Badener Zeitung. Nr. 26, Baden (Niederösterreich), 30.03.1904. Badener Zeitung (vormals Badener Bezirks-Blatt). Abonnement Baden: Zum Abholen vierteljährig K 2·50, halbjährig K 5·--, ganzjährig K 10·--. Mit Zustellung ins Haus Baden: Vierteljährig K 3·--, halbjährig K 6·--. Nr. 26. Mittwoch, den 30. März 1904. 25. Jahrg. [Spaltenumbruch] Das tschechische Ultimatum. Die Antwort, welche die Tschechen den Polen, Zeugt also schon dieser Eingangssatz, die Deutschen Uebrigens ist auch der Satz, die Errichtung Wenn nun die Deutschen überhaupt sich mit [Spaltenumbruch] Feuilleton. John Ruskin, der Aesthetiker. Vortrag, gehalten am 25. März 1904, im Dürerverein Baden b. Wien, von Frau Frida v. Becher-Rüdenhof (Frida v. Rüden). Meine Damen und Herren! Wenn ich als Thema für meinen heutigen Vor- John Ruskin gleicht einem Lehrer, einem Pre- Ruskin's Los schien keineswegs auf exaltierte Wann nun eigentlich John, das Söhnchen ge- Badener Zeitung (vormals Badener Bezirks-Blatt). Abonnement Baden: Zum Abholen vierteljährig K 2·50, halbjährig K 5·—, ganzjährig K 10·—. Mit Zuſtellung ins Haus Baden: Vierteljährig K 3·—, halbjährig K 6·—. Nr. 26. Mittwoch, den 30. März 1904. 25. Jahrg. [Spaltenumbruch] Das tſchechiſche Ultimatum. Die Antwort, welche die Tſchechen den Polen, Zeugt alſo ſchon dieſer Eingangsſatz, die Deutſchen Uebrigens iſt auch der Satz, die Errichtung Wenn nun die Deutſchen überhaupt ſich mit [Spaltenumbruch] Feuilleton. John Ruskin, der Aeſthetiker. Vortrag, gehalten am 25. März 1904, im Dürerverein Baden b. Wien, von Frau Frida v. Becher-Rüdenhof (Frida v. Rüden). Meine Damen und Herren! Wenn ich als Thema für meinen heutigen Vor- John Ruskin gleicht einem Lehrer, einem Pre- Ruskin’s Los ſchien keineswegs auf exaltierte Wann nun eigentlich John, das Söhnchen ge- <TEI> <text> <front> <pb facs="#f0001" n="[1]"/> <titlePage xml:id="title1" type="heading" next="#title2"> <titlePart type="main"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Badener Zeitung</hi><lb/> (vormals Badener Bezirks-Blatt).</hi> </titlePart> </titlePage><lb/> <div type="jExpedition"> <p><hi rendition="#b">Abonnement Baden:</hi> Zum Abholen vierteljährig <hi rendition="#aq">K</hi> 2·50, halbjährig <hi rendition="#aq">K</hi> 5·—, ganzjährig <hi rendition="#aq">K</hi> 10·—. 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Das erſte iſt<lb/> ihnen einfach Pflicht der Regierung, das zweite<lb/> Aufgabe der Geſetzgebung und damit baſta. Was<lb/> ſonſt für das Verhandeln noch übrig bliebe, das<lb/> wäre die Dnrchführung der adminiſtrativen „Gleich-<lb/> berechtigung“ natürlich ſo, wie ſie ſelbſt dieſe<lb/> Gleichberechtigung auslegen und beiſpielsweiſe<lb/> der Anſtellung von Landesbeamten zu praktizieren<lb/> belieben.</p><lb/> <p>Uebrigens iſt auch der Satz, die Errichtung<lb/> einer tſchechiſchen Univerſität ſei Sache der Geſetz-<lb/><cb/> gebung, ein recht unvorſichtiger logiſcher Sprung.<lb/> Iſt denn die Errichtung der tſchechiſch-techniſchen<lb/> Hochſchule in Brünn auf dem geſetzlichen Wege, auf<lb/> dem Wege parlamentariſcher Abſtimmung erfolgt?