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Badener Zeitung. Nr. 21, Baden (Niederösterreich), 14.03.1906.

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Nr. 21. Mittwoch Badener Zeitung 14. März 1906

[Spaltenumbruch]

So denn daran! In ehrlichem Willen ohne Sonder-
gelüste! Der Stein ist ins Rollen gekommen; hüte
sich jeder, daß er nicht zerschmettert werde!




Kritische Streiflichter.

Das gräßliche Unglück in den Kohlen-
gruben bei Courrieres,
wo über tausend
Arbeiter ihren Tod fanden, hat nicht nur in Frank-
reich eine erschütternde Wirkung ausgeübt, sondern,
wie aus den Beileidskundgebungen der ganzen zivi-
lisierten Welt hervorgeht, überall aufrichtiges Mitleid
erregt. Aber wenn man die Stimmung in den
französischen und belgischen Grubenbezirken beachtet,
drängt sich einem der Gedanke auf, daß die Schuld
an diesem Unglücksfalle nicht bloß dem Schlendrian,
der ohnehin schon so viel auf dem Kerbholze hat,
zuzuschreiben ist, nicht bloß der Sorglosigkeit und
Fahrlässigkeit der Gesellschaft und der Aufsichts-
behörden, sondern einem viel ärgeren Verbrechen, der
Geldgier, die mit Menschenleben lukrativen Wucher
treibt! Um einige tausend Francs, mit deren not-
wendigem Opfer für die Sicherung der Arbeitsgebiete
die Gefahr auf das menschenmöglichste Minimum
restringiert werden könnte, um von den vielen ein-
laufenden Millionen einige tausend Franks zu er-
sparen, werden tausende Menschenleben dem Moloch
Geldgier dargebracht! Es ist ein schauderhaftes Bild
-- und alle nachträglichen "Unterstützungen" können
das nicht gut machen, was verbrochen worden ist!
Ein Mahnzeichen aber ist es für diejenigen, denen
die Aufsicht über solche Unternehmungen obliegt, un-
bei[r]rt ihres Amtes zu walten, ob es nun in Frank-
reich oder sonstwo nötig ist!




Nachdem wir über den hemmenden Einfluß der
ungarischen Krise des öftern gesprochen haben, erübrigt
uns jetzt nur noch, zu betrachten, wie es mit den
koalierten Parteien, die durch eine Verkettung von
verdrehten Sebstsuchtsbestrebungen zu einem nichts
weniger als gleichartigen Gebilde zusammengeleimt
worden sind, nun ausgehen wird. Wir haben schon
vor zwei Wochen die Erwartung ausgesprochen, daß
sich doch Männer finden werden, denen der wahnwitzige
Widerstand gegen die beschworene Verfassung schli ßlich
doch Bedenken an der Richtigkeit ihres Vorgehens
erwecken werde. Nun ist ein Steinchen ins Rollen
gekommen und es ist nur eine Frage der Zeit, wann
die Koalition, deren Ausschuß Auflösungsschmerzen
hat, in Brüche gehen wird.

Ob mit der Erneuerung des ungarischen Ministeri-
ums die Stellung der transleithanischan Regierung ge-
kräftigt worden ist, bleibe dahingestellt; man kann es
aber mit Sicherheit annehmen; denn wem könnten noch die
[Spaltenumbruch] fast anarchistischen Zustände Gefallen bereiten? Mit dem
Austritte Banffys und Eötvös löst sich ein starker
Zweig der Koalierten -- die bald nur die ehemaligen
Liierten heißen werden, vom dürren Stamme, der
keine Früchte tragen mochte, ab -- nicht um ins
Feuer geworfen zu werden, sondern um auf ver-
nünftigen Grundlagen das Fortbestehen des Staates
zu festigen. Wir haben am Bestande dieses Staatteiles,
wie er jetzt existiert, wirklich keine Interesse und doch
müssen wir es wünschen, daß es mählig anders werde.
Um in der alten ungarischen Staatssprache zu reden,
müssen wir heute sagen: "Status exlex in Hungaria
dominus est; sed hunc statum exlegem dominari
non possumus pati."
"In Hungarien ist der gesetzlose
Zustand Herr; aber wir können es nicht ertragen,
daß dieser gesetzlose Zustand die Herrschaft führe!" --

Freilich haben wir, die wir zuhause soviel zu ord-
nen hätten, keinen wirksamen Einfluß auf die jenseitige
Politik, und müssen uns im Rahmen zurückhaltender,
abwartender Verteidigungsstellung bewegen. Dabei
aber dürfen wir nie vergessen, ein gar achtsames
Auge anf alle Vorgänge drüben zu haben! Und ehe
unsere Stellung noch weiter untergraben wird, müssen
wir die Zerteilung der andern Halbmonarchie in ihre
organischen Volksgemeinden mit hoffnungsreichen
Gefühlen herbeiwünschen. Denn die Feindseligkeit
der Magyaren -- nicht des Volkes, sondern der Vorteil
der herschenden Führer, wird nachgerade unerträglich!
Wer soll das nicht fühlen, wenn er sich nur ein klein
wenig mit der Staatenpolitik beschäftigt? Haben wir
nicht gesehen, wohin diese uns aufgehalste Ohnmacht
geführt hat? --

Diese hochdramatische Bedeutung hat für Oesterreich,
für die habsburg-lothringische Monarchie die Krise
unserer durch künstliche Mittel angedeakten Reichshälfte
über der Leitha! Und von der Wichtigkeit dieser
Entwiklung sollen besonders diejenigen überzeugt sein,
die heute unserm Staate ein neues Wahlgesetz -- ein
modernen Staaten angemessenes neid- und haßloses,
beraten und geben sollen! --




Lokal-Nachrichten.
-- Todesfall.

Am 11. d. M. verschied in
Pfaffstätten der auch hier allgemein bekannte, über
ein Vierteljahrhundert bei Herrn Dr. Ludwig Bausek
bedienstet gewesene Privatbeamte Herr Alexander
Schmidtganz im 73. Lebensjahre.

-- Bürgermeister Dr. Trenner

ist seit
Freitag nach achttägiger Abwesenheit vom balneo-
logischen Kongreß in Dresden zurückgekehrt und hat
die Leitung der Amtsgeschäfte wieder übernommen.

