Badener Zeitung. Nr. 67, Baden (Niederösterreich), 19.08.1908. [Mittwoch Badener Zeitung 19. August 1908.] Nr. 67. [Spaltenumbruch] eine jede Existenzberechtigung absprechen, weil Der Geist, in dem heute das deutsche Volk Wenn die niederösterreichischen Freisinnigen Italienische Vereine in Triest. Man erinnert sich noch des Aufstandes, den die Doch dieser Wunsch wird in absehbarer Zeit Die Minoritäten in den außertriestinischen Teilen Harmlose Spaziergänger, welche von den Dolo- Es ist schon wahr, daß ein so ehrwürdiger Nicht allzu sorglos sein ziemt auch dem Mäch- Offiziell sind Oesterreich-Ungarn und Italien Daß die italientschen Schiffe unsere Küsten oft [Spaltenumbruch] Bedeutung, daß ich ohne diesen äußeren Grund derlei I. Kindheit und Jugend. Mein vielgeschätzter, nach einer mehr als vierzig- Als meines Vaters erster Sohn in zweiter Ehe 3) Als Kind war ich jedenfalls, wie bis heute noch, Als Knabe war mir, wie ich mich bestimmt 1) Geb. 1805, gest. 1869 als Badearzt zu Baden bei Wien. Verfaßte die Monographie "Baden in Oesterreich" (Wien 1838). 1) Geb. 1835, gest. 1903 als Rektor der Universität in Graz Aus des Anton Franz erster Ehe mit Maria Tillmetz. 2) Geb 1835, lebt jetzt als k. k. Re- gierungsrat in Baden 3) Anton Franz Rollett war in zweiter Ehe mit Jo- sepha Anger (1794-- 1874) verheiratet. 4) Joseph Christian Auracher von Aurach, k. k. Generalmajor (1756--1831), Professer der Kriegswissen- schaften an der Wiener-Neustädter Militärakademie. Er erfand ein von ihm "Quarreograph" benanntes Instrument zur per- spektivischen Aufnahme von Landschaften und gab eine Anzahl mit Hilfe dieses Apparates hergestellter Ansichten aus Steier- mark und Niederösterreich in Lithographien heraus. 1) Gutenbrunnerstraße (heute) 4--6. 2) "Frühlingsboten aus Oesterreich" (Jena, 1845, bei
Fr. Luden) S. 82. [Mittwoch Badener Zeitung 19. Auguſt 1908.] Nr. 67. [Spaltenumbruch] eine jede Exiſtenzberechtigung abſprechen, weil Der Geiſt, in dem heute das deutſche Volk Wenn die niederöſterreichiſchen Freiſinnigen Italieniſche Vereine in Trieſt. Man erinnert ſich noch des Aufſtandes, den die Doch dieſer Wunſch wird in abſehbarer Zeit Die Minoritäten in den außertrieſtiniſchen Teilen Harmloſe Spaziergänger, welche von den Dolo- Es iſt ſchon wahr, daß ein ſo ehrwürdiger Nicht allzu ſorglos ſein ziemt auch dem Mäch- Offiziell ſind Oeſterreich-Ungarn und Italien Daß die italientſchen Schiffe unſere Küſten oft [Spaltenumbruch] Bedeutung, daß ich ohne dieſen äußeren Grund derlei I. Kindheit und Jugend. Mein vielgeſchätzter, nach einer mehr als vierzig- Als meines Vaters erſter Sohn in zweiter Ehe 3) Als Kind war ich jedenfalls, wie bis heute noch, Als Knabe war mir, wie ich mich beſtimmt 1) Geb. 1805, geſt. 1869 als Badearzt zu Baden bei Wien. Verfaßte die Monographie „Baden in Oeſterreich“ (Wien 1838). 1) Geb. 1835, geſt. 1903 als Rektor der Univerſität in Graz Aus des Anton Franz erſter Ehe mit Maria Tillmetz. 2) Geb 1835, lebt jetzt als k. k. Re- gierungsrat in Baden 3) Anton Franz Rollett war in zweiter Ehe mit Jo- ſepha Anger (1794— 1874) verheiratet. 4) Joſeph Chriſtian Auracher von Aurach, k. k. Generalmajor (1756—1831), Profeſſer der Kriegswiſſen- ſchaften an der Wiener-Neuſtädter Militärakademie. Er erfand ein von ihm „Quarreograph“ benanntes Inſtrument zur per- ſpektiviſchen Aufnahme von Landſchaften und gab eine Anzahl mit Hilfe dieſes Apparates hergeſtellter Anſichten aus Steier- mark und Niederöſterreich in Lithographien heraus. 1) Gutenbrunnerſtraße (heute) 4—6. 2) „Frühlingsboten aus Oeſterreich“ (Jena, 1845, bei
