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Badener Zeitung. Nr. 21, Baden (Niederösterreich), 14.03.1906.

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Mittwoch Badener Zeitung 14. März 1906 Nr. 21.

[Spaltenumbruch]

der auch Kaftan schwärmte. Fremde Finger in
deutschen Taschen. Nein, Graf Dziedusczycki, wir
danken für die zugedachte föderalistische Beglückung;
allzugroßes Glück verhärtet das Herz. Die
Deutschböhmen müßten sich da auf die Rolle der
Ruthenen beschränken. Zu viel Wohlwollen! Ver-
bindlichen Dank auch für die Bemühung, die
Tschechen gegen uns aufzureizen. Uebrigens hat
Graf Dziedusczycki mit seinen hungrigen Ratten
in einem Kasten nichts trefflicher versinnbildlicht
als die Politik der ewig hungrigen Schlachzizen.
Es wurde wirklich an der Tafel, Oesterreich ge-
nannt, nichts serviert ohne daß die Herren Stan-
czyken nicht den allergrößten Schöpflöffel in den
Suppentopf gesteckt hätten. Immer mußten sie
zuerst abgefüttert werden, dann erst kamen die
Staatsnotwendigkeiten, dann erst nickten sie gnädig
ihr Ja und der Hofschlachzize Gniewosz ließ sich
später bei Hofe gelegentlich den Fleißzettel aus-
stellen. Wenn diese Herrlichkeit ein Ende nimmt,
so gehört dieser Umstand zu den Lichtseiten der
Wahlreform.

Die Polen dürfen sich wahrlich nicht wundern,
daß sie mit ihren drei bisherigen Rednern Abra-
hamowicz, Moysa und Dziedusezycki eine so kläg-
liche parlamentarische Figur spielten. Die zwei
Armenier und der Schlachzizenführer als Ver-
treter einer demokratischen Wahlreform, ein solcher
Ulk macht uns lachen. Die neuen Demütigungen
wären den Herren erspart geblieben, wenn sie
früher einen ehrlichen Vertrag mit den Deutschen
zu einer festen Mehrheit eingegangen und sich
zuverlässig erwiesen hätten. Nun wird Dziedus-
czycki auch von den Tschechen, für deren Mehr-
rechte er sich früher so erhitzt hatte, in der Tinte
stecken gelassen. Die Polen ernten nur die Früchte
ihrer stets zweideutigen, stets unzuverlässigen Po-
litik. Die Deutschen aber haben einen Grund
mehr, sich entschieden für die Gleichberechtigung
der Polen und Ruthenen einzusetzen, insbesondere
nicht zuzulassen, daß die Rücksichten, die das
Ministerium betreffs der Proportionalwahlen in
Wien für überflüssig hält, gerade den Polen zu
Gefallen, gelten sollen. Gleiches Wahlrecht, gleiche
Behandlung überall! So will es ja doch der
Demokrat Dziedusczycki.




Der Stein im Rollen.

Nun haben wir die erste Woche der Wahl-
reformberatung erlebt und genossen. Die Vorlage der
Regierung, der es insgeheim doch deutlich verständlich
vorgeworfen wird, sie habe ein böses Spiel inßeniert,
diese Vorlage fand, wie ja anders nicht möglich,
unbedingte und bedingte Anhänger, aber auch ent-
[Spaltenumbruch] schiedene Gegner, die jetzt alle in mehr oder weniger
klaren und durchdachten Reden ihre Meinung dar-
legen. Die ersten zwei Tage der Verhandlung zeigten
ein nobles Gepräge. Man hörte Reden wie in den
ersten Sitzungen des Schottentor-Parlamentes. Ein
klassischer Hauch wehte durchs Haus. Klassisch ge-
formte, oratorisch vollendete Darlegungen in frei-
mütiger Vortragsweise bannten die sonst so allgemein
gebräuchliche Unruhe des Hauses. Mit großer Auf-
merksamkeit folgten alle Anwesenden den lichtvollen
Ausführungen der Redner. Nicht einmal unliebsame
Zwischenrufe vernahm man: es ist offenkundig, daß
der Ernst des großen Werkes einen verdienten Ein-
fluß auf alle ausübt. Und weit über die Grenzen
unseres Landes horchen aufmerksame Ohren dem, was
im Parlament vorgetragen wird. Mit größter Spannung
werden die Berichte erwartet und gelesen, zwar noch
wenig besprochen, aber doch eifrig überlegt, wie es
die Schwierigkeit des Problems eben erheischt.

Wenn wir das, was an den ersten zwei Tagen
gesprochen worden, erwägen, müssen wir die Reden
der Herren Dr. Grabmayr, Dr. Weißkirchner und
Grafen Dziedusczycki hervorheben, da sie sich in ihrer
ganzen Eigentümlichkeit zeigten. Es wäre verfrüht,
wollte man schon heute ein endgiltiges Urteil fällen,
man kann nur wieder und wieder sagen, daß es
vieler Abänderungen bedürfen wird, um alle Uneben-
heiten und Ungleichheiten in gerechter und billiger
Art zu beseitigen und ein Werk zu schaffen, das zwar
nicht "aere perennius" -- "dauernder als Erz" --
doch für die nächsten Generationen das beste sein
soll! Welche Stellung die Großgrundbesitzer, die
Polen, die tschechischen Parteien einnehmen, das zeigte
sich deutlich, doch gewiß noch nicht endgiltig in den
Reden der hervorragendsten Vertreter der ersten zwei
Verhandlungstage; was die christlichsozialen so unbe-
dingt betonen -- -- nun, man darf niemand separate
und geheimhoffende Pläne unterschieben; aber es ist
etwas zum Nachdenken! Es wird sich ja doch von
selbst erweisen, wo selbstloses Streben nach Erkennt-
nis des Rechtes und der Gerechtigkeit vorherrscht --
dieses Schlagwort "Gerechtigkeit der Wahl-
reform"
ist von uns ausgegangen; es wird jetzt
sowohl im Parlamente als auch in den Zeitungen
betont. Und das ist ganz richtig! Wir wir zuerst im
Artikel "Gerechtigkeit, erstehe!" und dann "Der
Wille zur Gerechtigkeit" ausgeführt haben, wie in
verschiedenen Betrachtungen die Lebensfähigkeit einer
wohldurchdachten und demgemäß durchgeführten Wahl-
reform anerkannt wurde, muß sich trotz der neuge-
hörten, teilweise ganz unerhörten Einwendungen doch
das Mittel finden lassen.