-- An der demnächst stattfindenden
Automobil-Ausstellung in Wien,

welche
eine sehr interessante zu werden verrspricht, wird sich




[Spaltenumbruch]

besucht und "die reparaturen und andere Badbedürf-
nissen kosten soviel, daß fast mehr aufgeht als ein-
kommt", so erfloß am 4. September 1743 die Hof-
und Wahlresolution, worin für dieses Bad als Taxe
für Einmal Baden 12 kr. festgesetzt wurde.

Das "Neubad" oder das damals sogenannte "Rohr-
badl am Anger" vor der Frauenkirche, gehört der Stadt
Baden laut Vergleich mit den P. P. Augustinern.

Denen Juden, sie möchten noch so vornehm seyn,
ist sonst in keinem andern Baad zu baaden erlaubet,
und hat jeder Jud vor einmahl Baaden 6 kr., ein
Christ aber nur 2 kr., ein Christkind 1 kr. zu bezalen;
es pflegen aber von denen Christen nur Gemeine Leuth
und Herrschaftsbediente in diesem Baad zu baaden.

"Josephsbad" ist ein altes zur Stadt Baaden ge-
höriges, ohnweit obigen Neubaadts gelegenes Baad; wie
es zur Stadt Baden gekommen, kann man nicht angeben,
weilen keine gar alten documenta vorhanden." Wird
meistens vom gemeinen Bürger-Stand besucht, man be-
zahlt gewöhnlich 5 kr., jedoch Bürger von Baden, deren
Weiber und Kinder geniessen es nach altem privilegium
gratis.
Diese 3 Bäder stehen unter einem Badmeister,
dem die Baddiener täglich das eingehende Geld abfüh-
ren, der auch die Bäder überwacht. Er hat Besoldung
jährlich 24 fl. Die 2 Badediener im Frauen- und Jo-
sephsbad haben "vor das Baad saubern" jährlich 26 fl.,
im Neubad aber 10 fl. Zufolge kaiserlicher Resolu-
tion bezieht von diesen Badgefällen 2 Drittel das
Kammeramt; das andere Drittel kommt in's corbulum
(zur Verteilung an den Stadtschreiber uud den inneren
Rat bestimmtes Geld) für den Magistrat. Von dem
Badgefäll im Winter bekommen Vorgeher, Käm-
merer und Badmeister 2 Drittel.

1766 verbot die Kaiserin Maria Theresia das
Baden von Frauen im Josefsbade, weil dort die
Geistlichkeit mit Vorliebe badete, doch wurde das
Verbot 1799 wieder aufgehoben.


[Spaltenumbruch]

Im Jahre 1766 badete die Kaiserin Maria
Josefa, Gemahlin Josefs II., vier Wochen hindurch
im Frauenbad. Von dem Augustinerkloster, wo sie
wohnte, wurde ein hölzerner Gang zur Verbindung
mit dem Frauenbad gebaut. (Wahrscheinlich war der von
Leopold I. benützte 1714 abgebrannt.) In ausführlicher
Weise berichtet das Gedenkbuch, wie die Kaiserin die
Zeit ihres Aufenthaltes verbrachte. Jeder Tag war
einem Besuche, einer Besichtigung gewidmet, was für
die kränkliche Kaiserin, die im darauffolgendem Jahre
starb, sehr anstrengend war. Ihre Ausdauer bei der
Erfüllung ihrer Repräsentationspflichten verdient
unsere volle Bewunderung.

Als die Kaiserin in Begleitung der verwitweten
Kaiserin Maria Theresia am 7. Juni 1766 in Baden
anlangte, wurde sie beim Wienertore vom Badener
Magistrate mit Trompeten- und Paukenschall empfangen.
Die Bürgerschaft machte Spalier. Am nächsten Tage
besuchte die Kaiserin um 7 Uhr morgens das Frauen-
bad, wo sie eine Stunde verweilte. Nachmittags be-
gab sie sich zu Fuß in den Kupferschmiedgarten, der
wegen seiner Wasserkünste eine Sehenswürdigkeit
Badens bildete. Wie in Hellbrunn bei Salzburg gab
es daselbst nebst verschiedenen vom Wasser getriebenen
Figuren auch Vexierwässer, welche plötzlich aus der
Erde sprangen und den Zuschauer bespritzten. Der
Garten lag zwischen der jetzigen Beethoven- und
Alleegasse und gehörte damals zum Hause Nr. 10
in der Rathausgasse. Jetzt gehört er zum Hause
Nr. 10 in der Beethovengasse (Besitzer Herr Wedorn)
da der große Grund später geteilt wurde.

Am 27. Juni besuchte die Kaiserin ebenfalls
zu Fuß den Gutenbrunner Schloßgarten und wurde
von dem Eigentümer Herrn von Reichmann mit
Pauken- und Trompetenschall empfangen. Am 28.
wohnte sie der "Teutschen Comoedie" bei; die Bühne
dürfte sich damals beim Herzogbad befunden haben.


[Spaltenumbruch]

auch die hiesige Kurkommission durch einige hübsche
Ansichten, aus dem Atelier des Herrn Schiestl
stammend, und statistische Tafeln beteiligen, welche
Gegenstände übrigens auch für eine Ausstellung in
Bukarest bestimmt sind.

-- Der Landesverband für Fremden-
verkehr in Niederösterreich

beabsichtigt, in der
heurigen Saison auch einige Ausflüge nach Baden
und Umgebung zu veranstalten und haben sich dies-
bezüglich bereits der Vorstand der hiesigen Sektion
des Touristenklubs Herr Prof. Just und Vizebürger-
meister Brusatti demselben als Führer, und zwar
ersterer für das Gebiet "Eisernes Tor", letzterer für
die Stadt Baden zur Verfügung gestellt.

-- Von Hermann Rolletts Nachlaß.

Ein in dessem Nachlaßvorhanden gewesenes druckfertiges
Lexikon der Edelsteinschneider vom Cinquecento bis
zur Gegenwart wurde seitens des großangelegten
"Allgemeinen Künstlerle[x]ikons" in Leipzig zu günstigen
Bedingungen erworben. Rollett, der bekantlich zu
den wenigen Spezialisten im Fache der Gemmenkunde
gehörte, hat an diesem ziemlich umfangreichen Werke
jahrzehntelang mit unermüdlicher Ausdauer gearbeitet
und noch in den letzten Monaten seines Lebens Nach-
träge und Verbesserungen verzeichnet. Das Lexikon
enthält nebst der Biographie und der detaillierten
Anführung der glyptischen Werke jedes Künstlers
reiche Literaturnachweise.