<lb/> Freilich, wenn die Tſchechen auch eine § 14-Ver-<lb/> ordnung als einen Geſetzgebungsakt anſehen, dann<lb/> begreift man, daß ſie nach einer kaiſerlichen Entſchlie-<lb/> ßung ſchreien, da ihnen eben die Aufhebung der<lb/> Sprachenverordnungen wieder nicht geſetzliche<lb/> Kraft zu haben ſchien. Aber angenommen,<lb/> die Errichtung der tſchechiſchen Univerſität<lb/> ſolle auf dem wirklichen geſetzlich kon-<lb/> ſtitutionellen Wege reichsrätlicher Abſtimmung<lb/> erfolgen, ſo ſollten doch die Herren, dächte man,<lb/> mit aller Beſchleunigung die Obſtruktion von ſich<lb/> tun, um zur geſetzlichen Behandlung der eigenen<lb/> Forderungen zu gelangen. Natürlich iſt dieſer<lb/> Reſpekt vor dem geſetzlichen Wege bei den Tſchechen,<lb/> der in Prag ſonſt nicht landesüblich erſcheint, in<lb/> Wien neuerdings etwas lebhafter geworden, ſeit<lb/> dieſe Geſetzesfanatiker ſich mit der Hoffnung<lb/> tragen, es werde ihnen mit dem Sturze Körber’s,<lb/> an dem ſie mit den Polen einverſtändlich arbeiten,<lb/> mit Hilfe einer reaktionären Regierung gelingen,<lb/> wieder den alten eiſernen Majoritätsring herzu-<lb/> ſtellen.</p><lb/> <p>Wenn nun die Deutſchen überhaupt ſich mit<lb/> der Abſicht tragen wollen, auf Grund ſolcher<lb/> protzenhafter Erklärungen ſich in Unterhandlungen<lb/> über Nebendinge, die ja gar nicht Anlaß zur<lb/> reichsrätlichen Obſtruktion der Tſchechen geben<lb/> konnten, wie Minoritätsſchulen oder Kreisver-<lb/> faſſung, einzulaſſen, ſo müßten ſie doch nebenbei<lb/> auch den famoſen polniſchen Unterhändlern in die<lb/> biederen Geſichter leuchten.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> </div> </div> <div type="jFeuilleton" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Feuilleton.</hi> </head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div xml:id="john1" next="#john2" type="jArticle" n="2"> <head><hi rendition="#b">John Ruskin, der Aeſthetiker.</hi><lb/> Vortrag, gehalten am 25. 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Urbritiſch ſind ſeine Eltern, typiſch für<lb/> den kleinen engliſchen Mittelſtand mit der echt angel-<lb/> ſächſiſch pedantiſch geordneten Lebensweiſe, der Sau-<lb/> berkeit, Frömmigkeit, dem ſteifen Anſtand und der<lb/> aufblickenden Verehrung zu allen höheren Kreiſen.<lb/> Seine Mutter war eine einfache, ziemlich gebildete<lb/> Gaſtwirtstochter, ſein Vater ein wohlhabender Wein-<lb/> händler, der ſich ſpäter vom Geſchäfte zurückzog und<lb/> mit ſeiner Frau und dem einzigen Söhnchen John<lb/> das Leben eines in der <hi rendition="#aq">coach,</hi> der altmodiſchen be-<lb/> quemen engliſchen Kutſche, die Welt durchreiſenden<lb/> Engländers führte. Er war nicht ohne Schönheits-<lb/> gefühl und ohne Sinn für Literatur. 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Badener Zeitung
(vormals Badener Bezirks-Blatt).
Abonnement Baden: Zum Abholen vierteljährig K 2·50, halbjährig K 5·—, ganzjährig K 10·—. Mit Zuſtellung ins Haus Baden: Vierteljährig K 3·—, halbjährig K 6·—.
ganzjährig K 12·—. Oeſterreich-Ungarn: Mit Zuſendung vierteljährig K 3·30, halbjährig K 6·50, ganzjährig K 13·—. Einzelne Mittwoch-Nummer 12 h., Samstag-
Nummer 16 h. — Inſerate werden per 80 mm breite Petitzeile mit 16 h für die erſte, und mit 14 h für fünf nacheinander folgende Einſchaltungen berechnet, größere Aufträge
nach Uebereinkommen und können auch durch die beſtehenden Annouzen-Bureaux an die Adminiſtration gerichter werden. — Intereſſante Mitteilungen, Notizen und
Korreſpondenzen werden nach Uebereinkunft honoriert. — Mannſkcipte werden nicht zurückgeſtellt. — Redaktion und Adminiſtration: Baden, Pfarrgaſſe Nr. 3.
