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Die Bayerische Presse. Nr. 163. Würzburg, 9. Juli 1850.

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Die Bayerische Presse.
[Beginn Spaltensatz]
Abonnement:
Ganzjährig 6 fl.
Halbjährig 3 fl.
Vierteljährig 1 fl. 30 kr.
Monatlich für die Stadt 30 kr.

[Spaltenumbruch]
Eine constitutionell-monarchische Zeitung.
[Spaltenumbruch]

Erpedition: Jm Schenkhofe 2. Distr.
Nr. 533.

Einrückungsgebühr: die gespaltene Pe-
titzeile oder deren Raum 3 kr. Briefe
und Gelder frei.

[Ende Spaltensatz]

Nr. 163.
Würzburg, Dinstag den 9. Juli. 1850.


[Beginn Spaltensatz]
Das Uebel der Zeit.
( Schluß. )

Aber dieser angebliche Tyrann, der allgemeine
Urheber der Dinge, wer weiß, vielleicht habt Jhr
ihn nicht begriffen. Dieser Schmerz, den er Al-
len auferlegt hat, vielleicht ist er eine Prüfung,
eine unvermeidliche, nothwendige, und auf andere
Weise hinreichend belohnte Prüfung. Verweilen
wir einen Augenblick bei ihm, und wir werden
vielleicht gerechter gegen ihn sein, wie wir gerech-
ter sind gegen die sociale Ordnung, nachdem wir
sie geprüft und begriffen haben. Zum Dreieck
gehören drei Winkel; dieses ist eben so nothwen-
dig, als daß der Raum Ausdehnung habe. Die-
ser Gott dürfte, scheint mir, weder ohnmächtig
noch grausam sein, wenn er diese Bedingungen
der Natur der Dinge geschaffen oder zugelassen
hat. Wenn für ihn zweimal zwei vier ist, ist er
darum weniger mächtig, weniger gut? Wäre es
d'rum nicht möglich, daß der Schmerz für die
menschliche Seele eine ähnliche Bedingung wäre?
Was ist denn das Wesen der Empfindung? Ver-
halten wir uns so gleichgültig, wie bei dem wech-
selnden Spiele der Farben, welches dem An-
schauenden weder Schmerz noch Vergnügen erregt?
Jn diesem Falle würde ich ungerührt, würde ich
unthätig bleiben. Jch fange erst dann an, wirk-
lich zu empfinden, wenn ich angenehm oder unan-
genehm berührt werde; hier stellt sich der Schmerz
ein, aber auch das Vergnügen; dem Schmerz
suche ich zu entgehen, das Vergnügen zu errei-
chen; hier ist Thätigkeit, hier ist Leben. Wäre
es besser, nicht zu sein oder weniger zu sein und
z. B. von dem Viel empfindenden Menschen zu
der Biene herabzusteigen, die nur empfindet nach
Maßgabe der zu ihrem Leben nothwendigen Be-
dingung, von der Biene zu Polypen, zur Pflanze,
zum Stein, zum Nichts? Man könnte Dieß, aber
es wäre Selbstmord. Oder vielmehr werdet ihr
sagen, daß man, anstatt herabzusteigen, sich bis
dahin emporheben muß, wo man das Uebel nicht
mehr fühlt, wo man im Schooße der Gottheit
schmerzenlos ruht. Auch Dieß gebe ich zu. Trotz-
dem werde ich euch sagen, daß es zu frühe ist.
Die Religion, welche weiter geht, als die Philo-
sophie, welche für die Bedürfnisse der menschlichen
Seele eine erhabene Achtung schöpft, die ein
Wunsch ist für Denjenigen, der nicht den vollen
Glauben hat, eine Gewißheit für Denjenigen, der
ihn hat; die Religion sagt euch: Duldet mit De-
muth, Geduld und Hoffnung, indem ihr auf Gott
blickt, der euer harret und euch belohnen wird.
So macht sie aus jedem Schmerz eine Ueber-
gangsstufe der langen Reise, welche uns zur ewi-
gen Glückselichkeit führen soll. Und davon ist der
Schmerz nur eine der Mühseligkeiten dieser un-
vermeidlichen Reise, und wenn er Leiden verur-
sacht, so folgt ihm unmittelbar die tröstende
Hoffnung.

