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Badener Zeitung. Nr. 88, Baden (Niederösterreich), 02.11.1904.

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Mittwoch Badener Zeitung 2. November 1904. Nr. 88.

[Spaltenumbruch]

versität seinen Hörern ins Stammbuch schreiben.
So haben wir es wie bei den Tschechen mit der
alten Postulatenpolitik, bei der Regierung mit
der alten Politik der Belohnung eigensinniger
Störrigkeit und der Schlichtung aller Verlegen-
heiten durch Gefährdung der nächsten und ent-
fernteren Zukunft zu tun. Auf diese Art ist den
Tschechen ihre Postulaten-, Etappen- und Brosamen-
politik nicht abzugewöhnen. Anstatt das mit eiserner
Folgerichtigkeit durchzusetzen, indem den Tschechen
gezeigt wird, was sie zu verlieren haben und
durch ihre Halsstarrigkeit, welche alle schädigt,
gefährden, erhalten sie durch den Landsmann-
minister die bündige Versicherung, daß ihnen
nichts geschehen wird, sie mögen obstruieren oder
nicht oder sonst tun und lassen, was ihnen be-
liebt. Und das soll die Tschechen zur Nachgiebig-
keit stimmen?




Die politische Organisation der Vereinigten
Staaten von Nordamerika.
*)

Die Regierung des Gesammtstaates
liegt in den Händen eines Präsidenten und eines
Kongresses, der aus einem Senat und einem Reprä-
sentantenhause besteht. Der Präsident sowie sein
Vertreter, der Vizepräsident, wird auf vier Jahre
gewählt, dergestalt, daß die über 21 Jahre alte
männliche Bevölkerung der einzelnen Staaten eine
der Größe derselben entsprechende Anzahl Wahlmänner
aufstellt, die den Präsidenten und Vizepräsidenten
ernennen. Die Mitglieder des Senates erhalten ihr
Mandat von den gesetzgebend[e]n Körperschaften der
einzelnen Staaten auf sechs Jahre, und zwar so, daß
aller zwei Jahre ein Drittel der Senatoren ausscheidet
und durch Nenwahlen ersetzt wird. Da jeder Staat,
gleichviel ob groß oder klein, zwei Senatoren zu
entsenden hat, so beträgt die Zahl derselben insgesamt
90. Das Repräsentantenhaus endlich geht aus allge-
meinen und direkten Wahlen hervoe, die innerhalb
der einzelnen Staaten aller zwei Jahre stattfinden,
und bei denen jeder Staat eine seiner Bevölkerungs-
zahl entsprechende Abgeordnetenzahl zu ernennen hat.
Die Gesamtzahl der Mitglieder des Repräsentanten-
hauses betrug gemäß dem Zensus von 1900: 386.
Wählbar zum Präsidenten ist nur ein geborener
Unionsbürger, wählbar zum Senat unr ein Einwohner
des betreffenden Staates, der das 30. Jahr zurück-
gelegt hat und seit neun Jahren Unionsbürger ist,
und wählbar in das Repräsentantenhaus nur ein
25 Jahre alter, siebenjähriger Unionsbürger. Im
[Spaltenumbruch] übrigen unterliegt die Wahlberechtigung gewissen
Abänderungen von Staat zu Staat, und in Califor-
nien, Oregon und Idaho sind Chinesen, in Montana
und anderweit Indianer davon ausgeschlossen, während
sie in Wyoming, Colorado, Idaho und Utah auch
auf die Frauen ausgedehnt ist. Die Tagungen finden
im Kapitol zu Washington statt.

Was die Funktionen der verschiedenen Regierungs-
organe betrifft, so liegt dem Präsidenten vvr allen
Dingen die ausübende Staatsgewalt ob: der Ober-
befehl über Heer und Flotte, die Befugnis, Verträge
mit anderen Staaten zu schießen, Gesandte und
Kosuln sowie die anderen hohen Beamten des Gesamt-
staates zu ernennen und abzusetzen, in den beiden
letzten Beziehungen ist er aber an die Zustimmung
des Senates gebunden. Das Recht der Kriegserklärung
hat er nicht und ebensowenig das Recht, Gesetzentwürfe
einzubringen. Bei der Gesetzgebung steht ihm aber
ein beschränktes Vetorecht zu, indem ein von ihm
nicht unterschriebenes Gesetz nur in Wirksamkeit tritt,
wenn es bei nochmaliger Beratung von einer Zwei-
drittelmehrheit der beiden Häuser des Kongresses
genehmigt wird. Außerdem hat er die Verpflichtung,
über die richtige Handhabung der Gesetze zu wachen.
Als Vorstände der obersten Unionsämter stehen ihm
acht Minister (secretaries) zur Seite: der Staats-
sekretär, dem die Leitung der äußeren Angelegenheiten
obliegt; der Schatzamtssekretär, dem das Finanz-,
Münz- und Zollwesen untersteht; der Inlandamts-
tekretär, dem die Verwaltung und Vergebung der
ausgedehnten öffentlichen Ländereien, die Indianer-
angelegenheiten, das Patentwesen, das Pensionswesen,
der Zensus u. s. w. zufallen; der Kriegsamtssekretär,
der Marineamtssekretär, der Justizamtssekretär, der
Ackerbauamtssekretär und der Postamtssekretär. Diese
Minister werden von dem Präsidenten ernannt und
entlassen und sind ihm allein verantwortlich, während
er selbst für alle Handlungen der Exekutive dem
souveränen Volke veranwortlich ist, vom Repräsentan-
tenhause unter Anklage gestellt und vom Senat ver-
hört und gerichtet werden kann.

Die gesetzgebende Gewalt für die gemeinsamen
Angelegenheiten der Föderativrepublik hat der Kon-
greß,
derart, daß jeder Gesetzentwurf (bill) der
Zustimmung beider Häuser bedarf, ehe er Gesetz (law)
wird, natürlich unter Voraussetzung der Unterschrift
des Präsidenten oder unter Rücksichtnahme auf dessen
Vetorecht. Außerdem hat allein der Kongreß das Recht
der Kriegserklärung, und ebenso wie den Präsidenten,
kann das Repräsentantenhaus auch alle anderen Zivil-
beamten des Gesamtstaates unter Anklage stellen,
während dann der Senat als oberster Staatsgerichtshof
auftritt. Dem Repräsentantenhause steht ferner das
Recht der Präsidentenwahl zu, sobald dieselbe in der
oben angegebenen Weise nicht zustande kommt, weil
keiner der Kandidaten eine absolute Stimmenmehrheit
erhält. Steuergesetze können ausschließlich durch Vor-
schläge aus dem Repräsentantenhause zur Beratung
[Spaltenumbruch] gelangen, und der Senat kann nur an der Umgestal-
tung derselben mitwirken.