Fr. Luden) S. 82. <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0002" n="2"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#aq"><supplied>Mittwoch Badener Zeitung 19. Auguſt 1908.</supplied> Nr. 67.</hi> </hi> </fw><lb/> <cb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div xml:id="unglück2" prev="#unglück1" type="jArticle" n="2"> <p>eine jede Exiſtenzberechtigung abſprechen, weil<lb/> — von der gewiſſen gegenſeitigen Beſitzſtand-<lb/> verſicherung abgeſehen — jede innere geiſtige<lb/> Einheit und jede Bereitſchaft zur wechſelſei-<lb/> tigen Aufopferung eigener Sonderintereſſen<lb/> für ein höheres Ziel fehlt. Keine energiſche<lb/> Wirkung, keine dauernde Machterringung und<lb/> -Ausübung läßt ſich von einem ſolch unnatür-<lb/> lichen Kompromiß erwarten. Selbſt die Alt-<lb/> liberalen beſaßen mehr Nackenſteife, als ihre<lb/> hochmütig auf ſie zurückſchauenden Erben.<lb/> Sie waren wackere Verteidiger des freiſinni-<lb/> gen Gedankens in ihrer Art, ſie fühlten ſich<lb/> als Partiſane deutſcher Bürger, die ihre wirt-<lb/> ſchaftliche Kultur und ihr freieres Recht einher-<lb/> getragen und die Grundlagen des Reiches<lb/> gefeſtigt hatten. Wo ſind heute jene Männer,<lb/> wie ſie damals das Volk leiteten?</p><lb/> <p>Der Geiſt, in dem heute das deutſche Volk<lb/> geleitet wird, iſt ein anderer geworden. An<lb/> Stelle tiefwirkender Begeiſterung iſt ein<lb/> flackerndes Strohfeuer getreten, an Stelle<lb/> der männlichen Zielklarheit eine hilfloſe Un-<lb/> klarheit und Zerfahrenheit, ſtatt der grenzen-<lb/> loſen Opferbereitſchaft iſt ein kleinlich lächer-<lb/> licher Streit um Sonderintereſſen getreten.<lb/> Sind das überhaupt noch Parteien im wah-<lb/> ren Sinne des Wortes, deren Weſen darin<lb/> beſteht, <hi rendition="#g">daß jeder Einzelne, je nach<lb/> den Ausſichten einer Wiederwahl,<lb/> ſeine beſondere Haltung einnimmt?<lb/> Und läßt ſich etwa Abhilfe von einem<lb/> Verſuche erwarten, das Unklargegen-<lb/> ſätzliche zu noch größerer Verworren-<lb/> heit zuſammenzufaſſen?</hi> </p><lb/> <p>Wenn die niederöſterreichiſchen Freiſinnigen<lb/> in das geplante Kompromiß wirklich eingehen<lb/> würden, dann würde ein ſchwerer Fehler be-<lb/> gangen werden, der ſich früher oder ſpäter<lb/> rächen muß, ſo wie ſich das einſtige Kompro-<lb/> miß in unſerem Bezirke zwiſchen dieſen beiden<lb/> Parteien bitter gerächt hat. Um ein halbes<lb/> Dutzend Mandate den Beſitzſtand der übrigen<lb/> Freiſinnigen in Oeſterreich in Gefahr zu<lb/> bringen, wäre eine Tat, die vor der Geſchichte<lb/><cb/> nicht zu verantworten wäre. <hi rendition="#g">Ein derartiges<lb/> Wahlkompromiß wäre der Anfang<lb/> vom Ende!</hi> </p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div xml:id="triest1" next="#triest2" type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Italieniſche Vereine in Trieſt.</hi> </head><lb/> <p>Man erinnert ſich noch des Aufſtandes, den die<lb/> welſchen Bewohner von Südtirol erregten, als deutſche<lb/> Turner nach Perſen <hi rendition="#aq">(Pergine)</hi> kamen. Mit Steinen<lb/> und Knütteln wurden dieſe mißhandelt, man riß<lb/> ihnen die Kleider vom Leibe und vertrieb ſie aus<lb/> dem landsmänniſchen Gebietsteile. Zu den Feier-<lb/> tagen kam die Mailänder Arbeiter-Konſumgeſellſchaft,<lb/> der ſich Leute aus den anderen lombardiſchen Städten<lb/> anſchloſſen, nach Trieſt, dieſem Hauptherd der Irre-<lb/> denta. Alſo aus <hi rendition="#g">dem</hi> Teile des Königreiches, der<lb/> uns am feindſeligſten iſt, um in unſerer Küſtenſtadt<lb/> irredentiſtiſche Propaganda zu machen. Daher konnte<lb/> man beim Empfange ein kräftiges <hi rendition="#aq">„Evviva Italia“</hi><lb/> und wie auch berichtet wurde <hi rendition="#aq">„Abbasso Austria“</hi> —<lb/> alſo „Hoch Italien“ und „Nieder mit Oeſterreich“<lb/> — hören. Als einige Slovenen und gemäßigte<lb/> Deutſche und Italiener dagegen proteſtierten, da kam<lb/> es ſofort zu Schlägereien, bei denen die welſchen<lb/> Patrioten, da ſie weit in der Mehrzahl waren, die<lb/> anderen immer zurückdrängten, bis Polizei und Gen-<lb/> darmerie Sukkurs erhielten und einige Verhaftungen<lb/> vorgenommen wurden. In welcher Weiſe die Beamten<lb/> die Partei ergreifen, ließe ſich vielleicht daraus<lb/> ſchließen, daß eine Patrouille einen Oberpolizeirat<lb/> arretierte und einführen wollte. Daß ſolche Demon-<lb/> ſtrationen von italieniſchen Vereinen geduldet