Auch übt diese mächtige Religion, welche man
Christenthum nennt, über die Welt eine ewige
Herrschaft aus, und sie verdankt dieselbe unter
Anderem einem Vortheil, den sie vor allen andern
Religionen voraus hat. Wißt Jhr, welches die-
ser Vortheil ist? Es ist der, daß sie allein dem
Schmerz eine Bedeutung gegeben hat. Der mensch-
liche Geist hat mehr als einmal ihre Dogmen
[Spaltenumbruch] beanstandet, niemals ihre Moral und soweit es
ihr Verständniß des menschlichen Herzens betrifft.
Das Heidenthum konnte dem ersten Blick eines
Sokrates oder eines Cicero nicht widerstehen;
denn diese Religion, bestehend in fabelhaften Mähr-
chen, viel mehr anmuthige Poesie als Religion,
Geschichte der Leidenschaften, der Liebeshändel, der
Freuden und der Schmerzen der Götter, war nur
eine in den Himmel versetzte Geschichte von Kö-
nigen. Als Geschichte war sie nur eine fabelhafte
Chronik, als Moral ein Aergerniß. Aber dieje-
nige, welche kam und sagte: Es ist nur ein Gott,
er hat selbst gelitten, gelitten für Euch; diejenige,
welche ihn am Kreuze zeigte, war es, die die
Menschen sich unterwarf, indem sie ihrer Vernunft
entsprach durch die Jdee der Einheit Gottes, in-
dem sie ihr Herz rührte durch die Verklärung des
Schmerzes. Und wie wunderbar, dieser leidende,
den Menschen in den Qualen des Kreuzestodes
gezeigte Gott ist tausendmal mehr von den Men-
schen angebetet worden, als der Jupiter des Phi-
dias in seiner ruhigen Heiterkeit, in seiner maje-
stätischen Schönheit. Die Künste haben ihm eine
Erhabenheit verliehen, weit über alle Erhabenheit
des Jupiters der Alten. Und dieses ist das ganze
Geheimniß des Unterschieds zwischen der alten und
der neuen Kunst: die erste überlegen durch die
Form, die zweite durch das Gefühl; die eine be-
gabt mit einem Körper, die andere mit einer
Seele. So dauert denn auch, während das Hei-
denthum keinen Augenblick die Prüfung der mensch-
lichen Vernunft aushalten konnte, das Christen-
thum fort, auch nachdem Descartes die Grund-
lage der Gewißheit gelegt hat, auch nachdem Gal-
liläi die Bewegung der Erde entdeckt, Newton die
Kraft der Anziehung entdeckt, Voltaire und Rous-
seau die Throne gestürtzt haben. Und alle weisen
Staatsmänner, ohne über die Dogmen zu richten,
die nur einen Richter -- den Glauben -- haben,
wünschen, daß es fortdaure. Sprecht also zu dem
Volke, wie die Religion. Ohne in ihm das ge-
rechte Gefühl seiner Rechte zu schwächen, ohne der
Trägheit oder dem bösen Willen der Gewaltha-
ber zu schmeicheln, saget ihm bei All' dem, daß
es für Alle unvermeidliche Schmerzen gibt, die in
dem Wesen der menschlichen Seele selbst begrün-
det sind, welche nicht der Reiche ihm verursacht
hat, welche Gott allein in seine Seele legte, um
es aus der Unthätigkeit in die Thätigkeit, welche
das Leben ist, zu versetzen. Saget ihm dieses,
wenn ihr nicht seinen Schmerz verdoppeln und in
eine ruchlose Wuth verwandeln wollt, welche sich
gegen es selbst wenden wird, wie eine Wasse in
ungeschickter Hand sowohl Diejenigen vernichtet,
welche sie trifft, als Diejenigen, die sie führen.
Nicht die Gleichgültigkeit gegen die Leiden des
Volks rufe ich an, sondern die gerechte Würdi-
gung dieser Leiden und die Erkenntniß, die An-
wendung der wahren Heilmittel.   Thiers.

Landtagsverhandlungen.

