Badener Zeitung. Nr. 60, Baden (Niederösterreich), 27.07.1898. Badener Zeitung (vormals Badener Bezirks-Blatt). Abonnement Baden: Zum Abholen vierteljährig fl. 1·25, halbjährig fl. 2.50, ganzjährig fl. 5.--. Mit Zustellung ins Haus Baden: Vierteljährig fl. 1.50 halbjährig fl. 3.--, Nr. 60. Mittwoch den 27. Juli 1898. 18. Jahrg. [Spaltenumbruch] Volkswirtschaftliche Nebel- bilder. Die gegenwärtig in Österreich regierende In normalen Zeitläuften und bei anderen "Es gibt Momente" -- sagt der Officiosus Gewiss bedarf Handel, Industrie und Volks- Vieles trifft in diesem Augenblicke zusammen, [Spaltenumbruch] Feuilleton. Mein Freund Maxe. (Unbefugter Nachdruck nicht gestattet.) Eben hatte ich mich gemüthlich auf meinem Wie ich seinen üblichen Gruß "Mahlzeit"! er- "Nanu! Was bringst Du denn da mit?" Aber Maxe zuckte -- wie mir schien, ein wenig "Danke. Und Dir?" "Noch nichts," sagte er kopfschüttelnd und machte "Es wird sich schon etwas finden," tröstete ich. [Spaltenumbruch] Er antwortete nur mit einem knurrigen "Hm!" Darauf sahen wir uns eine Weile schweigend Mir kam die Vermuthnng, dass er vielleicht "Ja," sagte er, als er zu qualmen anfing, "es "Na, weswegen bist Dn denn eigentlich von "Die alte Geschichte: Meinungsverschiedenheiten. Badener Zeitung (vormals Badener Bezirks-Blatt). Abonnement Baden: Zum Abholen vierteljährig fl. 1·25, halbjährig fl. 2.50, ganzjährig fl. 5.—. Mit Zuſtellung ins Haus Baden: Vierteljährig fl. 1.50 halbjährig fl. 3.—, Nr. 60. Mittwoch den 27. Juli 1898. 18. Jahrg. [Spaltenumbruch] Volkswirtſchaftliche Nebel- bilder. Die gegenwärtig in Öſterreich regierende In normalen Zeitläuften und bei anderen „Es gibt Momente“ — ſagt der Officioſus Gewiſs bedarf Handel, Induſtrie und Volks- Vieles trifft in dieſem Augenblicke zuſammen, [Spaltenumbruch] Feuilleton. Mein Freund Maxe. (Unbefugter Nachdruck nicht geſtattet.) Eben hatte ich mich gemüthlich auf meinem Wie ich ſeinen üblichen Gruß „Mahlzeit“! er- „Nanu! Was bringſt Du denn da mit?“ Aber Maxe zuckte — wie mir ſchien, ein wenig „Danke. Und Dir?“ „Noch nichts,“ ſagte er kopfſchüttelnd und machte „Es wird ſich ſchon etwas finden,“ tröſtete ich. [Spaltenumbruch] Er antwortete nur mit einem knurrigen „Hm!“ Darauf ſahen wir uns eine Weile ſchweigend Mir kam die Vermuthnng, daſs er vielleicht „Ja,“ ſagte er, als er zu qualmen anfing, „es „Na, weswegen biſt Dn denn eigentlich von „Die alte Geſchichte: Meinungsverſchiedenheiten. <TEI> <text> <front> <pb facs="#f0001" n="[1]"/> <titlePage xml:id="title1" type="heading" next="#title2"> <titlePart type="main"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Badener Zeitung</hi><lb/> (vormals Badener Bezirks-Blatt).</hi> </titlePart> </titlePage><lb/> <div type="jExpedition"> <p><hi rendition="#b">Abonnement Baden:</hi> Zum Abholen vierteljährig fl. 1·25, halbjährig fl. 2.50, ganzjährig fl. 5.—. 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Badener Zeitung
(vormals Badener Bezirks-Blatt).