werden,<lb/> iſt ſchon etwas ſtark. Freilich waren auch Trieſter<lb/> Vereine in der Lombardei geweſen, aber ſie holten<lb/> ſich nur Mut und Ratſchläge bei ihren Brüdern, mit<lb/> denen ſie übrigens eines Sinnes ſind. Sie fühlten<lb/> ſich dort auch wie zuhauſe. Anders aber iſt die Sache,<lb/> wenn aus den lombardiſchen Städten unverſchämte<lb/> Einfälle in unſer Gebiet gemacht werden, bei denen<lb/> die Gaſtfreundſchaft gar wunderbare Anregungen<lb/> hervorbringt, nach denen es ſchon die höchſte Zeit zu<lb/> ſein ſcheint, einmal Trieſt und das übrige Küſten-<lb/> gebiet zu beſetzen und an das Königreich anzugliedern.<lb/> Das wäre auch dem ernſteſten Italiener jenſeits der<lb/> Adria recht, wenn ihr Lano das öſtliche Meer und<lb/> deſſen öſtliche Küſten wie einſt Venedig beherrſchte.</p><lb/> <p>Doch dieſer Wunſch wird in abſehbarer Zeit<lb/> kaum eine Erfüllung erfahren.</p><lb/> <p>Die Minoritäten in den außertrieſtiniſchen Teilen<lb/> ſind denn doch zu gering, um proſperieren zu können.<lb/> Es ſind zwar noch die iſtrianiſchen Brutneſter der<lb/> „Unbefreiten“ da; aber was könnten dieſe machen,<lb/><cb/> wenn ſie nicht allzu offenkundig von Regierungs-<lb/> organen jeder Art gehätſchelt würden. So werden<lb/> diejenigen, die für die Fortdauer der Reichseinheit<lb/> eintreten, ſanft beiſeite geſchoben und denen, die ihre<lb/> ſtark nach Hochverrat duftende Geſinnung offen zur<lb/> Schau tragen, erfahren Förderung noch allen Rich-<lb/> tungen.</p><lb/> <p>Harmloſe Spaziergänger, welche von den Dolo-<lb/> miten etwas weiter ſüdwärts gehen und die<lb/> Grenzen des Königreiches ahnungslos überſchreiten,<lb/> werden ſofort als Spione angeſehen und verhaftet,<lb/> bis ſich der aus Uebereifer entſprungene Irrtum<lb/> aufgeklärt hat. Von „drüben“ aber dürfen ganze<lb/> Geſellſchaften, die gar nichts anderes im Sinne haben,<lb/> als eine bereits beſtehende Verbrüderung zu feſtigen,<lb/> denen es auch nichts daran gelegen iſt, ihren An-<lb/> ſchlägen gegen unſere Monarchie unverhohlen Aus-<lb/> druck zu verleihen, unſere Städte und Küſten kreuz<lb/> und quer durchſtreifen, einzeln, zu zweit und in<lb/> Gruppen!</p><lb/> <p>Es iſt ſchon wahr, daß ein ſo ehrwürdiger<lb/> Staat wie Oeſterreich auf derlei Lappalien, wie es<lb/> die Angriffe der Irredenta ſind, nicht viel Gewicht<lb/> zu legen braucht: <hi rendition="#aq">„Maior sum, quam cui nocere<lb/> possint“</hi> — „Ich bin zu ſtark, als daß ſie mir<lb/> ſchaden könnten!“ Hei, ſo ähnlich hat aber Niobe an<lb/> dem Tage geſprochen, als ihr vierzehn Kinder ſamt<lb/> dem Gatten durch plötzlichen Tod entriſſen wurden.</p><lb/> <p>Nicht allzu ſorglos ſein ziemt auch dem Mäch-<lb/> tigen; denn nur dadurch, daß er auf alles achtet,<lb/> was ihn umgibt, daß er nicht die geringſte Nach-<lb/> giebigkeit oder ſchwache Nachſicht übt, nur dadurch,<lb/> daß er jede Angriffsgelegenheit mit ebenſo großer<lb/> Ruhe als tiefem Ernſt zurückweiſt, verſchafft er ſich<lb/> jenen Reſpekt, der ihm gedeihlichen Frieden und den<lb/> Genuß von ſeiner Arbeit Früchte ſichert.</p><lb/> <p>Offiziell ſind Oeſterreich-Ungarn und Italien<lb/> auf dem beſten Fuße. Offiziös ſchwankt das Ver-<lb/> hältnis — populär war Oeſterreich in Italien nie.<lb/> Es kann auch nicht werden, ſo lange es dort Leute<lb/> gibt, welche uns einige Gebiete gar zu gern ent-<lb/> reißen möchten und ſo lange bei uns noch Leute<lb/> umherwandeln, die jenen noch recht geben und ſie auf<lb/> jede mögliche Weiſe darin beſtärken und unterſtützen.</p><lb/> <p>Daß die italientſchen Schiffe unſere Küſten oft<lb/> „inſpizieren“, iſt ſchon bekannt. Man ſehe ſich nur<lb/> Chioggiotenſiſcher mit ihren gelbbraunen Segeln an,<lb/> die am liebſten in unſeren Gewäſſern ihrem Gewerbe<lb/> nachgehen, was ihnen vertragsmäßig erlaubt iſt.