ſlaviſchen Mehrheit wären
nur die Deutſchen die Plebejer, wie Kaftan ſagte,
ſie, die Zahler, wären die Vergewaltigten. Das
wären die Folgen der föderaliſtiſchen Baſis, von




[Spaltenumbruch]
Feuilleton.



Geſchichte der Stadt Baden.

III. Teil.
Das 18. Jahrhundert.

(Fortſetzung.)

An dieſer Seite ſteht ſeit 1833 zur Erinnerung
an die Errettung des damaligen Kronprinzen Fer-
dinand aus Mörderhand der durch Beiträge errichtete
Ferdinandsbrunnen, ein Steinbaſſin, aus welchem
ſich ein Poſtament mit einer Schale erhebt. Dem-
ſelben entſpringt ein Waſſerſtrahl, den die Schale
aufnimmt.

Durch Subſkription war der Betrag von 10.000 fl.
aufgebracht worden, der den Bau einer Waſſerleitung
vom Piperlbrunnen am Badenerberg ermöglichte.
Seit 1884 wurde der Ferdinandsbrunnen von der
Wiener Hochquellenleitung geſpeiſt; jetzt erhält er das
Waſſer aus der neuen Waſſerleitung.

Das im Barockſtil aufgeführte Monument hat
eine Menge ihm ſehr ähnlicher Geſchwiſter; denn faſt
jeder größere Ort beſitzt eine mehr oder minder ge-
lungene Peſtſäule mit der unvermeidlichen Wolken-
pyramide und den ebenſo unvermeidlichen Peſt-
patronen.

Leider war das Badener Monument nicht ſehr
widerſtandsfähig. Schon 1756 fand die erſte Reno-
vation ſtatt, 1833 die zweite und 1884 die dritte;
die Koſten der letzteren, auf 3350 fl. veranſchlagt,
beſtritt die in Baden wohnende Frau Thereſia Göſchl,
Bürgerswitwe aus Wien.


[Spaltenumbruch]

Über die Koſten des Monumentes ſelbſt gibt
kein Dokument Aufklärung. Aus einer Notiz erfährt
man nur, daß der Bildhauer für zwei Statuen 115 fl.
verlangte und das Vergolden 300 fl. koſtete. Die
Peſtepidemie von 1713 war die letzte, von der unſere
Stadt heimgeſucht wurde.

Der damalige Beſitzer der Herrſchaft Weikers-
dorf, Franz Anton Edler von Quarient und Raal,
ſchenkte 1715 dem Wundarzt Dreſcher, der ſich
während der Peſt ausgezeichnet hatte, das Johannes-
bad nebſt dem ihm gegenüberliegenden Armenleut-
oder Bettlersbad (jetzt Ferdinandsbad) mit der Ver-
pflichtung, über der Armenbadquelle ein hölzernes
Badegebäude zu errichten. Das Johannesbad lag auf
einer Bachſchuttinſel, die noch 1762 beſtand und erſt
verſchwand, als die Schwechat bei einer Überſchwem-
mung den die Inſel vom Ufer trennenden Bacharm
mit Schotter ausfüllte. Dreſcher ließ die zwei hölzernen
Badehütten wegreißen, ein ordentliches Bade- und
Wohnhaus bauen und über der Armenbadquelle, in
der bisher die Leute unter freiem Himmel gebadet
hatten, eine Bretterhütte errichten. Im Johannesbad
badeten damals die ärmeren Bürgersleute um einen
Kreuzer. 1802 kaufte es Zacharius Chriſt von der
Familie Dreſcher.

Kaum war die Peſt erloſchen, ſo traf neues
Unheil die Stadt. Am 24. Februar 1714, zwiſchen
4 und 5 Uhr abends, brach im Hauſe des Barbiers
und Wundarztes Johann Franz Khueffner am Haupt-
platz (jetzt Nr. 22) Feuer aus, das ein anhaltender,
großer Sturmwind zur Feuersbrunſt anfachte. Durch
genaue Unterſuchung wurde feſtgeſtellt, daß „das
Fewr rukhwärths gegen den Gartten in zweyen zu-
ſambengebauten alten Ställen und negſt daran ge-
legenen Rebenbürtl Hauffen aufgegangen ſeye“. Man
vermutete, daß es durch „Schlime Leuth muß geleget
worden ſein, allermaßen an diſem Orth beym ſelben
[Spaltenumbruch] Tag kein liecht vonnöthen, auch die dienſtboten umb
diſe Zeit nit zu Hauß geweſen, ſondern ihrer Andacht
nach auf den berg Calvaria gangen ſeint“.

