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Badener Zeitung. Nr. 26, Baden (Niederösterreich), 30.03.1904.

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Mittwoch Badener Zeitung 30. März 1904. Nr. 26.

[Spaltenumbruch] erinnen), denen eine Wärterin beigegeben ist. Die
Gesamtzahl der Kinder im Jahre 1903 betrug daher
auch 3769. Wien, die Reichshaupt- und Residenzstadt,
zählte im Jahre 1903 im ganzen 11 kommunale
Kindergärten und 14 Kindergärtnerinnen; 4 systemi-
sierte Stellen waren unbesetzt. Brünn, die Provinz-
stadt, zählte im selben Jahre 21 Kindergärten mit
85 Kindergärtnerinnen!!

Die Fürsorge für Schwachsinnige.

Ueber diesen argvernachlässigten Zweig unserer Huma-
nitätsbestrebungen sprach Samstag, den 12. d. M.,
Herr Oberlehrer Hans Schiener im österreichischen
Schulmuseum. Die Zahl der Schwachsinnigen in
Oesterreich läßt sich nicht feststellen, da bei der letzten
Volkszählung die Schwachsinnigen nicht mitgezählt
wurden. Im allgemeinen kann man annehmen, daß
auf 10.000 Personen 15--20 Idioten, die Schwach-
sinnigen nicht mitgerechnet, kommen. In Wien gibt
es etwa 1000 Schwachsinnige, von denen 150 An-
stalten besuchen; die anderen sind in Volksschulen
untergebracht oder genießen gar keinen Unterricht.
Mindestens 4000 Schwachbefähigte sitzen in den un-
tersten Klassen der Volksschulen und werden mittelst
Abgangszeugnisses aus denselben entlassen. In Oester-
reich sind insgesamt 805 Idioten in Anstalten unter-
gebracht. 407 Kinder werden bloß verpflegt, 398
erhalten auch Unterricht. In Deutschland bestehen
bereits 60 Anstalten und 140 Hilfsschulen, in denen
an 17.000 Kinder erzogen, bezw. unterrichtet werden.
In Berlin werden mehr als 1000 schwachsinnige
Kinder in 95 Klassen unterrichtet. In Hamburg gibt
es bereits 26 Klassen mit 683 schwachsinnigen Kindern,
so daß in dieser einen Stadt 285 Kinder mehr ent-
sprechenden Unterricht genießen als in ganz Oester-
reich. 70% der aus den Hilfsschulen entlassenen
Schüler sind imstande, einen Beruf zu ergreifen.
Dieses Ergebnis sollte ein Ansporn zur Errichtung
neuer Hilfsschulen sein. Heute führen viele dieser
Armen ein freudloses Leben in den Familien, andere
sind in Irren-, Armen-, Krankenhäusern und Ver-
brecherzellen untergebracht. Daß viele Schwachsinnige
Verbrecher werden, ist erklärlich. Die Triebe des
Schwachsinnigen geben sich in der Aeußerung eines
rücksichtslosen, durch keine Gegenvorstellung gehemmten
Egoismus kund. Betrug, Meineid, Brandstiftung,
Notzucht kommen oft auf Rechnung des angeborenen
Schwachsinnes. Wenn die Schule den Schwachsinnigen
entläßt, müssen andere Kreise sich desselben annehmen.
Es wären Pfleger zu bestellen, welche den Schwach-
sinnigen zu bewachen und zu beraten hätten. In
Wien hat sich jüngst der Verein "Fürsorge für
Schwachsinnige" gebildet. Dieser Verein hat in Wien,
18. Bezirk, Anastasius Grüngasse 10, eine Auskunfts-
stelle errichtet, wo sich die Eltern solcher Kinder Rat
holen können. Der Redner spricht schließlich die
Erwartung aus, das Unterrichts-Ministerium werde
den Anstoß zur Schaffung eines Gesetzes geben, durch
welches für die Erziehung und den Unterricht schwach-
sinniger Kinder gesorgt wird. Ferner möge es eine
streng durchgeführte Zählung der schwachsinnigen
Kinder anordnen und schließlich die Zwecke des Ver-
eines "Fürsorge für Schwachsinnige" fördern. Der
Vortrag wurde von den Anwesenden, unter denen
man Vertreter des Ministeriums, des Landes- und
Bezirksschulrates sah, mit großem Beifall aufgenommen.

Zahl der Lehrpersonen an den Wiener
Volks- und Bürgerschulen.

An den Wiener
Anstalten sind dermalen 4852 Lehrpersonen in
Tätigkeit, hievon sind genau ein Viertel provisorisch
angestellt. Den 111 Bürgerschuldirektoren und
Direktorinnen stehen fast 9 mal so viel (913) de-
finitive Bürgerschullehrkräfte gegenüber. Auf 910
definitive Volksschullehrkräfte kommen 256 Schul-
leitungen. Nach einer sorgfältigen, aber nicht einwand-
losen Zählung amtieren gegenwärtig in Wien
2403 Lehrerinnen.

Vierte Bürgerschulklassen.

Einen Lehr-
kurs (vierte Klasse) im Sinne der Ministerialver-
ordnung vom 26. Juni 1903 beschlossen zu er-
richten: Die Ortsschulräte, resp. Stadtvertretungen
von Wels, Ischl, Mährisch-Neustadt, Winterberg,
Tannwald, Morchenstern, Liebenau, Rumburg, Mähr.-
Trübau, Brüx und Linz. Hievon sind 9 Knaben-
und 4 Mädchen-Lehrkurse. Allen Kronländern voran
schreitet Böhmen.

Landesverband für Fremdenverkehr.

Die Vorarbeiten für die einen Programmpunkt des
Verbandes bildende "Auskunftsstelle für Sommer-
wohnungen in Niederösterreich" sind nun so weit
gediehen, daß im Stadtbureau (Stubenring 20), alle
gewünschten Auskünfte, sowohl über Sommerwohnungen,
als auch über die Verhältnisse in den Sommerfrischen
und Kurorten Niederösterreichs erteilt werden können.
Auch liegen dort Prospekte, Beschreibungen und An-
[Spaltenumbruch] sichten von Orten in großer Zahl auf. Zu erwähnen
ist noch, daß die Auskunftserteilung an die Parteien
eine vollständig kostenlose ist.

Lehrbücher für die Mädchen-Lyzeen.

