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Die Bayerische Presse. Nr. 130. Würzburg, 31. Mai 1850.

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[Spaltenumbruch] Anklagestand und des darauf lautenden Erkennt-
nisses der Anklagekammer, begann. Die Anklage
lautete dahin: Marquis Luigi Fransoni, 62 Jahre
alt, gebürtig von Genua, Erzbischof von Turin,
habe sich -- entgegen dem Art. 24 des Preßge-
setzes -- durch Veröffentlichung und Verbreitung
seines vom 18. April datirten Rundschreibens der
Verletzung der den Gesetzen des Staats schuldi-
gen Achtung schuldig gemacht. Auf Antrag des
General=Advokaten Persoglio wurden vor Allem
die zwei Zeugen vernommen, welche aussagten,
das Rundschreiben des Erzbischofs sei an einem
Sonntag an der Sacristei der Pfarrkirche di Santa
Maria Maggiore in Poirino, zu welcher das Pub-
likum freien Zutritt hat, angeheftet gewesen. Nun
wurde das am 21. April mit Beschlag belegte
Rundschreiben, das über diese in der Druckerei,
auf der Post und im erzbischöfl. Palaste selbst,
wo man noch 356 Abdrücke fand, bewerkstelligte
Beschlagnahme aufgenommene Protokoll, das Vor-
ladungsmandat, so wie der Haftbefehl und das
Protokoll über die ersten Verhöre in der Citadelle,
dann der Anklageakt und Anhängsel dazu verlesen.
Aus diesen Aktenstücken ging auch hervor, daß
Monsignore Fransoni bestimmt erklärt hätte, bei
dem Verfahren gegen ihn sich lediglich passiv zu
verhalten, bei keinem Verhör eine Antwort zu ge-
ben, noch irgend ein Protokoll zu unterschreiben.
Die Art und Weise, wie nun der General=Advo-
kat Persoglio die Anklage entwickelte und begrün-
dete, bot durchaus nichts wesentlich Neues; es
waren darin nur die bekannten Argumente gegen
den Erzbischof wiederholt, der sich selbst als Ur-
heber des fraglichen Rundschreibens bekannt habe.
Er stellte am Schlusse die Anklage auf Verletzung
und Aufreitzung zur Nichtbeobachtung des Gesetzes
vom 9. April. Für den Erzbischof, der unerschüt-
terlich jede Theilnahme an dem Vorschreiten ver-
weigerte, daher auch keinen Vertheidiger für sich
bestellt hatte, führte von Amtswegen der Armen-
Advokat Cavaliere Vigliano mit unbestreitbarem
Talent das Wort, indem er nachwies, wie hier
gar kein Preßvergehen vorliege, weil die Oeffent-
lichkeit mangle; denn das Rundschreiben konnte
wegen der Beschlagnahme nicht vertheilt werden,
und selbst angenommen die Vertheilung, so würde
diese nicht hinreichen, eine Veröffentlichung im
Sinne des Art. 13 des Preßgesetzes zu begrün-
den. Er führte dann zur Rechtfertigung der be-
sonders ineriminirten Einleitung des Rundschrei-
bens aus, wie das Statut die kathol. Religion
als Staatsreligion, also auch die Gesetze und
Concordate derselben anerkenne, das Gesetz vom
9. April daher nur insoweit sanctionirt werden
konnte, als es diese Gesetze und Concordate nicht
verletzte. Der Erzbischof wollte nur die Gewis-
seuscrupel seiner Geistlichkeit mit dem Gesetze in
Einklang bringen, und darum schrieb er gewisse
Cautelen vor, unter denen das Gesetz dann beob-
achtet werden könne. Zum Widerstand habe das
Rundschreiben nirgends angerathen. Nachdem er
so Punkt für Punkt der Anklage durchgegangen
und widerlegt hatte, erinnerte er Richter und Ge-
schworene daran, wie man vor einem halben Jahr-
hundert in derselben Citadelle den berühmten Schrift-
steller Pictro Giannone eingesperrt zu Grunde gehen
ließ, weil er die Fürstenrechte gegen die Kirche
vertheidigt hatte, und sprach die Hoffnung aus,
daß sie nicht gleichen Tadel würden auf sich zie-
hen wollen, wie ihn die Geschichte über jenen
verhängte, die den berühmten Schriftsteller zu
Grunde gehen ließen. Er beantragte Schuldlos-
Erklärung des Angeklagten. Jndessen sprachen die
Geschworenen nach halbstündiger Berathung ein-
stimmig das "Schuldig" aus, und der General-
Advokat beantragte sofort auf 6 Monate Gefäng-
niß und 1000 Lire Geldbuße zu erkennen, der
Vertheidiger auf Weglassung jeder Geldbuße und
nur auf wenige Tage Arrest. Das Urtheil lau-
tete auf einen Monat Gefängniß, 500 Lire Geld-
buße und Tragung der Prozeßkosten. Jnzwischen
hat der Erzbischof von Sassari an die Pfarrer
seiner Diöcese ein ganz ähnliches Rundschreiben,
[Spaltenumbruch] wie der Erzbischof von Turin, erlassen, und be-
reits hat der Staatsanwalt zu Sassari auch ge-
gen ihn Antrag auf Versetzung in Anklagestand
gestellt. Sämmtliche Bischöfe von Piemont haben
eine Adresse an den gefangengehaltenen Erzbischof
hier gerichtet, worin sie ihn als Märtyrer für die
Kirche preisen. Der Muth der Kirche ist überall
gewachsen, je härter und ungerechter sie verfolgt
würde. Piemont dürfte die jetzige Verblendung
seiner Regierung noch bitter zu bereuen haben. --
Die Kammer der Abgeordneten hat gestern die
Befreiung der politischen, wissenschaftlichen und
literarischen Blätter des Jnlandes von der Stem-
pel=Abgabe, dagegen Stempel=Abgabe von 1 Cen-
tesimo für jede Numer eines auswärtigen Blattes
beschlossen.