Gar zu früh nach herrschenden Majoritäten
auszublicken, scheint in diesem embryonalen Stadium
der Verhandlungen nicht passend. Wie immer sich die
verschiedenen Parteien und Parteichen stellen mögen,
[Spaltenumbruch] man sieht jetzt schon aus den letzten Verhandlungen
der Vorwoche, daß sie sich herumschmiegen möchten!

Wenn die Polen, wie Graf Dziedusczycki aus-
führlich darlegte, diese von der Regierung vorgelegte
Wahlreform vom Grund aus verabscheuen und für
den Fall von deren Annahme eine Verfassungsände-
rung wünschenswert finden, so dürften sie bei ver-
schiedenen Parlamentariern Anhänger finden, ob "bona"
oder "mala fide", darüber ließe sich streiten. Daß
der Polenklub etwas prätendiert, was ihm bisher --
gutmütig zugestanden war -- nämlich die Regierung
der Regierung -- das kann man sich lebhaft vor-
stellen und die Beglückwünschungen der um das Wohl
Oesterreichs so besorgten Schlachzizen haben es herr-
lich bewiesen! Wir Oesterreicher, wir Alpenländler,
müssen (ob leider oder gottlob -- geniert uns auch
nicht --) anderer Meinung sein. Ein Volk, das von
Millionengeschenken unsererseits die Idee der
Loyalität
füttern läßt, darf für den Kern des
Staates nicht maßgebend sein.

Was die nach den ersten Haupttagen folgenden
Reden bekundeten, ließe sich kurz fassen: alles strebt
dahin, die "historischen" Reichsteile, die sogenannten
Landtage, mit einer größeren Macht auszugestalten,
dafür aber das "Zentralparlament", das erst geschaffen
werden müßte, nur mit den Reichsagenden zu be-
trauen! -- So stehen jetzt die Sachen. Ob aber
die historische, jedenfalls schon sehr veraltete "Länder-
und Königreichen-Idee" für die moderne Neuschaffung
von berücksichtigungswertem Belang ist, kann man
füglich dahingestellt lassen; was werden muß, wird
auch geschehen!

Um bis heute eine Abrechnung über die laut
gewordenen Stimmen anzustellen, dazu gehört mehr
"Vorbedacht" als "Gehört"; denn es war nur
Plänkelei mit ein paar aufgeführten Geschützen. Und
das war unnotwendig. Es sollte kein Gefecht sein --
die Wahlreformlage ist keine Gefechtsdisposition --
es sollte eine wohlüberlegte Prüfung des Möglichen
und Notwendigen sein, das sich jedem billig denkenden
Menschen, wenn er auch nicht Abgeordneter ist, von
selbst aufdrängt. Wenn aber die Völker merken, dieser,
jener Stämmling habe etwas im Hinterhalte, dann
ist das ehrliche Vertrauen weg und das große Werk
wird durch Kleinlichkeiten verekelt und verhunzt!
-- Und so wollen wir hoffen, daß aus den unfrucht-
baren und ganz wertlosen Plänkeleien, die leider
unsere Volksvertreter nicht entbehren zu können scheinen,
ernstliche Vorschläge hervorgehen werden, wie man
es nach dem ersten Anfange hätte erwarten können!
-- Weg daher mit Redespiel und Schimpfspiel; denn
es wäre gar zu ernst, Unnachgiebigkeit zu predigen,
die schließlich doch böse Folgen haben könnte. All-
gemeines Bewußtsein der Völker ist es, das eine
Aenderung der jetzigen Verhältnisse unaufschiebbar ist!




[Spaltenumbruch]

Prozeß wegen der Einkehr von Fremden im Herzog-
hof gehabt und ihn gewonnen. Der Rat verbot daher
im Jahre 1716 dem Grafen die Aufnahme von
Fremden behufs Einkehr im Herzoghof "bey zehn
Duggaten pöenfahl (Strafe).

Vielleicht durch dieses Verbot, vielleicht auch
durch die finanzielle Lage getrieben, entschloß sich
der Graf zum Verkaufe des Herzoghofes. Am 28. Sep-
tember 1716 kaufte die Stadt unter dem Stadt-
richter Georg Reinwald den Herzoghof mit allem
Zubehör um 25.000 fl. und 500 fl. Leikauf.*) Von
nun an erschien der Herzoghof im Landschafts-Gült-
buch unter dem Namen "die Pfleg von Baden".

Die Stadt hatte mit diesem Kauf das im Her-
zoghof liegende Herzogs- und Antonsbad, die Ursprung-
quelle, 84 Pfund Weingärten, 30 Tagwerk Wiesen
und 4 Joch Äcker erworben.

Das Bad am Ursprunge, noch zu Beginn des
17. Jahrhunderts eine offene Quelle, war im 18. Jahr-
hundert nur ein Fußbad in einer vor der Felsen-
höhle gelegenen Grube, die 1737 mit einem Dache
versehen wurde. 1748 wurde diese Hütte mit einer
zweiten Hütte in Verbindung gebracht nnd als Halb-
bad (Bad bis an den halben Leib) eingerichtet.

Da das alte natürliche, ziemlich enge und
niedrige Felsengewölbe der Ursprungsquelle, von den
Dünsten teilweise zerstört, einzustürzen drohte, wurde
es 1764 abgetragen, der Zugang samt der Höhle
erweitert und überwölbt. Außen, gerade über der
Felsenhöhle, wurde ein Denkstein gesetzt.

1796 wurden die Badehütten weggerissen. Nach
einem von dem Kavallerie-General Grafen Lamberti
entworfenen Plane erbaute der Stadtbaumeister
[Spaltenumbruch] Anton Hantl ein Badegebäude im orientalischen Stile,
wie es noch heute besteht. Beim Abgraben stieß man
auf Reste eines römischen Dunstbades. Das umgebende
alte Mauerwerk bestand aus Ziegeln, wovon einige
den Legionsstempel der X., andere den der XIV.
Legion trugen.

Am 24. April 1717 kaufte die Stadt um 300 fl.
und 12 Reichstaler Leikauf noch von dem Grafen
Lamberg Gründe vor dem Frauen- und Spitaltor
samt zwei daselbst befindlichen Fischwässern.