-- Bald wird der Tag sich jähren,

da
uns der beliebte Meister Komzak auf so tragische
Art entrissen wurde. Es wurde da ein Denkmalfond
gegründet und es sind, spärlich zwar, einige Gelder
eingeflossen. Doch jetzt scheint alles zum Stillstand
gekommen zu sein und nicht mit Unrecht fragen manche
Spender, was denn eigentlich geschehen soll. Man
muß weiter sammeln und man sollte doch hoffen
können, daß neuerliche Aufrufe das Re[s]ultat des
Sammelns bessern werden. Hatte doch der Verstorbene
so viele Verehrer und Gönner und Freunde, daß es
fast unglaublich klingt, daß das anfangs so vielver-
sprechende Unternehmen jetzt gänzlich ins Stocken
geraten ist.

-- Die Pflasterung der Neugasse mit
dem Keramitpflaster

hat begonnen, nachdem
nun die zweite Legung der Tramwaygeleise beendigt
ist. Im Laufe des Frühjahres soll dann auch die
Pflasterung des vor dem Bahnhofgebäude liegenden
Platzes mit dem gleichen Materiale vor sich gehen
und gleichzeitig hinter dem rechtsseitigen Garten-
boskette ein elegantes Häuschen für gewisse Bedürf-
nisse errichtet werden.

-- Eine Kunstausstellung in Baden.

Wie bereits gemeldet, findet in der Zeit vom 8. bis
22. April im Kurhause eine Kunstausstellung statt,
an der sich Künstler und Dilettanten, die in Baden
wohnen oder zu Baden in einer näheren Beziehung
stehen, beteiligen sollen und welche Vertreter der
Malerei, Schwarzkunst und Plastik, sowie auch Studien
und Skizzen enthalten wird. Das Komitee, an dessen
Spitze die Herren Bezirkskommissär Bruno Ritter
v. Rainer, Maler Gustav Lautenschläger, Ar-
chitekt Hugo Zimmermann und Prof. Dr. Hans
Jülg stehen, versendet soeben einen diesbezüglichen
Aufruf. Anmeldungen werden bis 28. März entgegen-
genommen. Der Einsendungstermin wurde auf die
Zeit vom 31. d. M. bis 2. April festgesetzt.

-- Legat für die Armen.

Herr Jakob
Trottmann hat laut testamentarischer Verfügung
der am 11. d. M. verstorbenen Privaten Frau Mag-
dalena Dorn dem Bürgermeister den Betrag von
100 K für die Armen Badens übergeben.

-- Mit eigener Lebensgefahr.

Ver-
flossenen Freitag gingen die Pferde eines zwei-
spännigen Wagens, auf dem mehrere Kinder saßen.
ohne Kutscher plötzlich von der oberen Palffygasse
aus durch und rasten gegen den Bahnhofplatz zu. Ein
von da aus kommender Bahnbediensteter lief den
Pferden entgegen und brachte dieselben mit eigener
Lebensgefahr beim Fischer'schen Hause zum Stehen.

-- Der Hausbesitzerverein

veranstaltet
am Freitag, den 16. d. M., abends 8 Uhr, im
Hotel Brusatti einen Vortragsabend. Sprechen werden
Herr Dr. G. Lantin "Ueber die Notwendigkeit
des Arena-Neubaues" und Herr Architekt Rudolf
Krausz über den Arena-Neubau selbst mit
Darstellung und Erläuterung der Baupläne. Gäste
sind sehr willkommen. Der Eintritt ist frei.

-- Einsamgestorben.

Der in einem hiesigen
Hotel wohnhaft gewesene Kurgast Dr. Otto Frank-
furter
wurde am 12. d. M., vormittags, in seinem
Zimmer, auf einem Sessel sitzend, tot aufgefunden.
Ein Herzschlag hatte seinem Leben ein Ende bereitet.

-- Der Wettersturz,

den uns die letzten
Tage brachten, dehnt sich über ganz Mittel- und

Nr. 21. Mittwoch Badener Zeitung 14. März 1906

[Spaltenumbruch]

So denn daran! In ehrlichem Willen ohne Sonder-
gelüſte! Der Stein iſt ins Rollen gekommen; hüte
ſich jeder, daß er nicht zerſchmettert werde!




Kritiſche Streiflichter.

Das gräßliche Unglück in den Kohlen-
gruben bei Courrières,
wo über tauſend
Arbeiter ihren Tod fanden, hat nicht nur in Frank-
reich eine erſchütternde Wirkung ausgeübt, ſondern,
wie aus den Beileidskundgebungen der ganzen zivi-
liſierten Welt hervorgeht, überall aufrichtiges Mitleid
erregt. Aber wenn man die Stimmung in den
franzöſiſchen und belgiſchen Grubenbezirken beachtet,
drängt ſich einem der Gedanke auf, daß die Schuld
an dieſem Unglücksfalle nicht bloß dem Schlendrian,
der ohnehin ſchon ſo viel auf dem Kerbholze hat,
zuzuſchreiben iſt, nicht bloß der Sorgloſigkeit und
Fahrläſſigkeit der Geſellſchaft und der Aufſichts-
behörden, ſondern einem viel ärgeren Verbrechen, der
Geldgier, die mit Menſchenleben lukrativen Wucher
treibt! Um einige tauſend Francs, mit deren not-
wendigem Opfer für die Sicherung der Arbeitsgebiete
die Gefahr auf das menſchenmöglichſte Minimum
reſtringiert werden könnte, um von den vielen ein-
laufenden Millionen einige tauſend Franks zu er-
ſparen, werden tauſende Menſchenleben dem Moloch
Geldgier dargebracht! Es iſt ein ſchauderhaftes Bild
— und alle nachträglichen „Unterſtützungen“ können
das nicht gut machen, was verbrochen worden iſt!
Ein Mahnzeichen aber iſt es für diejenigen, denen
die Aufſicht über ſolche Unternehmungen obliegt, un-
bei[r]rt ihres Amtes zu walten, ob es nun in Frank-
reich oder ſonſtwo nötig iſt!




Nachdem wir über den hemmenden Einfluß der
ungariſchen Kriſe des öftern geſprochen haben, erübrigt
uns jetzt nur noch, zu betrachten, wie es mit den
koalierten Parteien, die durch eine Verkettung von
verdrehten Sebſtſuchtsbeſtrebungen zu einem nichts
weniger als gleichartigen Gebilde zuſammengeleimt
worden ſind, nun ausgehen wird. Wir haben ſchon
vor zwei Wochen die Erwartung ausgeſprochen, daß
ſich doch Männer finden werden, denen der wahnwitzige
Widerſtand gegen die beſchworene Verfaſſung ſchli ßlich
doch Bedenken an der Richtigkeit ihres Vorgehens
erwecken werde. Nun iſt ein Steinchen ins Rollen
gekommen und es iſt nur eine Frage der Zeit, wann
die Koalition, deren Ausſchuß Auflöſungsſchmerzen
hat, in Brüche gehen wird.