Zum erstenmale wurde heuer dem offiziellen Ver-
zeichnisse für die Lehrtexte der österreichischen Mittel-
schulen auch ein solches der für vaterländische Mädchen-
Lyzeen allgemein zulässigen Lehrbücher beigeschlossen.
Es soll hiedurch der Lehrerschaft die Möglichkeit ge-
boten werden, sich über die bisherige Produktion auf
diesem Gebiete und die noch nötigen Ergänzungen
Klarheit zu verschaffen. Für fleißige Schulbücher-
fabrikanten ist hier noch ein weites, unbebautes Feld.
So existieren keine speziell für Mädchen-Lyzeen be-
rechneten Lehrbücher für Religion, für lateinische und
griechische Sprache, für philosophische Propädeutik,
für geometrisches Zeichnen und darstellende Geometrie,
wie für Chemie. Außer einem Posso allo studio della
storia
in italienischer Sprache von Costantini Edvige
ist kein einziges Lehrbuch in einer anderen Landes-
sprache als der deutschen erschienen. Unter den Autoren
marschieren an der Tete nach Anzahl der verfaßten
Lehrbücher Boeruer-Kukula, Fetter-Alscher, Dr. Nader,
Dr. Wurzuer und Dr. Tupetz. Unter den Verlägen
dominierten Deuticke-Wien (16 Bände) und Tempsky-
Prag (13 Bände). Im k. k. Schulbücher-Verlag er-
schienen nur 9 Werke. Für den deutschen Sprach-
unterricht erschienen 8, für Französisch 9, für
Englisch 6, für Geographie und Geschichte 7, für
Arithmetik und Geometrie 5, für Naturkunde 13
Werke und für Stenographie nur 1 Lehrbuch (Kramsall
Emil, System Gabelsberger).

Die Förderung des Schwimmens
durch die Schule.

Wie die "Pädagogische Korres-
pondenz Bergmann" von wohlinformierter Seite
erfährt, wird demnächst ein Erlaß des Unterrichts-
ministeriums publiziert werden, der die Förderung
des Schwimmens durch die Schule zum Gegenstand
hat. Wir sind schon jetzt in der Lage, auszugsweise
hierüber zu berichten. Der wohltätige Einfluß des
Schwimmens auf die Erhaltung und Stärkung der
Körperkraft wie der Gesundheit macht es wünschens-
wert, daß nicht nur den Zöglingen der Lehrer- und
Lehrerinnenbildungsanstalten (neu! Anm. d. R. K. B.),
sondern auch den Kindern der höheren Klassen der
allgemeinen Volks- und Bürgerschulen Gelegenheit
gegeben werde, das Schwimmen zu erlernen und
fleißig praktisch zu üben. Der Minister für Kultus
und Unterricht ersucht daher die Landesschulbehörden,
geeignete Maßnahmen zu treffen. Insbesondere sollen
sie die Gemeinden und jene Vereine, welche sich die
körperliche Ausbildung der Jugend zur Aufgabe
machen, für diesen Gegenstand interessieren. Es wird
also an die Jugendspiel-, Turn-, Schwimm- und
Sportvereine herangetreten werden, damit sie über-
all dort, wo die örtlichen Verhältnisse es geeignet
erscheinen lassen, Schwimm- und Badeanstalten zu
dem in Rede stehenden Zwecke errichten oder den
Zöglingen der Lehrer- und Lehrerinnenbildungsan-
stalten die kostenlose, oder doch nur mit geringen
Kosten verbundene Erlernung und fleißige Uebung
des Schwimmens zu ermöglichen.




Korrespondenzen.
[Eigenberichte der "Badener Zeitung".]
Mödling.
(Die Saison)

beginnt in Mödling schon
mit den Ostertagen, da die Hoteliers zu dieser Zeit ihre Räume
dem Publikum öffnen. Der vom Voxjahre her allen Kurgästen,
Sommerfrischlern und Einheimischen in bester Erinnerung
stehende tüchtige Restaurateur Geduldig eröffnet die
Lokalitäten des Kursalons am 2. April und wird auch heuer
alles aufbieten, um dem Publikum alle Bequemlichkeiten und
Aufmerksamkeiten zu bereiten, die man von einem solchen
Etablissement erwarten kann. Leider ist gerade jetzt dem Besitzer
des Kursalons eine arge Unannehmlichkeit durch die Reno-
vierungsbauten an der Wasserleitung erwachsen. Der Park ist
nächst dem Kursalon arg mit Ziegeln und Steinen verschüttet,
so daß die Passage zum Eingang dadurch beeinträchtigt wird.
Hoffentlich dauern diese unerfreulichen Zustände nicht mehr
sehr lange. -- Ebenfalls zu Ostern eröffnet auch das Hotel
Hajek seine Räume den Gästen, die sich alljährlich in schöner
Zahl einstellen. Nicht zuletzt sollte man eigentlich des neuer-
bauten Ho[t]els "Eisenbahn" Erwähnung tun. -- Und nun komme,
Frühling, und bringe Gäste in Mengen, Mödling hat sich zu
ihrem Empfange gerüstet.

(Die Versammlung des Lehrervereines in
Mödling)

sindet am 7. April in der Mädchen-Bürgerschule
statt. Unter anderem wird auch eine Vorbesprechung zu den
Wahlen in die Bezirkslehrerkonferenz abgehalten.

(Gestürzt)

mit dem Rade ist der Wiener A. Lorenz,
als er gerade nach Laxenburg fuhr. Er wurde, wie es scheint,
ziemlich bedeutend im Gesichte verletzt von Passanten auf der
Straße liegend aufgefunden, dann im Radfahrerheim gelabt
und dann nach Wien gebracht. Hiebei leistete Herr Rossin,
in dessen Hotel sich das Radfahrerheim befindet, tatkräitigen
Beistand.

(Radler-Freuden.)

Selbst für den bedächtigsten
Radfahrer lauern auf allen Seiten die Gefahren. Das zeigte
[Spaltenumbruch] sich wieder deutlich, als der Rafahrer F. Adametz vor kurzem
durch die Wienerstraße fuhr. Beim Waisenhause stand ein
Wagen uud hinter diesem, dem Radler nicht sichtbar, lief
plötzlich ein fünfjähriges Bürschchen hervor und direkt auf den
Radfahrer zu. Dem Kleinen wiederfuhr allerdings nichts weiter, als
daß er einige Hautritzer erlitt und einen Schreck bekam. Da-
gegen gab es für Adametz böse Folgen. Er war knapp neben
dem Wagen gefahren und riß das Rad, damit der Kleine nicht
überfahren werde, dermaßen heftig auf die rechte Seite, daß
es schwer beschädigt wurde; weiters wurde er angezeigt und
hatte die Aufregung einer Verhandlung durchzumachen. Aller-
dings kam er nach den Ergebnissen des Verhörs mit den
Zeugen ohne Strafe davon; immerhin aber sieht man, wie
schwer es für den Radfahrer ist, allen Unfällen auszuweichen.

(Selbstmord.)

Der in der Helferstorferstraße in
Maria-Enzersdorf wahnhafte Schneidermeister Rudolt Holy
hat sich am 24. d. M. erhenkt. Wie verlautet, sollen die zer-
rütteten Vermögensverhältnisse den Mann in den Tod getrieben
haben.

(In Brunn a. G.)

ereignete sich am 17. d. M. abends
in dem Hanse des Gastwirtes Georg Leser, Enzersdorfer-
straße 18, ein aufregender Vorfall. Der Mann wurde ohne
jedwede vorherige Anzeichen plötzlich irrsinnig und rief unter
den eben auwesenden Gästen furchtbare Aufregung hervor. Er
wollte zuerst seine Frau erstechen, wandte sich dann gegen den
ihr zur Hilfe herbeigeeilten Schwager und konnte endlich von
Gästen unter Assistenz der Sicherheitswache gebändigt werden.
Der Irrsinnige wurde in das Mödlinger Krankenhaus überführt.