Das Frauenbad bereitete der Stadt manche
Sorge, weil sich die Qnelle immer mehr ausbreitete
und der Zufluß daher geringer wurde. Der Richter
und Rat der Stadt erklärten deshalb am 5. Fe-
bruar 1721, daß es notwendig sei, unter der Frauen-
kirche hineinzugraben, um die Quelle ganz ins
Frauenbad zu leiten. Zugleich verpflichtete sich die
Stadt, für solche Fälle um die Erlaubnis hiezu
jedesmal beim Augustiner-Konvente anzusuchen und
auch den Schaden gutzumachen, der erwiesenermaßen
durch solche Arbeiten an der Frauenkirche entstehen
könnte.

Die Frauenkirche wurde 1787 entweiht. Sie
war nebst dem Galgen eines der Wahrzeichen Badens
wegen der merkwürdigen Stellung des Turmes, der
ohne Fundament über der großen Eingangstür, aus
einer Spitze sich allmählich erweiternd, in die Höhe
stieg. Seine ganze Last stützte sich auf eine fest ver-
kittete Masse und auf zwei über der gewölbten Decke
der Kirche gespannte Gurtbögen. Die Kirche hatte also
einen "Turm, der auf der Spitze steht".

Die Stadt kaufte 1793 die Frauenkirche den
Augustinern ab und verwendete das schöne, gotische
Bauwerk als Holzmagazin.

Wie das Frauenbad verlangte auch das Neu-
bad (jetzt Karolinenbad) die sorgfältigste Beachtung.
Als 1800 im Mühlbache gegraben wurde, erlitt die
[Spaltenumbruch] Quelle sofort einen beträchtlichen Schaden, den man
erst im folgenden Jahre durch eine tiefe Ver-
dämmung beheben konnte.

1758 wurde das Theresienbad auf Kosten der
Stadt erbaut. Die Kaiserin Maria Theresia spendete
dazu einen Beitrag von 1000 Dukaten unter der
Bedingung, daß verwundete Offiziere unentgeltlich
dort baden durften. So blieb es bis zur Errichtung
des k. k. Militärbadehauses im Jahre 1796. Das
Theresienbadhaus wurde 1885 niedergerissen und
im Anschluß an das Herzogbad ein neues Bade-
gebäude errichtet.

Über die Verwaltung der Bäder gibt der Be-
richt des Grafen Gaisruck vom Jahre 1746 folgendes
an:

Das Gefälle des Herzogs- und Antonsbades
verwalten 2 Badmeister, die Mitglieder des innern
Rates sind. Der Oberbadmeister bezieht 30 fl. jähr-
lich, der Nebenbadmeister 20 fl. Besoldung. Badtax
für einmal baden ist: beim Herzogbad für einen
Erwachsenen 6 kr.; für ein Kind 3 kr.; beim Antoni-
bad 12 kr., für ein Kind 6 kr., das s. v. Fußbad
für Einmal 1 kr.

Frauenbad. Dieses Baad ist der Stadt Baaden
von einem, Nahmens Polz, mit dieser condition ver-
schafft worden, die Einkünfften davon zu selbigem Bau-
Erhalt, zu appliciren, den Überrest aber in andere
Gemeine Stadtgebäu zu verwendten. Dieses ist ao.
1639 an Selbige um jährlich 40 fl. Bestand ge-
lassen, hernach aber den 17. Martij 1642 zu Gemeiner
Stadt selbst zugenüssen resolvirt worden.

Bis 1743 war für dieses Bad keine Badtaxe
fixiert, sondern es wurde der Discretion des
hohen Adels und der Standespersonen überlassen,
was dieselben freiwillig geben wollten. Weil aber in
der Wahlrelation anno 1743 dem Hofe angezeigt
wurde, es werde dieses Bad vom hohen Adel weniger


*) Der Leitkauf oder Leikauf war ursprünglich das beim
Abschluß eines Handels zum Vertrinken bestimmte Geld. Für
die als Leikauf gerechnete Summe wurde keine Steuer bezahlt.
Mittwoch Badener Zeitung 14. März 1906 Nr. 21.

[Spaltenumbruch]

der auch Kaftan ſchwärmte. Fremde Finger in
deutſchen Taſchen. Nein, Graf Dziedusczycki, wir
danken für die zugedachte föderaliſtiſche Beglückung;
allzugroßes Glück verhärtet das Herz. Die
Deutſchböhmen müßten ſich da auf die Rolle der
Ruthenen beſchränken. Zu viel Wohlwollen! Ver-
bindlichen Dank auch für die Bemühung, die
Tſchechen gegen uns aufzureizen. Uebrigens hat
Graf Dziedusczycki mit ſeinen hungrigen Ratten
in einem Kaſten nichts trefflicher verſinnbildlicht
als die Politik der ewig hungrigen Schlachzizen.
Es wurde wirklich an der Tafel, Oeſterreich ge-
nannt, nichts ſerviert ohne daß die Herren Stan-
czyken nicht den allergrößten Schöpflöffel in den
Suppentopf geſteckt hätten. Immer mußten ſie
zuerſt abgefüttert werden, dann erſt kamen die
Staatsnotwendigkeiten, dann erſt nickten ſie gnädig
ihr Ja und der Hofſchlachzize Gniewosz ließ ſich
ſpäter bei Hofe gelegentlich den Fleißzettel aus-
ſtellen. Wenn dieſe Herrlichkeit ein Ende nimmt,
ſo gehört dieſer Umſtand zu den Lichtſeiten der
Wahlreform.

Die Polen dürfen ſich wahrlich nicht wundern,
daß ſie mit ihren drei bisherigen Rednern Abra-
hamowicz, Moyſa und Dziedusezycki eine ſo kläg-
liche parlamentariſche Figur ſpielten. Die zwei
Armenier und der Schlachzizenführer als Ver-
treter einer demokratiſchen Wahlreform, ein ſolcher
Ulk macht uns lachen. Die neuen Demütigungen
wären den Herren erſpart geblieben, wenn ſie
früher einen ehrlichen Vertrag mit den Deutſchen
zu einer feſten Mehrheit eingegangen und ſich
zuverläſſig erwieſen hätten. Nun wird Dziedus-
czycki auch von den Tſchechen, für deren Mehr-
rechte er ſich früher ſo erhitzt hatte, in der Tinte
ſtecken gelaſſen. Die Polen ernten nur die Früchte
ihrer ſtets zweideutigen, ſtets unzuverläſſigen Po-
litik. Die Deutſchen aber haben einen Grund
mehr, ſich entſchieden für die Gleichberechtigung
der Polen und Ruthenen einzuſetzen, insbeſondere
nicht zuzulaſſen, daß die Rückſichten, die das
Miniſterium betreffs der Proportionalwahlen in
Wien für überflüſſig hält, gerade den Polen zu
Gefallen, gelten ſollen. Gleiches Wahlrecht, gleiche
Behandlung überall! So will es ja doch der
Demokrat Dziedusczycki.