Ob mit der Erneuerung des ungariſchen Miniſteri-
ums die Stellung der transleithaniſchan Regierung ge-
kräftigt worden iſt, bleibe dahingeſtellt; man kann es
aber mit Sicherheit annehmen; denn wem könnten noch die
[Spaltenumbruch] faſt anarchiſtiſchen Zuſtände Gefallen bereiten? Mit dem
Austritte Banffys und Eötvös löſt ſich ein ſtarker
Zweig der Koalierten — die bald nur die ehemaligen
Liierten heißen werden, vom dürren Stamme, der
keine Früchte tragen mochte, ab — nicht um ins
Feuer geworfen zu werden, ſondern um auf ver-
nünftigen Grundlagen das Fortbeſtehen des Staates
zu feſtigen. Wir haben am Beſtande dieſes Staatteiles,
wie er jetzt exiſtiert, wirklich keine Intereſſe und doch
müſſen wir es wünſchen, daß es mählig anders werde.
Um in der alten ungariſchen Staatsſprache zu reden,
müſſen wir heute ſagen: „Status exlex in Hungaria
dominus est; sed hunc statum exlegem dominari
non possumus pati.“
„In Hungarien iſt der geſetzloſe
Zuſtand Herr; aber wir können es nicht ertragen,
daß dieſer geſetzloſe Zuſtand die Herrſchaft führe!“ —

Freilich haben wir, die wir zuhauſe ſoviel zu ord-
nen hätten, keinen wirkſamen Einfluß auf die jenſeitige
Politik, und müſſen uns im Rahmen zurückhaltender,
abwartender Verteidigungsſtellung bewegen. Dabei
aber dürfen wir nie vergeſſen, ein gar achtſames
Auge anf alle Vorgänge drüben zu haben! Und ehe
unſere Stellung noch weiter untergraben wird, müſſen
wir die Zerteilung der andern Halbmonarchie in ihre
organiſchen Volksgemeinden mit hoffnungsreichen
Gefühlen herbeiwünſchen. Denn die Feindſeligkeit
der Magyaren — nicht des Volkes, ſondern der Vorteil
der herſchenden Führer, wird nachgerade unerträglich!
Wer ſoll das nicht fühlen, wenn er ſich nur ein klein
wenig mit der Staatenpolitik beſchäftigt? Haben wir
nicht geſehen, wohin dieſe uns aufgehalſte Ohnmacht
geführt hat? —

Dieſe hochdramatiſche Bedeutung hat für Oeſterreich,
für die habsburg-lothringiſche Monarchie die Kriſe
unſerer durch künſtliche Mittel angedeakten Reichshälfte
über der Leitha! Und von der Wichtigkeit dieſer
Entwiklung ſollen beſonders diejenigen überzeugt ſein,
die heute unſerm Staate ein neues Wahlgeſetz — ein
modernen Staaten angemeſſenes neid- und haßloſes,
beraten und geben ſollen! —




Lokal-Nachrichten.
Todesfall.

Am 11. d. M. verſchied in
Pfaffſtätten der auch hier allgemein bekannte, über
ein Vierteljahrhundert bei Herrn Dr. Ludwig Bauſek
bedienſtet geweſene Privatbeamte Herr Alexander
Schmidtganz im 73. Lebensjahre.

Bürgermeiſter Dr. Trenner

iſt ſeit
Freitag nach achttägiger Abweſenheit vom balneo-
logiſchen Kongreß in Dresden zurückgekehrt und hat
die Leitung der Amtsgeſchäfte wieder übernommen.

An der demnächſt ſtattfindenden
Automobil-Ausſtellung in Wien,

welche
eine ſehr intereſſante zu werden verrſpricht, wird ſich




[Spaltenumbruch]

beſucht und „die reparaturen und andere Badbedürf-
niſſen koſten ſoviel, daß faſt mehr aufgeht als ein-
kommt“, ſo erfloß am 4. September 1743 die Hof-
und Wahlreſolution, worin für dieſes Bad als Taxe
für Einmal Baden 12 kr. feſtgeſetzt wurde.

Das „Neubad“ oder das damals ſogenannte „Rohr-
badl am Anger“ vor der Frauenkirche, gehört der Stadt
Baden laut Vergleich mit den P. P. Auguſtinern.

Denen Juden, ſie möchten noch ſo vornehm ſeyn,
iſt ſonſt in keinem andern Baad zu baaden erlaubet,
und hat jeder Jud vor einmahl Baaden 6 kr., ein
Chriſt aber nur 2 kr., ein Chriſtkind 1 kr. zu bezalen;
es pflegen aber von denen Chriſten nur Gemeine Leuth
und Herrſchaftsbediente in dieſem Baad zu baaden.

„Joſephsbad“ iſt ein altes zur Stadt Baaden ge-
höriges, ohnweit obigen Neubaadts gelegenes Baad; wie
es zur Stadt Baden gekommen, kann man nicht angeben,
weilen keine gar alten documenta vorhanden.“ Wird
meiſtens vom gemeinen Bürger-Stand beſucht, man be-
zahlt gewöhnlich 5 kr., jedoch Bürger von Baden, deren
Weiber und Kinder genieſſen es nach altem privilegium
gratis.
Dieſe 3 Bäder ſtehen unter einem Badmeiſter,
dem die Baddiener täglich das eingehende Geld abfüh-
ren, der auch die Bäder überwacht. Er hat Beſoldung
jährlich 24 fl. Die 2 Badediener im Frauen- und Jo-
ſephsbad haben „vor das Baad ſaubern“ jährlich 26 fl.,
im Neubad aber 10 fl. Zufolge kaiſerlicher Reſolu-
tion bezieht von dieſen Badgefällen 2 Drittel das
Kammeramt; das andere Drittel kommt in’s corbulum
(zur Verteilung an den Stadtſchreiber uud den inneren
Rat beſtimmtes Geld) für den Magiſtrat. Von dem
Badgefäll im Winter bekommen Vorgeher, Käm-
merer und Badmeiſter 2 Drittel.