München, 5. Juli. ( CXLVI. Sitzung der
Kammer der Abgeordneten.
) Die Gallerien
sind schwach besetzt. Am Ministertische: v. d.
Pfordten, v. Ringelmann und mehrere Ministe-
rialräthe. Der I. Präsident eröffnet um halb 5
[Spaltenumbruch] Uhr die Sitzung. Nach Verlesung des letzten
Sitzungsprotokolls betritt Staatsminister v. d.
Pfordten die Rednerbühne und macht der Kam-
mer folgende Eröffnung: Da die hohe Kammer
nicht sehr lange Zeit noch versammelt sein werde
und durch die lange Berathungszeit schon erschöpft
sein möchte, so sehe sich das Ministerium veran-
laßt, einen Gesetzentwurf einzubringen, nach wel-
chem die Ausschüsse ermächtigt sein sollen, folgende
Gesetze endgültig zu berathen: 1 ) Strafprozeß-
ordnung beim Heere; 2 ) Notariatsordnung; 3 )
Gesetzentwurf für kaufmännische Anweisungen;
( die 3 Gesetze durch die Gesetzgebungsausschüsse )
4 ) Notariats=Tax=Wesen; 5 ) Forstwesensentwürfe
( diese letzteren durch den Finanzausschuß ) . Zu
diesem Behufe sollten die Ausschüsse mit 3 Mit-
gliedern verstärkt werden. -- Protokolle und Be-
schlüsse seien durch Druck zu veröffentlichen. --
Folgende beide Gesetzentwürfe müßten jedoch noch
vor Schluß des Landtages erledigt werden: " Ge-
setzentwurf, die Moratorien betr.," und zweitens
"Gesetzentwurf, die Bestrafung des Jagdfrevels
betr." Es wird hierauf zur Berathung des Etats
der Landbauten geschritten. -- Der Ausschuß be-
antragt a ) für das Staatsministerium des Jnnern
59,000 fl., b ) für Erziehung und Bildung
94,297 fl., c ) für Cultus 110,320 fl., d ) für Sicher-
heit u. resp. Gefängnißbauten 126,150 fl., in Sum-
me 389,767 fl. Ferner wurden vom Ausschusse
noch für den Reservefond 10,233 fl. bewilligt,
demnach für den ganzen Neubauetat eine Verwen-
dungssumme von 200,000 fl. für ein Jahr der
VI. Finanzperiode bestimmt wurde. -- Wie-
denhofer
beantragt weitere 10,000 fl. für Neu-
bauten des Kreises Oberpfalz. -- Neuffer be-
antragt 10,000 fl. zum Wiederaufbau des Thea-
ters in Regensburg. -- Rudhart wünscht im
Falle der Nichtannahme des Neuffer'schen Antra-
ges: es sei der Stadt Regensburg zum Zwecke
des Wiederaufbaues der Bauplatz und das Brand-
Affekuranzkapitals zu überlassen. Nach einer, sehr
Erheiterung erregenden Erzählung des Pfarrers
Kronberger, seine ruinösen Pfarrgebäude betr.,
nachdem ferner noch mehrere andere Redner Be-
merkungen gemacht hatten, vertritt Staatsminister
v. d. Pfordten nochmals die von der Regie-
rung verlangten hoheren Postulate. -- Lerchen-
feld
spricht wie auch Staatsminister v. d. Pford-
ten für den Antrag Rudhart's, ja sogar glaubt
derselbe, daß der Staat keine bessere Spekulation
machen könnte, als alle derartigen Staatsgebäude
herzuschenken, denn die Baulasten derselben mach-
ten beiweitem größere Auslagen, als die Zinsen
des Werthkapitals betrügen. Nach den letzten
Bemerkungen des Referenten wird zur Abstim-
mung geschritten. Es wurde dem Antrage des
Ausschusses hinsichtlich der Postulate, dem Antrage
Rudhart's und nachfolgenden beiden Anträgen des
Ausschusses: "die Herstellung und Unterhaltung
von Gebäuden des Cultus und Unterrichts, dann
der Communen, bei denen dem Staate die Bau-
pflicht ganz oder theilweise obliegt, sei im Wege
des Vertrages auf diese zu übertragen und sich
hiedurch nach und nach der Baulast zu erledigen."
"Die kgl. Staatsregierung möge sich insbesondere
allenthalben, wo nicht besondere Verhältnisse eine
Ausnahme erheischten, der Beamten = Wohnungen

Die Bayerische Presse.
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Nr. 163.
Würzburg, Dinstag den 9. Juli. 1850.


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Das Uebel der Zeit.
( Schluß. )