Der Stein im Rollen.

Nun haben wir die erſte Woche der Wahl-
reformberatung erlebt und genoſſen. Die Vorlage der
Regierung, der es insgeheim doch deutlich verſtändlich
vorgeworfen wird, ſie habe ein böſes Spiel inſzeniert,
dieſe Vorlage fand, wie ja anders nicht möglich,
unbedingte und bedingte Anhänger, aber auch ent-
[Spaltenumbruch] ſchiedene Gegner, die jetzt alle in mehr oder weniger
klaren und durchdachten Reden ihre Meinung dar-
legen. Die erſten zwei Tage der Verhandlung zeigten
ein nobles Gepräge. Man hörte Reden wie in den
erſten Sitzungen des Schottentor-Parlamentes. Ein
klaſſiſcher Hauch wehte durchs Haus. Klaſſiſch ge-
formte, oratoriſch vollendete Darlegungen in frei-
mütiger Vortragsweiſe bannten die ſonſt ſo allgemein
gebräuchliche Unruhe des Hauſes. Mit großer Auf-
merkſamkeit folgten alle Anweſenden den lichtvollen
Ausführungen der Redner. Nicht einmal unliebſame
Zwiſchenrufe vernahm man: es iſt offenkundig, daß
der Ernſt des großen Werkes einen verdienten Ein-
fluß auf alle ausübt. Und weit über die Grenzen
unſeres Landes horchen aufmerkſame Ohren dem, was
im Parlament vorgetragen wird. Mit größter Spannung
werden die Berichte erwartet und geleſen, zwar noch
wenig beſprochen, aber doch eifrig überlegt, wie es
die Schwierigkeit des Problems eben erheiſcht.

Wenn wir das, was an den erſten zwei Tagen
geſprochen worden, erwägen, müſſen wir die Reden
der Herren Dr. Grabmayr, Dr. Weißkirchner und
Grafen Dziedusczycki hervorheben, da ſie ſich in ihrer
ganzen Eigentümlichkeit zeigten. Es wäre verfrüht,
wollte man ſchon heute ein endgiltiges Urteil fällen,
man kann nur wieder und wieder ſagen, daß es
vieler Abänderungen bedürfen wird, um alle Uneben-
heiten und Ungleichheiten in gerechter und billiger
Art zu beſeitigen und ein Werk zu ſchaffen, das zwar
nicht „aere perennius“ — „dauernder als Erz“ —
doch für die nächſten Generationen das beſte ſein
ſoll! Welche Stellung die Großgrundbeſitzer, die
Polen, die tſchechiſchen Parteien einnehmen, das zeigte
ſich deutlich, doch gewiß noch nicht endgiltig in den
Reden der hervorragendſten Vertreter der erſten zwei
Verhandlungstage; was die chriſtlichſozialen ſo unbe-
dingt betonen — — nun, man darf niemand ſeparate
und geheimhoffende Pläne unterſchieben; aber es iſt
etwas zum Nachdenken! Es wird ſich ja doch von
ſelbſt erweiſen, wo ſelbſtloſes Streben nach Erkennt-
nis des Rechtes und der Gerechtigkeit vorherrſcht —
dieſes Schlagwort „Gerechtigkeit der Wahl-
reform“
iſt von uns ausgegangen; es wird jetzt
ſowohl im Parlamente als auch in den Zeitungen
betont. Und das iſt ganz richtig! Wir wir zuerſt im
Artikel „Gerechtigkeit, erſtehe!“ und dann „Der
Wille zur Gerechtigkeit“ ausgeführt haben, wie in
verſchiedenen Betrachtungen die Lebensfähigkeit einer
wohldurchdachten und demgemäß durchgeführten Wahl-
reform anerkannt wurde, muß ſich trotz der neuge-
hörten, teilweiſe ganz unerhörten Einwendungen doch
das Mittel finden laſſen.

Gar zu früh nach herrſchenden Majoritäten
auszublicken, ſcheint in dieſem embryonalen Stadium
der Verhandlungen nicht paſſend. Wie immer ſich die
verſchiedenen Parteien und Parteichen ſtellen mögen,
[Spaltenumbruch] man ſieht jetzt ſchon aus den letzten Verhandlungen
der Vorwoche, daß ſie ſich herumſchmiegen möchten!

Wenn die Polen, wie Graf Dziedusczycki aus-
führlich darlegte, dieſe von der Regierung vorgelegte
Wahlreform vom Grund aus verabſcheuen und für
den Fall von deren Annahme eine Verfaſſungsände-
rung wünſchenswert finden, ſo dürften ſie bei ver-
ſchiedenen Parlamentariern Anhänger finden, ob „bona“
oder „mala fide“, darüber ließe ſich ſtreiten. Daß
der Polenklub etwas prätendiert, was ihm bisher —
gutmütig zugeſtanden war — nämlich die Regierung
der Regierung — das kann man ſich lebhaft vor-
ſtellen und die Beglückwünſchungen der um das Wohl
Oeſterreichs ſo beſorgten Schlachzizen haben es herr-
lich bewieſen! Wir Oeſterreicher, wir Alpenländler,
müſſen (ob leider oder gottlob — geniert uns auch
nicht —) anderer Meinung ſein. Ein Volk, das von
Millionengeſchenken unſererſeits die Idee der
Loyalität
füttern läßt, darf für den Kern des
Staates nicht maßgebend ſein.

Was die nach den erſten Haupttagen folgenden
Reden bekundeten, ließe ſich kurz faſſen: alles ſtrebt
dahin, die „hiſtoriſchen“ Reichsteile, die ſogenannten
Landtage, mit einer größeren Macht auszugeſtalten,
dafür aber das „Zentralparlament“, das erſt geſchaffen
werden müßte, nur mit den Reichsagenden zu be-
trauen! — So ſtehen jetzt die Sachen. Ob aber
die hiſtoriſche, jedenfalls ſchon ſehr veraltete „Länder-
und Königreichen-Idee“ für die moderne Neuſchaffung
von berückſichtigungswertem Belang iſt, kann man
füglich dahingeſtellt laſſen; was werden muß, wird
auch geſchehen!