Berndorf.
(Benefize-Vorstellungen des
Lustspiel-Ensembles.)

Ostersonntag: "Die Goldprobe",
Lustspiel in drei Akten von Augier uud Sandon. Ostermontag:
"Galeotto", Drama in drei Akten und einem Vorspiele
von Echegary. Beginn beider Verstellungen 3 Uhr nachmittags.
Bei der Beliebtheit, welcher sich das Ensemble während der
heurigen Saison erfreute, wünschen wir den besten Erfolg.




Theater.
Stadttheater in Baden.

Freitag, den 25. d. M., mit Fräulein Isa
Hassaty als Gast, zum erstenmale: "Amor am
Start",
Lustspiel in 3 Aufzügen mit melodrama-
tischer Musik von Arthur Demokritos.

Der talentierte Verfasser, der unter dem Pseu-
donym "Demokritos", gleich dem bekannten lachenden
Philosophen aus Abdera, die menschlichen Thorheiten
nach altbewährtem griechisch-antiken Rezepte nach
Gebühr, mit Kunst und Regel zu würdigen versteht,
hat mit seinem modernen Lustspiele "Amor am
Start" eine sehr beachtenswerte Bühnenarbeit erbracht,
die bei geeigneterer Besetzung, besserem Studium und
Zusammenspiel und ganz ohne Streichung gewiß auch
einen weit größeren Erfolg als den der hiesigen,
wohl etwas überhasteten Erstaufführung erzielt hätte.
Trotzdem kann aber der Dichter mit der Badener
Premiere, der Feuerprobe seines für die Allgemeinheit
zu tief angelegten Stückes recht zufrieden sein, denn
dieselbe gab wenigstens die volle Gelegenheit, das
philosophierende Bühnenwerk, das trotz seiner bei
jeder Anfängerschaft unvermeidlichen Mängel viele
Vorzüge aufweist, auf den bühnenliterarischen Wert
zu prüfen und das Endurteil über das Ganze dürfte
gewiß nicht zu Ungunsten des dichtenden Anonymus
"Demokritos" ausfallen, weil das Lustspiel "Amor
am Start" eine beachtenswerte Schöpfung ist, der
nur eine passende Einrichtung und der sogenannte
Ausschliff fehlt. Ja, noch mehr. Wenn der Verfasser,
gleich dem alten Demokritos, auch "das höchste mensch-
liche Glück in der völligen Seelenruhe" finden könnte
und er in dieser nicht jedermann gegebenen Stimmung
der Gegenwart einige zeitgemäße Konzessionen machen
würde, die nun einmal von der Zugkraft eines Lust-
spieles, kräftigere Kost, wie etwa eine komische Durch-
laufsperson, diverse Zünder oder Schlager mit den
zum Beifall herausfordernden richtigen Abgängen
begehrt und sich zu derartigen modernen Zutaten
entschließen dürfte, so wird die schätzenswerte, tief-
durchdachte und in manchen Einzelheiten sehr gelungene
Arbeit auch die bleibende Repertoirfähigkeit erhalten.
Gelegenheit hiezu wäre leicht vorhanden. Was könnte
der Dichter aus den Personen des Franz und der
Fini machen, wenn dieselben textlich größer bedacht
und vielleicht durch Dialektverschiedenheiten kontrastisch
ausgezeichnet würden. Wie zum Beispiel Hawel in
"Mutter Sorge" diese selbst sichtbar für die Bühne
personifizierte, so ließe auch der pikante Stoff und
hauptsächlich das glanzvolle Maskenspiel des letzten
Aktes ein persönliches Erscheinen des geflügelten
Liebesgottes zu, der mit seinem geheimnisvollen
Kommen und Gehen in den Gang der Handlung
eingreifen könnte u. s. w.

Nach diesen im Interesse des ganzen gemachten
Vorbemerkungen sei der Handlung des Stückes selbst
gedacht.

Der gutherzige, nun seinen 50. Geburtstag
feiernde Lebemann Hans v. Stromberg, der in steter
Verehrung jener Weiblichkeiten, die der männlichen

Mittwoch Badener Zeitung 30. März 1904. Nr. 26.

[Spaltenumbruch] erinnen), denen eine Wärterin beigegeben iſt. Die
Geſamtzahl der Kinder im Jahre 1903 betrug daher
auch 3769. Wien, die Reichshaupt- und Reſidenzſtadt,
zählte im Jahre 1903 im ganzen 11 kommunale
Kindergärten und 14 Kindergärtnerinnen; 4 ſyſtemi-
ſierte Stellen waren unbeſetzt. Brünn, die Provinz-
ſtadt, zählte im ſelben Jahre 21 Kindergärten mit
85 Kindergärtnerinnen!!

Die Fürſorge für Schwachſinnige.

Ueber dieſen argvernachläſſigten Zweig unſerer Huma-
nitätsbeſtrebungen ſprach Samstag, den 12. d. M.,
Herr Oberlehrer Hans Schiener im öſterreichiſchen
Schulmuſeum. Die Zahl der Schwachſinnigen in
Oeſterreich läßt ſich nicht feſtſtellen, da bei der letzten
Volkszählung die Schwachſinnigen nicht mitgezählt
wurden. Im allgemeinen kann man annehmen, daß
auf 10.000 Perſonen 15—20 Idioten, die Schwach-
ſinnigen nicht mitgerechnet, kommen. In Wien gibt
es etwa 1000 Schwachſinnige, von denen 150 An-
ſtalten beſuchen; die anderen ſind in Volksſchulen
untergebracht oder genießen gar keinen Unterricht.
Mindeſtens 4000 Schwachbefähigte ſitzen in den un-
terſten Klaſſen der Volksſchulen und werden mittelſt
Abgangszeugniſſes aus denſelben entlaſſen. In Oeſter-
reich ſind insgeſamt 805 Idioten in Anſtalten unter-
gebracht. 407 Kinder werden bloß verpflegt, 398
erhalten auch Unterricht. In Deutſchland beſtehen
bereits 60 Anſtalten und 140 Hilfsſchulen, in denen
an 17.000 Kinder erzogen, bezw. unterrichtet werden.
In Berlin werden mehr als 1000 ſchwachſinnige
Kinder in 95 Klaſſen unterrichtet. In Hamburg gibt
es bereits 26 Klaſſen mit 683 ſchwachſinnigen Kindern,
ſo daß in dieſer einen Stadt 285 Kinder mehr ent-
ſprechenden Unterricht genießen als in ganz Oeſter-
reich. 70% der aus den Hilfsſchulen entlaſſenen
Schüler ſind imſtande, einen Beruf zu ergreifen.
Dieſes Ergebnis ſollte ein Anſporn zur Errichtung
neuer Hilfsſchulen ſein. Heute führen viele dieſer
Armen ein freudloſes Leben in den Familien, andere
ſind in Irren-, Armen-, Krankenhäuſern und Ver-
brecherzellen untergebracht. Daß viele Schwachſinnige
Verbrecher werden, iſt erklärlich. Die Triebe des
Schwachſinnigen geben ſich in der Aeußerung eines
rückſichtsloſen, durch keine Gegenvorſtellung gehemmten
Egoismus kund. Betrug, Meineid, Brandſtiftung,
Notzucht kommen oft auf Rechnung des angeborenen
Schwachſinnes. Wenn die Schule den Schwachſinnigen
entläßt, müſſen andere Kreiſe ſich desſelben annehmen.
Es wären Pfleger zu beſtellen, welche den Schwach-
ſinnigen zu bewachen und zu beraten hätten. In
Wien hat ſich jüngſt der Verein „Fürſorge für
Schwachſinnige“ gebildet. Dieſer Verein hat in Wien,
18. Bezirk, Anaſtaſius Grüngaſſe 10, eine Auskunfts-
ſtelle errichtet, wo ſich die Eltern ſolcher Kinder Rat
holen können. Der Redner ſpricht ſchließlich die
Erwartung aus, das Unterrichts-Miniſterium werde
den Anſtoß zur Schaffung eines Geſetzes geben, durch
welches für die Erziehung und den Unterricht ſchwach-
ſinniger Kinder geſorgt wird. Ferner möge es eine
ſtreng durchgeführte Zählung der ſchwachſinnigen
Kinder anordnen und ſchließlich die Zwecke des Ver-
eines „Fürſorge für Schwachſinnige“ fördern. Der
Vortrag wurde von den Anweſenden, unter denen
man Vertreter des Miniſteriums, des Landes- und
Bezirksſchulrates ſah, mit großem Beifall aufgenommen.