Die Bundesgerichtshöfe, denen die Hand-
habung der für den Gesamtstaat geltenden Gesetze
obliegt, die aber zu den Gerichtshöfen der einzelnen
Staaten in keinerlei Beziehungen stehen, zerfallen in
einen obersten Bundesgerichtshof, neun Kreisgerichts-
höfe und 55 Unterkreisgerichtshöfe. Die Richter
ernennt der Präsident unter Zustimmung des Senates.
Bei der Einteilung des Staatsgebietes in Gerichts-
bezirke ist natürlich in erster Linie die Verteilung der
Bevölkerung maßgebend gewesen, und so entfallen
auf die appalachische Landeshälfte sieben, auf die
cordillerische nur zwei von den Kreisgerichtsbezirken.

Die Regierung der Einzelstaaten besteht
ans einem Governor, dem ein stellvertretender Governor
zur Seite steht, und aus einer nach dem Zweikammer-
system eingerichteten Gesetzgebenden Versammlung,
deren Befugnisse in ähnlicher Weise gegeneinander
abgegrenzt sind wie in dem Gesamtstaate. Die Er-
wählung dieser Behörden erfolgt aber in den ver-
schiedenen Staaten in verschiedener Weise, und die
Wahlberechtigung ist nicht in allen Staaten die gleiche.
Nur seinen ersten Minister ernennt der Governor,
die übrigen gehen ebenfalls aus Volkswahlen hervor,
und die Zahl sowie die Aufgabe und Benennung
derselben ist je nach der Größe und Eigenart des
Staates verschieden. Uebrigens ist der Kreis der
Angelegenheiten, welche der Gesetzgebung und der
Exekutive der Einzelstaaten untertiegen, sehr groß,
und namentlich fällt in ihn fast das gesamte bürger-
liche Recht, das Munizipalrecht, ein großer Teil des
Finanzwesen, die öffentlichen Arbeiten, das Unter-
richtswesen u. s. w.

Die Hauptgründe für das nordamerikanische
Föderativsystem sucht J. Bryce ganz richtig vor allem
in der historischen Tatsache, daß die Bildung des
Staatswesens von getrennt bestehenden Kolonien ihren
Anfang nahm, sodann in der Ueberzeugung der Be-
völkerung, daß eine lokalisierte Regierung die beste
Bürgschaft politischer Freiheit sei, und endlich in der
Erkenntnis der Schwierigkeit, ein so großes Land und
Volk von einem Mittelpunkte aus und durch eine
Regierung zu verwalten.

Was die sogenannten Territorien betifft,
deren es zurzeit (abgesehen von Hawai und Puerto
Rico) fünf gibt, so sind dieselben sozusagen unfertige
Staaten, denen es vor allen noch an einer genügenden
Bevölkerungszahl fehlt. Ihre Regierungsform ist
äußerlich derjenigen der Einzelstaaten ähnlich, ihre
Verfassung ist ihnen aber von der Zentralregierung
vorgeschrieben, und ihren Governor sowie ihre Richter
ernennt der Bundespräsident.

Noch mehr als in der Unionsverfassung und in
der Verfassung der Einzelstaaten kommt der demokra-
tische Geist, der das Staatswesen durchweht, in der
Gemeinde- und Coutyverfassung zur Gel-
tung. Den Gemeinden steht die denkbar vvllkommenste
Selbstverwaltung zu, und in den kleineren Ortschaften




[Spaltenumbruch]

fertig der Toni und der Franzl an einem der langen
Tische Platz geschaffen für die Leitnerin und ihren
Mann. Von den Sitzen in der Hinterstube war die
Bäuerin für den Anfang wohl nicht sehr entzückt,
destomehr aber von der Dienstfertigkeit des jungen
Hofbauern.

Als der Tanz begonnen hatte, führte der Toni
die Kathl hinein und gleich darauf flogen sie, den
Klängen der Musik folgend, über den Tanzboden
hin. Die Leitenbäuerin konnte sichs nicht nehmen
lassen, ihnen nachzugehen und unter der Türe, ein-
gekeilt zwischen anderen Zuschauern, verfolgte sie mit
den Blicken das hübsche Paar bis sie es aus den
Augen verlor. Die Dirnen alle, die teils an ihr
vorübertanzten, teils herumstanden, unterzog sie einer
strengen Musterung und natürlich, einen Vergleich
mit ihrer Aeltesten hielt keine aus. Mit der Befrie-
digung, daß Kathl das schönste Mädchen auf der
heutigen Kirmeß sei, zog sie sich wieder in die Hinter-
stube zurück; dort stellte sie sich in ihrer ganzen Be-
häbigkeit vor den Spiegel hin und belächelte ver-
gnügt ihr eigenes Ich, das ihr daraus entgegensah.
Der Sepp hatte Recht -- "d'Scheanheit hat's vo
der Muatter."

Als sie sich wieder an der Seite ihres Mannes
niederließ, sagte dieser: "Hiazt war g'rad der Brünnl-
bauer da und hat mer an Stupfer geb'n weg'n der
Kathl für sein Peter".

"No?" Die Leitnerin streckte den Hals und sah
ihren Ehegemal etwas strenge an. "Und was hast
eahm g'sagt?"

"I han net jo und net na g'sagt".

"I sag aber -- na!" sagte mit großem Nach-
druck auf das letzte Wort die Leitenbäuerin.


[Spaltenumbruch]

"I denk mer, so dumm war die G'schicht just
net --. Der Brünnlbauer steht sie net schlecht und
hat na den vanzig'n Suhn, die Tochter is scho aus-
g'heirat und 's Bauernort g'hört 'n Peter -- --".
Er wollte noch weiterreden, aber das Weib schnitt
ihm plötzlich die Rede ab. "Na han i scho g'sogt --
und die G'schicht is aus! Der Brünnlbauern-Peter
kriagt mei Kathl net in [s]ei armselige Wirtschaft eini
-- war a Sünd a um so a schean's Deandl -- dö
kann a größers Glück mach'n".

"Armselige Wirtschaft?" sagte der Bauer ganz
verwun ert, "mir ziemt, er steaht si besser wia mir!"

Hier wurde der Disput unterbrochen. Der junge
Hofbauer kam und setzte sich neben die Bäuerin, ihr
Mann wandte sich seinem anderen Tischnachbarn zu.