Um bis heute eine Abrechnung über die laut
gewordenen Stimmen anzuſtellen, dazu gehört mehr
„Vorbedacht“ als „Gehört“; denn es war nur
Plänkelei mit ein paar aufgeführten Geſchützen. Und
das war unnotwendig. Es ſollte kein Gefecht ſein —
die Wahlreformlage iſt keine Gefechtsdispoſition —
es ſollte eine wohlüberlegte Prüfung des Möglichen
und Notwendigen ſein, das ſich jedem billig denkenden
Menſchen, wenn er auch nicht Abgeordneter iſt, von
ſelbſt aufdrängt. Wenn aber die Völker merken, dieſer,
jener Stämmling habe etwas im Hinterhalte, dann
iſt das ehrliche Vertrauen weg und das große Werk
wird durch Kleinlichkeiten verekelt und verhunzt!
— Und ſo wollen wir hoffen, daß aus den unfrucht-
baren und ganz wertloſen Plänkeleien, die leider
unſere Volksvertreter nicht entbehren zu können ſcheinen,
ernſtliche Vorſchläge hervorgehen werden, wie man
es nach dem erſten Anfange hätte erwarten können!
— Weg daher mit Redeſpiel und Schimpfſpiel; denn
es wäre gar zu ernſt, Unnachgiebigkeit zu predigen,
die ſchließlich doch böſe Folgen haben könnte. All-
gemeines Bewußtſein der Völker iſt es, das eine
Aenderung der jetzigen Verhältniſſe unaufſchiebbar iſt!




[Spaltenumbruch]

Prozeß wegen der Einkehr von Fremden im Herzog-
hof gehabt und ihn gewonnen. Der Rat verbot daher
im Jahre 1716 dem Grafen die Aufnahme von
Fremden behufs Einkehr im Herzoghof „bey zehn
Duggaten pöenfahl (Strafe).

Vielleicht durch dieſes Verbot, vielleicht auch
durch die finanzielle Lage getrieben, entſchloß ſich
der Graf zum Verkaufe des Herzoghofes. Am 28. Sep-
tember 1716 kaufte die Stadt unter dem Stadt-
richter Georg Reinwald den Herzoghof mit allem
Zubehör um 25.000 fl. und 500 fl. Leikauf.*) Von
nun an erſchien der Herzoghof im Landſchafts-Gült-
buch unter dem Namen „die Pfleg von Baden“.

Die Stadt hatte mit dieſem Kauf das im Her-
zoghof liegende Herzogs- und Antonsbad, die Urſprung-
quelle, 84 Pfund Weingärten, 30 Tagwerk Wieſen
und 4 Joch Äcker erworben.

Das Bad am Urſprunge, noch zu Beginn des
17. Jahrhunderts eine offene Quelle, war im 18. Jahr-
hundert nur ein Fußbad in einer vor der Felſen-
höhle gelegenen Grube, die 1737 mit einem Dache
verſehen wurde. 1748 wurde dieſe Hütte mit einer
zweiten Hütte in Verbindung gebracht nnd als Halb-
bad (Bad bis an den halben Leib) eingerichtet.

Da das alte natürliche, ziemlich enge und
niedrige Felſengewölbe der Urſprungsquelle, von den
Dünſten teilweiſe zerſtört, einzuſtürzen drohte, wurde
es 1764 abgetragen, der Zugang ſamt der Höhle
erweitert und überwölbt. Außen, gerade über der
Felſenhöhle, wurde ein Denkſtein geſetzt.

1796 wurden die Badehütten weggeriſſen. Nach
einem von dem Kavallerie-General Grafen Lamberti
entworfenen Plane erbaute der Stadtbaumeiſter
[Spaltenumbruch] Anton Hantl ein Badegebäude im orientaliſchen Stile,
wie es noch heute beſteht. Beim Abgraben ſtieß man
auf Reſte eines römiſchen Dunſtbades. Das umgebende
alte Mauerwerk beſtand aus Ziegeln, wovon einige
den Legionsſtempel der X., andere den der XIV.
Legion trugen.

Am 24. April 1717 kaufte die Stadt um 300 fl.
und 12 Reichstaler Leikauf noch von dem Grafen
Lamberg Gründe vor dem Frauen- und Spitaltor
ſamt zwei daſelbſt befindlichen Fiſchwäſſern.

Das Frauenbad bereitete der Stadt manche
Sorge, weil ſich die Qnelle immer mehr ausbreitete
und der Zufluß daher geringer wurde. Der Richter
und Rat der Stadt erklärten deshalb am 5. Fe-
bruar 1721, daß es notwendig ſei, unter der Frauen-
kirche hineinzugraben, um die Quelle ganz ins
Frauenbad zu leiten. Zugleich verpflichtete ſich die
Stadt, für ſolche Fälle um die Erlaubnis hiezu
jedesmal beim Auguſtiner-Konvente anzuſuchen und
auch den Schaden gutzumachen, der erwieſenermaßen
durch ſolche Arbeiten an der Frauenkirche entſtehen
könnte.

Die Frauenkirche wurde 1787 entweiht. Sie
war nebſt dem Galgen eines der Wahrzeichen Badens
wegen der merkwürdigen Stellung des Turmes, der
ohne Fundament über der großen Eingangstür, aus
einer Spitze ſich allmählich erweiternd, in die Höhe
ſtieg. Seine ganze Laſt ſtützte ſich auf eine feſt ver-
kittete Maſſe und auf zwei über der gewölbten Decke
der Kirche geſpannte Gurtbögen. Die Kirche hatte alſo
einen „Turm, der auf der Spitze ſteht“.

Die Stadt kaufte 1793 die Frauenkirche den
Auguſtinern ab und verwendete das ſchöne, gotiſche
Bauwerk als Holzmagazin.

Wie das Frauenbad verlangte auch das Neu-
bad (jetzt Karolinenbad) die ſorgfältigſte Beachtung.
Als 1800 im Mühlbache gegraben wurde, erlitt die
[Spaltenumbruch] Quelle ſofort einen beträchtlichen Schaden, den man
erſt im folgenden Jahre durch eine tiefe Ver-
dämmung beheben konnte.