Es brannten in der Stadt 47 Häuſer ab, und
zwar im „Frauen Viertl“: 20 Häuſer, darunter das
Rathaus, im „Burger-Viertl“: 16 Häuſer, darunter
das der Stadt gehörige Hirſchen-Wirtshaus, im „Kürch-
Viertl“: 11 Häuſer, darunter der Melkerhof, das
Schulhaus, der Pfarrhof, zwei Benefiziat-Häuſer und
das Auguſtinerkloſter ſamt der Kirche, im „Renn-
Viertl“ nur 4 Häuſer, weil die Dächer noch recht-
zeitig abgebrochen werden konnten. In der Stadt
entgingen nur 30 Häuſer dem Brande. Vor der
Stadt, das heißt außer den Stadtmauern, brannten
53 Häuſer ab, ſo daß im ganzen 100 Häuſer dem
Feuer zum Opfer fielen. Vor der Stadt blieben
52 Häuſer verſchont. Baden hatte alſo zu jener Zeit
in der Stadt 77 Häuſer, vor der Stadt 105 Häuſer.
Von den Namen der Hausbeſitzer kommt jetzt faſt
keiner mehr in der Stadt vor.

Noch in demſelben Jahre erhielt die Stadt die
kaiſerliche Bewilligung, ein Anlehen von 6000 fl. zur
Wiederherſtellung der öffentlichen Gebäude aufnehmen
zu dürfen. Es war ja auch noch zum Teil das Geld
für den Bau der Dreifaltigkeitsſäule, die erſt 1718 voll-
endet wurde, aufzubringen. Das Darlehen erhielt die
Stadt zu 6% von dem bürgerlichen Wiener Handels-
mann Johann Rudolf Fraß.

Trotz der finanziellen Not hatte die Stadt den
Mut, das Herzogsbad zu erwerben. Nach der ſchreck-
lichen Verwüſtung im Jahre 1683 hatte ſie ſchon
dieſen Kauf angeſtrebt und jetzt, nach der Peſt, nach
dem verheerenden Brande, gelang es ihr, dieſes Ziel
zu erreichen.

Im erſten Dezennium des 18. Jahrhunderts
hatte die Stadt mit dem Grafen Karl Lamberg-
Sprinzenſtein, dem Beſitzer des Herzoghofes, einen