Aber dieser angebliche Tyrann, der allgemeine
Urheber der Dinge, wer weiß, vielleicht habt Jhr
ihn nicht begriffen. Dieser Schmerz, den er Al-
len auferlegt hat, vielleicht ist er eine Prüfung,
eine unvermeidliche, nothwendige, und auf andere
Weise hinreichend belohnte Prüfung. Verweilen
wir einen Augenblick bei ihm, und wir werden
vielleicht gerechter gegen ihn sein, wie wir gerech-
ter sind gegen die sociale Ordnung, nachdem wir
sie geprüft und begriffen haben. Zum Dreieck
gehören drei Winkel; dieses ist eben so nothwen-
dig, als daß der Raum Ausdehnung habe. Die-
ser Gott dürfte, scheint mir, weder ohnmächtig
noch grausam sein, wenn er diese Bedingungen
der Natur der Dinge geschaffen oder zugelassen
hat. Wenn für ihn zweimal zwei vier ist, ist er
darum weniger mächtig, weniger gut? Wäre es
d'rum nicht möglich, daß der Schmerz für die
menschliche Seele eine ähnliche Bedingung wäre?
Was ist denn das Wesen der Empfindung? Ver-
halten wir uns so gleichgültig, wie bei dem wech-
selnden Spiele der Farben, welches dem An-
schauenden weder Schmerz noch Vergnügen erregt?
Jn diesem Falle würde ich ungerührt, würde ich
unthätig bleiben. Jch fange erst dann an, wirk-
lich zu empfinden, wenn ich angenehm oder unan-
genehm berührt werde; hier stellt sich der Schmerz
ein, aber auch das Vergnügen; dem Schmerz
suche ich zu entgehen, das Vergnügen zu errei-
chen; hier ist Thätigkeit, hier ist Leben. Wäre
es besser, nicht zu sein oder weniger zu sein und
z. B. von dem Viel empfindenden Menschen zu
der Biene herabzusteigen, die nur empfindet nach
Maßgabe der zu ihrem Leben nothwendigen Be-
dingung, von der Biene zu Polypen, zur Pflanze,
zum Stein, zum Nichts? Man könnte Dieß, aber
es wäre Selbstmord. Oder vielmehr werdet ihr
sagen, daß man, anstatt herabzusteigen, sich bis
dahin emporheben muß, wo man das Uebel nicht
mehr fühlt, wo man im Schooße der Gottheit
schmerzenlos ruht. Auch Dieß gebe ich zu. Trotz-
dem werde ich euch sagen, daß es zu frühe ist.
Die Religion, welche weiter geht, als die Philo-
sophie, welche für die Bedürfnisse der menschlichen
Seele eine erhabene Achtung schöpft, die ein
Wunsch ist für Denjenigen, der nicht den vollen
Glauben hat, eine Gewißheit für Denjenigen, der
ihn hat; die Religion sagt euch: Duldet mit De-
muth, Geduld und Hoffnung, indem ihr auf Gott
blickt, der euer harret und euch belohnen wird.
So macht sie aus jedem Schmerz eine Ueber-
gangsstufe der langen Reise, welche uns zur ewi-
gen Glückselichkeit führen soll. Und davon ist der
Schmerz nur eine der Mühseligkeiten dieser un-
vermeidlichen Reise, und wenn er Leiden verur-
sacht, so folgt ihm unmittelbar die tröstende
Hoffnung.

Auch übt diese mächtige Religion, welche man
Christenthum nennt, über die Welt eine ewige
Herrschaft aus, und sie verdankt dieselbe unter
Anderem einem Vortheil, den sie vor allen andern
Religionen voraus hat. Wißt Jhr, welches die-
ser Vortheil ist? Es ist der, daß sie allein dem
Schmerz eine Bedeutung gegeben hat. Der mensch-
liche Geist hat mehr als einmal ihre Dogmen
[Spaltenumbruch] beanstandet, niemals ihre Moral und soweit es
ihr Verständniß des menschlichen Herzens betrifft.
Das Heidenthum konnte dem ersten Blick eines
Sokrates oder eines Cicero nicht widerstehen;
denn diese Religion, bestehend in fabelhaften Mähr-
chen, viel mehr anmuthige Poesie als Religion,
Geschichte der Leidenschaften, der Liebeshändel, der
Freuden und der Schmerzen der Götter, war nur
eine in den Himmel versetzte Geschichte von Kö-
nigen. Als Geschichte war sie nur eine fabelhafte
Chronik, als Moral ein Aergerniß. Aber dieje-
nige, welche kam und sagte: Es ist nur ein Gott,
er hat selbst gelitten, gelitten für Euch; diejenige,
welche ihn am Kreuze zeigte, war es, die die
Menschen sich unterwarf, indem sie ihrer Vernunft
entsprach durch die Jdee der Einheit Gottes, in-
dem sie ihr Herz rührte durch die Verklärung des
Schmerzes. Und wie wunderbar, dieser leidende,
den Menschen in den Qualen des Kreuzestodes
gezeigte Gott ist tausendmal mehr von den Men-
schen angebetet worden, als der Jupiter des Phi-
dias in seiner ruhigen Heiterkeit, in seiner maje-
stätischen Schönheit. Die Künste haben ihm eine
Erhabenheit verliehen, weit über alle Erhabenheit
des Jupiters der Alten. Und dieses ist das ganze
Geheimniß des Unterschieds zwischen der alten und
der neuen Kunst: die erste überlegen durch die
Form, die zweite durch das Gefühl; die eine be-
gabt mit einem Körper, die andere mit einer
Seele. So dauert denn auch, während das Hei-
denthum keinen Augenblick die Prüfung der mensch-
lichen Vernunft aushalten konnte, das Christen-
thum fort, auch nachdem Descartes die Grund-
lage der Gewißheit gelegt hat, auch nachdem Gal-
liläi die Bewegung der Erde entdeckt, Newton die
Kraft der Anziehung entdeckt, Voltaire und Rous-
seau die Throne gestürtzt haben. Und alle weisen
Staatsmänner, ohne über die Dogmen zu richten,
die nur einen Richter -- den Glauben -- haben,
wünschen, daß es fortdaure. Sprecht also zu dem
Volke, wie die Religion. Ohne in ihm das ge-
rechte Gefühl seiner Rechte zu schwächen, ohne der
Trägheit oder dem bösen Willen der Gewaltha-
ber zu schmeicheln, saget ihm bei All' dem, daß
es für Alle unvermeidliche Schmerzen gibt, die in
dem Wesen der menschlichen Seele selbst begrün-
det sind, welche nicht der Reiche ihm verursacht
hat, welche Gott allein in seine Seele legte, um
es aus der Unthätigkeit in die Thätigkeit, welche
das Leben ist, zu versetzen. Saget ihm dieses,
wenn ihr nicht seinen Schmerz verdoppeln und in
eine ruchlose Wuth verwandeln wollt, welche sich
gegen es selbst wenden wird, wie eine Wasse in
ungeschickter Hand sowohl Diejenigen vernichtet,
welche sie trifft, als Diejenigen, die sie führen.
Nicht die Gleichgültigkeit gegen die Leiden des
Volks rufe ich an, sondern die gerechte Würdi-
gung dieser Leiden und die Erkenntniß, die An-
wendung der wahren Heilmittel.   Thiers.