1758 wurde das Thereſienbad auf Koſten der
Stadt erbaut. Die Kaiſerin Maria Thereſia ſpendete
dazu einen Beitrag von 1000 Dukaten unter der
Bedingung, daß verwundete Offiziere unentgeltlich
dort baden durften. So blieb es bis zur Errichtung
des k. k. Militärbadehauſes im Jahre 1796. Das
Thereſienbadhaus wurde 1885 niedergeriſſen und
im Anſchluß an das Herzogbad ein neues Bade-
gebäude errichtet.

Über die Verwaltung der Bäder gibt der Be-
richt des Grafen Gaisruck vom Jahre 1746 folgendes
an:

Das Gefälle des Herzogs- und Antonsbades
verwalten 2 Badmeiſter, die Mitglieder des innern
Rates ſind. Der Oberbadmeiſter bezieht 30 fl. jähr-
lich, der Nebenbadmeiſter 20 fl. Beſoldung. Badtax
für einmal baden iſt: beim Herzogbad für einen
Erwachſenen 6 kr.; für ein Kind 3 kr.; beim Antoni-
bad 12 kr., für ein Kind 6 kr., das s. v. Fußbad
für Einmal 1 kr.

Frauenbad. Dieſes Baad iſt der Stadt Baaden
von einem, Nahmens Polz, mit dieſer condition ver-
ſchafft worden, die Einkünfften davon zu ſelbigem Bau-
Erhalt, zu appliciren, den Überreſt aber in andere
Gemeine Stadtgebäu zu verwendten. Dieſes iſt ao.
1639 an Selbige um jährlich 40 fl. Beſtand ge-
laſſen, hernach aber den 17. Martij 1642 zu Gemeiner
Stadt ſelbſt zugenüſſen resolvirt worden.

Bis 1743 war für dieſes Bad keine Badtaxe
fixiert, ſondern es wurde der Discretion des
hohen Adels und der Standesperſonen überlaſſen,
was dieſelben freiwillig geben wollten. Weil aber in
der Wahlrelation anno 1743 dem Hofe angezeigt
wurde, es werde dieſes Bad vom hohen Adel weniger