<lb/> Man kann nicht wiſſen, wer ſich oft in der Maske<lb/> eines wettergebräunten Fiſchers verbirgt und wie er<lb/> nach unſeren Küſten Auslug hält, um irgend etwas<lb/> zu entdecken, das für die italieniſche Marine von<lb/> Vorteil wäre. Ging doch vor nicht gar langer Zeit</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div next="#rollett3" xml:id="rollett2" prev="#rollett1" type="jArticle" n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p>Bedeutung, daß ich ohne dieſen äußeren Grund derlei<lb/> unternehmen könnte und möchte. Menzels „Literatur-<lb/> blatt“ hat zwar einmal von mir geſagt: „Dieſer<lb/> Sänger macht ſeinen Landsleuten, den alten öſter-<lb/> reichiſchen Minneſängern, alle Ehre“ und viele meiner<lb/> Lieder und Sagengedichte ſind vielleicht auch wenigſtens<lb/> ebenſo gut, als manche derartige Produkte von ſolchen,<lb/> die mehr Namen ſich machten und allgemeinere Aner-<lb/> kennung fanden als ich, aber meine ganze Begabung<lb/> halte ich nicht für ſo eigenthümlich und meine Kraft<lb/> nicht für ſo bedeutend, daß meine literariſche Geſtalt<lb/><hi rendition="#g">an und für ſich</hi> eine beſondere Beachtung ver-<lb/> diente. Nur der Umſtand, daß ich unter den <hi rendition="#g">öſter-<lb/> reichiſchen Vorkämpfern der Freiheit</hi> wenig-<lb/> ſtens als „Gefreiter“ und „Flügelmann“ (wie ich<lb/> ſchon in einem Concordia-Toaſte ſagte) meine ſelbſt-<lb/> errungene Stellung hatte, kann mich vorläufig einiger-<lb/> maßen der beſonderen Erwähnung würdig machen,<lb/> zu welchem Zwecke es allerdings gut iſt, authentiſche<lb/> Anhaltspunkte zu haben; und ein Autograph, welches<lb/> noch dazu zugleich ein <hi rendition="#g">pſychiſches</hi> iſt, hat ja immer<lb/> ein eigentümliches Intereſſe und einen eigenen Wert.</p> </div><lb/> <div n="4"> <head> <hi rendition="#aq">I.</hi> <hi rendition="#g">Kindheit und Jugend.</hi> </head><lb/> <p>Mein vielgeſchätzter, nach einer mehr als vierzig-<lb/> jährigen, verdienſtvollen ärztlichen Praxis 1842 in<lb/><hi rendition="#g">Baden bei Wien</hi> verſtorbener Vater, <hi rendition="#g">Anton,</hi><lb/> war der Ur-Urenkel eines vor ein paar Jahrhunderten<lb/> aus Savoyen nach Oeſterreich eingewanderten fahrenden<lb/> Medikamenten Verkäufers oder dgl., <hi rendition="#g">Anſelm,</hi> deſſen<lb/> halbärztlicher Beruf in dieſem meinen Vater nicht<lb/> nur volle Erweiterung und Veredlung fand, ſondern<lb/> vielleicht Anlaß gab, daß durch ihn eine ganze Fa-<lb/> milie geſchickter Aerzte und Naturforſcher begründet<lb/> wurde, <supplied>i</supplied>ndem mein älteſter Bruder <hi rendition="#g">Karl</hi> <note place="foot" n="1)">Geb. 1805, geſt. 1869 als Badearzt zu Baden bei<lb/> Wien. Verfaßte die Monographie „Baden in Oeſterreich“<lb/> (Wien 1838).</note> der<lb/><cb/> vielgeſuchte Nachfolger meines Vaters in Baden ge-<lb/> worden und von deſſen zwei älteſten Söhnen der eine,<lb/><hi rendition="#g">Alexander</hi> <note place="foot" n="1)"><p rendition="#rightBraced">Geb. 1835, geſt. 1903 als Rektor<lb/> der Univerſität in Graz</p><p xml:id="tillmetz">Aus des Anton<lb/> Franz erſter Ehe<lb/> mit <hi rendition="#g">Maria<lb/> Tillmetz.</hi> </p></note>, im Augenblick durch ſelbſtändige<lb/> Arbeiten ſich bereits auszeichnender Aſſiſtent des be-<lb/> rühmten Phyſiologen <hi rendition="#g">Brücke,</hi> der andere, <hi rendition="#g">Emil</hi> <note place="foot" n="2)"><p rendition="#rightBraced">Geb 1835, lebt jetzt als k. k. Re-<lb/> gierungsrat in Baden</p><p sameAs="#tillmetz"/></note>, aber<lb/> vielverſprechender Aſſiſtent des nicht minder berühmten<lb/> Klinikers und praktiſchen Arztes <hi rendition="#g">Oppolzer</hi> iſt.</p><lb/> <p>Als meines Vaters erſter Sohn in zweiter Ehe <note place="foot" n="3)">Anton Franz Rollett war in zweiter Ehe mit <hi rendition="#g">Jo-<lb/> ſepha Anger</hi> (1794— 1874) verheiratet.</note><lb/> wurde ich in Baden am 20. Auguſt 1819 geboren.