1766 verbot die Kaiſerin Maria Thereſia das
Baden von Frauen im Joſefsbade, weil dort die
Geiſtlichkeit mit Vorliebe badete, doch wurde das
Verbot 1799 wieder aufgehoben.


[Spaltenumbruch]

Im Jahre 1766 badete die Kaiſerin Maria
Joſefa, Gemahlin Joſefs II., vier Wochen hindurch
im Frauenbad. Von dem Auguſtinerkloſter, wo ſie
wohnte, wurde ein hölzerner Gang zur Verbindung
mit dem Frauenbad gebaut. (Wahrſcheinlich war der von
Leopold I. benützte 1714 abgebrannt.) In ausführlicher
Weiſe berichtet das Gedenkbuch, wie die Kaiſerin die
Zeit ihres Aufenthaltes verbrachte. Jeder Tag war
einem Beſuche, einer Beſichtigung gewidmet, was für
die kränkliche Kaiſerin, die im darauffolgendem Jahre
ſtarb, ſehr anſtrengend war. Ihre Ausdauer bei der
Erfüllung ihrer Repräſentationspflichten verdient
unſere volle Bewunderung.

Als die Kaiſerin in Begleitung der verwitweten
Kaiſerin Maria Thereſia am 7. Juni 1766 in Baden
anlangte, wurde ſie beim Wienertore vom Badener
Magiſtrate mit Trompeten- und Paukenſchall empfangen.
Die Bürgerſchaft machte Spalier. Am nächſten Tage
beſuchte die Kaiſerin um 7 Uhr morgens das Frauen-
bad, wo ſie eine Stunde verweilte. Nachmittags be-
gab ſie ſich zu Fuß in den Kupferſchmiedgarten, der
wegen ſeiner Waſſerkünſte eine Sehenswürdigkeit
Badens bildete. Wie in Hellbrunn bei Salzburg gab
es daſelbſt nebſt verſchiedenen vom Waſſer getriebenen
Figuren auch Vexierwäſſer, welche plötzlich aus der
Erde ſprangen und den Zuſchauer beſpritzten. Der
Garten lag zwiſchen der jetzigen Beethoven- und
Alleegaſſe und gehörte damals zum Hauſe Nr. 10
in der Rathausgaſſe. Jetzt gehört er zum Hauſe
Nr. 10 in der Beethovengaſſe (Beſitzer Herr Wedorn)
da der große Grund ſpäter geteilt wurde.

Am 27. Juni beſuchte die Kaiſerin ebenfalls
zu Fuß den Gutenbrunner Schloßgarten und wurde
von dem Eigentümer Herrn von Reichmann mit
Pauken- und Trompetenſchall empfangen. Am 28.
wohnte ſie der „Teutschen Comoedie“ bei; die Bühne
dürfte ſich damals beim Herzogbad befunden haben.


[Spaltenumbruch]

auch die hieſige Kurkommiſſion durch einige hübſche
Anſichten, aus dem Atelier des Herrn Schieſtl
ſtammend, und ſtatiſtiſche Tafeln beteiligen, welche
Gegenſtände übrigens auch für eine Ausſtellung in
Bukareſt beſtimmt ſind.

Der Landesverband für Fremden-
verkehr in Niederöſterreich

beabſichtigt, in der
heurigen Saiſon auch einige Ausflüge nach Baden
und Umgebung zu veranſtalten und haben ſich dies-
bezüglich bereits der Vorſtand der hieſigen Sektion
des Touriſtenklubs Herr Prof. Juſt und Vizebürger-
meiſter Bruſatti demſelben als Führer, und zwar
erſterer für das Gebiet „Eiſernes Tor“, letzterer für
die Stadt Baden zur Verfügung geſtellt.

Von Hermann Rolletts Nachlaß.

Ein in deſſem Nachlaßvorhanden geweſenes druckfertiges
Lexikon der Edelſteinſchneider vom Cinquecento bis
zur Gegenwart wurde ſeitens des großangelegten
„Allgemeinen Künſtlerle[x]ikons“ in Leipzig zu günſtigen
Bedingungen erworben. Rollett, der bekantlich zu
den wenigen Spezialiſten im Fache der Gemmenkunde
gehörte, hat an dieſem ziemlich umfangreichen Werke
jahrzehntelang mit unermüdlicher Ausdauer gearbeitet
und noch in den letzten Monaten ſeines Lebens Nach-
träge und Verbeſſerungen verzeichnet. Das Lexikon
enthält nebſt der Biographie und der detaillierten
Anführung der glyptiſchen Werke jedes Künſtlers
reiche Literaturnachweiſe.

Bald wird der Tag ſich jähren,

da
uns der beliebte Meiſter Komzak auf ſo tragiſche
Art entriſſen wurde. Es wurde da ein Denkmalfond
gegründet und es ſind, ſpärlich zwar, einige Gelder
eingefloſſen. Doch jetzt ſcheint alles zum Stillſtand
gekommen zu ſein und nicht mit Unrecht fragen manche
Spender, was denn eigentlich geſchehen ſoll. Man
muß weiter ſammeln und man ſollte doch hoffen
können, daß neuerliche Aufrufe das Re[ſ]ultat des
Sammelns beſſern werden. Hatte doch der Verſtorbene
ſo viele Verehrer und Gönner und Freunde, daß es
faſt unglaublich klingt, daß das anfangs ſo vielver-
ſprechende Unternehmen jetzt gänzlich ins Stocken
geraten iſt.

Die Pflaſterung der Neugaſſe mit
dem Keramitpflaſter

hat begonnen, nachdem
nun die zweite Legung der Tramwaygeleiſe beendigt
iſt. Im Laufe des Frühjahres ſoll dann auch die
Pflaſterung des vor dem Bahnhofgebäude liegenden
Platzes mit dem gleichen Materiale vor ſich gehen
und gleichzeitig hinter dem rechtsſeitigen Garten-
boskette ein elegantes Häuschen für gewiſſe Bedürf-
niſſe errichtet werden.

Eine Kunſtausſtellung in Baden.

Wie bereits gemeldet, findet in der Zeit vom 8. bis
22. April im Kurhauſe eine Kunſtausſtellung ſtatt,
an der ſich Künſtler und Dilettanten, die in Baden
wohnen oder zu Baden in einer näheren Beziehung
ſtehen, beteiligen ſollen und welche Vertreter der
Malerei, Schwarzkunſt und Plaſtik, ſowie auch Studien
und Skizzen enthalten wird. Das Komitee, an deſſen
Spitze die Herren Bezirkskommiſſär Bruno Ritter
v. Rainer, Maler Guſtav Lautenſchläger, Ar-
chitekt Hugo Zimmermann und Prof. Dr. Hans
Jülg ſtehen, verſendet ſoeben einen diesbezüglichen
Aufruf. Anmeldungen werden bis 28. März entgegen-
genommen. Der Einſendungstermin wurde auf die
Zeit vom 31. d. M. bis 2. April feſtgeſetzt.