"Dös g'freut mi, Leit'nbäuerin, daß ös amol mit
der Kathl af an Kirchtag gang' seid's", sagte der Toni.

Die Bäuerin lächelte vergnügt über den Gesell-
schafter, den sie nun an ihrer Seite hatte und sie
bedauerte insgeheim nur, daß dies die Schwarzböckin
nicht sehen konnte. "I muaß ja 'n Deandl a amol
a Freud' mach'n -- wer woaß wia lang s' no mei
g'hört", begann sie, sofort anzüglich werdend, "und
sie hat net amol recht wöll'n, die Kathl, 's war
schad' ums Geld hat's g'moant -- i sag' der's,
Toni, das Deandl is na für d'Wirtschaft und sunst
für nix net! Und wann's a koa Huab'n net kriagt
als Heiratsguat, derentweg'n wird's do heunt oder
morg'n a bessere Bäuerin sei als wia manche andere.
Wia d'Muatta d'Kinder erziagt, af das kimmt's an
und sunst af nix!" setzte sie noch hinzu.

Der Toni ließ sie reden und sagte nichts, nur mit
einem Kopfnicken pflichtete er ihr artigkeitshalber bei.

"Der Brünnlbauern-Peter gibt mer scho gar koa
[Spaltenumbruch] Ruah net, er will d'Kathl hab'n um an niad 'n
Preis!" fuhr die Leitnerin, etwas stark aufschneidend,
nach einer kleinen Pause fort.

Bei dem Gehörten, da fuhr der Toni über
rascht auf. "Der Brünnlbauern-Peter? No das war
freili koa schlechte Heirat net -- aber mir ziemt,
Leitnerin, ös seid's a g'scheidt's Leut und laßt's
scho der Kathl ihr'n eig'nen Will'n. Leb'n muaß sie
mit'n Mannsbild, oft sull sie si a van aussuach'n,
der ihr g'fallt und den's a gern hat".

"Halt ja! Dös sag' i a! Ba vaner Heirat is
allerweil d'Liab d'Hauptsach -- und wo d'Liab net
is, durt is a koa Seg'n in Haus und d'rum misch
i mi a net eini -- den's Deandl gern hat, den
sull's a hab'n".

Der Toni ergriff nach diesen Worten mit der
Linken die Hand der Bäuerin, mit der Rechten schlug
er auf ihre Schulter. "Leitnerin, das is a Red', dö
mer g'fallt vo enk! Aber vergeßt's na net d'rauf was
heunt g'sagt habt's -- 's kann sei, daß i enk selber
amol ban Wort nimm!"

"Allemal, Toni! Zan niada Stund!" sagte die
Bänerin mit großer Würde, innerlich war sie sehr
vergnügt, aber äußerlich ließ sie nichts davon merken,
daß sie um die Liebschaft ihrer Tochter bereits wußte.

Der Toni goß aus seiner Weinflasche zwei
Gläser voll und zur Bekräftigung des Gesagten
tranken beide aus. Dann suchte er wieder die tan-
zende Gesellschaft auf und ließ die Leitnerin zurück
in einer beneidenswerten Stimmung. Dem Bauern
war das Gespräch der beiden zum größtenteile ent-
gangen, er behandelte mit seinem Nachbarn gerade
den Saatenstand und wurde erst aufmerksam, als sie
die Gläser aneinanderstießen.


*) Wir entnehmen obige Darstellung dem soeben er-
schienenen Werke: E. Deckert, Nordamerika, 2. Auflage.
Mit 130 Abbildungen im Text, 12 Kartenbeilagen und
21 Tafeln in Holzschnitt, Aetzung und Farbendruck. 4. Band
der von Prof. Dr. W. Sievers in 2. Auflage herausgegebenen
"Allgemeinen Länderkunde". In Halbleder gebunden 16 Mark.
(Verlag des Bibliographischen Instituts in Leipzig und Wien.)
Mittwoch Badener Zeitung 2. November 1904. Nr. 88.

[Spaltenumbruch]

verſität ſeinen Hörern ins Stammbuch ſchreiben.
So haben wir es wie bei den Tſchechen mit der
alten Poſtulatenpolitik, bei der Regierung mit
der alten Politik der Belohnung eigenſinniger
Störrigkeit und der Schlichtung aller Verlegen-
heiten durch Gefährdung der nächſten und ent-
fernteren Zukunft zu tun. Auf dieſe Art iſt den
Tſchechen ihre Poſtulaten-, Etappen- und Broſamen-
politik nicht abzugewöhnen. Anſtatt das mit eiſerner
Folgerichtigkeit durchzuſetzen, indem den Tſchechen
gezeigt wird, was ſie zu verlieren haben und
durch ihre Halsſtarrigkeit, welche alle ſchädigt,
gefährden, erhalten ſie durch den Landsmann-
miniſter die bündige Verſicherung, daß ihnen
nichts geſchehen wird, ſie mögen obſtruieren oder
nicht oder ſonſt tun und laſſen, was ihnen be-
liebt. Und das ſoll die Tſchechen zur Nachgiebig-
keit ſtimmen?




Die politiſche Organiſation der Vereinigten
Staaten von Nordamerika.
*)

Die Regierung des Geſammtſtaates
liegt in den Händen eines Präſidenten und eines
Kongreſſes, der aus einem Senat und einem Reprä-
ſentantenhauſe beſteht. Der Präſident ſowie ſein
Vertreter, der Vizepräſident, wird auf vier Jahre
gewählt, dergeſtalt, daß die über 21 Jahre alte
männliche Bevölkerung der einzelnen Staaten eine
der Größe derſelben entſprechende Anzahl Wahlmänner
aufſtellt, die den Präſidenten und Vizepräſidenten
ernennen. Die Mitglieder des Senates erhalten ihr
Mandat von den geſetzgebend[e]n Körperſchaften der
einzelnen Staaten auf ſechs Jahre, und zwar ſo, daß
aller zwei Jahre ein Drittel der Senatoren ausſcheidet
und durch Nenwahlen erſetzt wird. Da jeder Staat,
gleichviel ob groß oder klein, zwei Senatoren zu
entſenden hat, ſo beträgt die Zahl derſelben insgeſamt
90. Das Repräſentantenhaus endlich geht aus allge-
meinen und direkten Wahlen hervoe, die innerhalb
der einzelnen Staaten aller zwei Jahre ſtattfinden,
und bei denen jeder Staat eine ſeiner Bevölkerungs-
zahl entſprechende Abgeordnetenzahl zu ernennen hat.
Die Geſamtzahl der Mitglieder des Repräſentanten-
hauſes betrug gemäß dem Zenſus von 1900: 386.
Wählbar zum Präſidenten iſt nur ein geborener
Unionsbürger, wählbar zum Senat unr ein Einwohner
des betreffenden Staates, der das 30. Jahr zurück-
gelegt hat und ſeit neun Jahren Unionsbürger iſt,
und wählbar in das Repräſentantenhaus nur ein
25 Jahre alter, ſiebenjähriger Unionsbürger. Im
[Spaltenumbruch] übrigen unterliegt die Wahlberechtigung gewiſſen
Abänderungen von Staat zu Staat, und in Califor-
nien, Oregon und Idaho ſind Chineſen, in Montana
und anderweit Indianer davon ausgeſchloſſen, während
ſie in Wyoming, Colorado, Idaho und Utah auch
auf die Frauen ausgedehnt iſt. Die Tagungen finden
im Kapitol zu Waſhington ſtatt.

