Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen. Nr. 12. Berlin, 26. Juli 1740.[Beginn Spaltensatz]
Gelehrte Sachen. Wir werden diesesmahl die Fortsetzung des Breitin- Ein vornehmer Liebhaber der Warheit, dessen Ver- " Die Warheit schreibt dieß Blatt, und nicht ein knech- tisch Heuchlen: " Die nie geschmeichelt hat, die wird auch dir nicht schmeicheln. " Man sihet itzt in dir der Künste Schutzgott an: " Jsts möglich, daß ich mich des Danks entbrechen kann? " Man sieht dein eifriges, dein redliches Bemühen, " Die Menschen aus dem Schooß des Vorurtheils zu ziehen. " Wenn solch ein Arm mich stützt, und meine Würde zeigt, " So wird mir jedes Herz und jede Brust geneigt. " So wird kein Grosser mehr sich meiner Lehren schä- men; " So werd ich Ehr und Glanz wie vormahls überneh- men. Sie beklagt sich hierauf, daß viele sie nicht kennen, " Der eine kennt mich nicht, und mag mich auch nicht kennen; " Der andre scheuet sich, sich meinen Freund zu nennen; " Den nimmt die Finsterniß der Alterthümer ein; " Wer Wolfens Schüler ist, muß gleich ein Ketzer seyn; Gegenwärtig aber fasset sie neuen Muth, und sie " Und seh ich nicht bereits, daß mir mein Wunsch ge- lingt, " Daß Warheit und Vernunft die Finsterniß durch- dringt? " Und ist mir nicht bereits in Friedrichs weiten Staa- ten, " Ein ungleich schönrer Sieg, als irgendwo geraten? " Dort wo itzt alles jauchzt, wo Mars und Pallas blühn, " Die Königliche Stadt, das prächtige Berlin " Ahmt seinem Fürsten nach, und ehrt mit edlen Trieben, " Was die Vernunft uns lehrt, und sucht es auszuüben. " O! wem vergleicht man dich, du Preis der deutschen Welt! " Wann sich der Warheit Sitz in deinen Mauren hält? " Gekrönter Philosoph gesalbter Friederich! " O! fahre ferner fort, und lieb und stütze mich. " Dann soll ein ganzes Heer von Königen dir weichen: " Du solst das seltne Lob des Antonius erreichen! Zum Beschlusse redet sie endlich ihren Freund noch " Der Tag der dich der Welt, und mir zu gut gebahr, " Stelt heute dir dieß Blat und meine Wünsche dar: " GOtt leihe dich, = = = = = so lange nur der Erden, " Bis Warheit und Vernunft nicht mehr verfolget wer- den, " Und bis das Warheitschor, dem du den Grund gelegt, " Jn tausend Aesten grünt, und reife Früchte trägt: " So dient dein Beyspiel noch die Nachwelt anzuflamen, " So wird mein Wachsthum stets von deinem Eifer stammen. Die Ubersetzung von Plutarchs Abhandlung, welche Diese Nachrichten werden wöchentlich 3mahl, nemlich Dienstags, Donnerstags und Sonnabends, bey dem Königl. [Beginn Spaltensatz]
Gelehrte Sachen. Wir werden diesesmahl die Fortsetzung des Breitin- Ein vornehmer Liebhaber der Warheit, dessen Ver- „ Die Warheit schreibt dieß Blatt, und nicht ein knech- tisch Heuchlen: „ Die nie geschmeichelt hat, die wird auch dir nicht schmeicheln. „ Man sihet itzt in dir der Künste Schutzgott an: „ Jsts möglich, daß ich mich des Danks entbrechen kann? „ Man sieht dein eifriges, dein redliches Bemühen, „ Die Menschen aus dem Schooß des Vorurtheils zu ziehen. „ Wenn solch ein Arm mich stützt, und meine Würde zeigt, „ So wird mir jedes Herz und jede Brust geneigt. „ So wird kein Grosser mehr sich meiner Lehren schä- men; „ So werd ich Ehr und Glanz wie vormahls überneh- men. Sie beklagt sich hierauf, daß viele sie nicht kennen, „ Der eine kennt mich nicht, und mag mich auch nicht kennen; „ Der andre scheuet sich, sich meinen Freund zu nennen; „ Den nimmt die Finsterniß der Alterthümer ein; „ Wer Wolfens Schüler ist, muß gleich ein Ketzer seyn; Gegenwärtig aber fasset sie neuen Muth, und sie „ Und seh ich nicht bereits, daß mir mein Wunsch ge- lingt, „ Daß Warheit und Vernunft die Finsterniß durch- dringt? „ Und ist mir nicht bereits in Friedrichs weiten Staa- ten, „ Ein ungleich schönrer Sieg, als irgendwo geraten? „ Dort wo itzt alles jauchzt, wo Mars und Pallas blühn, „ Die Königliche Stadt, das prächtige Berlin „ Ahmt seinem Fürsten nach, und ehrt mit edlen Trieben, „ Was die Vernunft uns lehrt, und sucht es auszuüben. „ O! wem vergleicht man dich, du Preis der deutschen Welt! „ Wann sich der Warheit Sitz in deinen Mauren hält? „ Gekrönter Philosoph gesalbter Friederich! „ O! fahre ferner fort, und lieb und stütze mich. „ Dann soll ein ganzes Heer von Königen dir weichen: „ Du solst das seltne Lob des Antonius erreichen! Zum Beschlusse redet sie endlich ihren Freund noch „ Der Tag der dich der Welt, und mir zu gut gebahr, „ Stelt heute dir dieß Blat und meine Wünsche dar: „ GOtt leihe dich, = = = = = so lange nur der Erden, „ Bis Warheit und Vernunft nicht mehr verfolget wer- den, „ Und bis das Warheitschor, dem du den Grund gelegt, „ Jn tausend Aesten grünt, und reife Früchte trägt: „ So dient dein Beyspiel noch die Nachwelt anzuflam̅en, „ So wird mein Wachsthum stets von deinem Eifer stammen. 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Gelehrte Sachen.