<lb/> Ich ſoll mich ein wenig lang beſonnen haben, bis<lb/> ich mich entſchloß „das Licht dieſer Welt zu erblicken“;<lb/> denn meine Großmutter von mütterlicher Seite —<lb/> eine obermannhartsbergiſche Bürgersfrau aus <hi rendition="#g">Horn</hi><lb/> — die eigens zu meinem Empfang hergereiſt war,<lb/> wollte nach vergeblichem Warten ſchon wieder abreiſen,<lb/> als ich im Moment, in welchem ſie früh morgens<lb/> ſchon in den Wagen ſteigen wollte, plötzlich in die<lb/> Welt ſprang. Bei meiner Taufe war unter mehreren<lb/> Wiener Gäſten auch der bekannte alte General <hi rendition="#g">Au-<lb/> racher</hi> <note place="foot" n="4)"><hi rendition="#g">Joſeph Chriſtian Auracher von Aurach,</hi><lb/> k. k. Generalmajor (1756—1831), Profeſſer der Kriegswiſſen-<lb/> ſchaften an der Wiener-Neuſtädter Militärakademie. Er erfand<lb/> ein von ihm „Quarreograph“ benanntes Inſtrument zur per-<lb/> ſpektiviſchen Aufnahme von Landſchaften und gab eine Anzahl<lb/> mit Hilfe dieſes Apparates hergeſtellter Anſichten aus Steier-<lb/> mark und Niederöſterreich in Lithographien heraus.</note> zugegen, der Veranlaſſung gab, daß ich<lb/> den Namen <hi rendition="#g">Hermann</hi> erhielt, indem er ſagte, ich<lb/> müſſe ein Soldat werden und den Namen des Be-<lb/> freiers Deutſchlands erhalten. Meine erſte bedeutendere<lb/> Erinnerung bezieht ſich auf den Tod <hi rendition="#g">Napoleons,</hi><lb/> was bei dem Umſtand, als ich damals noch nicht<lb/> zwei Jahre alt war, nur dadurch erklärlich iſt, daß<lb/><cb/> ich den Namen Napoleons von meiner erſten Lebens-<lb/> zeit an oft gehört haben muß, da mein Vater als<lb/> Verehrer des Genies dieſes Machtmannes Bild und<lb/> Büſte desſelben in ſeinem Zimmer hatte. Und ich kann<lb/> mich deutlich erinnern, daß er, eines Tages nach<lb/> Hauſe kommend, auf das Bild deutete und ernſt<lb/> ſagte: „Napoleon iſt todt!“</p><lb/> <p>Als Kind war ich jedenfalls, wie bis heute noch,<lb/> geſunder aber zarter Natur. Die Gattin des „Helden<lb/> von Aſpern“, die ſchöne und liebenswürdige, früh<lb/> verſtorbene <hi rendition="#g">Henriette</hi> von Naſſau, der das blond-<lb/> lockige Kind gefallen haben mag, ſoll einmal im<lb/> „Doblhoff“-Garten (welcher in der Nähe meines Ge-<lb/> burtshauſes<note place="foot" n="1)">Gutenbrunnerſtraße (heute) 4—6.</note> liegt und wo ich ſpäter mit den erzher-<lb/> zoglichen Söhnen ſpielte und ſchwimmen lernte) mich<lb/> auf den Armen getragen haben, als ſie dort meine<lb/> Mutter — eine heitere verſtändige Frau — mit mir<lb/> fand. Auch der greiſe Kaiſer Franz, was charakte-<lb/> riſtiſch in Bezug auf ſein ſonſt ſo ſchroff und kalt<lb/> erſchienenes Weſen iſt, blieb einmal auf der Gaſſe<lb/> vor mir ſtehen, ſtrich mir über die Haare und ſagte:<lb/> „Biſt a rarer Bua!“ Auf dieſe Begegnung bezieht<lb/> ſich auch ein Sonett in meinen „Frühlingsboten“<note place="foot" n="2)">„Frühlingsboten aus Oeſterreich“ (Jena, 1845, bei<lb/> Fr. Luden) S. 82.</note>.</p><lb/> <p>Als Knabe war mir, wie ich mich beſtimmt<lb/> entſinnen kann, ein ſtilles, nicht verſchloſſenes, aber<lb/> zu heiterer Einſamkeit geneigtes Weſen eigen, welches<lb/> mir im Ganzen ebenfalls bis heute noch geblieben<lb/> iſt. Die größte Luſt waren mir heimliche Gänge in<lb/> Berg und Wald, was mir manchmal etwas Verdruß<lb/> bereitete; auch hatte ich eine Sehnſucht in die Weite<lb/> und mein älteſter Bruder hat ſich oft geärgert, wenn<lb/> er in den Ferien — einen größeren Gang oder<lb/> Ausflug machend — durch mein <hi rendition="#g">Weinen</hi> gezwungen<lb/> war, mich mitzunehmen. Das Weinen war damals<lb/> überhaupt eine am allermeiſten mir ſelbſt unangenehme</p> </div> </div> </div> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [2/0002]
Mittwoch Badener Zeitung 19. Auguſt 1908. Nr. 67.
eine jede Exiſtenzberechtigung abſprechen, weil
— von der gewiſſen gegenſeitigen Beſitzſtand-
verſicherung abgeſehen — jede innere geiſtige
Einheit und jede Bereitſchaft zur wechſelſei-
tigen Aufopferung eigener Sonderintereſſen
für ein höheres Ziel fehlt. Keine energiſche
Wirkung, keine dauernde Machterringung und
-Ausübung läßt ſich von einem ſolch unnatür-
lichen Kompromiß erwarten. Selbſt die Alt-
liberalen beſaßen mehr Nackenſteife, als ihre
hochmütig auf ſie zurückſchauenden Erben.