Legat für die Armen.

Herr Jakob
Trottmann hat laut teſtamentariſcher Verfügung
der am 11. d. M. verſtorbenen Privaten Frau Mag-
dalena Dorn dem Bürgermeiſter den Betrag von
100 K für die Armen Badens übergeben.

Mit eigener Lebensgefahr.

Ver-
floſſenen Freitag gingen die Pferde eines zwei-
ſpännigen Wagens, auf dem mehrere Kinder ſaßen.
ohne Kutſcher plötzlich von der oberen Palffygaſſe
aus durch und raſten gegen den Bahnhofplatz zu. Ein
von da aus kommender Bahnbedienſteter lief den
Pferden entgegen und brachte dieſelben mit eigener
Lebensgefahr beim Fiſcher’ſchen Hauſe zum Stehen.

Der Hausbeſitzerverein

veranſtaltet
am Freitag, den 16. d. M., abends 8 Uhr, im
Hotel Bruſatti einen Vortragsabend. Sprechen werden
Herr Dr. G. Lantin „Ueber die Notwendigkeit
des Arena-Neubaues“ und Herr Architekt Rudolf
Krausz über den Arena-Neubau ſelbſt mit
Darſtellung und Erläuterung der Baupläne. Gäſte
ſind ſehr willkommen. Der Eintritt iſt frei.

Einſamgeſtorben.

Der in einem hieſigen
Hotel wohnhaft geweſene Kurgaſt Dr. Otto Frank-
furter
wurde am 12. d. M., vormittags, in ſeinem
Zimmer, auf einem Seſſel ſitzend, tot aufgefunden.
Ein Herzſchlag hatte ſeinem Leben ein Ende bereitet.