Wir werden diesesmahl die Fortsetzung des Breitin-
gers in das nächste Blatt verspahren, und der
folgenden Schrift den heutigen Platz einräumen.
Ein vornehmer Liebhaber der Warheit, dessen Ver-
dienste und Namen wir hier verschweigen, feyerte hier
verwichenen Freytag sein Geburtsfest. Man überlie-
ferte ihm an eben diesem Tage ein Pacquet ohne Ort
und ohne Namen, in welchem er ein kleines sehr sau-
ber gedrucktes Werk fand, welches ein Schreiben
der Warheit an ihren Freund, und Plutarchs
Abhandlung, daß ein Weiser hauptsächlich
mit Königen und Fürsten umgehen soll, ent-
hält. Das Schreiben der Warheit ist in sehr artigen
Versen abgefaßt, und zeigt verschiedene besonders schö-
ne Stellen. Sie lässet ihrem Freunde Recht wieder-
fahren, welcher ihr die wichtigsten Dienste geleistet hat.
Wir wollen sie selbst hören:
„ Die Warheit schreibt dieß Blatt, und nicht ein knech-
tisch Heuchlen:
„ Die nie geschmeichelt hat, die wird auch dir nicht
schmeicheln.
„ Man sihet itzt in dir der Künste Schutzgott an:
„ Jsts möglich, daß ich mich des Danks entbrechen kann?
„ Man sieht dein eifriges, dein redliches Bemühen,
„ Die Menschen aus dem Schooß des Vorurtheils zu
ziehen.
„ Wenn solch ein Arm mich stützt, und meine Würde
zeigt,
„ So wird mir jedes Herz und jede Brust geneigt.
„ So wird kein Grosser mehr sich meiner Lehren schä-
men;
„ So werd ich Ehr und Glanz wie vormahls überneh-
men.
Sie beklagt sich hierauf, daß viele sie nicht kennen,
noch sie kennen wollen, und daß andere zu furchtsam
sind, sich für sie zu erklären, welches sie folgender ge-
stalt ausdrücket:
„ Der eine kennt mich nicht, und mag mich auch nicht
kennen;
„ Der andre scheuet sich, sich meinen Freund zu nennen;
„ Den nimmt die Finsterniß der Alterthümer ein;
„ Wer Wolfens Schüler ist, muß gleich ein Ketzer seyn;
Gegenwärtig aber fasset sie neuen Muth, und sie
zeiget ihre gerechte Hofnung in folgenden Zeilen:
„ Und seh ich nicht bereits, daß mir mein Wunsch ge-
lingt,
„ Daß Warheit und Vernunft die Finsterniß durch-
dringt?
„ Und ist mir nicht bereits in Friedrichs weiten Staa-
ten,
„ Ein ungleich schönrer Sieg, als irgendwo geraten?
„ Dort wo itzt alles jauchzt, wo Mars und Pallas blühn,
„ Die Königliche Stadt, das prächtige Berlin
„ Ahmt seinem Fürsten nach, und ehrt mit edlen Trieben,
„ Was die Vernunft uns lehrt, und sucht es auszuüben.
„ O! wem vergleicht man dich, du Preis der deutschen
Welt!
„ Wann sich der Warheit Sitz in deinen Mauren hält?
„ Gekrönter Philosoph gesalbter Friederich!
„ O! fahre ferner fort, und lieb und stütze mich.
„ Dann soll ein ganzes Heer von Königen dir weichen:
„ Du solst das seltne Lob des Antonius erreichen!
Zum Beschlusse redet sie endlich ihren Freund noch
einmahl mit diesen Worten an:
„ Der Tag der dich der Welt, und mir zu gut gebahr,
„ Stelt heute dir dieß Blat und meine Wünsche dar:
„ GOtt leihe dich, = = = = = so lange nur der Erden,
„ Bis Warheit und Vernunft nicht mehr verfolget wer-
den,
„ Und bis das Warheitschor, dem du den Grund gelegt,
„ Jn tausend Aesten grünt, und reife Früchte trägt:
„ So dient dein Beyspiel noch die Nachwelt anzuflam̅en,
„ So wird mein Wachsthum stets von deinem Eifer
stammen.
Die Ubersetzung von Plutarchs Abhandlung, welche
sich hier ungemein schickt, ist nicht weniger wohlgeraten,
und man wird sie allemahl für eines von den Stücken
der alten erkennen, welches durch eine gute Uebersetzung
bekannter zu werden verdiente. Da aber inzwischen dieser
vornehme Freund der Warheit, ungeachtet seiner Muth-
massungen, nicht weiß, wem er die ihm auf eine so sinnrei-
che Art erwiesene Ehre zuschreiben soll, so hat er uns auf-
getragen, dem unbekandten Verfasser, für diese ange-
nehme Uberraschung den verbundensten Dank zu sagen,
in der Hofnung, daß ihm dieses Blatt vielleicht zu
Gesichte kommen dürfte.
Diese Nachrichten werden wöchentlich 3mahl, nemlich Dienstags, Donnerstags und Sonnabends, bey dem Königl.
und der Societät der Wissenschaften privilegirten Buchhändler, AMBROSIUS HAUDE und dem Königl.
Hof=Post=Amt ausgegeben.
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Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
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Susanne Haaf, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation; Artikelstrukturierung
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