Was die Funktionen der verſchiedenen Regierungs-
organe betrifft, ſo liegt dem Präſidenten vvr allen
Dingen die ausübende Staatsgewalt ob: der Ober-
befehl über Heer und Flotte, die Befugnis, Verträge
mit anderen Staaten zu ſchießen, Geſandte und
Koſuln ſowie die anderen hohen Beamten des Geſamt-
ſtaates zu ernennen und abzuſetzen, in den beiden
letzten Beziehungen iſt er aber an die Zuſtimmung
des Senates gebunden. Das Recht der Kriegserklärung
hat er nicht und ebenſowenig das Recht, Geſetzentwürfe
einzubringen. Bei der Geſetzgebung ſteht ihm aber
ein beſchränktes Vetorecht zu, indem ein von ihm
nicht unterſchriebenes Geſetz nur in Wirkſamkeit tritt,
wenn es bei nochmaliger Beratung von einer Zwei-
drittelmehrheit der beiden Häuſer des Kongreſſes
genehmigt wird. Außerdem hat er die Verpflichtung,
über die richtige Handhabung der Geſetze zu wachen.
Als Vorſtände der oberſten Unionsämter ſtehen ihm
acht Miniſter (secretaries) zur Seite: der Staats-
ſekretär, dem die Leitung der äußeren Angelegenheiten
obliegt; der Schatzamtsſekretär, dem das Finanz-,
Münz- und Zollweſen unterſteht; der Inlandamts-
tekretär, dem die Verwaltung und Vergebung der
ausgedehnten öffentlichen Ländereien, die Indianer-
angelegenheiten, das Patentweſen, das Penſionsweſen,
der Zenſus u. ſ. w. zufallen; der Kriegsamtsſekretär,
der Marineamtsſekretär, der Juſtizamtsſekretär, der
Ackerbauamtsſekretär und der Poſtamtsſekretär. Dieſe
Miniſter werden von dem Präſidenten ernannt und
entlaſſen und ſind ihm allein verantwortlich, während
er ſelbſt für alle Handlungen der Exekutive dem
ſouveränen Volke veranwortlich iſt, vom Repräſentan-
tenhauſe unter Anklage geſtellt und vom Senat ver-
hört und gerichtet werden kann.

Die geſetzgebende Gewalt für die gemeinſamen
Angelegenheiten der Föderativrepublik hat der Kon-
greß,
derart, daß jeder Geſetzentwurf (bill) der
Zuſtimmung beider Häuſer bedarf, ehe er Geſetz (law)
wird, natürlich unter Vorausſetzung der Unterſchrift
des Präſidenten oder unter Rückſichtnahme auf deſſen
Vetorecht. Außerdem hat allein der Kongreß das Recht
der Kriegserklärung, und ebenſo wie den Präſidenten,
kann das Repräſentantenhaus auch alle anderen Zivil-
beamten des Geſamtſtaates unter Anklage ſtellen,
während dann der Senat als oberſter Staatsgerichtshof
auftritt. Dem Repräſentantenhauſe ſteht ferner das
Recht der Präſidentenwahl zu, ſobald dieſelbe in der
oben angegebenen Weiſe nicht zuſtande kommt, weil
keiner der Kandidaten eine abſolute Stimmenmehrheit
erhält. Steuergeſetze können ausſchließlich durch Vor-
ſchläge aus dem Repräſentantenhauſe zur Beratung
[Spaltenumbruch] gelangen, und der Senat kann nur an der Umgeſtal-
tung derſelben mitwirken.

Die Bundesgerichtshöfe, denen die Hand-
habung der für den Geſamtſtaat geltenden Geſetze
obliegt, die aber zu den Gerichtshöfen der einzelnen
Staaten in keinerlei Beziehungen ſtehen, zerfallen in
einen oberſten Bundesgerichtshof, neun Kreisgerichts-
höfe und 55 Unterkreisgerichtshöfe. Die Richter
ernennt der Präſident unter Zuſtimmung des Senates.
Bei der Einteilung des Staatsgebietes in Gerichts-
bezirke iſt natürlich in erſter Linie die Verteilung der
Bevölkerung maßgebend geweſen, und ſo entfallen
auf die appalachiſche Landeshälfte ſieben, auf die
cordilleriſche nur zwei von den Kreisgerichtsbezirken.

Die Regierung der Einzelſtaaten beſteht
ans einem Governor, dem ein ſtellvertretender Governor
zur Seite ſteht, und aus einer nach dem Zweikammer-
ſyſtem eingerichteten Geſetzgebenden Verſammlung,
deren Befugniſſe in ähnlicher Weiſe gegeneinander
abgegrenzt ſind wie in dem Geſamtſtaate. Die Er-
wählung dieſer Behörden erfolgt aber in den ver-
ſchiedenen Staaten in verſchiedener Weiſe, und die
Wahlberechtigung iſt nicht in allen Staaten die gleiche.
Nur ſeinen erſten Miniſter ernennt der Governor,
die übrigen gehen ebenfalls aus Volkswahlen hervor,
und die Zahl ſowie die Aufgabe und Benennung
derſelben iſt je nach der Größe und Eigenart des
Staates verſchieden. Uebrigens iſt der Kreis der
Angelegenheiten, welche der Geſetzgebung und der
Exekutive der Einzelſtaaten untertiegen, ſehr groß,
und namentlich fällt in ihn faſt das geſamte bürger-
liche Recht, das Munizipalrecht, ein großer Teil des
Finanzweſen, die öffentlichen Arbeiten, das Unter-
richtsweſen u. ſ. w.