Sie waren wackere Verteidiger des freiſinni-
gen Gedankens in ihrer Art, ſie fühlten ſich
als Partiſane deutſcher Bürger, die ihre wirt-
ſchaftliche Kultur und ihr freieres Recht einher-
getragen und die Grundlagen des Reiches
gefeſtigt hatten. Wo ſind heute jene Männer,
wie ſie damals das Volk leiteten?
Der Geiſt, in dem heute das deutſche Volk
geleitet wird, iſt ein anderer geworden. An
Stelle tiefwirkender Begeiſterung iſt ein
flackerndes Strohfeuer getreten, an Stelle
der männlichen Zielklarheit eine hilfloſe Un-
klarheit und Zerfahrenheit, ſtatt der grenzen-
loſen Opferbereitſchaft iſt ein kleinlich lächer-
licher Streit um Sonderintereſſen getreten.
Sind das überhaupt noch Parteien im wah-
ren Sinne des Wortes, deren Weſen darin
beſteht, daß jeder Einzelne, je nach
den Ausſichten einer Wiederwahl,
ſeine beſondere Haltung einnimmt?
Und läßt ſich etwa Abhilfe von einem
Verſuche erwarten, das Unklargegen-
ſätzliche zu noch größerer Verworren-
heit zuſammenzufaſſen?
Wenn die niederöſterreichiſchen Freiſinnigen
in das geplante Kompromiß wirklich eingehen
würden, dann würde ein ſchwerer Fehler be-
gangen werden, der ſich früher oder ſpäter
rächen muß, ſo wie ſich das einſtige Kompro-
miß in unſerem Bezirke zwiſchen dieſen beiden
Parteien bitter gerächt hat. Um ein halbes
Dutzend Mandate den Beſitzſtand der übrigen
Freiſinnigen in Oeſterreich in Gefahr zu
bringen, wäre eine Tat, die vor der Geſchichte
nicht zu verantworten wäre. Ein derartiges
Wahlkompromiß wäre der Anfang
vom Ende!
Italieniſche Vereine in Trieſt.
Man erinnert ſich noch des Aufſtandes, den die
welſchen Bewohner von Südtirol erregten, als deutſche
Turner nach Perſen (Pergine) kamen. Mit Steinen
und Knütteln wurden dieſe mißhandelt, man riß
ihnen die Kleider vom Leibe und vertrieb ſie aus
dem landsmänniſchen Gebietsteile. Zu den Feier-
tagen kam die Mailänder Arbeiter-Konſumgeſellſchaft,
der ſich Leute aus den anderen lombardiſchen Städten
anſchloſſen, nach Trieſt, dieſem Hauptherd der Irre-
denta. Alſo aus dem Teile des Königreiches, der
uns am feindſeligſten iſt, um in unſerer Küſtenſtadt
irredentiſtiſche Propaganda zu machen. Daher konnte
man beim Empfange ein kräftiges „Evviva Italia“
und wie auch berichtet wurde „Abbasso Austria“ —
alſo „Hoch Italien“ und „Nieder mit Oeſterreich“
— hören. Als einige Slovenen und gemäßigte
Deutſche und Italiener dagegen proteſtierten, da kam
es ſofort zu Schlägereien, bei denen die welſchen
Patrioten, da ſie weit in der Mehrzahl waren, die
anderen immer zurückdrängten, bis Polizei und Gen-
darmerie Sukkurs erhielten und einige Verhaftungen
vorgenommen wurden. In welcher Weiſe die Beamten
die Partei ergreifen, ließe ſich vielleicht daraus
ſchließen, daß eine Patrouille einen Oberpolizeirat
arretierte und einführen wollte. Daß ſolche Demon-
ſtrationen von italieniſchen Vereinen geduldet werden,
iſt ſchon etwas ſtark. Freilich waren auch Trieſter
Vereine in der Lombardei geweſen, aber ſie holten
ſich nur Mut und Ratſchläge bei ihren Brüdern, mit
denen ſie übrigens eines Sinnes ſind. Sie fühlten
ſich dort auch wie zuhauſe. Anders aber iſt die Sache,
wenn aus den lombardiſchen Städten unverſchämte
Einfälle in unſer Gebiet gemacht werden, bei denen
die Gaſtfreundſchaft gar wunderbare Anregungen
hervorbringt, nach denen es ſchon die höchſte Zeit zu
ſein ſcheint, einmal Trieſt und das übrige Küſten-
gebiet zu beſetzen und an das Königreich anzugliedern.
Das wäre auch dem ernſteſten Italiener jenſeits der
Adria recht, wenn ihr Lano das öſtliche Meer und
deſſen öſtliche Küſten wie einſt Venedig beherrſchte.
Doch dieſer Wunſch wird in abſehbarer Zeit
kaum eine Erfüllung erfahren.
Die Minoritäten in den außertrieſtiniſchen Teilen
ſind denn doch zu gering, um proſperieren zu können.
Es ſind zwar noch die iſtrianiſchen Brutneſter der
„Unbefreiten“ da; aber was könnten dieſe machen,
wenn ſie nicht allzu offenkundig von Regierungs-
organen jeder Art gehätſchelt würden. So werden
diejenigen, die für die Fortdauer der Reichseinheit
eintreten, ſanft beiſeite geſchoben und denen, die ihre
ſtark nach Hochverrat duftende Geſinnung offen zur
Schau tragen, erfahren Förderung noch allen Rich-
tungen.