[Abbildung]
Erſcheint Mittwoch und Samstag früh.
[Abbildung]
(Die Samstag-Nummer enthält die Gratis-Beilage „Illuſtriertes Unterhaltungsblatt“.)
Nr. 26. Mittwoch, den 30. März 1904. 25. Jahrg.
Das tſchechiſche Ultimatum.
Die Antwort, welche die Tſchechen den Polen,
den „ehrlichen Maklern“, für die Deutſchen zu
kommen ließen, iſt zwar vor allem ein Zeichen
tollſten Uebermutes, wie wir ſie hauptſächlich der
Regierungspolitik des Nichtstuns verdanken,
ſie iſt aber auch zugleich das Denkmal der tſchechi-
ſchen Verkehrtheit, des Mangels an aller Logik,
ſelbſt in den führenden Köpfen. Zu allererſt wird
den Deutſchen und der Regierung mit rührender
Unverfrorenheit geſagt, die Wiedereinführung der
tſchechiſchen Amtsſprache ſei einfach Pflicht der
Regierung und gehe die Deutſchen nichts an;
darüber ſei eine Verhandlung überhaupt unmög-
lich. Bei dieſer Gelegenheit leiſten ſich die Tſchechen
aber den vortrefflichen Satz, die Durchführung
geltender Geſetze dürfe in geordneten Staatsweſen
nicht von der Zuſtimmung einzelner Parteien
abhängig gemacht werden. Die Herren ſpotten
da ihrer ſelbſt und wiſſen gar nicht wie ſehr. Die
Durchführung der geſetz- und verfaſſungsmäßigen
Budgetbehandlung darf nämlich nur von dem Be-
lieben der tſchechiſchen Geſetzeswahrer abhängen!
Die Tſchechen haben das Extrarecht, die ganze
Geſetzgebungsmaſchine zu ruinieren, nicht bloß
die Durchführung eines Einzelgeſetzes nach ihrem
Belieben zu verhindern, das iſt natürlich, wenn
die Tſchechen es tun, etwas ganz anderes. Wenn
aber die Deutſchen ihr gutes Recht verlangen, ſo
ſtützen ſich die Tſchechen auf das angebliche Geſetz,
welches nicht von dem Belieben einer einzelnen
Partei abhängig gemacht werden dürfe. Man
wird wohl nicht viele Naive zu finden im Stande
ſein, welche den Tſchechen auf dieſen Unſinn herein-
fallen werden. Ueberdies iſt zwar der § 13 der
Gerichtsordnung bezüglich des Sprachengebrauches
bei Gericht auch ein Geſetz, aber es iſt doch ſelbſt-
verſtändlich, daß ſich jeder tſchechiſche Beamte allein
ſchon und nicht bloß die ganze Partei heraus-
nehmen darf, die Durchführung des Geſetzes durch
ſelbſtgemachte Praxis zu vereiteln. So ſieht es
mit der Geſetzesachtung tatſächlich im Tſchechen-
lager aus, in welchem ſo tiefe Bücklinge vor der
Durchführung der Geſetze, die nicht durch Parteien
verhindert werden darf, ein widerliches Phariſäer-
tum maskieren ſoll.
Zeugt alſo ſchon dieſer Eingangsſatz, die Deutſchen
gehe es nichts an, wenn die Regierung pflicht-
gemäß die tſchechiſche Amtsſprache einführe, von
der gewohnten Beſcheidenheit der Tſchechen, die
übrigens ſeinerzeit dem Grafen Taaffe mit einer
ſolchen Pflichtenvorleſung hätten gar nicht kommen
dürfen, ſo liefert der weitere Proteſt gegen Ein-
beziehung der Frage der tſchechiſchen Amtsſprache
und der Errichtung der mähriſchen Univerſität
in Ausgleichsverhandlungen den Beweis, daß es
den Tſchechen gar nicht einfällt, über das, was
gerade ſeit 1897 die Hauptfrage bildet, nur ein
Wort mit ſich reden zu laſſen. Das erſte iſt
ihnen einfach Pflicht der Regierung, das zweite
Aufgabe der Geſetzgebung und damit baſta. Was
ſonſt für das Verhandeln noch übrig bliebe, das
wäre die Dnrchführung der adminiſtrativen „Gleich-
berechtigung“ natürlich ſo, wie ſie ſelbſt dieſe
Gleichberechtigung auslegen und beiſpielsweiſe
der Anſtellung von Landesbeamten zu praktizieren
belieben.