Zahl der Lehrperſonen an den Wiener
Volks- und Bürgerſchulen.

An den Wiener
Anſtalten ſind dermalen 4852 Lehrperſonen in
Tätigkeit, hievon ſind genau ein Viertel proviſoriſch
angeſtellt. Den 111 Bürgerſchuldirektoren und
Direktorinnen ſtehen faſt 9 mal ſo viel (913) de-
finitive Bürgerſchullehrkräfte gegenüber. Auf 910
definitive Volksſchullehrkräfte kommen 256 Schul-
leitungen. Nach einer ſorgfältigen, aber nicht einwand-
loſen Zählung amtieren gegenwärtig in Wien
2403 Lehrerinnen.

Vierte Bürgerſchulklaſſen.

Einen Lehr-
kurs (vierte Klaſſe) im Sinne der Miniſterialver-
ordnung vom 26. Juni 1903 beſchloſſen zu er-
richten: Die Ortsſchulräte, reſp. Stadtvertretungen
von Wels, Iſchl, Mähriſch-Neuſtadt, Winterberg,
Tannwald, Morchenſtern, Liebenau, Rumburg, Mähr.-
Trübau, Brüx und Linz. Hievon ſind 9 Knaben-
und 4 Mädchen-Lehrkurſe. Allen Kronländern voran
ſchreitet Böhmen.

Landesverband für Fremdenverkehr.

Die Vorarbeiten für die einen Programmpunkt des
Verbandes bildende „Auskunftsſtelle für Sommer-
wohnungen in Niederöſterreich“ ſind nun ſo weit
gediehen, daß im Stadtbureau (Stubenring 20), alle
gewünſchten Auskünfte, ſowohl über Sommerwohnungen,
als auch über die Verhältniſſe in den Sommerfriſchen
und Kurorten Niederöſterreichs erteilt werden können.
Auch liegen dort Proſpekte, Beſchreibungen und An-
[Spaltenumbruch] ſichten von Orten in großer Zahl auf. Zu erwähnen
iſt noch, daß die Auskunftserteilung an die Parteien
eine vollſtändig koſtenloſe iſt.

Lehrbücher für die Mädchen-Lyzeen.

Zum erſtenmale wurde heuer dem offiziellen Ver-
zeichniſſe für die Lehrtexte der öſterreichiſchen Mittel-
ſchulen auch ein ſolches der für vaterländiſche Mädchen-
Lyzeen allgemein zuläſſigen Lehrbücher beigeſchloſſen.
Es ſoll hiedurch der Lehrerſchaft die Möglichkeit ge-
boten werden, ſich über die bisherige Produktion auf
dieſem Gebiete und die noch nötigen Ergänzungen
Klarheit zu verſchaffen. Für fleißige Schulbücher-
fabrikanten iſt hier noch ein weites, unbebautes Feld.
So exiſtieren keine ſpeziell für Mädchen-Lyzeen be-
rechneten Lehrbücher für Religion, für lateiniſche und
griechiſche Sprache, für philoſophiſche Propädeutik,
für geometriſches Zeichnen und darſtellende Geometrie,
wie für Chemie. Außer einem Posso allo studio della
storia
in italieniſcher Sprache von Coſtantini Edvige
iſt kein einziges Lehrbuch in einer anderen Landes-
ſprache als der deutſchen erſchienen. Unter den Autoren
marſchieren an der Tete nach Anzahl der verfaßten
Lehrbücher Boeruer-Kukula, Fetter-Alſcher, Dr. Nader,
Dr. Wurzuer und Dr. Tupetz. Unter den Verlägen
dominierten Deuticke-Wien (16 Bände) und Tempsky-
Prag (13 Bände). Im k. k. Schulbücher-Verlag er-
ſchienen nur 9 Werke. Für den deutſchen Sprach-
unterricht erſchienen 8, für Franzöſiſch 9, für
Engliſch 6, für Geographie und Geſchichte 7, für
Arithmetik und Geometrie 5, für Naturkunde 13
Werke und für Stenographie nur 1 Lehrbuch (Kramſall
Emil, Syſtem Gabelsberger).

Die Förderung des Schwimmens
durch die Schule.

Wie die „Pädagogiſche Korres-
pondenz Bergmann“ von wohlinformierter Seite
erfährt, wird demnächſt ein Erlaß des Unterrichts-
miniſteriums publiziert werden, der die Förderung
des Schwimmens durch die Schule zum Gegenſtand
hat. Wir ſind ſchon jetzt in der Lage, auszugsweiſe
hierüber zu berichten. Der wohltätige Einfluß des
Schwimmens auf die Erhaltung und Stärkung der
Körperkraft wie der Geſundheit macht es wünſchens-
wert, daß nicht nur den Zöglingen der Lehrer- und
Lehrerinnenbildungsanſtalten (neu! Anm. d. R. K. B.),
ſondern auch den Kindern der höheren Klaſſen der
allgemeinen Volks- und Bürgerſchulen Gelegenheit
gegeben werde, das Schwimmen zu erlernen und
fleißig praktiſch zu üben. Der Miniſter für Kultus
und Unterricht erſucht daher die Landesſchulbehörden,
geeignete Maßnahmen zu treffen. Insbeſondere ſollen
ſie die Gemeinden und jene Vereine, welche ſich die
körperliche Ausbildung der Jugend zur Aufgabe
machen, für dieſen Gegenſtand intereſſieren. Es wird
alſo an die Jugendſpiel-, Turn-, Schwimm- und
Sportvereine herangetreten werden, damit ſie über-
all dort, wo die örtlichen Verhältniſſe es geeignet
erſcheinen laſſen, Schwimm- und Badeanſtalten zu
dem in Rede ſtehenden Zwecke errichten oder den
Zöglingen der Lehrer- und Lehrerinnenbildungsan-
ſtalten die koſtenloſe, oder doch nur mit geringen
Koſten verbundene Erlernung und fleißige Uebung
des Schwimmens zu ermöglichen.