   
Vermischte Nachrichten.

Düsseldorf, 28. Mai. Vor den heutigen
Assisen wurde ein 25jähriges Mädchen aus Wanlo
bei Odenkirchen zum Tode verurtheilt, welches am
28. März d. J. ihr neugebornes Kind in einen
benachbarten Wald getragen, dort getödtet und
hinter einen Busch geworfen hatte. Die Art des
Tödtens war noch besonders grausam; sie selbst,
die Kindsmörderin, gab an: das zappelnde Knäb-
lein bei den Füßen gefaßt und es dann mit der
Faust auf den Kopf der Art geschlagen zu haben,
daß der Tod erfolgte. Die schweren Kopfverle-
tzungen, das mangelnde linke Ohr, die gebroche-
nen, sonst so biegsamen Schädelknochen, die Blut-
sugillationen, kurz: Alles sprach dafür, und selbst
der Vertheidiger nahm dies an, daß die Mörde-
rin das Kind mit den Füßen erfaßt und gegen
einen Baum geschleudert habe. -- Die Mörde-
rin blieb während den Verhandlungen sehr ruhig
und behauptet, dies in einem Zustande der Gei-
stesverwirrung gethan zu haben, und wußte sich
von der That nichts mehr zu erinnern, während
sie früher die That auf die zuerst beschriebene
Weise erzählt hatte.

Neuestes.

Frankfurt, 30. Mai. Generallieutenant v.
Radowitz traf gestern Abend unerwartet von Er-
furt hier ein und begab sich heute Morgen nach
Baden=Baden, wo er seine durch die jüngsten
anstrengenden Geschäfte, sowie durch Familienschick-
sale sehr gebeugte Gesundheit in der stärkenden
Luft dieses schönen Bades, fern von allen diplo-
matischen Geschäften wieder stärken will.

Frankfurt, 30. Mai. Admiral Kotzebue ist
hier angekommen.

Vom Neckar, 29. Mai. Die Ministererisis,
deren ich in meinem Briefe vom 24. Mai Er-
wähnung that, ist überstanden. Die Minister blei-
ben vorläufig in ihren Aemtern. Es ist dies der
klugen Berechnung zu verdanken, mit welcher der
Minister des Jnnern, v. Schlayer, die Protesta-
tion der Standesherren gegen die Bildung einer
Staatsverfassung ohne Beachtung der ihnen in
Art. 14 der Bundesakte vom 8. Juni 1815
versicherten Rechte -- wiewohl sie nur an den
König gerichtet war --, der Ständeversammlung
im rechten Moment überliefert, und die Gelegen-
heit benützt hat, sich in einer entschiedenen Weise
für das Princip der Gleichheit und gegen die
Forderungen der vormaligen Reichsstände auszu-
sprechen.

Aus Thüringen, 25. Mai. Auf der Wart-
burg tagen jetzt wieder viele Studenten, die sich
"Progressisten" nennen. Jhr Streben geht dahin,
das Duellwesen von den Universitäten zu entfer-
nen, und hiefür Ehrengerichte einzusetzen.

Hannover, 28. Mai. Jn der zweiten Kam-
mer hat Groß von Leer von Neuem wegen der
deutschen Angelegenheiten angefragt. Minister
Stüve erklärte, er wisse in der That nicht, was
er antworten solle. Die Protokolle der Berliner
Conferenzen seien im Druck erschienen, mehr wisse
[Spaltenumbruch] er auch nicht; in Frankfurt beschäftige man sich
mit dem Entwurfe einer provisor. Verfassung.
Groß, Detering, Oppermann halten diese Ant-
wort für sehr ungenügend; Bueren erklärt, daß
die Regierung immer so antworte.

Wien, 27. Mai. Gestern Nachmittag ist
der Großherzog von Toskana hier angekommen.

Berlin, 27. Mai. Die Aufstellung eines
großen Armeekorps am Rhein ist nun definitiv
festgesetzt.

   

Berlin, 28. Mai. Die Truppen des russi-
schen ersten Armeekorps sind Berichten von der
Grenze zufolge in voller Bewegung, um sich in
der Gegend von Suwalki zu konzentriren.

Erfurt, 28. Mai. Generallieutenant v. Voß,
unser Kommandant, ist von den Geb. Gagern ver-
klagt worden, weil er sich erlaubt habe, dieselben
Vagabunden zu nennen.

   

Straßburg, 28. Mai. Von Hrn. v. Girar-
din sagt "Der Elsässer": eine Hanswurstjacke
habe ebenso viel Farben, als dieser politische Pro-
teus schon Meinungen vertheidigt habe.

Bern, 28. Mai. Der Regierungsrath hat
durch ein Kreisschreiben sämmtliche Mitglieder des
Großen Raths auf Samstag den 1. Juni, Mor-
gens 10 Uhr, in den Sitzungssaal auf dem Rath-
hause einberufen, um sich verfassungsgemäs zu
constituiren und nachher die Wahl des Regie-
rungsraths vorzunehmen.