Landtagsverhandlungen.

München, 5. Juli. ( CXLVI. Sitzung der
Kammer der Abgeordneten.
) Die Gallerien
sind schwach besetzt. Am Ministertische: v. d.
Pfordten, v. Ringelmann und mehrere Ministe-
rialräthe. Der I. Präsident eröffnet um halb 5
[Spaltenumbruch] Uhr die Sitzung. Nach Verlesung des letzten
Sitzungsprotokolls betritt Staatsminister v. d.
Pfordten die Rednerbühne und macht der Kam-
mer folgende Eröffnung: Da die hohe Kammer
nicht sehr lange Zeit noch versammelt sein werde
und durch die lange Berathungszeit schon erschöpft
sein möchte, so sehe sich das Ministerium veran-
laßt, einen Gesetzentwurf einzubringen, nach wel-
chem die Ausschüsse ermächtigt sein sollen, folgende
Gesetze endgültig zu berathen: 1 ) Strafprozeß-
ordnung beim Heere; 2 ) Notariatsordnung; 3 )
Gesetzentwurf für kaufmännische Anweisungen;
( die 3 Gesetze durch die Gesetzgebungsausschüsse )
4 ) Notariats=Tax=Wesen; 5 ) Forstwesensentwürfe
( diese letzteren durch den Finanzausschuß ) . Zu
diesem Behufe sollten die Ausschüsse mit 3 Mit-
gliedern verstärkt werden. -- Protokolle und Be-
schlüsse seien durch Druck zu veröffentlichen. --
Folgende beide Gesetzentwürfe müßten jedoch noch
vor Schluß des Landtages erledigt werden: „ Ge-
setzentwurf, die Moratorien betr.,“ und zweitens
„Gesetzentwurf, die Bestrafung des Jagdfrevels
betr.“ Es wird hierauf zur Berathung des Etats
der Landbauten geschritten. -- Der Ausschuß be-
antragt a ) für das Staatsministerium des Jnnern
59,000 fl., b ) für Erziehung und Bildung
94,297 fl., c ) für Cultus 110,320 fl., d ) für Sicher-
heit u. resp. Gefängnißbauten 126,150 fl., in Sum-
me 389,767 fl. Ferner wurden vom Ausschusse
noch für den Reservefond 10,233 fl. bewilligt,
demnach für den ganzen Neubauetat eine Verwen-
dungssumme von 200,000 fl. für ein Jahr der
VI. Finanzperiode bestimmt wurde. -- Wie-
denhofer
beantragt weitere 10,000 fl. für Neu-
bauten des Kreises Oberpfalz. -- Neuffer be-
antragt 10,000 fl. zum Wiederaufbau des Thea-
ters in Regensburg. -- Rudhart wünscht im
Falle der Nichtannahme des Neuffer'schen Antra-
ges: es sei der Stadt Regensburg zum Zwecke
des Wiederaufbaues der Bauplatz und das Brand-
Affekuranzkapitals zu überlassen. Nach einer, sehr
Erheiterung erregenden Erzählung des Pfarrers
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nachdem ferner noch mehrere andere Redner Be-
merkungen gemacht hatten, vertritt Staatsminister
v. d. Pfordten nochmals die von der Regie-
rung verlangten hoheren Postulate. -- Lerchen-
feld
spricht wie auch Staatsminister v. d. Pford-
ten für den Antrag Rudhart's, ja sogar glaubt
derselbe, daß der Staat keine bessere Spekulation
machen könnte, als alle derartigen Staatsgebäude
herzuschenken, denn die Baulasten derselben mach-
ten beiweitem größere Auslagen, als die Zinsen
des Werthkapitals betrügen. Nach den letzten
Bemerkungen des Referenten wird zur Abstim-
mung geschritten. Es wurde dem Antrage des
Ausschusses hinsichtlich der Postulate, dem Antrage
Rudhart's und nachfolgenden beiden Anträgen des
Ausschusses: „die Herstellung und Unterhaltung
von Gebäuden des Cultus und Unterrichts, dann
der Communen, bei denen dem Staate die Bau-
pflicht ganz oder theilweise obliegt, sei im Wege
des Vertrages auf diese zu übertragen und sich
hiedurch nach und nach der Baulast zu erledigen.“
„Die kgl. Staatsregierung möge sich insbesondere
allenthalben, wo nicht besondere Verhältnisse eine
Ausnahme erheischten, der Beamten = Wohnungen