Korreſpondenzen.
[Eigenberichte der „Badener Zeitung“.]
Mödling.
(Die Saiſon)

beginnt in Mödling ſchon
mit den Oſtertagen, da die Hoteliers zu dieſer Zeit ihre Räume
dem Publikum öffnen. Der vom Voxjahre her allen Kurgäſten,
Sommerfriſchlern und Einheimiſchen in beſter Erinnerung
ſtehende tüchtige Reſtaurateur Geduldig eröffnet die
Lokalitäten des Kurſalons am 2. April und wird auch heuer
alles aufbieten, um dem Publikum alle Bequemlichkeiten und
Aufmerkſamkeiten zu bereiten, die man von einem ſolchen
Etabliſſement erwarten kann. Leider iſt gerade jetzt dem Beſitzer
des Kurſalons eine arge Unannehmlichkeit durch die Reno-
vierungsbauten an der Waſſerleitung erwachſen. Der Park iſt
nächſt dem Kurſalon arg mit Ziegeln und Steinen verſchüttet,
ſo daß die Paſſage zum Eingang dadurch beeinträchtigt wird.
Hoffentlich dauern dieſe unerfreulichen Zuſtände nicht mehr
ſehr lange. — Ebenfalls zu Oſtern eröffnet auch das Hotel
Hajek ſeine Räume den Gäſten, die ſich alljährlich in ſchöner
Zahl einſtellen. Nicht zuletzt ſollte man eigentlich des neuer-
bauten Ho[t]els „Eiſenbahn“ Erwähnung tun. — Und nun komme,
Frühling, und bringe Gäſte in Mengen, Mödling hat ſich zu
ihrem Empfange gerüſtet.

(Die Verſammlung des Lehrervereines in
Mödling)

ſindet am 7. April in der Mädchen-Bürgerſchule
ſtatt. Unter anderem wird auch eine Vorbeſprechung zu den
Wahlen in die Bezirkslehrerkonferenz abgehalten.

(Geſtürzt)

mit dem Rade iſt der Wiener A. Lorenz,
als er gerade nach Laxenburg fuhr. Er wurde, wie es ſcheint,
ziemlich bedeutend im Geſichte verletzt von Paſſanten auf der
Straße liegend aufgefunden, dann im Radfahrerheim gelabt
und dann nach Wien gebracht. Hiebei leiſtete Herr Roſſin,
in deſſen Hotel ſich das Radfahrerheim befindet, tatkräitigen
Beiſtand.

(Radler-Freuden.)

Selbſt für den bedächtigſten
Radfahrer lauern auf allen Seiten die Gefahren. Das zeigte
[Spaltenumbruch] ſich wieder deutlich, als der Rafahrer F. Adametz vor kurzem
durch die Wienerſtraße fuhr. Beim Waiſenhauſe ſtand ein
Wagen uud hinter dieſem, dem Radler nicht ſichtbar, lief
plötzlich ein fünfjähriges Bürſchchen hervor und direkt auf den
Radfahrer zu. Dem Kleinen wiederfuhr allerdings nichts weiter, als
daß er einige Hautritzer erlitt und einen Schreck bekam. Da-
gegen gab es für Adametz böſe Folgen. Er war knapp neben
dem Wagen gefahren und riß das Rad, damit der Kleine nicht
überfahren werde, dermaßen heftig auf die rechte Seite, daß
es ſchwer beſchädigt wurde; weiters wurde er angezeigt und
hatte die Aufregung einer Verhandlung durchzumachen. Aller-
dings kam er nach den Ergebniſſen des Verhörs mit den
Zeugen ohne Strafe davon; immerhin aber ſieht man, wie
ſchwer es für den Radfahrer iſt, allen Unfällen auszuweichen.

(Selbſtmord.)

Der in der Helferſtorferſtraße in
Maria-Enzersdorf wahnhafte Schneidermeiſter Rudolt Holy
hat ſich am 24. d. M. erhenkt. Wie verlautet, ſollen die zer-
rütteten Vermögensverhältniſſe den Mann in den Tod getrieben
haben.

(In Brunn a. G.)

ereignete ſich am 17. d. M. abends
in dem Hanſe des Gaſtwirtes Georg Leſer, Enzersdorfer-
ſtraße 18, ein aufregender Vorfall. Der Mann wurde ohne
jedwede vorherige Anzeichen plötzlich irrſinnig und rief unter
den eben auweſenden Gäſten furchtbare Aufregung hervor. Er
wollte zuerſt ſeine Frau erſtechen, wandte ſich dann gegen den
ihr zur Hilfe herbeigeeilten Schwager und konnte endlich von
Gäſten unter Aſſiſtenz der Sicherheitswache gebändigt werden.
Der Irrſinnige wurde in das Mödlinger Krankenhaus überführt.

Berndorf.
(Benefize-Vorſtellungen des
Luſtſpiel-Enſembles.)

Oſterſonntag: „Die Goldprobe“,
Luſtſpiel in drei Akten von Augier uud Sandon. Oſtermontag:
„Galeotto“, Drama in drei Akten und einem Vorſpiele
von Echegary. Beginn beider Verſtellungen 3 Uhr nachmittags.
Bei der Beliebtheit, welcher ſich das Enſemble während der
heurigen Saiſon erfreute, wünſchen wir den beſten Erfolg.




Theater.
Stadttheater in Baden.

Freitag, den 25. d. M., mit Fräulein Iſa
Haſſaty als Gaſt, zum erſtenmale: „Amor am
Start“,
Luſtſpiel in 3 Aufzügen mit melodrama-
tiſcher Muſik von Arthur Demokritos.