Abonnement Baden: Zum Abholen vierteljährig fl. 1·25, halbjährig fl. 2.50, ganzjährig fl. 5.—. Mit Zuſtellung ins Haus Baden: Vierteljährig fl. 1.50 halbjährig fl. 3.—,
ganzjährig fl. 6·—. Oeſterreich-Ungarn: Mit Zuſendung vierteljährig fl. 1.65, halbjährig fl. 3.25, ganzjährig fl. 6.50. Einzelne Mittwoch-Nummer 6 kr., Samstag-Nummer
8 kr. — Inſerate werden per 80 mm breite Petitzeile mit 8 kr. für die erſte, und mit 7 kr. für fünf nacheinander folgende Einſchaltungen berechnet, größere Aufträge nach Ueber-
einkommen und können auch durch die beſtehenden Annoncen-Bureaux an die Adminiſtration gerichtet werden. — Intereſſante Mittheilungen, Notizen und Correſpon-
denzen werden nach Uebereinkunft honorirt. Manuſcripte werden nicht zurückgeſtellt.
[Abbildung]
Erſcheint Mittwoch und Samstag früh.
[Abbildung]
(Die Samstag-Nummer enthält die Gratis-Beilage „Illuſtrirtes Unterhaltungsblatt“.)
Nr. 60. Mittwoch den 27. Juli 1898. 18. Jahrg.
Volkswirtſchaftliche Nebel-
bilder.
Die gegenwärtig in Öſterreich regierende
Feudalära Kalksburg hat ihren Lehrmeiſtern
daſelbſt eine ſchlaue Taktik abgeguckt. Ein alter
Tric der Jeſuiten iſt es, wo ſie irgend einen
rechten Teufelsplan ausgeheckt haben, darüber
ein unverfängliches, ja marktgängiges Aushänge-
ſchildchen anzubringen und dazu möglichſt einen
als ehrlich und wohlmeinend bekannten Mann
als Durchführungsorgan hinzuſtellen, der da
keinen Zweifel aufkommen läſst, als ſei es ihm
nicht Ernſt mit der anſcheinend gar zweckmäßigen
und anſtrebenswerten Sache, von der ihm aber
auch nur die Vorderſeite gezeigt wird. So etwas
nennt man Bauernfängerei höheren Stiles und
etwas anderes iſt auch der neugebackene Induſtrie-
beirath nicht, den der öfficiöſe Lakai im Demokraten-
mantel bezeichnenderweiſe ein Wirtſchaftsparlament
zu nennen beliebt.
In normalen Zeitläuften und bei anderen
Hintermännern würden wir hinter Namen und
Sache kein Arges vermuthen. Allein, wir ſtehen
einer Feudalära gegenüber und da hat ein Deutſcher
allen Grund, zu ſagen: Timeo Danaos, et dona
ferentes — ich fürchte die Danaer, auch wenn
ſie mit Geſchenken kommen! Im Graſe lauert die
Viper. Schon die Idee, daſs es einer Feudalära
mit Förderung von Induſtrie, Handel und bäuer-
licher Landwirtſchaft zu debutieren einfällt, iſt
etwas für Humoriſten; denn das iſt die wahre
Liebe nicht. Um nun nicht gleich der ganzen Sache,
die weiter nichts iſt, als ein Concurrenzparlament,
um das geſetzliche auf die Sandbank zu werfen,
einen gar zu auffälligen Stich ins Beabſichtigte
aufzudrücken, haben die geheimen Oberleiter des
feudalen Schnürbodens den redlichen Baernreither
als Wortführer vorausgeſchickt, der es ſelbſt mit
der Sache höchſt ernſthaft nimmt und ſie auch
redlich fördern würde, wenn — ja, wenn er
könnte. Mit der Mahnung: „Allen, welche in
der Lage ſind, einen Einfluſs auf die ernſte
Situation zu üben, iſt die ſchwerſte Verantwortung
auferlegt“, begann er ſeine Thätigkeit. Schön,
wahr und trefflich geſprochen, nur nicht an die
richtige Adreſſe. Induſtrielle, Handeltreibende
und kleine Landwirte in Öſterreich ſind doch als
die allerletzten ſeit jeher in der Lage geweſen,
einen Einfluſs auf die politiſche Situation zu
üben, und jetzt weniger, als je. Die Situation
wird eben derzeit auf den Feudalſchlöſſern gemacht,
und in den Regionen, von denen man nicht gern
ſpricht, in den außerminiſteriellen Kreiſen; daher
wäre dieſe Mahnung etwa im Salon Schwarzen-
berg oder Lobkowitz oder Thun angebracht, die
über die Induſtrie Öſterreichs ſeit jeher mit
Nonchalance zur Tagesordnung übergiengen. Jetzt
ſoll dieſe Induſtrie, dieſe Handelswelt nun ein-
geſpannt werden, um den von dieſen Staats-
kutſchierern in den Koth verfahrenen Karren
wieder herauszuziehen. Da muſs aber erſt der
Feudalismus ausſpannen.