Uebrigens iſt auch der Satz, die Errichtung
einer tſchechiſchen Univerſität ſei Sache der Geſetz-
gebung, ein recht unvorſichtiger logiſcher Sprung.
Iſt denn die Errichtung der tſchechiſch-techniſchen
Hochſchule in Brünn auf dem geſetzlichen Wege, auf
dem Wege parlamentariſcher Abſtimmung erfolgt?
Freilich, wenn die Tſchechen auch eine § 14-Ver-
ordnung als einen Geſetzgebungsakt anſehen, dann
begreift man, daß ſie nach einer kaiſerlichen Entſchlie-
ßung ſchreien, da ihnen eben die Aufhebung der
Sprachenverordnungen wieder nicht geſetzliche
Kraft zu haben ſchien. Aber angenommen,
die Errichtung der tſchechiſchen Univerſität
ſolle auf dem wirklichen geſetzlich kon-
ſtitutionellen Wege reichsrätlicher Abſtimmung
erfolgen, ſo ſollten doch die Herren, dächte man,
mit aller Beſchleunigung die Obſtruktion von ſich
tun, um zur geſetzlichen Behandlung der eigenen
Forderungen zu gelangen. Natürlich iſt dieſer
Reſpekt vor dem geſetzlichen Wege bei den Tſchechen,
der in Prag ſonſt nicht landesüblich erſcheint, in
Wien neuerdings etwas lebhafter geworden, ſeit
dieſe Geſetzesfanatiker ſich mit der Hoffnung
tragen, es werde ihnen mit dem Sturze Körber’s,
an dem ſie mit den Polen einverſtändlich arbeiten,
mit Hilfe einer reaktionären Regierung gelingen,
wieder den alten eiſernen Majoritätsring herzu-
ſtellen.
Wenn nun die Deutſchen überhaupt ſich mit
der Abſicht tragen wollen, auf Grund ſolcher
protzenhafter Erklärungen ſich in Unterhandlungen
über Nebendinge, die ja gar nicht Anlaß zur
reichsrätlichen Obſtruktion der Tſchechen geben
konnten, wie Minoritätsſchulen oder Kreisver-
faſſung, einzulaſſen, ſo müßten ſie doch nebenbei
auch den famoſen polniſchen Unterhändlern in die
biederen Geſichter leuchten.
Feuilleton.
John Ruskin, der Aeſthetiker.
Vortrag, gehalten am 25. März 1904, im Dürerverein Baden
b. Wien, von Frau Frida v. Becher-Rüdenhof (Frida v.
Rüden).
Meine Damen und Herren!
Wenn ich als Thema für meinen heutigen Vor-
trag „John Ruskin“ gewählt habe, ſo geſchieht
es aus dem Grund, weil ich glaube, daß dieſer Eng-
länder einer von jenen iſt, deren Andenken in un-
ſerem Verein gepflegt und gehütet zu werden verdient;
ja — vielleicht gehe ich ſogar nicht zu weit, wenn
ich behaupte, daß der Dürerverein ein direktes Pro-
zent von Ruskin’s Ideen iſt, die er durch ſieben
Jahrzehnte in die Welt hinausgeſchmettert hat, denn
Ruskin war derjenige, der Kunſt und Schönheit
lebendig werden ließ. Früher war die Kunſt etwas,
das ſozuſagen außerhalb des Lebens ſtand. Man
dachte nicht daran, „ſchön zu leben“, ſondern
war der Anſicht, Schönheit und Kunſt wären bloß
Dinge für reiche Leute, die ſich langweilten oder für
Leute, deren Beruf es wäre, Kunſt auszuüben oder
Kunſt zu kritiſieren. Heute nun ſind wir ganz
anderer Anſicht. Freilich lagen die Ideen von
der Populariſierung der Kunſt ſeit langer Zeit ſchon
in der Luft, aber Ruskin gebührt das Verdienſt,
dieſe Ideen fozuſagen zuſammengefaßt, ſie formuliert
zu haben. Während man in früheren Zeiten gewöhnt
war, alles was von England kam, als gut, ſolid
und brauchbar zu betrachten, ſo betrachten wir es
heute auch als ſchön und ſtilvoll. Die engliſchen
Kunſtzeitſchriften — ich denke eben nur an die
Studio-Hefte — bieten Muſterhaftes, engliſche
Wohnungseinrichtungen ſind an Wohnlichkeit und
Zweckmäßigkeit kaum übertroffen. England iſt das
Vaterland vornehmſten Kunſtempfindens — (ich möchte
hier nicht gerne mißverſtanden werden), ich ſage ab-
ſichtlich „Kunſtempfindens“ und nicht vornehm-
ſter Kunſt, denn da die Bewegung verhältnismäßig
jung iſt, haben natürlich andere Nationen größere
Kunſtwerke aufzuweiſen, aber keine einzige verſteht
es in höherem Maß, Kunſt und Leben mit einander zu
verſchmelzen, ſozuſagen den Zweck und Sinn aller Kunſt
beſſer zu verſtehen und zu würdigen, als die Engländer.