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[0001] Die Bayerische Presse. Abonnement: Ganzjährig 6 fl. Halbjährig 3 fl. Vierteljährig 1 fl. 30 kr. Monatlich für die Stadt 30 kr. Eine constitutionell-monarchische Zeitung. Erpedition: Jm Schenkhofe 2. Distr. Nr. 533. Einrückungsgebühr: die gespaltene Pe- titzeile oder deren Raum 3 kr. Briefe und Gelder frei. Nr. 163. Würzburg, Dinstag den 9. Juli. 1850. Das Uebel der Zeit. ( Schluß. ) Aber dieser angebliche Tyrann, der allgemeine Urheber der Dinge, wer weiß, vielleicht habt Jhr ihn nicht begriffen. Dieser Schmerz, den er Al- len auferlegt hat, vielleicht ist er eine Prüfung, eine unvermeidliche, nothwendige, und auf andere Weise hinreichend belohnte Prüfung. Verweilen wir einen Augenblick bei ihm, und wir werden vielleicht gerechter gegen ihn sein, wie wir gerech- ter sind gegen die sociale Ordnung, nachdem wir sie geprüft und begriffen haben. Zum Dreieck gehören drei Winkel; dieses ist eben so nothwen- dig, als daß der Raum Ausdehnung habe. Die- ser Gott dürfte, scheint mir, weder ohnmächtig noch grausam sein, wenn er diese Bedingungen der Natur der Dinge geschaffen oder zugelassen hat. Wenn für ihn zweimal zwei vier ist, ist er darum weniger mächtig, weniger gut? Wäre es d'rum nicht möglich, daß der Schmerz für die menschliche Seele eine ähnliche Bedingung wäre? Was ist denn das Wesen der Empfindung? Ver- halten wir uns so gleichgültig, wie bei dem wech- selnden Spiele der Farben, welches dem An- schauenden weder Schmerz noch Vergnügen erregt? Jn diesem Falle würde ich ungerührt, würde ich unthätig bleiben. Jch fange erst dann an, wirk- lich zu empfinden, wenn ich angenehm oder unan- genehm berührt werde; hier stellt sich der Schmerz ein, aber auch das Vergnügen; dem Schmerz suche ich zu entgehen, das Vergnügen zu errei- chen; hier ist Thätigkeit, hier ist Leben. Wäre es besser, nicht zu sein oder weniger zu sein und z. B. von dem Viel empfindenden Menschen zu der Biene herabzusteigen, die nur empfindet nach Maßgabe der zu ihrem Leben nothwendigen Be- dingung, von der Biene zu Polypen, zur Pflanze, zum Stein, zum Nichts? Man könnte Dieß, aber es wäre Selbstmord. Oder vielmehr werdet ihr sagen, daß man, anstatt herabzusteigen, sich bis dahin emporheben muß, wo man das Uebel nicht mehr fühlt, wo man im Schooße der Gottheit schmerzenlos ruht. Auch Dieß gebe ich zu. Trotz- dem werde ich euch sagen, daß es zu frühe ist. Die Religion, welche weiter geht, als die Philo- sophie, welche für die Bedürfnisse der menschlichen Seele eine erhabene Achtung schöpft, die ein Wunsch ist für Denjenigen, der nicht den vollen Glauben hat, eine Gewißheit für Denjenigen, der ihn hat; die Religion sagt euch: Duldet mit De- muth, Geduld und Hoffnung, indem ihr auf Gott blickt, der euer harret und euch belohnen wird. So macht sie aus jedem Schmerz eine Ueber- gangsstufe der langen Reise, welche uns zur ewi- gen Glückselichkeit führen soll. Und davon ist der Schmerz nur eine der Mühseligkeiten dieser un- vermeidlichen Reise, und wenn er Leiden verur- sacht, so folgt ihm unmittelbar die tröstende Hoffnung. Auch übt diese mächtige Religion, welche man Christenthum nennt, über die Welt eine ewige Herrschaft aus, und sie verdankt dieselbe unter Anderem einem Vortheil, den sie vor allen andern Religionen voraus hat. Wißt Jhr, welches