Warschau, 25. Mai. Gestern Abend sind
Se. Maj. der Kaiser Nikolaus und Se. kaiserl.
Hoheit der Großfürst = Thronfolger von St. Pe-
tersburg hier eingetroffen. -- Das "Const. Blatt
aus Böhm." schreibt aus Kalisch, 15. Mai: Als
Kaiser Alexander von Rußland die Kunde von
einer in Wilna entdeckten Verschwörung erhielt,
rief er aus: die Polen geben die Realität für
ein Traumgebilde hin!



Verantwortlicher Redakteur u. Verleger:
Franz v. Faber.



Frankfurter Cours.
Den 30. Mai 1850.
Geld.Papier.
Oesterreich Bankaktien......1055 1060
   "   5% Metallique....7777 1 / 4
   "   4%   "   ....5939 1 / 2
   "   3%   "   ....44 1 / 444 3 / 4
   "   2 1 / 2 %   "   ....41 1 / 441 1 / 2
   "   4 1 / 2 % Bethmann...72 73
   "   4%   "   ...----
   "   fl. 250 Loose v. J. 1839.89 3 / 490 1 / 4
   "   " 500   "   "   1834.144144 1 / 2
Preußen3 1 / 2 % St. Schuld Scheine.86 1 / 4 86 3 / 4
   "   Thl. 50 Prämien Scheine.
103--
Bayern3 1 / 2 % Obligationen...83 1 / 2 84
   "   4%   "   ....8888 1 / 2
   "   5%   "   ....100 3 / 4101 1 / 4
Württemberg3 1 / 4 % "   ....81 1 / 881 5 / 8
   "   4 1 / 2    "   ....95 1 / 895 5 / 8
Baden3 1 / 2 %   "   ....78 1 / 878 5 / 8
   "   fl. 35 Loose   ......31 1 / 831 1 / 8
   "   "   50   "   ......51 1 / 252
Nassau fl. 25 "   ......23 3 / 823 7 / 8
Hessen Darmst. fl. 50 Loose... 7272 1 / 2
   "   "   " 25 "   ...
25 5 / 8 25 3 / 4
Polen fl. 300   "   ... 123--
Sardinien Fes. 36   "...31 3 / 831 5 / 8
Fremden=Anzeige

Adler: Kflte.: Heid v. Stuttgart, Walter v. Cöln,
Rothschild v. Frkft.

Kronprinz: Se. Durchl. der Herzog v. Placas mit
Fam. u. Dienersch. v. Paris. Frhr. v. Grosschedel, Gene-
ralmajor und Baron v. Guttenberg, Adjutant v. Bayrenth.
Kreß, Oberzollinsp. v. Marktbr. Kflte.: Diest v. Frkft., Leid-
ner v. Mannh.

Kleebaum: Fräul. Pertine v. Berlin. Fräul. Dietz v.
Potsdam. Fritze, Kfm. v. Berleberg.

Nuss. Hof: v. Fleming, k. preuß. Reggs.=Präsident v.
Großen bei Zeitz. Frau v. Biarorosky v. Waitzenbach. Lier-
cking, Rent. v. London. Kflte.: Lichtenberg v. Zürich, Weigle
v. Ludwigsburg.

Württembergerhof: Frhr. v. Lübdorf v. Stokholm.
Frhr. v. Waldenfels, Hauptm. v. Frkft. Brand, Staatsrath
v. Meiningen, Dr. Wögennitz, Stadtkommissär v. Erlangen.
Opes, Buchhalter, Kucht, Vikar und Mahner, Pfarrer mit
Frau v. Konglingen. Endreß, Gastw. v. Esselbach. Kflte.:
Jansen v. Montoje, Stark v. Düsseldorf, Braun v. Erfurt,
Sulzer v. Frkft., Allfeld v. Berlin.

[Ende Spaltensatz]

Druck von Joseph Steib in Würzburg.