Harmloſe Spaziergänger, welche von den Dolo-
miten etwas weiter ſüdwärts gehen und die
Grenzen des Königreiches ahnungslos überſchreiten,
werden ſofort als Spione angeſehen und verhaftet,
bis ſich der aus Uebereifer entſprungene Irrtum
aufgeklärt hat. Von „drüben“ aber dürfen ganze
Geſellſchaften, die gar nichts anderes im Sinne haben,
als eine bereits beſtehende Verbrüderung zu feſtigen,
denen es auch nichts daran gelegen iſt, ihren An-
ſchlägen gegen unſere Monarchie unverhohlen Aus-
druck zu verleihen, unſere Städte und Küſten kreuz
und quer durchſtreifen, einzeln, zu zweit und in
Gruppen!
Es iſt ſchon wahr, daß ein ſo ehrwürdiger
Staat wie Oeſterreich auf derlei Lappalien, wie es
die Angriffe der Irredenta ſind, nicht viel Gewicht
zu legen braucht: „Maior sum, quam cui nocere
possint“ — „Ich bin zu ſtark, als daß ſie mir
ſchaden könnten!“ Hei, ſo ähnlich hat aber Niobe an
dem Tage geſprochen, als ihr vierzehn Kinder ſamt
dem Gatten durch plötzlichen Tod entriſſen wurden.
Nicht allzu ſorglos ſein ziemt auch dem Mäch-
tigen; denn nur dadurch, daß er auf alles achtet,
was ihn umgibt, daß er nicht die geringſte Nach-
giebigkeit oder ſchwache Nachſicht übt, nur dadurch,
daß er jede Angriffsgelegenheit mit ebenſo großer
Ruhe als tiefem Ernſt zurückweiſt, verſchafft er ſich
jenen Reſpekt, der ihm gedeihlichen Frieden und den
Genuß von ſeiner Arbeit Früchte ſichert.
Offiziell ſind Oeſterreich-Ungarn und Italien
auf dem beſten Fuße. Offiziös ſchwankt das Ver-
hältnis — populär war Oeſterreich in Italien nie.
Es kann auch nicht werden, ſo lange es dort Leute
gibt, welche uns einige Gebiete gar zu gern ent-
reißen möchten und ſo lange bei uns noch Leute
umherwandeln, die jenen noch recht geben und ſie auf
jede mögliche Weiſe darin beſtärken und unterſtützen.
Daß die italientſchen Schiffe unſere Küſten oft
„inſpizieren“, iſt ſchon bekannt. Man ſehe ſich nur
Chioggiotenſiſcher mit ihren gelbbraunen Segeln an,
die am liebſten in unſeren Gewäſſern ihrem Gewerbe
nachgehen, was ihnen vertragsmäßig erlaubt iſt.
Man kann nicht wiſſen, wer ſich oft in der Maske
eines wettergebräunten Fiſchers verbirgt und wie er
nach unſeren Küſten Auslug hält, um irgend etwas
zu entdecken, das für die italieniſche Marine von
Vorteil wäre. Ging doch vor nicht gar langer Zeit
Bedeutung, daß ich ohne dieſen äußeren Grund derlei
unternehmen könnte und möchte. Menzels „Literatur-
blatt“ hat zwar einmal von mir geſagt: „Dieſer
Sänger macht ſeinen Landsleuten, den alten öſter-
reichiſchen Minneſängern, alle Ehre“ und viele meiner
Lieder und Sagengedichte ſind vielleicht auch wenigſtens
ebenſo gut, als manche derartige Produkte von ſolchen,
die mehr Namen ſich machten und allgemeinere Aner-
kennung fanden als ich, aber meine ganze Begabung
halte ich nicht für ſo eigenthümlich und meine Kraft
nicht für ſo bedeutend, daß meine literariſche Geſtalt
an und für ſich eine beſondere Beachtung ver-
diente. Nur der Umſtand, daß ich unter den öſter-
reichiſchen Vorkämpfern der Freiheit wenig-
ſtens als „Gefreiter“ und „Flügelmann“ (wie ich
ſchon in einem Concordia-Toaſte ſagte) meine ſelbſt-
errungene Stellung hatte, kann mich vorläufig einiger-
maßen der beſonderen Erwähnung würdig machen,
zu welchem Zwecke es allerdings gut iſt, authentiſche
Anhaltspunkte zu haben; und ein Autograph, welches
noch dazu zugleich ein pſychiſches iſt, hat ja immer
ein eigentümliches Intereſſe und einen eigenen Wert.
I. Kindheit und Jugend.
Mein vielgeſchätzter, nach einer mehr als vierzig-
jährigen, verdienſtvollen ärztlichen Praxis 1842 in
Baden bei Wien verſtorbener Vater, Anton,
war der Ur-Urenkel eines vor ein paar Jahrhunderten
aus Savoyen nach Oeſterreich eingewanderten fahrenden
Medikamenten Verkäufers oder dgl., Anſelm, deſſen
halbärztlicher Beruf in dieſem meinen Vater nicht
nur volle Erweiterung und Veredlung fand, ſondern
vielleicht Anlaß gab, daß durch ihn eine ganze Fa-
milie geſchickter Aerzte und Naturforſcher begründet
wurde, indem mein älteſter Bruder Karl 1) der
vielgeſuchte Nachfolger meines Vaters in Baden ge-
worden und von deſſen zwei älteſten Söhnen der eine,
Alexander 1), im Augenblick durch ſelbſtändige
Arbeiten ſich bereits auszeichnender Aſſiſtent des be-
rühmten Phyſiologen Brücke, der andere, Emil 2), aber
vielverſprechender Aſſiſtent des nicht minder berühmten
Klinikers und praktiſchen Arztes Oppolzer iſt.