Der talentierte Verfaſſer, der unter dem Pſeu-
donym „Demokritos“, gleich dem bekannten lachenden
Philoſophen aus Abdera, die menſchlichen Thorheiten
nach altbewährtem griechiſch-antiken Rezepte nach
Gebühr, mit Kunſt und Regel zu würdigen verſteht,
hat mit ſeinem modernen Luſtſpiele „Amor am
Start“ eine ſehr beachtenswerte Bühnenarbeit erbracht,
die bei geeigneterer Beſetzung, beſſerem Studium und
Zuſammenſpiel und ganz ohne Streichung gewiß auch
einen weit größeren Erfolg als den der hieſigen,
wohl etwas überhaſteten Erſtaufführung erzielt hätte.
Trotzdem kann aber der Dichter mit der Badener
Premiere, der Feuerprobe ſeines für die Allgemeinheit
zu tief angelegten Stückes recht zufrieden ſein, denn
dieſelbe gab wenigſtens die volle Gelegenheit, das
philoſophierende Bühnenwerk, das trotz ſeiner bei
jeder Anfängerſchaft unvermeidlichen Mängel viele
Vorzüge aufweiſt, auf den bühnenliterariſchen Wert
zu prüfen und das Endurteil über das Ganze dürfte
gewiß nicht zu Ungunſten des dichtenden Anonymus
„Demokritos“ ausfallen, weil das Luſtſpiel „Amor
am Start“ eine beachtenswerte Schöpfung iſt, der
nur eine paſſende Einrichtung und der ſogenannte
Ausſchliff fehlt. Ja, noch mehr. Wenn der Verfaſſer,
gleich dem alten Demokritos, auch „das höchſte menſch-
liche Glück in der völligen Seelenruhe“ finden könnte
und er in dieſer nicht jedermann gegebenen Stimmung
der Gegenwart einige zeitgemäße Konzeſſionen machen
würde, die nun einmal von der Zugkraft eines Luſt-
ſpieles, kräftigere Koſt, wie etwa eine komiſche Durch-
laufsperſon, diverſe Zünder oder Schlager mit den
zum Beifall herausfordernden richtigen Abgängen
begehrt und ſich zu derartigen modernen Zutaten
entſchließen dürfte, ſo wird die ſchätzenswerte, tief-
durchdachte und in manchen Einzelheiten ſehr gelungene
Arbeit auch die bleibende Repertoirfähigkeit erhalten.
Gelegenheit hiezu wäre leicht vorhanden. Was könnte
der Dichter aus den Perſonen des Franz und der
Fini machen, wenn dieſelben textlich größer bedacht
und vielleicht durch Dialektverſchiedenheiten kontraſtiſch
ausgezeichnet würden. Wie zum Beiſpiel Hawel in
„Mutter Sorge“ dieſe ſelbſt ſichtbar für die Bühne
perſonifizierte, ſo ließe auch der pikante Stoff und
hauptſächlich das glanzvolle Maskenſpiel des letzten
Aktes ein perſönliches Erſcheinen des geflügelten
Liebesgottes zu, der mit ſeinem geheimnisvollen
Kommen und Gehen in den Gang der Handlung
eingreifen könnte u. ſ. w.

Nach dieſen im Intereſſe des ganzen gemachten
Vorbemerkungen ſei der Handlung des Stückes ſelbſt
gedacht.

Der gutherzige, nun ſeinen 50. Geburtstag
feiernde Lebemann Hans v. Stromberg, der in ſteter
Verehrung jener Weiblichkeiten, die der männlichen