[Spaltenumbruch] Anklagestand und des darauf lautenden Erkennt-
nisses der Anklagekammer, begann. Die Anklage
lautete dahin: Marquis Luigi Fransoni, 62 Jahre
alt, gebürtig von Genua, Erzbischof von Turin,
habe sich -- entgegen dem Art. 24 des Preßge-
setzes -- durch Veröffentlichung und Verbreitung
seines vom 18. April datirten Rundschreibens der
Verletzung der den Gesetzen des Staats schuldi-
gen Achtung schuldig gemacht. Auf Antrag des
General=Advokaten Persoglio wurden vor Allem
die zwei Zeugen vernommen, welche aussagten,
das Rundschreiben des Erzbischofs sei an einem
Sonntag an der Sacristei der Pfarrkirche di Santa
Maria Maggiore in Poirino, zu welcher das Pub-
likum freien Zutritt hat, angeheftet gewesen. Nun
wurde das am 21. April mit Beschlag belegte
Rundschreiben, das über diese in der Druckerei,
auf der Post und im erzbischöfl. Palaste selbst,
wo man noch 356 Abdrücke fand, bewerkstelligte
Beschlagnahme aufgenommene Protokoll, das Vor-
ladungsmandat, so wie der Haftbefehl und das
Protokoll über die ersten Verhöre in der Citadelle,
dann der Anklageakt und Anhängsel dazu verlesen.
Aus diesen Aktenstücken ging auch hervor, daß
Monsignore Fransoni bestimmt erklärt hätte, bei
dem Verfahren gegen ihn sich lediglich passiv zu
verhalten, bei keinem Verhör eine Antwort zu ge-
ben, noch irgend ein Protokoll zu unterschreiben.
Die Art und Weise, wie nun der General=Advo-
kat Persoglio die Anklage entwickelte und begrün-
dete, bot durchaus nichts wesentlich Neues; es
waren darin nur die bekannten Argumente gegen
den Erzbischof wiederholt, der sich selbst als Ur-
heber des fraglichen Rundschreibens bekannt habe.
Er stellte am Schlusse die Anklage auf Verletzung
und Aufreitzung zur Nichtbeobachtung des Gesetzes
vom 9. April. Für den Erzbischof, der unerschüt-
terlich jede Theilnahme an dem Vorschreiten ver-
weigerte, daher auch keinen Vertheidiger für sich
bestellt hatte, führte von Amtswegen der Armen-
Advokat Cavaliere Vigliano mit unbestreitbarem
Talent das Wort, indem er nachwies, wie hier
gar kein Preßvergehen vorliege, weil die Oeffent-
lichkeit mangle; denn das Rundschreiben konnte
wegen der Beschlagnahme nicht vertheilt werden,
und selbst angenommen die Vertheilung, so würde
diese nicht hinreichen, eine Veröffentlichung im
Sinne des Art. 13 des Preßgesetzes zu begrün-
den. Er führte dann zur Rechtfertigung der be-
sonders ineriminirten Einleitung des Rundschrei-
bens aus, wie das Statut die kathol. Religion
als Staatsreligion, also auch die Gesetze und
Concordate derselben anerkenne, das Gesetz vom
9. April daher nur insoweit sanctionirt werden
konnte, als es diese Gesetze und Concordate nicht
verletzte. Der Erzbischof wollte nur die Gewis-
seuscrupel seiner Geistlichkeit mit dem Gesetze in
Einklang bringen, und darum schrieb er gewisse
Cautelen vor, unter denen das Gesetz dann beob-
achtet werden könne. Zum Widerstand habe das
Rundschreiben nirgends angerathen. Nachdem er
so Punkt für Punkt der Anklage durchgegangen
und widerlegt hatte, erinnerte er Richter und Ge-
schworene daran, wie man vor einem halben Jahr-
hundert in derselben Citadelle den berühmten Schrift-
steller Pictro Giannone eingesperrt zu Grunde gehen
ließ, weil er die Fürstenrechte gegen die Kirche
vertheidigt hatte, und sprach die Hoffnung aus,
daß sie nicht gleichen Tadel würden auf sich zie-
hen wollen, wie ihn die Geschichte über jenen
verhängte, die den berühmten Schriftsteller zu
Grunde gehen ließen. Er beantragte Schuldlos-
Erklärung des Angeklagten. Jndessen sprachen die
Geschworenen nach halbstündiger Berathung ein-
stimmig das „Schuldig“ aus, und der General-
Advokat beantragte sofort auf 6 Monate Gefäng-
niß und 1000 Lire Geldbuße zu erkennen, der
Vertheidiger auf Weglassung jeder Geldbuße und
nur auf wenige Tage Arrest. Das Urtheil lau-
tete auf einen Monat Gefängniß, 500 Lire Geld-
buße und Tragung der Prozeßkosten. Jnzwischen
hat der Erzbischof von Sassari an die Pfarrer
seiner Diöcese ein ganz ähnliches Rundschreiben,
[Spaltenumbruch] wie der Erzbischof von Turin, erlassen, und be-
reits hat der Staatsanwalt zu Sassari auch ge-
gen ihn Antrag auf Versetzung in Anklagestand
gestellt. Sämmtliche Bischöfe von Piemont haben
eine Adresse an den gefangengehaltenen Erzbischof
hier gerichtet, worin sie ihn als Märtyrer für die
Kirche preisen. Der Muth der Kirche ist überall
gewachsen, je härter und ungerechter sie verfolgt
würde. Piemont dürfte die jetzige Verblendung
seiner Regierung noch bitter zu bereuen haben. --
Die Kammer der Abgeordneten hat gestern die
Befreiung der politischen, wissenschaftlichen und
literarischen Blätter des Jnlandes von der Stem-
pel=Abgabe, dagegen Stempel=Abgabe von 1 Cen-
tesimo für jede Numer eines auswärtigen Blattes
beschlossen.

   
Vermischte Nachrichten.

Düsseldorf, 28. Mai. Vor den heutigen
Assisen wurde ein 25jähriges Mädchen aus Wanlo
bei Odenkirchen zum Tode verurtheilt, welches am
28. März d. J. ihr neugebornes Kind in einen
benachbarten Wald getragen, dort getödtet und
hinter einen Busch geworfen hatte. Die Art des
Tödtens war noch besonders grausam; sie selbst,
die Kindsmörderin, gab an: das zappelnde Knäb-
lein bei den Füßen gefaßt und es dann mit der
Faust auf den Kopf der Art geschlagen zu haben,
daß der Tod erfolgte. Die schweren Kopfverle-
tzungen, das mangelnde linke Ohr, die gebroche-
nen, sonst so biegsamen Schädelknochen, die Blut-
sugillationen, kurz: Alles sprach dafür, und selbst
der Vertheidiger nahm dies an, daß die Mörde-
rin das Kind mit den Füßen erfaßt und gegen
einen Baum geschleudert habe. -- Die Mörde-
rin blieb während den Verhandlungen sehr ruhig
und behauptet, dies in einem Zustande der Gei-
stesverwirrung gethan zu haben, und wußte sich
von der That nichts mehr zu erinnern, während
sie früher die That auf die zuerst beschriebene
Weise erzählt hatte.