Die Hauptgründe für das nordamerikaniſche
Föderativſyſtem ſucht J. Bryce ganz richtig vor allem
in der hiſtoriſchen Tatſache, daß die Bildung des
Staatsweſens von getrennt beſtehenden Kolonien ihren
Anfang nahm, ſodann in der Ueberzeugung der Be-
völkerung, daß eine lokaliſierte Regierung die beſte
Bürgſchaft politiſcher Freiheit ſei, und endlich in der
Erkenntnis der Schwierigkeit, ein ſo großes Land und
Volk von einem Mittelpunkte aus und durch eine
Regierung zu verwalten.

Was die ſogenannten Territorien betifft,
deren es zurzeit (abgeſehen von Hawai und Puerto
Rico) fünf gibt, ſo ſind dieſelben ſozuſagen unfertige
Staaten, denen es vor allen noch an einer genügenden
Bevölkerungszahl fehlt. Ihre Regierungsform iſt
äußerlich derjenigen der Einzelſtaaten ähnlich, ihre
Verfaſſung iſt ihnen aber von der Zentralregierung
vorgeſchrieben, und ihren Governor ſowie ihre Richter
ernennt der Bundespräſident.

Noch mehr als in der Unionsverfaſſung und in
der Verfaſſung der Einzelſtaaten kommt der demokra-
tiſche Geiſt, der das Staatsweſen durchweht, in der
Gemeinde- und Coutyverfaſſung zur Gel-
tung. Den Gemeinden ſteht die denkbar vvllkommenſte
Selbſtverwaltung zu, und in den kleineren Ortſchaften




[Spaltenumbruch]

fertig der Toni und der Franzl an einem der langen
Tiſche Platz geſchaffen für die Leitnerin und ihren
Mann. Von den Sitzen in der Hinterſtube war die
Bäuerin für den Anfang wohl nicht ſehr entzückt,
deſtomehr aber von der Dienſtfertigkeit des jungen
Hofbauern.

Als der Tanz begonnen hatte, führte der Toni
die Kathl hinein und gleich darauf flogen ſie, den
Klängen der Muſik folgend, über den Tanzboden
hin. Die Leitenbäuerin konnte ſichs nicht nehmen
laſſen, ihnen nachzugehen und unter der Türe, ein-
gekeilt zwiſchen anderen Zuſchauern, verfolgte ſie mit
den Blicken das hübſche Paar bis ſie es aus den
Augen verlor. Die Dirnen alle, die teils an ihr
vorübertanzten, teils herumſtanden, unterzog ſie einer
ſtrengen Muſterung und natürlich, einen Vergleich
mit ihrer Aelteſten hielt keine aus. Mit der Befrie-
digung, daß Kathl das ſchönſte Mädchen auf der
heutigen Kirmeß ſei, zog ſie ſich wieder in die Hinter-
ſtube zurück; dort ſtellte ſie ſich in ihrer ganzen Be-
häbigkeit vor den Spiegel hin und belächelte ver-
gnügt ihr eigenes Ich, das ihr daraus entgegenſah.
Der Sepp hatte Recht — „d’Scheanheit hat’s vo
der Muatter.“

Als ſie ſich wieder an der Seite ihres Mannes
niederließ, ſagte dieſer: „Hiazt war g’rad der Brünnl-
bauer da und hat mer an Stupfer geb’n weg’n der
Kathl für ſein Peter“.

„No?“ Die Leitnerin ſtreckte den Hals und ſah
ihren Ehegemal etwas ſtrenge an. „Und was haſt
eahm g’ſagt?“

„I han net jo und net na g’ſagt“.

„I ſag aber — na!“ ſagte mit großem Nach-
druck auf das letzte Wort die Leitenbäuerin.


[Spaltenumbruch]

„I denk mer, ſo dumm war die G’ſchicht juſt
net —. Der Brünnlbauer ſteht ſie net ſchlecht und
hat na den vanzig’n Suhn, die Tochter is ſcho aus-
g’heirat und ’s Bauernort g’hört ’n Peter — —“.
Er wollte noch weiterreden, aber das Weib ſchnitt
ihm plötzlich die Rede ab. „Na han i ſcho g’ſogt —
und die G’ſchicht is aus! Der Brünnlbauern-Peter
kriagt mei Kathl net in [ſ]ei armſelige Wirtſchaft eini
— war a Sünd a um ſo a ſchean’s Deandl — dö
kann a größers Glück mach’n“.

„Armſelige Wirtſchaft?“ ſagte der Bauer ganz
verwun ert, „mir ziemt, er ſteaht ſi beſſer wia mir!“

Hier wurde der Disput unterbrochen. Der junge
Hofbauer kam und ſetzte ſich neben die Bäuerin, ihr
Mann wandte ſich ſeinem anderen Tiſchnachbarn zu.

„Dös g’freut mi, Leit’nbäuerin, daß ös amol mit
der Kathl af an Kirchtag gang’ ſeid’s“, ſagte der Toni.

Die Bäuerin lächelte vergnügt über den Geſell-
ſchafter, den ſie nun an ihrer Seite hatte und ſie
bedauerte insgeheim nur, daß dies die Schwarzböckin
nicht ſehen konnte. „I muaß ja ’n Deandl a amol
a Freud’ mach’n — wer woaß wia lang ſ’ no mei
g’hört“, begann ſie, ſofort anzüglich werdend, „und
ſie hat net amol recht wöll’n, die Kathl, ’s war
ſchad’ ums Geld hat’s g’moant — i ſag’ der’s,
Toni, das Deandl is na für d’Wirtſchaft und ſunſt
für nix net! Und wann’s a koa Huab’n net kriagt
als Heiratsguat, derentweg’n wird’s do heunt oder
morg’n a beſſere Bäuerin ſei als wia manche andere.
Wia d’Muatta d’Kinder erziagt, af das kimmt’s an
und ſunſt af nix!“ ſetzte ſie noch hinzu.

Der Toni ließ ſie reden und ſagte nichts, nur mit
einem Kopfnicken pflichtete er ihr artigkeitshalber bei.

„Der Brünnlbauern-Peter gibt mer ſcho gar koa
[Spaltenumbruch] Ruah net, er will d’Kathl hab’n um an niad ’n
Preis!“ fuhr die Leitnerin, etwas ſtark aufſchneidend,
nach einer kleinen Pauſe fort.

Bei dem Gehörten, da fuhr der Toni über
raſcht auf. „Der Brünnlbauern-Peter? No das war
freili koa ſchlechte Heirat net — aber mir ziemt,
Leitnerin, ös ſeid’s a g’ſcheidt’s Leut und laßt’s
ſcho der Kathl ihr’n eig’nen Will’n. Leb’n muaß ſie
mit’n Mannsbild, oft ſull ſie ſi a van ausſuach’n,
der ihr g’fallt und den’s a gern hat“.