Und von England aus geht die große Kulturbewegung,
die ſich im Verlaufe des letzten Jahrhunderts über
faſt alle Kulturnationen verbreitet hat: Die Sehn-
ſucht und das Streben „ſchön zu leben“.
Und das iſt in erſter Linie das Verdienſt John
Ruskins. Wer war nun eigentlich dieſer ſonderbare
Mann, der ſich faſt göttlicher Verehrung erfreute bei
einem Teil der Menſchheit und bis zur Unmöglichkeit
lächerlich gemacht wurde bei einem anderen? Das
letztere iſt namentlich von reichsdeutſcher Seite der
Fall, während die Engländer ihn nach wie vor hoch-
halten, ſeine Verdienſte würdigen und ihm verzeihen,
daß er, obwohl kein Gelehrter von Fach, es dennoch
wagte, in Kunſtfragen ſeine Meinung abzugeben.
Deutſchland vergibt ihm das nur ſchwer. Im großen
und ganzen muß man gewiß zugeben, daß Ruskin
mehr als einmal auf recht bedenkliche Abwege in
wiſſenſchaftlichen Dingen geriet; das ſind aber Fehler,
die eben aus ſeinem inneren Reichtum entſprangen,
jenem Reichtum an Ideen, der ſich nicht bloß auf
das beſchränkte, was er mit aller Gründlichkeit ſtu-
diert hatte, ſondern gar oft nur rein intuitiv
empfunden hatte.
John Ruskin gleicht einem Lehrer, einem Pre-
diger der Schönheit, deſſen Worte zündend wirken,
der ſein Publikum unfehlbar fortreißt und darin liegt
ſeine Stärke.
Ruskin’s Los ſchien keineswegs auf exaltierte
Gluten geſtimmt zu ſein, eher auf brave, fleißige
Behaglichkeit. Urbritiſch ſind ſeine Eltern, typiſch für
den kleinen engliſchen Mittelſtand mit der echt angel-
ſächſiſch pedantiſch geordneten Lebensweiſe, der Sau-
berkeit, Frömmigkeit, dem ſteifen Anſtand und der
aufblickenden Verehrung zu allen höheren Kreiſen.
Seine Mutter war eine einfache, ziemlich gebildete
Gaſtwirtstochter, ſein Vater ein wohlhabender Wein-
händler, der ſich ſpäter vom Geſchäfte zurückzog und
mit ſeiner Frau und dem einzigen Söhnchen John
das Leben eines in der coach, der altmodiſchen be-
quemen engliſchen Kutſche, die Welt durchreiſenden
Engländers führte. Er war nicht ohne Schönheits-
gefühl und ohne Sinn für Literatur. Allabendlich las
der Vater ſeiner Familie aus engliſchen Klaſſikern
vor und intereſſierte ſich ſehr für ſchöne Gegenden.
Wann nun eigentlich John, das Söhnchen ge-
boren wurde, kann ich Ihnen nicht ganz genau ſagen.
In einigen Quellen fand ich das Jahr 1819 als
Geburtsjahr angegeben, in anderen 1813. Das iſt
ſchließlich auch nebenſächlich. Er wurde ſehr ſtreng
erzogen, Süßigkeiten und Spielſachen waren aus
ſeinem Leben verbannt. In ſeiner Selbſtbiographie
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