Neuestes.

Frankfurt, 30. Mai. Generallieutenant v.
Radowitz traf gestern Abend unerwartet von Er-
furt hier ein und begab sich heute Morgen nach
Baden=Baden, wo er seine durch die jüngsten
anstrengenden Geschäfte, sowie durch Familienschick-
sale sehr gebeugte Gesundheit in der stärkenden
Luft dieses schönen Bades, fern von allen diplo-
matischen Geschäften wieder stärken will.

Frankfurt, 30. Mai. Admiral Kotzebue ist
hier angekommen.

Vom Neckar, 29. Mai. Die Ministererisis,
deren ich in meinem Briefe vom 24. Mai Er-
wähnung that, ist überstanden. Die Minister blei-
ben vorläufig in ihren Aemtern. Es ist dies der
klugen Berechnung zu verdanken, mit welcher der
Minister des Jnnern, v. Schlayer, die Protesta-
tion der Standesherren gegen die Bildung einer
Staatsverfassung ohne Beachtung der ihnen in
Art. 14 der Bundesakte vom 8. Juni 1815
versicherten Rechte -- wiewohl sie nur an den
König gerichtet war --, der Ständeversammlung
im rechten Moment überliefert, und die Gelegen-
heit benützt hat, sich in einer entschiedenen Weise
für das Princip der Gleichheit und gegen die
Forderungen der vormaligen Reichsstände auszu-
sprechen.

Aus Thüringen, 25. Mai. Auf der Wart-
burg tagen jetzt wieder viele Studenten, die sich
„Progressisten“ nennen. Jhr Streben geht dahin,
das Duellwesen von den Universitäten zu entfer-
nen, und hiefür Ehrengerichte einzusetzen.

Hannover, 28. Mai. Jn der zweiten Kam-
mer hat Groß von Leer von Neuem wegen der
deutschen Angelegenheiten angefragt. Minister
Stüve erklärte, er wisse in der That nicht, was
er antworten solle. Die Protokolle der Berliner
Conferenzen seien im Druck erschienen, mehr wisse
[Spaltenumbruch] er auch nicht; in Frankfurt beschäftige man sich
mit dem Entwurfe einer provisor. Verfassung.
Groß, Detering, Oppermann halten diese Ant-
wort für sehr ungenügend; Bueren erklärt, daß
die Regierung immer so antworte.

Wien, 27. Mai. Gestern Nachmittag ist
der Großherzog von Toskana hier angekommen.

Berlin, 27. Mai. Die Aufstellung eines
großen Armeekorps am Rhein ist nun definitiv
festgesetzt.

   

Berlin, 28. Mai. Die Truppen des russi-
schen ersten Armeekorps sind Berichten von der
Grenze zufolge in voller Bewegung, um sich in
der Gegend von Suwalki zu konzentriren.

Erfurt, 28. Mai. Generallieutenant v. Voß,
unser Kommandant, ist von den Geb. Gagern ver-
klagt worden, weil er sich erlaubt habe, dieselben
Vagabunden zu nennen.

   

Straßburg, 28. Mai. Von Hrn. v. Girar-
din sagt „Der Elsässer“: eine Hanswurstjacke
habe ebenso viel Farben, als dieser politische Pro-
teus schon Meinungen vertheidigt habe.

Bern, 28. Mai. Der Regierungsrath hat
durch ein Kreisschreiben sämmtliche Mitglieder des
Großen Raths auf Samstag den 1. Juni, Mor-
gens 10 Uhr, in den Sitzungssaal auf dem Rath-
hause einberufen, um sich verfassungsgemäs zu
constituiren und nachher die Wahl des Regie-
rungsraths vorzunehmen.

Warschau, 25. Mai. Gestern Abend sind
Se. Maj. der Kaiser Nikolaus und Se. kaiserl.
Hoheit der Großfürst = Thronfolger von St. Pe-
tersburg hier eingetroffen. -- Das „Const. Blatt
aus Böhm.“ schreibt aus Kalisch, 15. Mai: Als
Kaiser Alexander von Rußland die Kunde von
einer in Wilna entdeckten Verschwörung erhielt,
rief er aus: die Polen geben die Realität für
ein Traumgebilde hin!



Verantwortlicher Redakteur u. Verleger:
Franz v. Faber.



Frankfurter Cours.
Den 30. Mai 1850.
Geld.Papier.
Oesterreich Bankaktien......1055 1060
   „   5% Metallique....7777 1 / 4
   „   4%   „   ....5939 1 / 2
   „   3%   „   ....44 1 / 444 3 / 4
   „   2 1 / 2 %   „   ....41 1 / 441 1 / 2
   „   4 1 / 2 % Bethmann...72 73
   „   4%   „   ...----
   „   fl. 250 Loose v. J. 1839.89 3 / 490 1 / 4
   „   „ 500   „   „   1834.144144 1 / 2
Preußen3 1 / 2 % St. Schuld Scheine.86 1 / 4 86 3 / 4
   „   Thl. 50 Prämien Scheine.
103--
Bayern3 1 / 2 % Obligationen...83 1 / 2 84
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   „   5%   „   ....100 3 / 4101 1 / 4
Württemberg3 1 / 4 % „   ....81 1 / 881 5 / 8
   „   4 1 / 2    „   ....95 1 / 895 5 / 8
Baden3 1 / 2 %   „   ....78 1 / 878 5 / 8
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Nassau fl. 25 „   ......23 3 / 823 7 / 8
Hessen Darmst. fl. 50 Loose... 7272 1 / 2
   „   „   „ 25 „   ...
25 5 / 8 25 3 / 4
Polen fl. 300   „   ... 123--
Sardinien Fes. 36   „...31 3 / 831 5 / 8
Fremden=Anzeige

Adler: Kflte.: Heid v. Stuttgart, Walter v. Cöln,
Rothschild v. Frkft.