„Halt ja! Dös ſag’ i a! Ba vaner Heirat is
allerweil d’Liab d’Hauptſach — und wo d’Liab net
is, durt is a koa Seg’n in Haus und d’rum miſch
i mi a net eini — den’s Deandl gern hat, den
ſull’s a hab’n“.

Der Toni ergriff nach dieſen Worten mit der
Linken die Hand der Bäuerin, mit der Rechten ſchlug
er auf ihre Schulter. „Leitnerin, das is a Red’, dö
mer g’fallt vo enk! Aber vergeßt’s na net d’rauf was
heunt g’ſagt habt’s — ’s kann ſei, daß i enk ſelber
amol ban Wort nimm!“

„Allemal, Toni! Zan niada Stund!“ ſagte die
Bänerin mit großer Würde, innerlich war ſie ſehr
vergnügt, aber äußerlich ließ ſie nichts davon merken,
daß ſie um die Liebſchaft ihrer Tochter bereits wußte.

Der Toni goß aus ſeiner Weinflaſche zwei
Gläſer voll und zur Bekräftigung des Geſagten
tranken beide aus. Dann ſuchte er wieder die tan-
zende Geſellſchaft auf und ließ die Leitnerin zurück
in einer beneidenswerten Stimmung. Dem Bauern
war das Geſpräch der beiden zum größtenteile ent-
gangen, er behandelte mit ſeinem Nachbarn gerade
den Saatenſtand und wurde erſt aufmerkſam, als ſie
die Gläſer aneinanderſtießen.