die- ser Vortheil ist? Es ist der, daß sie allein dem Schmerz eine Bedeutung gegeben hat. Der mensch- liche Geist hat mehr als einmal ihre Dogmen beanstandet, niemals ihre Moral und soweit es ihr Verständniß des menschlichen Herzens betrifft. Das Heidenthum konnte dem ersten Blick eines Sokrates oder eines Cicero nicht widerstehen; denn diese Religion, bestehend in fabelhaften Mähr- chen, viel mehr anmuthige Poesie als Religion, Geschichte der Leidenschaften, der Liebeshändel, der Freuden und der Schmerzen der Götter, war nur eine in den Himmel versetzte Geschichte von Kö- nigen. Als Geschichte war sie nur eine fabelhafte Chronik, als Moral ein Aergerniß. Aber dieje- nige, welche kam und sagte: Es ist nur ein Gott, er hat selbst gelitten, gelitten für Euch; diejenige, welche ihn am Kreuze zeigte, war es, die die Menschen sich unterwarf, indem sie ihrer Vernunft entsprach durch die Jdee der Einheit Gottes, in- dem sie ihr Herz rührte durch die Verklärung des Schmerzes. Und wie wunderbar, dieser leidende, den Menschen in den Qualen des Kreuzestodes gezeigte Gott ist tausendmal mehr von den Men- schen angebetet worden, als der Jupiter des Phi- dias in seiner ruhigen Heiterkeit, in seiner maje- stätischen Schönheit. Die Künste haben ihm eine Erhabenheit verliehen, weit über alle Erhabenheit des Jupiters der Alten. Und dieses ist das ganze Geheimniß des Unterschieds zwischen der alten und der neuen Kunst: die erste überlegen durch die Form, die zweite durch das Gefühl; die eine be- gabt mit einem Körper, die andere mit einer Seele. So dauert denn auch, während das Hei- denthum keinen Augenblick die Prüfung der mensch- lichen Vernunft aushalten konnte, das Christen- thum fort, auch nachdem Descartes die Grund- lage der Gewißheit gelegt hat, auch nachdem Gal- liläi die Bewegung der Erde entdeckt, Newton die Kraft der Anziehung entdeckt, Voltaire und Rous- seau die Throne gestürtzt haben. Und alle weisen Staatsmänner, ohne über die Dogmen zu richten, die nur einen Richter -- den Glauben -- haben, wünschen, daß es fortdaure. Sprecht also zu dem Volke, wie die Religion. Ohne in ihm das ge- rechte Gefühl seiner Rechte zu schwächen, ohne der Trägheit oder dem bösen Willen der Gewaltha- ber zu schmeicheln, saget ihm bei All' dem, daß es für Alle unvermeidliche Schmerzen gibt, die in dem Wesen der menschlichen Seele selbst begrün- det sind, welche nicht der Reiche ihm verursacht hat, welche Gott allein in seine Seele legte, um es aus der Unthätigkeit in die Thätigkeit, welche das Leben ist, zu versetzen. Saget ihm dieses, wenn ihr nicht seinen Schmerz verdoppeln und in eine ruchlose Wuth verwandeln wollt, welche sich gegen es selbst wenden wird, wie eine Wasse in ungeschickter Hand sowohl Diejenigen vernichtet, welche sie trifft, als Diejenigen, die sie führen. Nicht die Gleichgültigkeit gegen die Leiden des Volks rufe ich an, sondern die gerechte Würdi- gung dieser Leiden und die Erkenntniß, die An- wendung der wahren Heilmittel. Thiers. Landtagsverhandlungen. München, 5. Juli. ( CXLVI. Sitzung der Kammer der Abgeordneten. ) Die Gallerien sind schwach besetzt. Am Ministertische: v. d. Pfordten, v. Ringelmann und mehrere Ministe- rialräthe. Der I. Präsident eröffnet um halb 5 Uhr die Sitzung. Nach Verlesung des letzten Sitzungsprotokolls betritt Staatsminister