Kronprinz: Se. Durchl. der Herzog v. Placas mit
Fam. u. Dienersch. v. Paris. Frhr. v. Grosschedel, Gene-
ralmajor und Baron v. Guttenberg, Adjutant v. Bayrenth.
Kreß, Oberzollinsp. v. Marktbr. Kflte.: Diest v. Frkft., Leid-
ner v. Mannh.

Kleebaum: Fräul. Pertine v. Berlin. Fräul. Dietz v.
Potsdam. Fritze, Kfm. v. Berleberg.

Nuss. Hof: v. Fleming, k. preuß. Reggs.=Präsident v.
Großen bei Zeitz. Frau v. Biarorosky v. Waitzenbach. Lier-
cking, Rent. v. London. Kflte.: Lichtenberg v. Zürich, Weigle
v. Ludwigsburg.

Württembergerhof: Frhr. v. Lübdorf v. Stokholm.
Frhr. v. Waldenfels, Hauptm. v. Frkft. Brand, Staatsrath
v. Meiningen, Dr. Wögennitz, Stadtkommissär v. Erlangen.
Opes, Buchhalter, Kucht, Vikar und Mahner, Pfarrer mit
Frau v. Konglingen. Endreß, Gastw. v. Esselbach. Kflte.:
Jansen v. Montoje, Stark v. Düsseldorf, Braun v. Erfurt,
Sulzer v. Frkft., Allfeld v. Berlin.

[Ende Spaltensatz]

Druck von Joseph Steib in Würzburg.