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[4/0004] Mittwoch Badener Zeitung 30. März 1904. Nr. 26. erinnen), denen eine Wärterin beigegeben iſt. Die Geſamtzahl der Kinder im Jahre 1903 betrug daher auch 3769. Wien, die Reichshaupt- und Reſidenzſtadt, zählte im Jahre 1903 im ganzen 11 kommunale Kindergärten und 14 Kindergärtnerinnen; 4 ſyſtemi- ſierte Stellen waren unbeſetzt. Brünn, die Provinz- ſtadt, zählte im ſelben Jahre 21 Kindergärten mit 85 Kindergärtnerinnen!! Die Fürſorge für Schwachſinnige. Ueber dieſen argvernachläſſigten Zweig unſerer Huma- nitätsbeſtrebungen ſprach Samstag, den 12. d. M., Herr Oberlehrer Hans Schiener im öſterreichiſchen Schulmuſeum. Die Zahl der Schwachſinnigen in Oeſterreich läßt ſich nicht feſtſtellen, da bei der letzten Volkszählung die Schwachſinnigen nicht mitgezählt wurden. Im allgemeinen kann man annehmen, daß auf 10.000 Perſonen 15—20 Idioten, die Schwach- ſinnigen nicht mitgerechnet, kommen. In Wien gibt es etwa 1000 Schwachſinnige, von denen 150 An- ſtalten beſuchen; die anderen ſind in Volksſchulen untergebracht oder genießen gar keinen Unterricht. Mindeſtens 4000 Schwachbefähigte ſitzen in den un- terſten Klaſſen der Volksſchulen und werden mittelſt Abgangszeugniſſes aus denſelben entlaſſen. In Oeſter- reich ſind insgeſamt 805 Idioten in Anſtalten unter- gebracht. 407 Kinder werden bloß verpflegt, 398 erhalten auch Unterricht. In Deutſchland beſtehen bereits 60 Anſtalten und 140 Hilfsſchulen, in denen an 17.000 Kinder erzogen, bezw. unterrichtet werden. In Berlin werden mehr als 1000 ſchwachſinnige Kinder in 95 Klaſſen unterrichtet. In Hamburg gibt es bereits 26 Klaſſen mit 683 ſchwachſinnigen Kindern, ſo daß in dieſer einen Stadt 285 Kinder mehr ent- ſprechenden Unterricht genießen als in ganz Oeſter- reich. 70% der aus den Hilfsſchulen entlaſſenen Schüler ſind imſtande, einen Beruf zu ergreifen. Dieſes Ergebnis ſollte ein Anſporn zur Errichtung neuer Hilfsſchulen ſein. Heute führen viele dieſer Armen ein freudloſes Leben in den Familien, andere ſind in Irren-, Armen-, Krankenhäuſern und Ver- brecherzellen untergebracht. Daß viele Schwachſinnige Verbrecher werden, iſt erklärlich. Die Triebe des Schwachſinnigen geben ſich in der Aeußerung eines rückſichtsloſen, durch keine Gegenvorſtellung gehemmten Egoismus kund. Betrug, Meineid, Brandſtiftung, Notzucht kommen oft auf Rechnung des angeborenen Schwachſinnes. Wenn die Schule den Schwachſinnigen entläßt, müſſen andere Kreiſe ſich desſelben annehmen. Es wären Pfleger zu beſtellen, welche den Schwach- ſinnigen zu bewachen und zu beraten hätten. In Wien hat ſich jüngſt der Verein „Fürſorge für Schwachſinnige“ gebildet. Dieſer Verein hat in Wien, 18. Bezirk, Anaſtaſius Grüngaſſe 10, eine Auskunfts- ſtelle errichtet, wo ſich die Eltern ſolcher Kinder Rat holen können. Der Redner ſpricht ſchließlich die Erwartung aus, das Unterrichts-Miniſterium werde den Anſtoß zur Schaffung eines Geſetzes geben, durch welches für die Erziehung und den Unterricht ſchwach- ſinniger Kinder geſorgt wird. Ferner möge es eine ſtreng durchgeführte Zählung der ſchwachſinnigen Kinder anordnen und ſchließlich die Zwecke des Ver- eines „Fürſorge für Schwachſinnige“ fördern. Der Vortrag wurde von den Anweſenden, unter denen man Vertreter des Miniſteriums, des Landes- und Bezirksſchulrates ſah, mit großem Beifall aufgenommen. Zahl der Lehrperſonen an den Wiener Volks- und Bürgerſchulen. An den Wiener Anſtalten ſind dermalen 4852 Lehrperſonen in Tätigkeit, hievon ſind genau ein Viertel proviſoriſch angeſtellt. Den 111 Bürgerſchuldirektoren und Direktorinnen ſtehen faſt 9 mal ſo viel (913) de- finitive Bürgerſchullehrkräfte gegenüber. Auf 910 definitive Volksſchullehrkräfte kommen 256 Schul- leitungen. Nach einer ſorgfältigen, aber nicht einwand- loſen Zählung amtieren gegenwärtig in Wien 2403 Lehrerinnen. Vierte Bürgerſchulklaſſen. Einen Lehr- kurs (vierte Klaſſe) im Sinne der Miniſterialver- ordnung vom 26. Juni 1903 beſchloſſen zu er- richten: Die Ortsſchulräte, reſp. Stadtvertretungen von Wels, Iſchl, Mähriſch-Neuſtadt, Winterberg, Tannwald, Morchenſtern, Liebenau, Rumburg, Mähr.- Trübau, Brüx und Linz. Hievon ſind 9 Knaben- und 4 Mädchen-Lehrkurſe. Allen Kronländern voran ſchreitet Böhmen. Landesverband für Fremdenverkehr. Die Vorarbeiten für die einen Programmpunkt des Verbandes bildende „Auskunftsſtelle für Sommer- wohnungen in Niederöſterreich“ ſind nun ſo weit gediehen, daß im Stadtbureau (Stubenring 20), alle gewünſchten Auskünfte, ſowohl über Sommerwohnungen, als auch über die Verhältniſſe in den Sommerfriſchen und Kurorten Niederöſterreichs erteilt werden können. Auch liegen dort Proſpekte, Beſchreibungen und An- ſichten von Orten in großer Zahl auf. Zu erwähnen iſt noch, daß die Auskunftserteilung an die Parteien eine vollſtändig koſtenloſe iſt. Lehrbücher für die Mädchen-Lyzeen. Zum erſtenmale wurde heuer dem offiziellen Ver- zeichniſſe für die Lehrtexte der öſterreichiſchen Mittel- ſchulen auch ein ſolches der für vaterländiſche Mädchen- Lyzeen allgemein zuläſſigen Lehrbücher beigeſchloſſen. Es ſoll hiedurch der Lehrerſchaft die Möglichkeit ge- boten werden, ſich über die bisherige Produktion auf dieſem Gebiete und die noch nötigen Ergänzungen Klarheit zu verſchaffen. Für fleißige Schulbücher- fabrikanten iſt hier noch ein weites, unbebautes Feld. So exiſtieren keine ſpeziell für Mädchen-Lyzeen be- rechneten Lehrbücher für Religion, für lateiniſche und griechiſche Sprache, für philoſophiſche Propädeutik, für geometriſches Zeichnen und darſtellende Geometrie, wie für Chemie. Außer einem Posso allo studio della storia in italieniſcher Sprache von Coſtantini Edvige iſt kein einziges Lehrbuch in einer anderen Landes- ſprache als der deutſchen erſchienen. Unter den Autoren marſchieren an der Tete nach Anzahl der verfaßten Lehrbücher Boeruer-Kukula, Fetter-Alſcher, Dr. Nader, Dr. Wurzuer und Dr. Tupetz. Unter den Verlägen dominierten Deuticke-Wien (16 Bände) und Tempsky- Prag (13 Bände). Im k. k. Schulbücher-Verlag er- ſchienen nur 9 Werke. Für den deutſchen Sprach- unterricht erſchienen 8, für Franzöſiſch 9, für Engliſch 6, für Geographie und Geſchichte 7, für Arithmetik und Geometrie 5, für Naturkunde 13 Werke und für Stenographie nur 1 Lehrbuch (Kramſall Emil, Syſtem Gabelsberger). Die Förderung des Schwimmens durch die Schule. Wie die „Pädagogiſche Korres- pondenz Bergmann“ von wohlinformierter Seite erfährt, wird demnächſt ein Erlaß des Unterrichts- miniſteriums publiziert werden, der die Förderung des Schwimmens durch die Schule zum Gegenſtand hat. Wir ſind ſchon jetzt in der Lage, auszugsweiſe hierüber zu berichten. Der wohltätige Einfluß des Schwimmens auf die Erhaltung und Stärkung der Körperkraft wie der Geſundheit macht es wünſchens- wert, daß nicht nur den Zöglingen der Lehrer- und Lehrerinnenbildungsanſtalten (neu! Anm. d. R. K. B.), ſondern auch den Kindern der höheren Klaſſen der allgemeinen Volks- und Bürgerſchulen Gelegenheit gegeben werde, das Schwimmen zu erlernen und fleißig praktiſch zu üben. Der Miniſter für Kultus und Unterricht erſucht daher die Landesſchulbehörden, geeignete Maßnahmen zu treffen. Insbeſondere ſollen ſie die Gemeinden und jene Vereine, welche ſich die körperliche Ausbildung der Jugend zur Aufgabe machen, für dieſen Gegenſtand intereſſieren. Es wird alſo an die Jugendſpiel-, Turn-, Schwimm- und