v. d. Pfordten die Rednerbühne und macht der Kam- mer folgende Eröffnung: Da die hohe Kammer nicht sehr lange Zeit noch versammelt sein werde und durch die lange Berathungszeit schon erschöpft sein möchte, so sehe sich das Ministerium veran- laßt, einen Gesetzentwurf einzubringen, nach wel- chem die Ausschüsse ermächtigt sein sollen, folgende Gesetze endgültig zu berathen: 1 ) Strafprozeß- ordnung beim Heere; 2 ) Notariatsordnung; 3 ) Gesetzentwurf für kaufmännische Anweisungen; ( die 3 Gesetze durch die Gesetzgebungsausschüsse ) 4 ) Notariats=Tax=Wesen; 5 ) Forstwesensentwürfe ( diese letzteren durch den Finanzausschuß ) . Zu diesem Behufe sollten die Ausschüsse mit 3 Mit- gliedern verstärkt werden. -- Protokolle und Be- schlüsse seien durch Druck zu veröffentlichen. -- Folgende beide Gesetzentwürfe müßten jedoch noch vor Schluß des Landtages erledigt werden: „ Ge- setzentwurf, die Moratorien betr.,“ und zweitens „Gesetzentwurf, die Bestrafung des Jagdfrevels betr.“ Es wird hierauf zur Berathung des Etats der Landbauten geschritten. -- Der Ausschuß be- antragt a ) für das Staatsministerium des Jnnern 59,000 fl., b ) für Erziehung und Bildung 94,297 fl., c ) für Cultus 110,320 fl., d ) für Sicher- heit u. resp. Gefängnißbauten 126,150 fl., in Sum- me 389,767 fl. Ferner wurden vom Ausschusse noch für den Reservefond 10,233 fl. bewilligt, demnach für den ganzen Neubauetat eine Verwen- dungssumme von 200,000 fl. für ein Jahr der VI. Finanzperiode bestimmt wurde. -- Wie- denhofer beantragt weitere 10,000 fl. für Neu- bauten des Kreises Oberpfalz. -- Neuffer be- antragt 10,000 fl. zum Wiederaufbau des Thea- ters in Regensburg. -- Rudhart wünscht im Falle der Nichtannahme des Neuffer'schen Antra- ges: es sei der Stadt Regensburg zum Zwecke des Wiederaufbaues der Bauplatz und das Brand- Affekuranzkapitals zu überlassen. Nach einer, sehr Erheiterung erregenden Erzählung des Pfarrers Kronberger, seine ruinösen Pfarrgebäude betr., nachdem ferner noch mehrere andere Redner Be- merkungen gemacht hatten, vertritt Staatsminister v. d. Pfordten nochmals die von der Regie- rung verlangten hoheren Postulate. -- Lerchen- feld spricht wie auch Staatsminister v. d. Pford- ten für den Antrag Rudhart's, ja sogar glaubt derselbe, daß der Staat keine bessere Spekulation machen könnte, als alle derartigen Staatsgebäude herzuschenken, denn die Baulasten derselben mach- ten beiweitem größere Auslagen, als die Zinsen des Werthkapitals betrügen. Nach den letzten Bemerkungen des Referenten wird zur Abstim- mung geschritten. Es wurde dem Antrage des Ausschusses hinsichtlich der Postulate, dem Antrage Rudhart's und nachfolgenden beiden Anträgen des Ausschusses: „die Herstellung und Unterhaltung von Gebäuden des Cultus und Unterrichts, dann der Communen, bei denen dem Staate die Bau- pflicht ganz oder theilweise obliegt, sei im Wege des Vertrages auf diese zu übertragen und sich hiedurch nach und nach der Baulast zu erledigen.“ „Die kgl. Staatsregierung möge sich insbesondere allenthalben, wo nicht besondere Verhältnisse eine Ausnahme erheischten, der Beamten = Wohnungen

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Zitationshilfe: Die Bayerische Presse. Nr. 163. Würzburg, 9. Juli 1850, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_bayerische163_1850/1>, abgerufen am 21.11.2024.