*) Wir entnehmen obige Darſtellung dem ſoeben er-
ſchienenen Werke: E. Deckert, Nordamerika, 2. Auflage.
Mit 130 Abbildungen im Text, 12 Kartenbeilagen und
21 Tafeln in Holzſchnitt, Aetzung und Farbendruck. 4. Band
der von Prof. Dr. W. Sievers in 2. Auflage herausgegebenen
„Allgemeinen Länderkunde“. In Halbleder gebunden 16 Mark.
(Verlag des Bibliographiſchen Inſtituts in Leipzig und Wien.)
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[2/0002] Mittwoch Badener Zeitung 2. November 1904. Nr. 88. verſität ſeinen Hörern ins Stammbuch ſchreiben. So haben wir es wie bei den Tſchechen mit der alten Poſtulatenpolitik, bei der Regierung mit der alten Politik der Belohnung eigenſinniger Störrigkeit und der Schlichtung aller Verlegen- heiten durch Gefährdung der nächſten und ent- fernteren Zukunft zu tun. Auf dieſe Art iſt den Tſchechen ihre Poſtulaten-, Etappen- und Broſamen- politik nicht abzugewöhnen. Anſtatt das mit eiſerner Folgerichtigkeit durchzuſetzen, indem den Tſchechen gezeigt wird, was ſie zu verlieren haben und durch ihre Halsſtarrigkeit, welche alle ſchädigt, gefährden, erhalten ſie durch den Landsmann- miniſter die bündige Verſicherung, daß ihnen nichts geſchehen wird, ſie mögen obſtruieren oder nicht oder ſonſt tun und laſſen, was ihnen be- liebt. Und das ſoll die Tſchechen zur Nachgiebig- keit ſtimmen? Die politiſche Organiſation der Vereinigten Staaten von Nordamerika. *) Die Regierung des Geſammtſtaates liegt in den Händen eines Präſidenten und eines Kongreſſes, der aus einem Senat und einem Reprä- ſentantenhauſe beſteht. Der Präſident ſowie ſein Vertreter, der Vizepräſident, wird auf vier Jahre gewählt, dergeſtalt, daß die über 21 Jahre alte männliche Bevölkerung der einzelnen Staaten eine der Größe derſelben entſprechende Anzahl Wahlmänner aufſtellt, die den Präſidenten und Vizepräſidenten ernennen. Die Mitglieder des Senates erhalten ihr Mandat von den geſetzgebenden Körperſchaften der einzelnen Staaten auf ſechs Jahre, und zwar ſo, daß aller zwei Jahre ein Drittel der Senatoren ausſcheidet und durch Nenwahlen erſetzt wird. Da jeder Staat, gleichviel ob groß oder klein, zwei Senatoren zu entſenden hat, ſo beträgt die Zahl derſelben insgeſamt 90. Das Repräſentantenhaus endlich geht aus allge- meinen und direkten Wahlen hervoe, die innerhalb der einzelnen Staaten aller zwei Jahre ſtattfinden, und bei denen jeder Staat eine ſeiner Bevölkerungs- zahl entſprechende Abgeordnetenzahl zu ernennen hat. Die Geſamtzahl der Mitglieder des Repräſentanten- hauſes betrug gemäß dem Zenſus von 1900: 386. Wählbar zum Präſidenten iſt nur ein geborener Unionsbürger, wählbar zum Senat unr ein Einwohner des betreffenden Staates, der das 30. Jahr zurück- gelegt hat und ſeit neun Jahren Unionsbürger iſt, und wählbar in das Repräſentantenhaus nur ein 25 Jahre alter, ſiebenjähriger Unionsbürger. Im übrigen unterliegt die Wahlberechtigung gewiſſen Abänderungen von Staat zu Staat, und in Califor- nien, Oregon und Idaho ſind Chineſen, in Montana und anderweit Indianer davon ausgeſchloſſen, während ſie in Wyoming, Colorado, Idaho und Utah auch auf die Frauen ausgedehnt iſt. Die Tagungen finden im Kapitol zu Waſhington ſtatt. Was die Funktionen der verſchiedenen Regierungs- organe betrifft, ſo liegt dem Präſidenten vvr allen Dingen die ausübende Staatsgewalt ob: der Ober- befehl über Heer und Flotte, die Befugnis, Verträge mit anderen Staaten zu ſchießen, Geſandte und Koſuln ſowie die anderen hohen Beamten des Geſamt- ſtaates zu ernennen und abzuſetzen, in den beiden letzten Beziehungen iſt er aber an die Zuſtimmung des Senates gebunden. Das Recht der Kriegserklärung hat er nicht und ebenſowenig das Recht, Geſetzentwürfe einzubringen. Bei der Geſetzgebung ſteht ihm aber ein beſchränktes Vetorecht zu, indem ein von ihm nicht unterſchriebenes Geſetz nur in Wirkſamkeit tritt, wenn es bei nochmaliger Beratung von einer Zwei- drittelmehrheit der beiden Häuſer des Kongreſſes genehmigt wird. Außerdem hat er die Verpflichtung, über die richtige Handhabung der Geſetze zu wachen. Als Vorſtände der oberſten Unionsämter ſtehen ihm acht Miniſter (secretaries) zur Seite: der Staats- ſekretär, dem die Leitung der äußeren Angelegenheiten obliegt; der Schatzamtsſekretär, dem das Finanz-, Münz- und Zollweſen unterſteht; der Inlandamts- tekretär, dem die Verwaltung und Vergebung der ausgedehnten öffentlichen Ländereien, die Indianer- angelegenheiten, das Patentweſen, das Penſionsweſen, der Zenſus u. ſ. w. zufallen; der Kriegsamtsſekretär, der Marineamtsſekretär, der Juſtizamtsſekretär, der Ackerbauamtsſekretär und der Poſtamtsſekretär. Dieſe Miniſter werden von dem Präſidenten ernannt und entlaſſen und ſind ihm allein verantwortlich, während er ſelbſt für alle Handlungen der Exekutive dem ſouveränen Volke veranwortlich iſt, vom Repräſentan- tenhauſe unter Anklage geſtellt und vom Senat ver- hört und gerichtet werden kann. Die geſetzgebende Gewalt für die gemeinſamen Angelegenheiten der Föderativrepublik hat der Kon- greß, derart, daß jeder Geſetzentwurf (bill) der Zuſtimmung beider Häuſer bedarf, ehe er Geſetz (law) wird, natürlich unter Vorausſetzung der Unterſchrift des Präſidenten oder unter Rückſichtnahme auf deſſen Vetorecht. Außerdem hat allein der Kongreß das Recht der Kriegserklärung, und ebenſo wie den Präſidenten, kann das Repräſentantenhaus auch alle anderen Zivil- beamten des Geſamtſtaates unter Anklage ſtellen, während dann der Senat als oberſter Staatsgerichtshof auftritt. Dem Repräſentantenhauſe ſteht ferner das Recht der Präſidentenwahl zu, ſobald dieſelbe in der oben angegebenen Weiſe nicht zuſtande kommt, weil keiner der Kandidaten eine abſolute Stimmenmehrheit erhält. Steuergeſetze können ausſchließlich durch Vor- ſchläge aus dem Repräſentantenhauſe zur Beratung gelangen, und der Senat kann nur an der Umgeſtal- tung derſelben mitwirken. Die Bundesgerichtshöfe, denen die Hand- habung der für den Geſamtſtaat geltenden Geſetze obliegt, die aber zu den Gerichtshöfen der einzelnen Staaten in keinerlei Beziehungen ſtehen, zerfallen in einen oberſten Bundesgerichtshof, neun Kreisgerichts- höfe und 55 Unterkreisgerichtshöfe. Die Richter ernennt der Präſident unter Zuſtimmung des Senates. Bei der Einteilung des Staatsgebietes in Gerichts- bezirke iſt natürlich in erſter Linie die Verteilung der Bevölkerung maßgebend geweſen, und ſo entfallen auf die appalachiſche Landeshälfte ſieben, auf die cordilleriſche nur zwei von den Kreisgerichtsbezirken. Die Regierung der Einzelſtaaten beſteht ans einem Governor, dem ein ſtellvertretender Governor zur Seite ſteht, und aus einer nach dem Zweikammer- ſyſtem eingerichteten Geſetzgebenden Verſammlung, deren Befugniſſe in ähnlicher Weiſe gegeneinander abgegrenzt ſind wie in dem Geſamtſtaate. Die Er- wählung dieſer Behörden erfolgt aber in den ver- ſchiedenen Staaten in verſchiedener Weiſe, und die Wahlberechtigung iſt nicht in allen Staaten die gleiche. Nur ſeinen erſten Miniſter ernennt der Governor, die übrigen gehen ebenfalls aus Volkswahlen hervor, und