*) Der Leitkauf oder Leikauf war urſprünglich das beim
Abſchluß eines Handels zum Vertrinken beſtimmte Geld. Für
die als Leikauf gerechnete Summe wurde keine Steuer bezahlt.
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[2/0002] Mittwoch Badener Zeitung 14. März 1906 Nr. 21. der auch Kaftan ſchwärmte. Fremde Finger in deutſchen Taſchen. Nein, Graf Dziedusczycki, wir danken für die zugedachte föderaliſtiſche Beglückung; allzugroßes Glück verhärtet das Herz. Die Deutſchböhmen müßten ſich da auf die Rolle der Ruthenen beſchränken. Zu viel Wohlwollen! Ver- bindlichen Dank auch für die Bemühung, die Tſchechen gegen uns aufzureizen. Uebrigens hat Graf Dziedusczycki mit ſeinen hungrigen Ratten in einem Kaſten nichts trefflicher verſinnbildlicht als die Politik der ewig hungrigen Schlachzizen. Es wurde wirklich an der Tafel, Oeſterreich ge- nannt, nichts ſerviert ohne daß die Herren Stan- czyken nicht den allergrößten Schöpflöffel in den Suppentopf geſteckt hätten. Immer mußten ſie zuerſt abgefüttert werden, dann erſt kamen die Staatsnotwendigkeiten, dann erſt nickten ſie gnädig ihr Ja und der Hofſchlachzize Gniewosz ließ ſich ſpäter bei Hofe gelegentlich den Fleißzettel aus- ſtellen. Wenn dieſe Herrlichkeit ein Ende nimmt, ſo gehört dieſer Umſtand zu den Lichtſeiten der Wahlreform. Die Polen dürfen ſich wahrlich nicht wundern, daß ſie mit ihren drei bisherigen Rednern Abra- hamowicz, Moyſa und Dziedusezycki eine ſo kläg- liche parlamentariſche Figur ſpielten. Die zwei Armenier und der Schlachzizenführer als Ver- treter einer demokratiſchen Wahlreform, ein ſolcher Ulk macht uns lachen. Die neuen Demütigungen wären den Herren erſpart geblieben, wenn ſie früher einen ehrlichen Vertrag mit den Deutſchen zu einer feſten Mehrheit eingegangen und ſich zuverläſſig erwieſen hätten. Nun wird Dziedus- czycki auch von den Tſchechen, für deren Mehr- rechte er ſich früher ſo erhitzt hatte, in der Tinte ſtecken gelaſſen. Die Polen ernten nur die Früchte ihrer ſtets zweideutigen, ſtets unzuverläſſigen Po- litik. Die Deutſchen aber haben einen Grund mehr, ſich entſchieden für die Gleichberechtigung der Polen und Ruthenen einzuſetzen, insbeſondere nicht zuzulaſſen, daß die Rückſichten, die das Miniſterium betreffs der Proportionalwahlen in Wien für überflüſſig hält, gerade den Polen zu Gefallen, gelten ſollen. Gleiches Wahlrecht, gleiche Behandlung überall! So will es ja doch der Demokrat Dziedusczycki. Der Stein im Rollen. Nun haben wir die erſte Woche der Wahl- reformberatung erlebt und genoſſen. Die Vorlage der Regierung, der es insgeheim doch deutlich verſtändlich vorgeworfen wird, ſie habe ein böſes Spiel inſzeniert, dieſe Vorlage fand, wie ja anders nicht möglich, unbedingte und bedingte Anhänger, aber auch ent- ſchiedene Gegner, die jetzt alle in mehr oder weniger klaren und durchdachten Reden ihre Meinung dar- legen. Die erſten zwei Tage der Verhandlung zeigten ein nobles Gepräge. Man hörte Reden wie in den erſten Sitzungen des Schottentor-Parlamentes. Ein klaſſiſcher Hauch wehte durchs Haus. Klaſſiſch ge- formte, oratoriſch vollendete Darlegungen in frei- mütiger Vortragsweiſe bannten die ſonſt ſo allgemein gebräuchliche Unruhe des Hauſes. Mit großer Auf- merkſamkeit folgten alle Anweſenden den lichtvollen Ausführungen der Redner. Nicht einmal unliebſame Zwiſchenrufe vernahm man: es iſt offenkundig, daß der Ernſt des großen Werkes einen verdienten Ein- fluß auf alle ausübt. Und weit über die Grenzen unſeres Landes horchen aufmerkſame Ohren dem, was im Parlament vorgetragen wird. Mit größter Spannung werden die Berichte erwartet und geleſen, zwar noch wenig beſprochen, aber doch eifrig überlegt, wie es die Schwierigkeit des Problems eben erheiſcht. Wenn wir das, was an den erſten zwei Tagen geſprochen worden, erwägen, müſſen wir die Reden der Herren Dr. Grabmayr, Dr. Weißkirchner und Grafen Dziedusczycki hervorheben, da ſie ſich in ihrer ganzen Eigentümlichkeit zeigten. Es wäre verfrüht, wollte man ſchon heute ein endgiltiges Urteil fällen, man kann nur wieder und wieder ſagen, daß es vieler Abänderungen bedürfen wird, um alle Uneben- heiten und Ungleichheiten in gerechter und billiger Art zu beſeitigen und ein Werk zu ſchaffen, das zwar nicht „aere perennius“ — „dauernder als Erz“ — doch für die nächſten Generationen das beſte ſein ſoll! Welche Stellung die Großgrundbeſitzer, die Polen, die tſchechiſchen Parteien einnehmen, das zeigte ſich deutlich, doch gewiß noch nicht endgiltig in den Reden der hervorragendſten Vertreter der erſten zwei Verhandlungstage; was die chriſtlichſozialen ſo unbe- dingt betonen — — nun, man darf niemand ſeparate und geheimhoffende Pläne unterſchieben; aber es iſt etwas zum Nachdenken! Es wird ſich ja doch von ſelbſt erweiſen, wo ſelbſtloſes Streben nach Erkennt- nis des Rechtes und der Gerechtigkeit vorherrſcht — dieſes Schlagwort „Gerechtigkeit der Wahl- reform“ iſt von uns ausgegangen; es wird jetzt ſowohl im Parlamente als auch in den Zeitungen betont. Und das iſt ganz richtig! Wir wir zuerſt im Artikel „Gerechtigkeit, erſtehe!“ und dann „Der Wille zur Gerechtigkeit“ ausgeführt haben, wie in verſchiedenen Betrachtungen die Lebensfähigkeit einer wohldurchdachten und demgemäß durchgeführten Wahl- reform anerkannt wurde, muß ſich trotz der neuge- hörten, teilweiſe ganz unerhörten Einwendungen doch das Mittel finden laſſen. Gar zu früh nach herrſchenden Majoritäten auszublicken, ſcheint in dieſem embryonalen Stadium der Verhandlungen nicht paſſend. Wie immer ſich die verſchiedenen Parteien und Parteichen ſtellen mögen, man ſieht jetzt ſchon aus den letzten Verhandlungen der Vorwoche, daß ſie ſich herumſchmiegen möchten! Wenn die Polen, wie Graf Dziedusczycki aus- führlich darlegte, dieſe von der Regierung vorgelegte Wahlreform vom Grund aus verabſcheuen und für den Fall von deren Annahme eine Verfaſſungsände- rung wünſchenswert finden, ſo dürften ſie bei ver- ſchiedenen Parlamentariern Anhänger finden, ob „bona“ oder „mala fide“, darüber ließe ſich ſtreiten. Daß der Polenklub etwas prätendiert, was ihm bisher — gutmütig zugeſtanden war — nämlich die Regierung der Regierung — das kann man ſich lebhaft vor- ſtellen und die Beglückwünſchungen der um das Wohl Oeſterreichs ſo beſorgten Schlachzizen haben es herr- lich bewieſen! Wir Oeſterreicher, wir Alpenländler, müſſen (ob leider oder gottlob — geniert uns auch nicht —) anderer Meinung ſein. Ein Volk, das von Millionengeſchenken unſererſeits die Idee der Loyalität füttern läßt, darf für den Kern des Staates nicht maßgebend ſein. Was die nach den erſten Haupttagen folgenden Reden bekundeten, ließe ſich kurz faſſen: alles ſtrebt dahin, die „hiſtoriſchen“ Reichsteile, die ſogenannten Landtage, mit einer größeren Macht auszugeſtalten, dafür aber das „Zentralparlament“, das erſt geſchaffen