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[[1]/0001] Badener Zeitung (vormals Badener Bezirks-Blatt). Abonnement Baden: Zum Abholen vierteljährig K 2·50, halbjährig K 5·—, ganzjährig K 10·—. Mit Zuſtellung ins Haus Baden: Vierteljährig K 3·—, halbjährig K 6·—, ganzjährig K 12·—. Oeſterreich-Ungarn: Mit Zuſendung vierteljährig K 3·30, halbjährig K 6·50, ganzjährig K 13·—. Einzelne Mittwoch-Nummer 12 h., Samstag- Nummer 16 h. — Inſerate werden per 80 mm breite Petitzeile mit 16 h für die erſte, und mit 14 h für fünf nacheinander folgende Einſchaltungen berechnet, größere Aufträge nach Uebereinkommen und können auch durch die beſtehenden Annonzen-Bureaux an die Adminiſtration gerichtet werden. — Intereſſante Mitteilungen, Notizen und Korreſpondenzen werden nach Uebereinkunft honoriert. — Manuſkripte werden nicht zurückgeſtellt. — Redaktion und Adminiſtration: Baden, Pfarrgaſſe Nr. 3. [Abbildung] Erſcheint Mittwoch und Samstag früh. [Abbildung] (Die Samstag-Nummer enthält die Gratis-Beilage „Illuſtriertes Unterhaltungsblatt“.) Nr. 21. Mittwoch, den 14. März 1906. 27. Jahrg. Die Schlachta in Nöten. Graf Dziedusczycki ſchnaubt und tobt, warnt und winſelt. Man kann den Schlachzizen in ihrem Zorne nur ein Lächeln abgewinnen und ihnen gönnen, daß ſie zuletzt das Nachſehen haben. Alle Regiſter hat er im Parlament gezogen, aber die Rede hat nicht gezogen. All’ ſeinen Haß hat er wie auf einem Multiplikator aufgeſpeichert, den Haß gegen die Wahlreformvorlage. Hätte er mit jener akademiſchen Vornehmheit, mit der der warm- herzige deutſche Patriot Grabmayr ſeine Gegner- ſchaft gegen das gleiche Wahlrecht vorbrachte, die Sache des Stanczykentums vertreten, ſo hätte er auf einen Achtungserfolg Anſpruch machen können; allein die Heuchelei, mit der der Schlachzize ſagte, der Kolo Polskie ſei für eine demokratiſche Wahl- reform, ſie fordert das allgemeine Gelächter heraus. Der Polenklub hat nach den Bluttagen von Niz- nioco und Laczki den Geiſt der Freveltat wider die Sozialiſten angerufen. 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Ja, der Staat be- handelt Galizien als erobertes Land, er hat mit hunderten von Schnapsmillionen und hunderten von Grundentlaſtungsmillionen die Schlachzizen vernachläſſigt; die paar Transverſalbahnen ſind ja auch nicht der Rede wert, wie ſo vieles andere Unrecht, das die armen Reichsvampyre einſtecken mußten. Allerdings enthält auch Dziedusczycki’s Rede Wahrheiten; allerdings iſt die Regierungsvorlage eine Sammlung des ungereimteſten, kniffigſten Opportunismus und mit Recht klagt Dziedusczycki, daß Krain mit einer halben Million 11 Mandate bekommt, Galizien mit 7·5 Millionen nur 88. Es iſt wahr: Wie kommen die Ruthenen dazu, zehnmal ſchlechter als die Slovenen behandelt zu werden, ſo daß auf 38.000 Windiſche ſchon ein Vertreter kommt, dagegen erſt auf 109.000 ein rutheniſcher Abgeordneter. Zwei rutheniſche Wahl- kreiſe gibt es, von denen einer ſo groß als ganz Krain iſt. 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An dieſer Seite ſteht ſeit 1833 zur Erinnerung an die Errettung des damaligen Kronprinzen Fer- dinand aus Mörderhand der durch Beiträge errichtete Ferdinandsbrunnen, ein Steinbaſſin, aus welchem ſich ein Poſtament mit einer Schale erhebt. Dem- ſelben entſpringt ein Waſſerſtrahl, den die Schale aufnimmt. Durch Subſkription war der Betrag von 10.000 fl. aufgebracht worden, der den Bau einer Waſſerleitung vom Piperlbrunnen am Badenerberg ermöglichte. Seit 1884 wurde der Ferdinandsbrunnen von der Wiener Hochquellenleitung geſpeiſt; jetzt erhält er das Waſſer aus der neuen Waſſerleitung. Das im Barockſtil aufgeführte Monument hat eine Menge ihm ſehr ähnlicher Geſchwiſter; denn faſt jeder größere Ort beſitzt eine mehr oder minder ge- lungene