Als meines Vaters erſter Sohn in zweiter Ehe 3)
wurde ich in Baden am 20. Auguſt 1819 geboren.
Ich ſoll mich ein wenig lang beſonnen haben, bis
ich mich entſchloß „das Licht dieſer Welt zu erblicken“;
denn meine Großmutter von mütterlicher Seite —
eine obermannhartsbergiſche Bürgersfrau aus Horn
— die eigens zu meinem Empfang hergereiſt war,
wollte nach vergeblichem Warten ſchon wieder abreiſen,
als ich im Moment, in welchem ſie früh morgens
ſchon in den Wagen ſteigen wollte, plötzlich in die
Welt ſprang. Bei meiner Taufe war unter mehreren
Wiener Gäſten auch der bekannte alte General Au-
racher 4) zugegen, der Veranlaſſung gab, daß ich
den Namen Hermann erhielt, indem er ſagte, ich
müſſe ein Soldat werden und den Namen des Be-
freiers Deutſchlands erhalten. Meine erſte bedeutendere
Erinnerung bezieht ſich auf den Tod Napoleons,
was bei dem Umſtand, als ich damals noch nicht
zwei Jahre alt war, nur dadurch erklärlich iſt, daß
ich den Namen Napoleons von meiner erſten Lebens-
zeit an oft gehört haben muß, da mein Vater als
Verehrer des Genies dieſes Machtmannes Bild und
Büſte desſelben in ſeinem Zimmer hatte. Und ich kann
mich deutlich erinnern, daß er, eines Tages nach
Hauſe kommend, auf das Bild deutete und ernſt
ſagte: „Napoleon iſt todt!“
Als Kind war ich jedenfalls, wie bis heute noch,
geſunder aber zarter Natur. Die Gattin des „Helden
von Aſpern“, die ſchöne und liebenswürdige, früh
verſtorbene Henriette von Naſſau, der das blond-
lockige Kind gefallen haben mag, ſoll einmal im
„Doblhoff“-Garten (welcher in der Nähe meines Ge-
burtshauſes 1) liegt und wo ich ſpäter mit den erzher-
zoglichen Söhnen ſpielte und ſchwimmen lernte) mich
auf den Armen getragen haben, als ſie dort meine
Mutter — eine heitere verſtändige Frau — mit mir
fand. Auch der greiſe Kaiſer Franz, was charakte-
riſtiſch in Bezug auf ſein ſonſt ſo ſchroff und kalt
erſchienenes Weſen iſt, blieb einmal auf der Gaſſe
vor mir ſtehen, ſtrich mir über die Haare und ſagte:
„Biſt a rarer Bua!“ Auf dieſe Begegnung bezieht
ſich auch ein Sonett in meinen „Frühlingsboten“ 2).
Als Knabe war mir, wie ich mich beſtimmt
entſinnen kann, ein ſtilles, nicht verſchloſſenes, aber
zu heiterer Einſamkeit geneigtes Weſen eigen, welches
mir im Ganzen ebenfalls bis heute noch geblieben
iſt. Die größte Luſt waren mir heimliche Gänge in
Berg und Wald, was mir manchmal etwas Verdruß
bereitete; auch hatte ich eine Sehnſucht in die Weite
und mein älteſter Bruder hat ſich oft geärgert, wenn
er in den Ferien — einen größeren Gang oder
Ausflug machend — durch mein Weinen gezwungen
war, mich mitzunehmen. Das Weinen war damals
überhaupt eine am allermeiſten mir ſelbſt unangenehme
1) Geb. 1805, geſt. 1869 als Badearzt zu Baden bei
Wien. Verfaßte die Monographie „Baden in Oeſterreich“
(Wien 1838).
1) Geb. 1835, geſt. 1903 als Rektor
der Univerſität in Graz
Aus des Anton
Franz erſter Ehe
mit Maria
Tillmetz.
2) Geb 1835, lebt jetzt als k. k. Re-
gierungsrat in Baden
3) Anton Franz Rollett war in zweiter Ehe mit Jo-
ſepha Anger (1794— 1874) verheiratet.
4) Joſeph Chriſtian Auracher von Aurach,
k. k. Generalmajor (1756—1831), Profeſſer der Kriegswiſſen-
ſchaften an der Wiener-Neuſtädter Militärakademie. Er erfand
ein von ihm „Quarreograph“ benanntes Inſtrument zur per-
ſpektiviſchen Aufnahme von Landſchaften und gab eine Anzahl
mit Hilfe dieſes Apparates hergeſtellter Anſichten aus Steier-
mark und Niederöſterreich in Lithographien heraus.
1) Gutenbrunnerſtraße (heute) 4—6.
2) „Frühlingsboten aus Oeſterreich“ (Jena, 1845, bei
Fr. Luden) S. 82.
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