Der Wetterſturz,

den uns die letzten
Tage brachten, dehnt ſich über ganz Mittel- und

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[3/0003] Nr. 21. Mittwoch Badener Zeitung 14. März 1906 So denn daran! In ehrlichem Willen ohne Sonder- gelüſte! Der Stein iſt ins Rollen gekommen; hüte ſich jeder, daß er nicht zerſchmettert werde! Kritiſche Streiflichter. Das gräßliche Unglück in den Kohlen- gruben bei Courrières, wo über tauſend Arbeiter ihren Tod fanden, hat nicht nur in Frank- reich eine erſchütternde Wirkung ausgeübt, ſondern, wie aus den Beileidskundgebungen der ganzen zivi- liſierten Welt hervorgeht, überall aufrichtiges Mitleid erregt. Aber wenn man die Stimmung in den franzöſiſchen und belgiſchen Grubenbezirken beachtet, drängt ſich einem der Gedanke auf, daß die Schuld an dieſem Unglücksfalle nicht bloß dem Schlendrian, der ohnehin ſchon ſo viel auf dem Kerbholze hat, zuzuſchreiben iſt, nicht bloß der Sorgloſigkeit und Fahrläſſigkeit der Geſellſchaft und der Aufſichts- behörden, ſondern einem viel ärgeren Verbrechen, der Geldgier, die mit Menſchenleben lukrativen Wucher treibt! Um einige tauſend Francs, mit deren not- wendigem Opfer für die Sicherung der Arbeitsgebiete die Gefahr auf das menſchenmöglichſte Minimum reſtringiert werden könnte, um von den vielen ein- laufenden Millionen einige tauſend Franks zu er- ſparen, werden tauſende Menſchenleben dem Moloch Geldgier dargebracht! Es iſt ein ſchauderhaftes Bild — und alle nachträglichen „Unterſtützungen“ können das nicht gut machen, was verbrochen worden iſt! Ein Mahnzeichen aber iſt es für diejenigen, denen die Aufſicht über ſolche Unternehmungen obliegt, un- beirrt ihres Amtes zu walten, ob es nun in Frank- reich oder ſonſtwo nötig iſt! Nachdem wir über den hemmenden Einfluß der ungariſchen Kriſe des öftern geſprochen haben, erübrigt uns jetzt nur noch, zu betrachten, wie es mit den koalierten Parteien, die durch eine Verkettung von verdrehten Sebſtſuchtsbeſtrebungen zu einem nichts weniger als gleichartigen Gebilde zuſammengeleimt worden ſind, nun ausgehen wird. Wir haben ſchon vor zwei Wochen die Erwartung ausgeſprochen, daß ſich doch Männer finden werden, denen der wahnwitzige Widerſtand gegen die beſchworene Verfaſſung ſchli ßlich doch Bedenken an der Richtigkeit ihres Vorgehens erwecken werde. Nun iſt ein Steinchen ins Rollen gekommen und es iſt nur eine Frage der Zeit, wann die Koalition, deren Ausſchuß Auflöſungsſchmerzen hat, in Brüche gehen wird. Ob mit der Erneuerung des ungariſchen Miniſteri- ums die Stellung der transleithaniſchan Regierung ge- kräftigt worden iſt, bleibe dahingeſtellt; man kann es aber mit Sicherheit annehmen; denn wem könnten noch die faſt anarchiſtiſchen Zuſtände Gefallen bereiten? Mit dem Austritte Banffys und Eötvös löſt ſich ein ſtarker Zweig der Koalierten — die bald nur die ehemaligen Liierten heißen werden, vom dürren Stamme, der keine Früchte tragen mochte, ab — nicht um ins Feuer geworfen zu werden, ſondern um auf ver- nünftigen Grundlagen das Fortbeſtehen des Staates zu feſtigen. Wir haben am Beſtande dieſes Staatteiles, wie er jetzt exiſtiert, wirklich keine Intereſſe und doch müſſen wir es wünſchen, daß es mählig anders werde. Um in der alten ungariſchen Staatsſprache zu reden, müſſen wir heute ſagen: „Status exlex in Hungaria dominus est; sed hunc statum exlegem dominari non possumus pati.“ „In Hungarien iſt der geſetzloſe Zuſtand Herr; aber wir können es nicht ertragen, daß dieſer geſetzloſe Zuſtand die Herrſchaft führe!“ — Freilich haben wir, die wir zuhauſe ſoviel zu ord- nen hätten, keinen wirkſamen Einfluß auf die jenſeitige Politik, und müſſen uns im Rahmen zurückhaltender, abwartender Verteidigungsſtellung bewegen. Dabei aber dürfen wir nie vergeſſen, ein gar achtſames Auge anf alle Vorgänge drüben zu haben! Und ehe unſere Stellung noch weiter untergraben wird, müſſen wir die Zerteilung der andern Halbmonarchie in ihre organiſchen Volksgemeinden mit hoffnungsreichen Gefühlen herbeiwünſchen. Denn die Feindſeligkeit der Magyaren — nicht des Volkes, ſondern der Vorteil der herſchenden Führer, wird nachgerade unerträglich! Wer ſoll das nicht fühlen, wenn er ſich nur ein klein wenig mit der Staatenpolitik beſchäftigt? Haben wir nicht geſehen, wohin dieſe uns aufgehalſte Ohnmacht geführt hat? — Dieſe hochdramatiſche Bedeutung hat für Oeſterreich, für die habsburg-lothringiſche Monarchie die Kriſe unſerer durch künſtliche Mittel angedeakten Reichshälfte über der Leitha! Und von der Wichtigkeit dieſer Entwiklung ſollen beſonders diejenigen überzeugt ſein, die heute unſerm Staate ein neues Wahlgeſetz — ein modernen Staaten angemeſſenes neid- und haßloſes, beraten und geben ſollen! — Lokal-Nachrichten. — Todesfall. Am 11. d. M. verſchied in Pfaffſtätten der auch hier allgemein bekannte, über ein Vierteljahrhundert bei Herrn Dr. Ludwig Bauſek bedienſtet geweſene Privatbeamte Herr Alexander Schmidtganz im 73. Lebensjahre. — Bürgermeiſter Dr. Trenner iſt ſeit Freitag nach achttägiger Abweſenheit vom balneo- logiſchen Kongreß in Dresden zurückgekehrt und hat die Leitung der Amtsgeſchäfte wieder übernommen. — An der demnächſt ſtattfindenden Automobil-Ausſtellung in Wien, welche eine ſehr intereſſante zu werden verrſpricht, wird ſich beſucht und „die reparaturen und andere Badbedürf- niſſen koſten ſoviel, daß faſt mehr aufgeht als ein- kommt“, ſo erfloß am 4. September 1743 die Hof- und Wahlreſolution, worin für dieſes Bad als Taxe für Einmal Baden 12 kr. feſtgeſetzt wurde. Das „Neubad“ oder das damals ſogenannte „Rohr- badl am Anger“ vor der Frauenkirche, gehört der Stadt Baden laut Vergleich mit den P. P. Auguſtinern. Denen Juden, ſie möchten noch ſo vornehm ſeyn, iſt ſonſt in keinem andern Baad zu baaden erlaubet, und hat jeder Jud vor einmahl Baaden 6 kr., ein Chriſt aber nur 2 kr., ein Chriſtkind 1 kr. zu bezalen; es pflegen aber von denen Chriſten nur Gemeine Leuth und Herrſchaftsbediente in dieſem Baad zu baaden. „Joſephsbad“ iſt ein altes zur Stadt Baaden ge- höriges, ohnweit obigen Neubaadts gelegenes Baad; wie es zur Stadt Baden gekommen, kann man nicht angeben, weilen keine gar alten documenta vorhanden.“ Wird meiſtens vom gemeinen Bürger-Stand beſucht, man be- zahlt gewöhnlich 5 kr., jedoch Bürger von Baden, deren Weiber und Kinder genieſſen es nach altem privilegium gratis. Dieſe 3 Bäder ſtehen unter einem Badmeiſter, dem die Baddiener täglich das eingehende Geld abfüh- ren, der auch die Bäder überwacht. Er hat Beſoldung jährlich 24 fl. Die 2 Badediener im Frauen- und Jo- ſephsbad haben „vor das Baad ſaubern“ jährlich 26 fl., im Neubad aber 10 fl. Zufolge kaiſerlicher Reſolu- tion bezieht von dieſen Badgefällen 2 Drittel das Kammeramt; das andere Drittel kommt in’s corbulum (zur Verteilung an den Stadtſchreiber uud den inneren Rat beſtimmtes Geld) für den Magiſtrat. Von dem Badgefäll im Winter bekommen Vorgeher, Käm- merer und Badmeiſter 2 Drittel. 