„Es gibt Momente“ — ſagt der Officioſus
— „wo nicht blos das Thun, ſondern ſchon das
Geſchehenlaſſen zur Sünde, zum Verderben wird.“
Wie muſs einen Induſtriellen bei ſolchen Sätzen
das Zwerchfell kitzeln, die ihm Sünden in die
Schuhe ſchieben für das Geſchehenlaſſen aller —
ſagen wir mit Glöckner — „Plutzer“, die in
letzter Zeit ganz ohne die Induſtriellen zu fragen,
ganz anderswo verfertigt worden ſind, wo kein
Induſtrieller die Hand dabei gehabt hat. Dieſes
Wort von der Sünde des Geſchehenlaſſens paſst
nur an jene Adreſſe, wo man an die ſtaatszer-
ſetzende Ruſſenanbeter in Prag noch telegraphiſche
Glückwünſche abſendete und hartnäckig an der
Sünde der Sprachenverordnungen feſthält, wie-
wohl man ſie als Sünde erkannt hat. Das iſt
die Sünde, der erkannten Wahrheit widerſtreben,
eine Sünde gegen den heiligen Geiſt der Staats-
tradition, die niemals vergeben werden kann.
Gewiſs bedarf Handel, Induſtrie und Volks-
wirtſchaft einer hilfreichen Hand. Allein dieſe
beſitzt die Reaction niemals; dieſe nimmt nur
und gibt nie; und man kann nur den ehrlichen
Mann beklagen, der als Deckblatt einer verdächti-
gen Sache gebraucht und verbraucht wird. Der
ſchon zur Thür hereinſchleichende Abſolutismus
braucht volksthümlich ausſehende, volkswirtſchaft-
liche Filzſohlen, um ſein Auftreten möglichſt
katzenartig, leiſe zu bewerkſtelligen. Gewiſs war
die Rede Baernreither’s im Induſtriebeirathe eine
von modernem Geiſte geiragene, ein modernes
Programm; allein die Regierung, die damit
herausrückt, iſt unmodern; der Feudalismus war
niemals ein Nährboden wirtſchaftlichen Fort-
ſchrittes.
Vieles trifft in dieſem Augenblicke zuſammen,
um das Miſstrauen zu erregen, gegen die plötz-
liche, auffällige Befliſſenheit, die politiſche Un-
Feuilleton.
Mein Freund Maxe.
Eine Hunde- und Hundstags-Geſchichte von
Karl Miſchke.
(Unbefugter Nachdruck nicht geſtattet.)
Eben hatte ich mich gemüthlich auf meinem
Ruhebette ausgeſtreckt, um mit allmählichem Nach-
laſſen der ſogenannten Denkthätigkeit etwas „den
Verſtand zu verlieren“, wie mein College, der Doctor,
zu ſagen pflegt, das heißt in einen wohlthätigen
Mittagsſchlaf hinüberzuträumen. Ich halte das für
die vernünftigſte Beſchäftigung an einem heißen
Sommertage, wenn es zufällige Umſtände mit ſich
bringen, daſs man einmal nicht pünktlich zur Secunde
zu der alltäglichen Verrichtung anzutreten braucht,
und es giebt Leute, die das auch an anderen Tagen
für äußerſt lobenswert anſehen. Wie geſagt, hatte
ich den erſteu Schritt zur Verwirklichung meiner Ab-
ſicht bereits gethan und hoffte von der näheren
Zukunft das beſte, als plötzlich die Klingel in Be-
wegung geſetzt wurde, wie nur er daran zu reißen
verſtand — er, mein Freund Maxe. Stets beliebte
er ſich in ſo geräuſchvoller Weiſe anzukündigen, als
ob es von vornherein jeden Zweifel über die Perſon
des Kommenden ausſchließen wollte. Dann hörte
ich meine Wirtin über den Gang ſchlurren und
öffnen, Frage und Antwort, kräftige Tritte, meine
Thüre flog auf und herein trat in der That mein
Freund Max, den wir in unſerer ſchönen Berliner
Mundart ſtets nur „Maxe“ zu neunen gewohnt
waren.