Peſtſäule mit der unvermeidlichen Wolken- pyramide und den ebenſo unvermeidlichen Peſt- patronen. Leider war das Badener Monument nicht ſehr widerſtandsfähig. Schon 1756 fand die erſte Reno- vation ſtatt, 1833 die zweite und 1884 die dritte; die Koſten der letzteren, auf 3350 fl. veranſchlagt, beſtritt die in Baden wohnende Frau Thereſia Göſchl, Bürgerswitwe aus Wien. Über die Koſten des Monumentes ſelbſt gibt kein Dokument Aufklärung. Aus einer Notiz erfährt man nur, daß der Bildhauer für zwei Statuen 115 fl. verlangte und das Vergolden 300 fl. koſtete. Die Peſtepidemie von 1713 war die letzte, von der unſere Stadt heimgeſucht wurde. Der damalige Beſitzer der Herrſchaft Weikers- dorf, Franz Anton Edler von Quarient und Raal, ſchenkte 1715 dem Wundarzt Dreſcher, der ſich während der Peſt ausgezeichnet hatte, das Johannes- bad nebſt dem ihm gegenüberliegenden Armenleut- oder Bettlersbad (jetzt Ferdinandsbad) mit der Ver- pflichtung, über der Armenbadquelle ein hölzernes Badegebäude zu errichten. 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Durch genaue Unterſuchung wurde feſtgeſtellt, daß „das Fewr rukhwärths gegen den Gartten in zweyen zu- ſambengebauten alten Ställen und negſt daran ge- legenen Rebenbürtl Hauffen aufgegangen ſeye“. Man vermutete, daß es durch „Schlime Leuth muß geleget worden ſein, allermaßen an diſem Orth beym ſelben Tag kein liecht vonnöthen, auch die dienſtboten umb diſe Zeit nit zu Hauß geweſen, ſondern ihrer Andacht nach auf den berg Calvaria gangen ſeint“. Es brannten in der Stadt 47 Häuſer ab, und zwar im „Frauen Viertl“: 20 Häuſer, darunter das Rathaus, im „Burger-Viertl“: 16 Häuſer, darunter das der Stadt gehörige Hirſchen-Wirtshaus, im „Kürch- Viertl“: 11 Häuſer, darunter der Melkerhof, das Schulhaus, der Pfarrhof, zwei Benefiziat-Häuſer und das Auguſtinerkloſter ſamt der Kirche, im „Renn- Viertl“ nur 4 Häuſer, weil die Dächer noch recht- zeitig abgebrochen werden konnten. In der Stadt entgingen nur 30 Häuſer dem Brande. Vor der Stadt, das heißt außer den Stadtmauern, brannten 53 Häuſer ab, ſo daß im ganzen 100 Häuſer dem Feuer zum Opfer fielen. Vor der Stadt blieben 52 Häuſer verſchont. Baden hatte alſo zu jener Zeit in der Stadt 77 Häuſer, vor der Stadt 105 Häuſer. Von den Namen der Hausbeſitzer kommt jetzt faſt keiner mehr in der Stadt vor. Noch in demſelben Jahre erhielt die Stadt die kaiſerliche Bewilligung, ein Anlehen von 6000 fl. zur Wiederherſtellung der öffentlichen Gebäude aufnehmen zu dürfen. Es war ja auch noch zum Teil das Geld für den Bau der Dreifaltigkeitsſäule, die erſt 1718 voll- endet wurde, aufzubringen. Das Darlehen erhielt die Stadt zu 6% von dem bürgerlichen Wiener Handels- mann Johann Rudolf Fraß. Trotz der finanziellen Not hatte die Stadt den Mut, das Herzogsbad zu erwerben. Nach der ſchreck- lichen Verwüſtung im Jahre 1683 hatte ſie ſchon dieſen Kauf angeſtrebt und jetzt, nach der Peſt, nach dem verheerenden Brande, gelang es ihr, dieſes Ziel zu erreichen. Im erſten Dezennium des 18. Jahrhunderts hatte die Stadt mit dem Grafen Karl Lamberg- Sprinzenſtein, dem Beſitzer des Herzoghofes, einen

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Benjamin Fiechter, Susanne Haaf: Bereitstellung der digitalen Textausgabe (Konvertierung in das DTA-Basisformat). (2018-01-26T13:38:42Z)
grepect GmbH: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung. (2018-01-26T13:38:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Amelie Meister: Vorbereitung der Texttranskription und Textauszeichnung. (2018-01-26T13:38:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Badener Zeitung. Nr. 21, Baden (Niederösterreich), 14.03.1906, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_badener021_1906/1>, abgerufen am 21.11.2024.