1766 verbot die Kaiſerin Maria Thereſia das Baden von Frauen im Joſefsbade, weil dort die Geiſtlichkeit mit Vorliebe badete, doch wurde das Verbot 1799 wieder aufgehoben. Im Jahre 1766 badete die Kaiſerin Maria Joſefa, Gemahlin Joſefs II., vier Wochen hindurch im Frauenbad. Von dem Auguſtinerkloſter, wo ſie wohnte, wurde ein hölzerner Gang zur Verbindung mit dem Frauenbad gebaut. (Wahrſcheinlich war der von Leopold I. benützte 1714 abgebrannt.) In ausführlicher Weiſe berichtet das Gedenkbuch, wie die Kaiſerin die Zeit ihres Aufenthaltes verbrachte. Jeder Tag war einem Beſuche, einer Beſichtigung gewidmet, was für die kränkliche Kaiſerin, die im darauffolgendem Jahre ſtarb, ſehr anſtrengend war. Ihre Ausdauer bei der Erfüllung ihrer Repräſentationspflichten verdient unſere volle Bewunderung. Als die Kaiſerin in Begleitung der verwitweten Kaiſerin Maria Thereſia am 7. Juni 1766 in Baden anlangte, wurde ſie beim Wienertore vom Badener Magiſtrate mit Trompeten- und Paukenſchall empfangen. Die Bürgerſchaft machte Spalier. Am nächſten Tage beſuchte die Kaiſerin um 7 Uhr morgens das Frauen- bad, wo ſie eine Stunde verweilte. Nachmittags be- gab ſie ſich zu Fuß in den Kupferſchmiedgarten, der wegen ſeiner Waſſerkünſte eine Sehenswürdigkeit Badens bildete. Wie in Hellbrunn bei Salzburg gab es daſelbſt nebſt verſchiedenen vom Waſſer getriebenen Figuren auch Vexierwäſſer, welche plötzlich aus der Erde ſprangen und den Zuſchauer beſpritzten. Der Garten lag zwiſchen der jetzigen Beethoven- und Alleegaſſe und gehörte damals zum Hauſe Nr. 10 in der Rathausgaſſe. Jetzt gehört er zum Hauſe Nr. 10 in der Beethovengaſſe (Beſitzer Herr Wedorn) da der große Grund ſpäter geteilt wurde. Am 27. Juni beſuchte die Kaiſerin ebenfalls zu Fuß den Gutenbrunner Schloßgarten und wurde von dem Eigentümer Herrn von Reichmann mit Pauken- und Trompetenſchall empfangen. Am 28. wohnte ſie der „Teutschen Comoedie“ bei; die Bühne dürfte ſich damals beim Herzogbad befunden haben. auch die hieſige Kurkommiſſion durch einige hübſche Anſichten, aus dem Atelier des Herrn Schieſtl ſtammend, und ſtatiſtiſche Tafeln beteiligen, welche Gegenſtände übrigens auch für eine Ausſtellung in Bukareſt beſtimmt ſind. — Der Landesverband für Fremden- verkehr in Niederöſterreich beabſichtigt, in der heurigen Saiſon auch einige Ausflüge nach Baden und Umgebung zu veranſtalten und haben ſich dies- bezüglich bereits der Vorſtand der hieſigen Sektion des Touriſtenklubs Herr Prof. Juſt und Vizebürger- meiſter Bruſatti demſelben als Führer, und zwar erſterer für das Gebiet „Eiſernes Tor“, letzterer für die Stadt Baden zur Verfügung geſtellt. — Von Hermann Rolletts Nachlaß. Ein in deſſem Nachlaßvorhanden geweſenes druckfertiges Lexikon der Edelſteinſchneider vom Cinquecento bis zur Gegenwart wurde ſeitens des großangelegten „Allgemeinen Künſtlerlexikons“ in Leipzig zu günſtigen Bedingungen erworben. Rollett, der bekantlich zu den wenigen Spezialiſten im Fache der Gemmenkunde gehörte, hat an dieſem ziemlich umfangreichen Werke jahrzehntelang mit unermüdlicher Ausdauer gearbeitet und noch in den letzten Monaten ſeines Lebens Nach- träge und Verbeſſerungen verzeichnet. Das Lexikon enthält nebſt der Biographie und der detaillierten Anführung der glyptiſchen Werke jedes Künſtlers reiche Literaturnachweiſe. — Bald wird der Tag ſich jähren, da uns der beliebte Meiſter Komzak auf ſo tragiſche Art entriſſen wurde. Es wurde da ein Denkmalfond gegründet und es ſind, ſpärlich zwar, einige Gelder eingefloſſen. Doch jetzt ſcheint alles zum Stillſtand gekommen zu ſein und nicht mit Unrecht fragen manche Spender, was denn eigentlich geſchehen ſoll. Man muß weiter ſammeln und man ſollte doch hoffen können, daß neuerliche Aufrufe das Reſultat des Sammelns beſſern werden. Hatte doch der Verſtorbene ſo viele Verehrer und Gönner und Freunde, daß es faſt unglaublich klingt, daß das anfangs ſo vielver- ſprechende Unternehmen jetzt gänzlich ins Stocken geraten iſt. — Die Pflaſterung der Neugaſſe mit dem Keramitpflaſter hat begonnen, nachdem nun die zweite Legung der Tramwaygeleiſe beendigt iſt. Im Laufe des Frühjahres ſoll dann auch die Pflaſterung des vor dem Bahnhofgebäude liegenden Platzes mit dem gleichen Materiale vor ſich gehen und gleichzeitig hinter dem rechtsſeitigen Garten- boskette ein elegantes Häuschen für gewiſſe Bedürf- niſſe errichtet werden. — Eine Kunſtausſtellung in Baden. Wie bereits gemeldet, findet in der Zeit vom 8. bis 22. April im Kurhauſe eine Kunſtausſtellung ſtatt, an der ſich Künſtler und Dilettanten, die in Baden wohnen oder zu Baden in einer näheren Beziehung ſtehen, beteiligen ſollen und welche Vertreter der Malerei, Schwarzkunſt und Plaſtik, ſowie auch Studien und Skizzen enthalten wird. Das Komitee, an deſſen Spitze die Herren Bezirkskommiſſär Bruno Ritter v. Rainer, Maler Guſtav Lautenſchläger, Ar- chitekt Hugo Zimmermann und Prof. Dr. Hans Jülg ſtehen, verſendet ſoeben einen diesbezüglichen Aufruf. Anmeldungen werden bis 28. März entgegen- genommen. Der Einſendungstermin wurde auf die Zeit vom 31. d. M. bis 2. April feſtgeſetzt. — Legat für die Armen. Herr Jakob Trottmann hat laut teſtamentariſcher Verfügung der am 11. d. M. verſtorbenen Privaten Frau Mag- dalena Dorn dem Bürgermeiſter den Betrag von 100 K für die Armen Badens übergeben. — Mit eigener Lebensgefahr. Ver- floſſenen Freitag gingen die Pferde eines zwei- ſpännigen Wagens, auf dem mehrere Kinder ſaßen. ohne Kutſcher plötzlich von der oberen Palffygaſſe aus durch und raſten gegen den Bahnhofplatz zu. Ein von da aus kommender Bahnbedienſteter lief den Pferden entgegen und brachte dieſelben mit eigener Lebensgefahr beim Fiſcher’ſchen Hauſe zum Stehen. — Der Hausbeſitzerverein veranſtaltet am Freitag, den 16. d. M., abends 8 Uhr, im Hotel Bruſatti einen Vortragsabend. Sprechen werden Herr Dr. G. Lantin „Ueber die Notwendigkeit des Arena-Neubaues“ und Herr Architekt Rudolf Krausz über den Arena-Neubau ſelbſt mit Darſtellung und Erläuterung der Baupläne. Gäſte ſind ſehr willkommen. Der Eintritt iſt frei. — Einſamgeſtorben. Der in einem hieſigen Hotel wohnhaft geweſene Kurgaſt Dr. Otto Frank- furter wurde am 12. d. M., vormittags, in ſeinem Zimmer, auf einem Seſſel ſitzend, tot aufgefunden. Ein Herzſchlag hatte ſeinem Leben ein Ende bereitet. — Der Wetterſturz, den uns die letzten Tage brachten, dehnt ſich über ganz Mittel- und

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Zitationshilfe: Badener Zeitung. Nr. 21, Baden (Niederösterreich), 14.03.1906, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_badener021_1906/3>, abgerufen am 21.11.2024.