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</TEI>
[0004] Anklagestand und des darauf lautenden Erkennt- nisses der Anklagekammer, begann. Die Anklage lautete dahin: Marquis Luigi Fransoni, 62 Jahre alt, gebürtig von Genua, Erzbischof von Turin, habe sich -- entgegen dem Art. 24 des Preßge- setzes -- durch Veröffentlichung und Verbreitung seines vom 18. April datirten Rundschreibens der Verletzung der den Gesetzen des Staats schuldi- gen Achtung schuldig gemacht. Auf Antrag des General=Advokaten Persoglio wurden vor Allem die zwei Zeugen vernommen, welche aussagten, das Rundschreiben des Erzbischofs sei an einem Sonntag an der Sacristei der Pfarrkirche di Santa Maria Maggiore in Poirino, zu welcher das Pub- likum freien Zutritt hat, angeheftet gewesen. Nun wurde das am 21. April mit Beschlag belegte Rundschreiben, das über diese in der Druckerei, auf der Post und im erzbischöfl. Palaste selbst, wo man noch 356 Abdrücke fand, bewerkstelligte Beschlagnahme aufgenommene Protokoll, das Vor- ladungsmandat, so wie der Haftbefehl und das Protokoll über die ersten Verhöre in der Citadelle, dann der Anklageakt und Anhängsel dazu verlesen. Aus diesen Aktenstücken ging auch hervor, daß Monsignore Fransoni bestimmt erklärt hätte, bei dem Verfahren gegen ihn sich lediglich passiv zu verhalten, bei keinem Verhör eine Antwort zu ge- ben, noch irgend ein Protokoll zu unterschreiben. Die Art und Weise, wie nun der General=Advo- kat Persoglio die Anklage entwickelte und begrün- dete, bot durchaus nichts wesentlich Neues; es waren darin nur die bekannten Argumente gegen den Erzbischof wiederholt, der sich selbst als Ur- heber des fraglichen Rundschreibens bekannt habe. Er stellte am Schlusse die Anklage auf Verletzung und Aufreitzung zur Nichtbeobachtung des Gesetzes vom 9. April. Für den Erzbischof, der unerschüt- terlich jede Theilnahme an dem Vorschreiten ver- weigerte, daher auch keinen Vertheidiger für sich bestellt hatte, führte von Amtswegen der Armen- Advokat Cavaliere Vigliano mit unbestreitbarem Talent das Wort, indem er nachwies, wie hier gar kein Preßvergehen vorliege, weil die Oeffent- lichkeit mangle; denn das Rundschreiben konnte wegen der Beschlagnahme nicht vertheilt werden, und selbst angenommen die Vertheilung, so würde diese nicht hinreichen, eine Veröffentlichung im Sinne des Art. 13 des Preßgesetzes zu begrün- den. Er führte dann zur Rechtfertigung der be- sonders ineriminirten Einleitung des Rundschrei- bens aus, wie das Statut die kathol. Religion als Staatsreligion, also auch die Gesetze und Concordate derselben anerkenne, das Gesetz vom 9. April daher nur insoweit sanctionirt werden konnte, als es diese Gesetze und Concordate nicht verletzte. Der Erzbischof wollte nur die Gewis- seuscrupel seiner Geistlichkeit mit dem Gesetze in Einklang bringen, und darum schrieb er gewisse Cautelen vor, unter denen das Gesetz dann beob- achtet werden könne. Zum Widerstand habe das Rundschreiben nirgends angerathen. Nachdem er so Punkt für Punkt der Anklage durchgegangen und widerlegt hatte, erinnerte er Richter und Ge- schworene daran, wie man vor einem halben Jahr- hundert in derselben Citadelle den berühmten Schrift- steller Pictro Giannone eingesperrt zu Grunde gehen ließ, weil er die Fürstenrechte gegen die Kirche vertheidigt hatte, und sprach die Hoffnung aus, daß sie nicht gleichen Tadel würden auf sich zie- hen wollen, wie ihn die Geschichte über jenen verhängte, die den berühmten Schriftsteller zu Grunde gehen ließen. Er beantragte Schuldlos- Erklärung des Angeklagten. Jndessen sprachen die Geschworenen nach halbstündiger Berathung ein- stimmig das „Schuldig“ aus, und der General- Advokat beantragte sofort auf 6 Monate Gefäng- niß und 1000 Lire Geldbuße zu erkennen, der Vertheidiger auf Weglassung jeder Geldbuße und nur auf wenige Tage Arrest. Das Urtheil lau- tete auf einen Monat Gefängniß, 500 Lire Geld- buße und Tragung der Prozeßkosten. Jnzwischen hat der Erzbischof von Sassari an die Pfarrer seiner Diöcese ein ganz ähnliches Rundschreiben, wie der Erzbischof von Turin, erlassen, und be- reits hat der Staatsanwalt zu Sassari auch ge- gen ihn Antrag auf Versetzung in Anklagestand gestellt. Sämmtliche Bischöfe von Piemont haben eine Adresse an den gefangengehaltenen Erzbischof hier gerichtet, worin sie ihn als Märtyrer für die Kirche preisen. Der Muth der Kirche ist überall gewachsen, je härter und ungerechter sie verfolgt würde. Piemont dürfte die jetzige Verblendung seiner Regierung noch bitter zu bereuen haben. -- Die Kammer der Abgeordneten hat gestern die Befreiung der politischen, wissenschaftlichen und literarischen Blätter des Jnlandes von der Stem- pel=Abgabe, dagegen Stempel=Abgabe von 1 Cen- tesimo für jede Numer eines auswärtigen Blattes beschlossen. ( N. M. Z. ) Vermischte Nachrichten. Düsseldorf, 28. Mai. Vor den heutigen Assisen wurde ein 25jähriges Mädchen aus Wanlo bei Odenkirchen zum Tode verurtheilt, welches am 28. März d. J. ihr neugebornes Kind in einen benachbarten Wald getragen, dort getödtet und hinter einen Busch geworfen hatte. Die Art des Tödtens war noch besonders grausam; sie selbst, die Kindsmörderin, gab an: das zappelnde Knäb- lein bei den Füßen gefaßt und es dann mit der Faust auf den Kopf der Art geschlagen zu haben, daß der Tod erfolgte. Die schweren Kopfverle- tzungen, das mangelnde linke Ohr, die gebroche- nen, sonst so biegsamen Schädelknochen, die Blut- sugillationen, kurz: Alles sprach dafür, und selbst der Vertheidiger nahm dies an, daß die Mörde- rin das Kind mit den Füßen erfaßt und gegen einen Baum geschleudert habe. -- Die Mörde- rin blieb während den Verhandlungen sehr ruhig und behauptet, dies in