die Zahl ſowie die Aufgabe und Benennung derſelben iſt je nach der Größe und Eigenart des Staates verſchieden. Uebrigens iſt der Kreis der Angelegenheiten, welche der Geſetzgebung und der Exekutive der Einzelſtaaten untertiegen, ſehr groß, und namentlich fällt in ihn faſt das geſamte bürger- liche Recht, das Munizipalrecht, ein großer Teil des Finanzweſen, die öffentlichen Arbeiten, das Unter- richtsweſen u. ſ. w. Die Hauptgründe für das nordamerikaniſche Föderativſyſtem ſucht J. Bryce ganz richtig vor allem in der hiſtoriſchen Tatſache, daß die Bildung des Staatsweſens von getrennt beſtehenden Kolonien ihren Anfang nahm, ſodann in der Ueberzeugung der Be- völkerung, daß eine lokaliſierte Regierung die beſte Bürgſchaft politiſcher Freiheit ſei, und endlich in der Erkenntnis der Schwierigkeit, ein ſo großes Land und Volk von einem Mittelpunkte aus und durch eine Regierung zu verwalten. Was die ſogenannten Territorien betifft, deren es zurzeit (abgeſehen von Hawai und Puerto Rico) fünf gibt, ſo ſind dieſelben ſozuſagen unfertige Staaten, denen es vor allen noch an einer genügenden Bevölkerungszahl fehlt. Ihre Regierungsform iſt äußerlich derjenigen der Einzelſtaaten ähnlich, ihre Verfaſſung iſt ihnen aber von der Zentralregierung vorgeſchrieben, und ihren Governor ſowie ihre Richter ernennt der Bundespräſident. Noch mehr als in der Unionsverfaſſung und in der Verfaſſung der Einzelſtaaten kommt der demokra- tiſche Geiſt, der das Staatsweſen durchweht, in der Gemeinde- und Coutyverfaſſung zur Gel- tung. Den Gemeinden ſteht die denkbar vvllkommenſte Selbſtverwaltung zu, und in den kleineren Ortſchaften fertig der Toni und der Franzl an einem der langen Tiſche Platz geſchaffen für die Leitnerin und ihren Mann. Von den Sitzen in der Hinterſtube war die Bäuerin für den Anfang wohl nicht ſehr entzückt, deſtomehr aber von der Dienſtfertigkeit des jungen Hofbauern. Als der Tanz begonnen hatte, führte der Toni die Kathl hinein und gleich darauf flogen ſie, den Klängen der Muſik folgend, über den Tanzboden hin. Die Leitenbäuerin konnte ſichs nicht nehmen laſſen, ihnen nachzugehen und unter der Türe, ein- gekeilt zwiſchen anderen Zuſchauern, verfolgte ſie mit den Blicken das hübſche Paar bis ſie es aus den Augen verlor. Die Dirnen alle, die teils an ihr vorübertanzten, teils herumſtanden, unterzog ſie einer ſtrengen Muſterung und natürlich, einen Vergleich mit ihrer Aelteſten hielt keine aus. Mit der Befrie- digung, daß Kathl das ſchönſte Mädchen auf der heutigen Kirmeß ſei, zog ſie ſich wieder in die Hinter- ſtube zurück; dort ſtellte ſie ſich in ihrer ganzen Be- häbigkeit vor den Spiegel hin und belächelte ver- gnügt ihr eigenes Ich, das ihr daraus entgegenſah. Der Sepp hatte Recht — „d’Scheanheit hat’s vo der Muatter.“ Als ſie ſich wieder an der Seite ihres Mannes niederließ, ſagte dieſer: „Hiazt war g’rad der Brünnl- bauer da und hat mer an Stupfer geb’n weg’n der Kathl für ſein Peter“. „No?“ Die Leitnerin ſtreckte den Hals und ſah ihren Ehegemal etwas ſtrenge an. „Und was haſt eahm g’ſagt?“ „I han net jo und net na g’ſagt“. „I ſag aber — na!“ ſagte mit großem Nach- druck auf das letzte Wort die Leitenbäuerin. „I denk mer, ſo dumm war die G’ſchicht juſt net —. Der Brünnlbauer ſteht ſie net ſchlecht und hat na den vanzig’n Suhn, die Tochter is ſcho aus- g’heirat und ’s Bauernort g’hört ’n Peter — —“. Er wollte noch weiterreden, aber das Weib ſchnitt ihm plötzlich die Rede ab. „Na han i ſcho g’ſogt — und die G’ſchicht is aus! Der Brünnlbauern-Peter kriagt mei Kathl net in ſei armſelige Wirtſchaft eini — war a Sünd a um ſo a ſchean’s Deandl — dö kann a größers Glück mach’n“. „Armſelige Wirtſchaft?“ ſagte der Bauer ganz verwun ert, „mir ziemt, er ſteaht ſi beſſer wia mir!“ Hier wurde der Disput unterbrochen. Der junge Hofbauer kam und ſetzte ſich neben die Bäuerin, ihr Mann wandte ſich ſeinem anderen Tiſchnachbarn zu. „Dös g’freut mi, Leit’nbäuerin, daß ös amol mit der Kathl af an Kirchtag gang’ ſeid’s“, ſagte der Toni. Die Bäuerin lächelte vergnügt über den Geſell- ſchafter, den ſie nun an ihrer Seite hatte und ſie bedauerte insgeheim nur, daß dies die Schwarzböckin nicht ſehen konnte. „I muaß ja ’n Deandl a amol a Freud’ mach’n — wer woaß wia lang ſ’ no mei g’hört“, begann ſie, ſofort anzüglich werdend, „und ſie hat net amol recht wöll’n, die Kathl, ’s war ſchad’ ums Geld hat’s g’moant — i ſag’ der’s, Toni, das Deandl is na für d’Wirtſchaft und ſunſt für nix net! Und wann’s a koa Huab’n net kriagt als Heiratsguat, derentweg’n wird’s do heunt oder morg’n a beſſere Bäuerin ſei als wia manche andere. Wia d’Muatta d’Kinder erziagt, af das kimmt’s an und ſunſt af nix!“ ſetzte ſie noch hinzu. Der Toni ließ ſie reden und ſagte nichts, nur mit einem Kopfnicken pflichtete er ihr artigkeitshalber bei. „Der Brünnlbauern-Peter gibt mer ſcho gar koa Ruah net, er will d’Kathl hab’n um an niad ’n Preis!“ fuhr die Leitnerin, etwas ſtark aufſchneidend, nach einer kleinen Pauſe fort. Bei dem Gehörten, da fuhr der Toni über raſcht auf. „Der Brünnlbauern-Peter? No das war freili koa ſchlechte Heirat net — aber mir ziemt, Leitnerin, ös ſeid’s a g’ſcheidt’s Leut und laßt’s ſcho der Kathl ihr’n eig’nen Will’n. Leb’n muaß ſie mit’n Mannsbild, oft ſull ſie ſi a van ausſuach’n, der ihr g’fallt und den’s a gern hat“. „Halt ja! Dös ſag’ i a! Ba vaner Heirat is allerweil d’Liab d’Hauptſach — und wo d’Liab net is, durt is a koa Seg’n in Haus und d’rum miſch i mi a net eini — den’s Deandl gern hat, den ſull’s a hab’n“. Der Toni ergriff nach dieſen Worten mit der Linken die Hand der Bäuerin, mit der Rechten ſchlug er auf ihre Schulter. „Leitnerin, das is a Red’, dö mer g’fallt vo enk! Aber vergeßt’s na net d’rauf was heunt g’ſagt habt’s — ’s kann ſei, daß i enk ſelber amol ban Wort nimm!“ „Allemal, Toni! Zan niada Stund!“ ſagte die Bänerin mit großer Würde, innerlich war ſie ſehr vergnügt, aber äußerlich ließ ſie nichts davon merken, daß ſie um die Liebſchaft ihrer Tochter bereits wußte. Der Toni goß aus ſeiner Weinflaſche zwei Gläſer voll und zur Bekräftigung des Geſagten tranken beide aus. Dann ſuchte er wieder die tan- zende Geſellſchaft auf und ließ die Leitnerin zurück in einer beneidenswerten Stimmung. Dem Bauern war das Geſpräch der beiden zum größtenteile ent- gangen, er behandelte mit ſeinem Nachbarn gerade den Saatenſtand und wurde erſt aufmerkſam, als ſie die Gläſer aneinanderſtießen. *) Wir entnehmen obige Darſtellung dem ſoeben er- ſchienenen Werke: E. Deckert, Nordamerika, 2. Auflage. Mit 130 Abbildungen im Text, 12 Kartenbeilagen und 21 Tafeln in Holzſchnitt, Aetzung und Farbendruck. 4. Band der von Prof. Dr. W. Sievers in 2. Auflage herausgegebenen „Allgemeinen Länderkunde“. In Halbleder gebunden 16 Mark. (Verlag des Bibliographiſchen Inſtituts in Leipzig und Wien.)

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Zitationshilfe: Badener Zeitung. Nr. 88, Baden (Niederösterreich), 02.11.1904, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_badener088_1904/2>, abgerufen am 21.11.2024.