werden müßte, nur mit den Reichsagenden zu be- trauen! — So ſtehen jetzt die Sachen. Ob aber die hiſtoriſche, jedenfalls ſchon ſehr veraltete „Länder- und Königreichen-Idee“ für die moderne Neuſchaffung von berückſichtigungswertem Belang iſt, kann man füglich dahingeſtellt laſſen; was werden muß, wird auch geſchehen! Um bis heute eine Abrechnung über die laut gewordenen Stimmen anzuſtellen, dazu gehört mehr „Vorbedacht“ als „Gehört“; denn es war nur Plänkelei mit ein paar aufgeführten Geſchützen. Und das war unnotwendig. Es ſollte kein Gefecht ſein — die Wahlreformlage iſt keine Gefechtsdispoſition — es ſollte eine wohlüberlegte Prüfung des Möglichen und Notwendigen ſein, das ſich jedem billig denkenden Menſchen, wenn er auch nicht Abgeordneter iſt, von ſelbſt aufdrängt. Wenn aber die Völker merken, dieſer, jener Stämmling habe etwas im Hinterhalte, dann iſt das ehrliche Vertrauen weg und das große Werk wird durch Kleinlichkeiten verekelt und verhunzt! — Und ſo wollen wir hoffen, daß aus den unfrucht- baren und ganz wertloſen Plänkeleien, die leider unſere Volksvertreter nicht entbehren zu können ſcheinen, ernſtliche Vorſchläge hervorgehen werden, wie man es nach dem erſten Anfange hätte erwarten können! — Weg daher mit Redeſpiel und Schimpfſpiel; denn es wäre gar zu ernſt, Unnachgiebigkeit zu predigen, die ſchließlich doch böſe Folgen haben könnte. All- gemeines Bewußtſein der Völker iſt es, das eine Aenderung der jetzigen Verhältniſſe unaufſchiebbar iſt! Prozeß wegen der Einkehr von Fremden im Herzog- hof gehabt und ihn gewonnen. Der Rat verbot daher im Jahre 1716 dem Grafen die Aufnahme von Fremden behufs Einkehr im Herzoghof „bey zehn Duggaten pöenfahl (Strafe). Vielleicht durch dieſes Verbot, vielleicht auch durch die finanzielle Lage getrieben, entſchloß ſich der Graf zum Verkaufe des Herzoghofes. Am 28. Sep- tember 1716 kaufte die Stadt unter dem Stadt- richter Georg Reinwald den Herzoghof mit allem Zubehör um 25.000 fl. und 500 fl. Leikauf. *) Von nun an erſchien der Herzoghof im Landſchafts-Gült- buch unter dem Namen „die Pfleg von Baden“. Die Stadt hatte mit dieſem Kauf das im Her- zoghof liegende Herzogs- und Antonsbad, die Urſprung- quelle, 84 Pfund Weingärten, 30 Tagwerk Wieſen und 4 Joch Äcker erworben. Das Bad am Urſprunge, noch zu Beginn des 17. Jahrhunderts eine offene Quelle, war im 18. Jahr- hundert nur ein Fußbad in einer vor der Felſen- höhle gelegenen Grube, die 1737 mit einem Dache verſehen wurde. 1748 wurde dieſe Hütte mit einer zweiten Hütte in Verbindung gebracht nnd als Halb- bad (Bad bis an den halben Leib) eingerichtet. Da das alte natürliche, ziemlich enge und niedrige Felſengewölbe der Urſprungsquelle, von den Dünſten teilweiſe zerſtört, einzuſtürzen drohte, wurde es 1764 abgetragen, der Zugang ſamt der Höhle erweitert und überwölbt. Außen, gerade über der Felſenhöhle, wurde ein Denkſtein geſetzt. 1796 wurden die Badehütten weggeriſſen. Nach einem von dem Kavallerie-General Grafen Lamberti entworfenen Plane erbaute der Stadtbaumeiſter Anton Hantl ein Badegebäude im orientaliſchen Stile, wie es noch heute beſteht. Beim Abgraben ſtieß man auf Reſte eines römiſchen Dunſtbades. Das umgebende alte Mauerwerk beſtand aus Ziegeln, wovon einige den Legionsſtempel der X., andere den der XIV. Legion trugen. Am 24. April 1717 kaufte die Stadt um 300 fl. und 12 Reichstaler Leikauf noch von dem Grafen Lamberg Gründe vor dem Frauen- und Spitaltor ſamt zwei daſelbſt befindlichen Fiſchwäſſern. Das Frauenbad bereitete der Stadt manche Sorge, weil ſich die Qnelle immer mehr ausbreitete und der Zufluß daher geringer wurde. Der Richter und Rat der Stadt erklärten deshalb am 5. Fe- bruar 1721, daß es notwendig ſei, unter der Frauen- kirche hineinzugraben, um die Quelle ganz ins Frauenbad zu leiten. Zugleich verpflichtete ſich die Stadt, für ſolche Fälle um die Erlaubnis hiezu jedesmal beim Auguſtiner-Konvente anzuſuchen und auch den Schaden gutzumachen, der erwieſenermaßen durch ſolche Arbeiten an der Frauenkirche entſtehen könnte. Die Frauenkirche wurde 1787 entweiht. Sie war nebſt dem Galgen eines der Wahrzeichen Badens wegen der merkwürdigen Stellung des Turmes, der ohne Fundament über der großen Eingangstür, aus einer Spitze ſich allmählich erweiternd, in die Höhe ſtieg. Seine ganze Laſt ſtützte ſich auf eine feſt ver- kittete Maſſe und auf zwei über der gewölbten Decke der Kirche geſpannte Gurtbögen. Die Kirche hatte alſo einen „Turm, der auf der Spitze ſteht“. Die Stadt kaufte 1793 die Frauenkirche den Auguſtinern ab und verwendete das ſchöne, gotiſche Bauwerk als Holzmagazin. Wie das Frauenbad verlangte auch das Neu- bad (jetzt Karolinenbad) die ſorgfältigſte Beachtung. Als 1800 im Mühlbache gegraben wurde, erlitt die Quelle ſofort einen beträchtlichen Schaden, den man erſt im folgenden Jahre durch eine tiefe Ver- dämmung beheben konnte. 1758 wurde das Thereſienbad auf Koſten der Stadt erbaut. Die Kaiſerin Maria Thereſia ſpendete dazu einen Beitrag von 1000 Dukaten unter der Bedingung, daß verwundete Offiziere unentgeltlich dort baden durften. So blieb es bis zur Errichtung des k. k. Militärbadehauſes im Jahre 1796. Das Thereſienbadhaus wurde 1885 niedergeriſſen und im Anſchluß an das Herzogbad ein neues Bade- gebäude errichtet. Über die Verwaltung der Bäder gibt der Be- richt des Grafen Gaisruck vom Jahre 1746 folgendes an: Das Gefälle des Herzogs- und Antonsbades verwalten 2 Badmeiſter, die Mitglieder des innern Rates ſind. Der Oberbadmeiſter bezieht 30 fl. jähr- lich, der Nebenbadmeiſter 20 fl. Beſoldung. Badtax für einmal baden iſt: beim Herzogbad für einen Erwachſenen 6 kr.; für ein Kind 3 kr.; beim Antoni- bad 12 kr., für ein Kind 6 kr., das s. v. Fußbad für Einmal 1 kr. Frauenbad. Dieſes Baad iſt der Stadt Baaden von einem, Nahmens Polz, mit dieſer condition ver- ſchafft worden, die Einkünfften davon zu ſelbigem Bau- Erhalt, zu appliciren, den Überreſt aber in andere Gemeine Stadtgebäu zu verwendten. Dieſes iſt ao. 1639 an Selbige um jährlich 40 fl. Beſtand ge- laſſen, hernach aber den 17. Martij 1642 zu Gemeiner Stadt ſelbſt zugenüſſen resolvirt worden. Bis 1743 war für dieſes Bad keine Badtaxe fixiert, ſondern es wurde der Discretion des hohen Adels und der Standesperſonen überlaſſen, was dieſelben freiwillig geben wollten. Weil aber in der Wahlrelation anno 1743 dem Hofe angezeigt wurde, es werde dieſes Bad vom hohen Adel weniger *) Der Leitkauf oder Leikauf war urſprünglich das beim Abſchluß eines Handels zum Vertrinken beſtimmte Geld. Für die als Leikauf gerechnete Summe wurde keine Steuer bezahlt.

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Zitationshilfe: Badener Zeitung. Nr. 21, Baden (Niederösterreich), 14.03.1906, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_badener021_1906/2>, abgerufen am 21.11.2024.