Sportvereine herangetreten werden, damit ſie über- all dort, wo die örtlichen Verhältniſſe es geeignet erſcheinen laſſen, Schwimm- und Badeanſtalten zu dem in Rede ſtehenden Zwecke errichten oder den Zöglingen der Lehrer- und Lehrerinnenbildungsan- ſtalten die koſtenloſe, oder doch nur mit geringen Koſten verbundene Erlernung und fleißige Uebung des Schwimmens zu ermöglichen. Korreſpondenzen. [Eigenberichte der „Badener Zeitung“.] Mödling. (Die Saiſon) beginnt in Mödling ſchon mit den Oſtertagen, da die Hoteliers zu dieſer Zeit ihre Räume dem Publikum öffnen. Der vom Voxjahre her allen Kurgäſten, Sommerfriſchlern und Einheimiſchen in beſter Erinnerung ſtehende tüchtige Reſtaurateur Geduldig eröffnet die Lokalitäten des Kurſalons am 2. April und wird auch heuer alles aufbieten, um dem Publikum alle Bequemlichkeiten und Aufmerkſamkeiten zu bereiten, die man von einem ſolchen Etabliſſement erwarten kann. Leider iſt gerade jetzt dem Beſitzer des Kurſalons eine arge Unannehmlichkeit durch die Reno- vierungsbauten an der Waſſerleitung erwachſen. Der Park iſt nächſt dem Kurſalon arg mit Ziegeln und Steinen verſchüttet, ſo daß die Paſſage zum Eingang dadurch beeinträchtigt wird. Hoffentlich dauern dieſe unerfreulichen Zuſtände nicht mehr ſehr lange. — Ebenfalls zu Oſtern eröffnet auch das Hotel Hajek ſeine Räume den Gäſten, die ſich alljährlich in ſchöner Zahl einſtellen. Nicht zuletzt ſollte man eigentlich des neuer- bauten Hotels „Eiſenbahn“ Erwähnung tun. — Und nun komme, Frühling, und bringe Gäſte in Mengen, Mödling hat ſich zu ihrem Empfange gerüſtet. (Die Verſammlung des Lehrervereines in Mödling) ſindet am 7. April in der Mädchen-Bürgerſchule ſtatt. Unter anderem wird auch eine Vorbeſprechung zu den Wahlen in die Bezirkslehrerkonferenz abgehalten. (Geſtürzt) mit dem Rade iſt der Wiener A. Lorenz, als er gerade nach Laxenburg fuhr. Er wurde, wie es ſcheint, ziemlich bedeutend im Geſichte verletzt von Paſſanten auf der Straße liegend aufgefunden, dann im Radfahrerheim gelabt und dann nach Wien gebracht. Hiebei leiſtete Herr Roſſin, in deſſen Hotel ſich das Radfahrerheim befindet, tatkräitigen Beiſtand. (Radler-Freuden.) Selbſt für den bedächtigſten Radfahrer lauern auf allen Seiten die Gefahren. Das zeigte ſich wieder deutlich, als der Rafahrer F. Adametz vor kurzem durch die Wienerſtraße fuhr. Beim Waiſenhauſe ſtand ein Wagen uud hinter dieſem, dem Radler nicht ſichtbar, lief plötzlich ein fünfjähriges Bürſchchen hervor und direkt auf den Radfahrer zu. Dem Kleinen wiederfuhr allerdings nichts weiter, als daß er einige Hautritzer erlitt und einen Schreck bekam. Da- gegen gab es für Adametz böſe Folgen. Er war knapp neben dem Wagen gefahren und riß das Rad, damit der Kleine nicht überfahren werde, dermaßen heftig auf die rechte Seite, daß es ſchwer beſchädigt wurde; weiters wurde er angezeigt und hatte die Aufregung einer Verhandlung durchzumachen. Aller- dings kam er nach den Ergebniſſen des Verhörs mit den Zeugen ohne Strafe davon; immerhin aber ſieht man, wie ſchwer es für den Radfahrer iſt, allen Unfällen auszuweichen. (Selbſtmord.) Der in der Helferſtorferſtraße in Maria-Enzersdorf wahnhafte Schneidermeiſter Rudolt Holy hat ſich am 24. d. M. erhenkt. Wie verlautet, ſollen die zer- rütteten Vermögensverhältniſſe den Mann in den Tod getrieben haben. (In Brunn a. G.) ereignete ſich am 17. d. M. abends in dem Hanſe des Gaſtwirtes Georg Leſer, Enzersdorfer- ſtraße 18, ein aufregender Vorfall. Der Mann wurde ohne jedwede vorherige Anzeichen plötzlich irrſinnig und rief unter den eben auweſenden Gäſten furchtbare Aufregung hervor. Er wollte zuerſt ſeine Frau erſtechen, wandte ſich dann gegen den ihr zur Hilfe herbeigeeilten Schwager und konnte endlich von Gäſten unter Aſſiſtenz der Sicherheitswache gebändigt werden. Der Irrſinnige wurde in das Mödlinger Krankenhaus überführt. Berndorf. (Benefize-Vorſtellungen des Luſtſpiel-Enſembles.) Oſterſonntag: „Die Goldprobe“, Luſtſpiel in drei Akten von Augier uud Sandon. Oſtermontag: „Galeotto“, Drama in drei Akten und einem Vorſpiele von Echegary. Beginn beider Verſtellungen 3 Uhr nachmittags. Bei der Beliebtheit, welcher ſich das Enſemble während der heurigen Saiſon erfreute, wünſchen wir den beſten Erfolg. Theater. Stadttheater in Baden. Freitag, den 25. d. M., mit Fräulein Iſa Haſſaty als Gaſt, zum erſtenmale: „Amor am Start“, Luſtſpiel in 3 Aufzügen mit melodrama- tiſcher Muſik von Arthur Demokritos. Der talentierte Verfaſſer, der unter dem Pſeu- donym „Demokritos“, gleich dem bekannten lachenden Philoſophen aus Abdera, die menſchlichen Thorheiten nach altbewährtem griechiſch-antiken Rezepte nach Gebühr, mit Kunſt und Regel zu würdigen verſteht, hat mit ſeinem modernen Luſtſpiele „Amor am Start“ eine ſehr beachtenswerte Bühnenarbeit erbracht, die bei geeigneterer Beſetzung, beſſerem Studium und Zuſammenſpiel und ganz ohne Streichung gewiß auch einen weit größeren Erfolg als den der hieſigen, wohl etwas überhaſteten Erſtaufführung erzielt hätte. Trotzdem kann aber der Dichter mit der Badener Premiere, der Feuerprobe ſeines für die Allgemeinheit zu tief angelegten Stückes recht zufrieden ſein, denn dieſelbe gab wenigſtens die volle Gelegenheit, das philoſophierende Bühnenwerk, das trotz ſeiner bei jeder Anfängerſchaft unvermeidlichen Mängel viele Vorzüge aufweiſt, auf den bühnenliterariſchen Wert zu prüfen und das Endurteil über das Ganze dürfte gewiß nicht zu Ungunſten des dichtenden Anonymus „Demokritos“ ausfallen, weil das Luſtſpiel „Amor am Start“ eine beachtenswerte Schöpfung iſt, der nur eine paſſende Einrichtung und der ſogenannte Ausſchliff fehlt. Ja, noch mehr. Wenn der Verfaſſer, gleich dem alten Demokritos, auch „das höchſte menſch- liche Glück in der völligen Seelenruhe“ finden könnte und er in dieſer nicht jedermann gegebenen Stimmung der Gegenwart einige zeitgemäße Konzeſſionen machen würde, die nun einmal von der Zugkraft eines Luſt- ſpieles, kräftigere Koſt, wie etwa eine komiſche Durch- laufsperſon, diverſe Zünder oder Schlager mit den zum Beifall herausfordernden richtigen Abgängen begehrt und ſich zu derartigen modernen Zutaten entſchließen dürfte, ſo wird die ſchätzenswerte, tief- durchdachte und in manchen Einzelheiten ſehr gelungene Arbeit auch die bleibende Repertoirfähigkeit erhalten. Gelegenheit hiezu wäre leicht vorhanden. Was könnte der Dichter aus den Perſonen des Franz und der Fini machen, wenn dieſelben textlich größer bedacht und vielleicht durch Dialektverſchiedenheiten kontraſtiſch ausgezeichnet würden. Wie zum Beiſpiel Hawel in „Mutter Sorge“ dieſe ſelbſt ſichtbar für die Bühne perſonifizierte, ſo ließe auch der pikante Stoff und hauptſächlich das glanzvolle Maskenſpiel des letzten Aktes ein perſönliches Erſcheinen des geflügelten Liebesgottes zu, der mit ſeinem geheimnisvollen Kommen und Gehen in den Gang der Handlung eingreifen könnte u. ſ. w. Nach dieſen im Intereſſe des ganzen gemachten Vorbemerkungen ſei der Handlung des Stückes ſelbſt gedacht. Der gutherzige, nun ſeinen 50. Geburtstag feiernde Lebemann Hans v. Stromberg, der in ſteter Verehrung jener Weiblichkeiten, die der männlichen

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Zitationshilfe: Badener Zeitung. Nr. 26, Baden (Niederösterreich), 30.03.1904, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_badener026_1904/4>, abgerufen am 23.11.2024.