einem Zustande der Gei- stesverwirrung gethan zu haben, und wußte sich von der That nichts mehr zu erinnern, während sie früher die That auf die zuerst beschriebene Weise erzählt hatte. Neuestes. Frankfurt, 30. Mai. Generallieutenant v. Radowitz traf gestern Abend unerwartet von Er- furt hier ein und begab sich heute Morgen nach Baden=Baden, wo er seine durch die jüngsten anstrengenden Geschäfte, sowie durch Familienschick- sale sehr gebeugte Gesundheit in der stärkenden Luft dieses schönen Bades, fern von allen diplo- matischen Geschäften wieder stärken will. ( Fr. Journal. ) Frankfurt, 30. Mai. Admiral Kotzebue ist hier angekommen. Vom Neckar, 29. Mai. Die Ministererisis, deren ich in meinem Briefe vom 24. Mai Er- wähnung that, ist überstanden. Die Minister blei- ben vorläufig in ihren Aemtern. Es ist dies der klugen Berechnung zu verdanken, mit welcher der Minister des Jnnern, v. Schlayer, die Protesta- tion der Standesherren gegen die Bildung einer Staatsverfassung ohne Beachtung der ihnen in Art. 14 der Bundesakte vom 8. Juni 1815 versicherten Rechte -- wiewohl sie nur an den König gerichtet war --, der Ständeversammlung im rechten Moment überliefert, und die Gelegen- heit benützt hat, sich in einer entschiedenen Weise für das Princip der Gleichheit und gegen die Forderungen der vormaligen Reichsstände auszu- sprechen. Aus Thüringen, 25. Mai. Auf der Wart- burg tagen jetzt wieder viele Studenten, die sich „Progressisten“ nennen. Jhr Streben geht dahin, das Duellwesen von den Universitäten zu entfer- nen, und hiefür Ehrengerichte einzusetzen. Hannover, 28. Mai. Jn der zweiten Kam- mer hat Groß von Leer von Neuem wegen der deutschen Angelegenheiten angefragt. Minister Stüve erklärte, er wisse in der That nicht, was er antworten solle. Die Protokolle der Berliner Conferenzen seien im Druck erschienen, mehr wisse er auch nicht; in Frankfurt beschäftige man sich mit dem Entwurfe einer provisor. Verfassung. Groß, Detering, Oppermann halten diese Ant- wort für sehr ungenügend; Bueren erklärt, daß die Regierung immer so antworte. Wien, 27. Mai. Gestern Nachmittag ist der Großherzog von Toskana hier angekommen. Berlin, 27. Mai. Die Aufstellung eines großen Armeekorps am Rhein ist nun definitiv festgesetzt. ( B. Z. ) Berlin, 28. Mai. Die Truppen des russi- schen ersten Armeekorps sind Berichten von der Grenze zufolge in voller Bewegung, um sich in der Gegend von Suwalki zu konzentriren. Erfurt, 28. Mai. Generallieutenant v. Voß, unser Kommandant, ist von den Geb. Gagern ver- klagt worden, weil er sich erlaubt habe, dieselben Vagabunden zu nennen. ( M. J. ) Straßburg, 28. Mai. Von Hrn. v. Girar- din sagt „Der Elsässer“: eine Hanswurstjacke habe ebenso viel Farben, als dieser politische Pro- teus schon Meinungen vertheidigt habe. Bern, 28. Mai. Der Regierungsrath hat durch ein Kreisschreiben sämmtliche Mitglieder des Großen Raths auf Samstag den 1. Juni, Mor- gens 10 Uhr, in den Sitzungssaal auf dem Rath- hause einberufen, um sich verfassungsgemäs zu constituiren und nachher die Wahl des Regie- rungsraths vorzunehmen. Warschau, 25. Mai. Gestern Abend sind Se. Maj. der Kaiser Nikolaus und Se. kaiserl. Hoheit der Großfürst = Thronfolger von St. Pe- tersburg hier eingetroffen. -- Das „Const. Blatt aus Böhm.“ schreibt aus Kalisch, 15. Mai: Als Kaiser Alexander von Rußland die Kunde von einer in Wilna entdeckten Verschwörung erhielt, rief er aus: die Polen geben die Realität für ein Traumgebilde hin! Verantwortlicher Redakteur u. Verleger: Franz v. Faber. Frankfurter Cours. Den 30. Mai 1850. Geld. Papier. Oesterreich Bankaktien...... 1055 1060 „ 5% Metallique.... 77 77 1 / 4 „ 4% „ .... 59 39 1 / 2 „ 3% „ .... 44 1 / 4 44 3 / 4 „ 2 1 / 2 % „ .... 41 1 / 4 41 1 / 2 „ 4 1 / 2 % Bethmann... 72 73 „ 4% „ ... -- -- „ fl. 250 Loose v. J. 1839. 89 3 / 4 90 1 / 4 „ „ 500 „ „ 1834. 144 144 1 / 2 Preußen3 1 / 2 % St. Schuld Scheine.86 1 / 4 86 3 / 4 „ Thl. 50 Prämien Scheine. 103 -- Bayern3 1 / 2 % Obligationen... 83 1 / 2 84 „ 4% „ .... 88 88 1 / 2 „ 5% „ .... 100 3 / 4 101 1 / 4 Württemberg3 1 / 4 % „ .... 81 1 / 8 81 5 / 8 „ 4 1 / 2 „ .... 95 1 / 8 95 5 / 8 Baden3 1 / 2 % „ .... 78 1 / 8 78 5 / 8 „ fl. 35 Loose ...... 31 1 / 8 31 1 / 8 „ „ 50 „ ...... 51 1 / 2 52 Nassau fl. 25 „ ...... 23 3 / 8 23 7 / 8 Hessen Darmst. fl. 50 Loose... 7272 1 / 2 „ „ „ 25 „ ... 25 5 / 8 25 3 / 4 Polen fl. 300 „ ... 123 -- Sardinien Fes. 36 „... 31 3 / 8 31 5 / 8 Fremden=Anzeige Den 30. Mai 1830. Adler: Kflte.: Heid v. Stuttgart, Walter v. Cöln, Rothschild v. Frkft. Kronprinz: Se. Durchl. der Herzog v. Placas mit Fam. u. Dienersch. v. Paris. Frhr. v. Grosschedel, Gene- ralmajor und Baron v. Guttenberg, Adjutant v. Bayrenth. Kreß, Oberzollinsp. v. Marktbr. Kflte.: Diest v. Frkft., Leid- ner v. Mannh. Kleebaum: Fräul. Pertine v. Berlin. Fräul. Dietz v. Potsdam. Fritze, Kfm. v. Berleberg. Nuss. Hof: v. Fleming, k. preuß. Reggs.=Präsident v. Großen bei Zeitz. Frau v. Biarorosky v. Waitzenbach. Lier- cking, Rent. v. London. Kflte.: Lichtenberg v. Zürich, Weigle v. Ludwigsburg. Württembergerhof: Frhr. v. Lübdorf v. Stokholm. Frhr. v. Waldenfels, Hauptm. v. Frkft. Brand, Staatsrath v. Meiningen, Dr. Wögennitz, Stadtkommissär v. Erlangen. Opes, Buchhalter, Kucht, Vikar und Mahner, Pfarrer mit Frau v. Konglingen. Endreß, Gastw. v. Esselbach. Kflte.: Jansen v. Montoje, Stark v. Düsseldorf, Braun v. Erfurt, Sulzer v. Frkft., Allfeld v. Berlin. Druck von Joseph Steib in Würzburg.

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Zitationshilfe: Die Bayerische Presse. Nr. 130. Würzburg, 31. Mai 1850, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_bayerische130_1850/4>, abgerufen am 28.04.2024.