Wie ich ſeinen üblichen Gruß „Mahlzeit“! er-
widerte und dabei über den Tiſch weg, der vor
meiner Lagerſtätte ſtand, nach ihm hinblickte, fiel
mir eine gewiſſe Gezwungenheit in ſeiner Haltung
auf, als ob er einen ſchweren Gegenſtand in der
einen Hand hielte; auch ein leiſes tappendes Geräuſch
fiel mir auf. Aber die bequeme Lage, in der ich
mich gerade befand, die Unluſt, dieſe angenehme Lage
aufzugeben und das Halbdunkel, das die zugezogenen
Fenſtervorhänge veranlaßten, hinderten mich, den Grund
dieſer Erſcheinung feſtzuſtellen. Er legte ſeinen Hut
mit etwas mehr Feierlichkeit, als es ſonſt der Fall
war, auf den nächſten Stuhl und kam nun näher.
Da ſah ich zu meinem Erſtaunen, daſs er in der
rechten Hand eine Schnur hielt, an deren anderem
Ende ein kugelrundes, vierbeiniges Weſen zum Vor-
ſchein kam, ein furchtbarer fetter Mops, den ich bis
dahin noch nie in ſeiner Begleitung angetroffen hatte.
Das verblüffte mich; denn mein Freund Maxe war
gerade außer Stellung, es gieng ihm herzlich ſchlecht
und es war nicht anzunehmen, daſs er in dieſen
ſchlechten Zeiten ſich noch einen überflüſſigen Mit-
eſſer zugelegt habe. Er war überhaupt, ſo viel ich
mich entſinnen konnte, nie ein beſonderer Freund
von dieſen niedriger ſtehenden Mitgeſchöpfen geweſen.
„Nanu! Was bringſt Du denn da mit?“
Aber Maxe zuckte — wie mir ſchien, ein wenig
verlegen — die Schultern, ließ den Mops los, der
ſich ſofort luftſchnappend auf dem Teppich ausſtreckte,
ſchob ſich dann einen Stuhl heran und nahm Platz.
Nachdem er zunächſt gegähnt hatte und ſich dann
mit dem Taſchentuche über das Geſicht gefahren war,
fragte er, wie es mir gienge.
„Danke. Und Dir?“
„Noch nichts,“ ſagte er kopfſchüttelnd und machte
ein recht trauriges Geſicht.
„Es wird ſich ſchon etwas finden,“ tröſtete ich.
Er antwortete nur mit einem knurrigen „Hm!“
Darauf ſahen wir uns eine Weile ſchweigend
an. Die Fliegen ſummten an den Fenſterſcheiben,
der Mops ſchnarchte, bis ihm Maxe einen Fußtritt
verſetzte; die Luft laſtete bleiſchwer, ich konnte das
Ticken meiner Taſchenuhr deutlich hören.
Mir kam die Vermuthnng, daſs er vielleicht
Geld brauche und nicht recht mit der Sprache heraus
wolle; aber ich konnte ihm die Sache nicht durch ein
Angebot erleichtern, denn in meiner Taſche war auch
Ebbe, wie ſtets vor dem Erſten. Endlich ſchlug ich
ihm vor, uns ein paar Cigarren ins Geſicht zu
ſtecken und das brachte wieder etwas Leben in die
Bude.
„Ja,“ ſagte er, als er zu qualmen anfing, „es
iſt ſchrecklich. Ich bin nun ſchon überall herumge-
laufen, an alle Bekannten habe ich geſchrieben, habe
in die Zeitung ſetzen laſſen ... nutzt alles nichts.
Als ob keine Mechaniker mehr auf der Welt nöthig
wären!“
„Na, weswegen biſt Dn denn eigentlich von
dem alten Günther weg?“ fragte ich, bloß um ihn
zum Reden zu bringen.
„Die alte Geſchichte: Meinungsverſchiedenheiten.
Er macht die Sachen nach ſeinem alten Stiebel und
ich mache es nach meinem Kopfe. Das kann er
nicht vertragen; alle Tag war was los; wo ich
eine Schraube anbringen wollte, wollte er löthen;
brachte ich eingravierte Verzierungen an, ſo war das
überflüſſig und mattierte ich eine Platte, ſo hätte er
ſie lieber glatt gehabt. Wie ich ſchließlich die Scala
eines Thermometers — ſie war von Milchglas und
ſollte an einem gläſernen Ständer angemacht werden
— wie ich ſie alſo mit Canada-Balſam ankitten
wollte, wo er doch immer Gips genommen hatte,
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grepect GmbH: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung.
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